Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. November 2018

Jesus, der Wunderheiland

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Soeben haben wir das Evangelium von der Stillung des Seesturms durch Christus gehört, ein unerhörtes Wunder. Von Jesus werden in den Schriften des Neuen Testamentes 33 Wunder berichtet, sechzehn Krankenheilungen, zwei Totenerweckungen, sechs Dämonenaustreibungen und acht Naturwunder. Wundertaten bilden nach allen vier Evangelisten einen wesentlichen Bestandteil des öffentlichen Wirkens Jesu. Es hat nie eine Überlieferung von Jesus gegeben ohne seine Wunder. Wir kennen Jesus als Wundertäter oder wir kennen ihn überhaupt nicht. Es kann nicht Zufall sein, dass die Evangelien nur von Jesus, nicht aber von dem doch so hoch geehrten Johannes dem Täufer Wunder berichten. Sie berichten eben Geschichte, nicht Märchen. Auch die großen Rabbinen haben keine Wunder getan, sondern was von ihnen berichtet wird, sind Gebetserhörungen. Von Jesus aber wurde das Wunder getan!, nicht empfangen. Die Wunderberichte der Evangelien sind keine Legenden, sondern die Wiedergabe von Tatsachen. Man kann nicht die Verkündigung Jesu und die Taten Jesu voneinander trennen und die erste für historisch und die anderen für unhistorisch erklären. Seine Lehrtätigkeit und seine Wunder bilden in der gesamten Evangelienüberlieferung eine untrennbare Einheit. Jesus zog umher durch alle Dörfer und Städte, lehrte in den Synagogen, verkündete die Heilsbotschaft vom Reich und heilte jede Krankheit und jegliches Gebrechen. Auch die Jünger erhalten bei ihrer Aussendung die Befugnis, zu predigen und Wunder zu wirken. Beides gehört zusammen, denn beides kündet den Anbruch der Gottesherrschaft. Jesus selbst weist in seinen Reden immer wieder auf die Wunder als die Bestätigung seiner göttlichen Sendung und seiner Messiaswürde hin. Die Wunder sind ein zum Glauben verpflichtendes Zeichen. „Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wären in den Lasterstädten Tyrus und Sidon die Wunder geschehen, die bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Buße getan! Es wird ihnen beim Gericht erträglicher ergehen als euch.“ Wir kennen Jesus nur als Wundertäter. Und wie kann er den Städten Chorazin und Bethsaida ihre Unbußfertigkeit vorhalten, wenn die Wunder überhaupt nicht geschehen sind? Wie kann man einen solchen Unsinn annehmen? Die Tatsächlichkeit der Wunderwirksamkeit Jesu ist mit unzweifelhaft echten Redestücken Jesu untrennbar verknüpft. Wer die Geschichtlichkeit der Wunder Jesu leugnet, der muss auch die Worte als unecht bezeichnen, und das ist vollkommene Willkür. Die Gegner Jesu haben die Wundertätigkeit Jesu nicht bestritten, sie haben sie nur auf den Teufel zurückgeführt. Durch Beelzebub, den obersten der Teufel, treibt er die Teufel aus, so haben sie gesagt.

Die pseudowissenschaftlich verbrämte Ungläubigkeit leugnet die Wunder Jesu. Jesus sei nicht Wundertäter, sondern Psychotherapeut gewesen. Bei den von ihm geheilten Kranken handele es sich um Hysteriker. Die Versuche, diese Wunderberichte natürlich zu deuten, also als Suggestivmethode, als eine von Jesus ausgehende seelische Wirkung, diese Versuche scheitern an dem Charakter der von den Evangelien berichteten Krankheiten. Noch nie ist ein Aussätziger durch eine Suggestivmethode, durch eine Suggestivbehandlung gesund geworden. Noch nie ist ein Blinder durch Hypnose sehend geworden. Man verweist auf das Wort Jesu: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Ja, er verlangt Glauben an sich und seine Sendung, an sein Wort und an seine Taten, jawohl, das verlangt er. Aber das ist keine Suggestionsbereitschaft, das ist nicht das Vermögen, sich auf Hypnose einzulassen, was er verlangt, sondern das ist Anerkennung des Glaubens, das ist Anerkennung der Macht Gottes, die in Jesus wirksam ist. Und man muss ja auch sehen, dass es bei manchen Leuten, die Jesus geheilt hat, gar nicht deren Glaube war, sondern der Glaube anderer, den er rühmt. Als bei der Heilung des Gelähmten die Menschen staunten, da wird gesagt, es war der Glaube derer, die ihn auf dem Bett herabgelassen haben, nicht der Glaube des Gelähmten, der ihn zur Wunderwirkung bewogen hat. Ebenso war es bei der Heilung des besessenen Knaben. Dessen Vater, nicht er selbst, sprach: „Ich glaube, Herr.“ Geheilt wurde nicht er, sondern sein Sohn. Der Glaube kann erst recht nicht als Suggestionsbereitschaft verstanden werden, wenn der betreffende Kranke gar nicht vor Jesus erschien, sondern die Heilung aus der Ferne bewirkt wurde. Da kam eine kananäische Frau zu ihm, eine Heidin, und bat ihn für ihre Tochter, die zu Hause krank daniederliegt. Jesus wies sie zunächst ab: „Es ist nicht richtig, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hündlein zu geben.“ Aber sie war gewappnet: „Auch die Hündlein essen von den Brosamen, die vom Tische der Reichen fallen.“ „O Frau“, sagt Jesus, „dein Glauben ist groß, geh heim, deine Tochter ist gesund.“ Und als sie heimkam, war ihre Tochter gesund. Wenn in zahlreichen Wundererzählungen der Glaube, also das Vertrauen des zu Heilenden, als Vorbedingung für das Wunder erscheint, so handelt es sich nicht um eine psychische Verfassung, sondern um einen religiösen Akt, um den religiösen Akt der Anerkennung des Wundertäters als des Sohnes Gottes. Der Glaube, von dem Jesus spricht, ist nicht die Suggestionsbereitschaft, sondern das Sich-beugen unter den gegenwärtig gewordenen Gottessohn. Der Herr fordert Glauben für seine Wunder wie für seine Predigt. Der Wundertäter Jesus steht nicht neben dem Lehrer, sondern beide Seiten seiner Wirksamkeit bilden eine untrennbare Einheit und haben ein Ziel, nämlich die Hinwendung zu Gott. Jesus hat bei seinen Heilungen nicht von der Suggestivmethode Gebrauch gemacht. Er hat also nicht irgendwelche skurile Handlungen vorgenommen, irgendwelche Zaubersprüche dabei verwendet, er hat nicht einmal durch das Gebet geheilt, sondern durch das Aussprechen seines Willens. Ein Aussätziger kam zu ihm und bat ihn und sprach zu ihm: „Wenn du willst, kannst du mich rein machen.“ Voll Erbarmen streckte Jesus seine Hand aus und sprach zu ihm: „Ich will, sei rein!“ – und er wurde rein. Die Berührung, die uns manchmal berichtet wird, und die Auflegung der Hand dienen lediglich dazu, die Tatsächlichkeit der geschehenen Heilung zu dokumentieren und ihn selbst als den Vollbringer der Heilung zu kennzeichnen.

Der Unglaube greift sodann auf angebliche religionsgeschichtliche Parallelen zurück. Wie man im Judentum und im Heidentum von gewissen Persönlichkeiten Wunder erzählt habe, so habe man auch Jesus solche Taten angedichtet und deren Motiv aus der Umwelt übernommen. Meine lieben Freunde, die Wunder Jesu unterscheiden sich von allen hellenistischen Wundern, von denen wir Kenntnis haben, nämlich sie unterscheiden sich durch das Fehlen der Zaubermittel. Die hellenistischen Wundertäter: Apollonios von Tyana und andere heilten angeblich – die Erzählungen sind ja gar nicht beglaubigt – durch wunderbare Sprüche, Zaubersprüche; so nicht Jesus. Über die Quelle seiner Wunderkraft sagt Petrus, dass Jesus von Gott mit göttlicher Kraft ausgerüstet war. Das Gleiche bezeugt Jesus selbst: „Wenn ich durch den Geist Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Jesus war also nicht ein Wundertäter, wie die außerbiblische Religionsgeschichte sie kennt, sondern er tat seine Wunder vermöge der Kraft, die er als Messias und Gottessohn besaß. Und so konnte Johannes sagen: „Er offenbarte damit seine Herrlichkeit.“

Die Wunder setzten den Glauben voraus, aber sie konnten und wollten den Glauben nicht erzwingen. Die Juden haben ja in ihrer Masse, in ihrer großen Überzahl Jesus den Glauben verweigert. Sie staunten über seine Wunder, sie haben sie sich gefallen lassen, aber sie nahmen sie nicht zum Anlass, sich zu seiner Messianität und Gottessohnschaft zu bekehren. Die stärkste Stütze ihrer Geschichtlichkeit und die Grundlage für ihr richtiges Verständnis empfangen die Wunder Jesu aus seinem Selbstbewusstsein. Es sind Taten, Selbstoffenbarungen des Gottessohnes. Der Zweck ist nicht die Befriedigung der Sensationslust der Menge, ihr Zweck ist auch nicht die Selbstverherrlichung des Wundertäters wie bei Simon Magus, und ihr Zweck ist auch nicht die Beseitigung materieller Not. Man liest nirgends, dass es Jesus darum zu tun war, alle Kranken eines Ortes oder einer Gegend zu heilen. Er war kein Philanthrop wie Albert Schweitzer. Er hat kein Spital eingerichtet wie dieser in Lambaréné. Nein. Jesus hat nie die Kranken selbst aufgesucht, sondern sie kamen zu ihm. Er war kein Therapeut wie die „Ärzte ohne Grenzen“ unserer Tage. Sondern die Heilungssuchenden kamen entweder selbst zu ihm oder wurden zu ihm gebracht, oder Jesus wird um sein Kommen zu ihnen gebeten. Die Wunder sind auch nicht aus bloßem Mitleid mit menschlichem Elend gewirkt worden, sondern wollen als Offenbarungen der Macht Jesu, seiner Sendung verstanden werden. Das sieht man deutlich, als Johannes der Täufer zwei Jünger absandte, um Jesus zu fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Was gab da Jesus zur Antwort? „Gehet hin und meldet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, Aussätzige werden rein, Tote stehen auf und Armen wird die Heilsbotschaft verkündet. Wohl dem, der sich an mir nicht ärgert.“ Der Hinweis auf die Wundertaten beweist, dass er der gekommene Heiland ist; ohne seine Wundertaten wäre ja der Hinweis auf sie völlig sinnlos. Als Jesus das Weinwunder in Kana wirkte, offenbarte er dadurch seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn, schreibt Johannes. Und am Ende seines Evangeliums wiederholt er noch einmal: „Diese Zeichen, die Jesus wirkte, sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes.“ Seine Wundertaten sind Zeichen, sie zeigen auf etwas hin, nämlich auf seine göttliche Persönlichkeit. Das Kommen der Gottesherrschaft bedeutet, dass die Satansherrschaft zu Ende geht. Darum gehören die Wunder Jesu – am deutlichsten bei den Dämonenaustreibungen – zu seinem Kampf gegen Satan, den Urheber alles Unheils in der Welt. Die Krankenheilungen sind auch ein Protest gegen den jüdischen Vergeltungsglauben. Die Juden meinten nämlich, alle Leiden auf der Welt seien Strafen für die Sünden. Diese Meinung weist Jesus ab. Als er den Blindgeborenen geheilt hatte, fragten die Jünger: „Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern?“ „Nein“, sagte Jesus: „weder dieser noch seine Eltern haben gesündigt, sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden“, nämlich durch die Heilung. Jesus hat auch nie ein Wunder für sich selbst gewirkt, nicht zur Selbsthilfe. Nach seinem langen Fasten hungerte ihn, und der Versucher legte ihm nahe: „Sprich, dass diese Steine Brot werden.“ Jesus wies ihn ab: „Hinter mich, Satan“. Als Jesus am Kreuze hing, da empfahlen ihm die Anwesenden: „Steig herab vom Kreuz, dann werden wir glauben.“ Er stieg nicht herab. Er harrte aus bis zum letzten Blutstropfen. Die Pharisäer forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel, also ein Schauwunder. Jesus lehnte dieses Ansinnen als seiner unwürdig ab. Als er einmal von den Massen zum König ausgerufen werden sollte, da entzog er sich ihnen ganz allein auf den Berg, so heißt es im Evangelium.

Meine lieben Freunde, wir können unbesorgt sein, dass uns die Wissenschaft die Wunder Jesu entzieht. Nicht die Wissenschaft, sondern der Unglaube leugnet die Wundertaten Jesu. Die Wunder Jesu sind eine Begleitschaft seiner göttlichen Würde. Nur einmal ist Gott vom Himmel herabgestiegen und auf der Erde erschienen; nur einmal konnten daher die unerhörten Taten geschehen, die Jesus vollbracht hat. Die Massen haben es geahnt. Beim Seesturm sagten sie: „Was ist das für einer, dass ihm sogar der Wind und die Wellen gehorchen?“ Sie haben gestaunt, aber sie haben sich auch wieder beruhigt und gemeint: Nun ja, ein Prophet ist aufgestanden. Nein, meine lieben Freunde, nur einmal konnten die unerhörten Taten geschehen, weil nicht ein Prophet gekommen ist, sondern der Sohn Gottes selbst. Glauben wir und sprechen wir mit dem ersten der Apostel, mit Petrus: „Wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Sohn Gottes bist.“

Amen.

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