Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 2013

Die offenbare Herrlichkeit Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Epiphanie, der Erscheinung des Herrn Versammelte! 

Jahrtausende, Jahrhunderttausende haben die Menschen Gott gesucht. Sie wollten ihn erkennen. Sie wollten seine Wirklichkeit und seine Eigenschaften erforschen. Sie wollten ihn geneigt stimmen durch Opfergaben und Gebete, und sie wollten ihn versöhnen, wiederum durch Opfer, indem sie das Beste, was sie hatten, hingaben, manchmal ihre eigenen Söhne und Töchter. Wir wissen von Menschenopfern, welche die Heiden dargebracht haben, um die Götter zu versöhnen. Sie suchten Gott in der Natur, in den gewaltigen Erscheinungen wie Erdbeben, Gewittern, Überschwemmungen. Sie suchten Gott in der Geschichte. Sie fragten: was bedeutet es, dass wir einen Sieg erringen? Und was hat es zu besagen, dass wir eine Niederlage erleiden? Was will Gott uns damit sagen? Die Menschen suchten Gott auch im Gewissen. Sie wussten, dass eine Stimme in ihnen spricht, die sie tadelt, wenn sie Böses tun, und die sie lobt, wenn sie recht gehandelt haben. Man kann nur mit Ehrfurcht vor dem Suchen der heidnischen Menschen nach Gott stehen. Gott hat sich nicht unbezeugt gelassen. Die Menschen vor Christus und außerhalb der öffentlichen Offenbarung in Israel waren nicht von Gott verlassen. Gott bot ihnen, jedem Einzelnen, seine Gnade an. Und wir dürfen vermuten, dass manche, vielleicht viele, diese Gnade angenommen haben, indem sie ihrem Gewissen gefolgt sind. Deswegen erinnert das Zweite Vatikanische Konzil an die Kirche von Abel, dem Gerechten, an. Es gab eine Kirche vor der Kirche, eine unsichtbare Kirche vor der sichtbaren, und zu ihr gehörten alle Gerechten vor dem Erscheinen des Herrn. Die Menschen der Vorzeit haben etwas geahnt von der Macht und der Größe Gottes. Seine Wirklichkeit erschien ihnen so überragend, dass alle Völker, mit einer Ausnahme, einen Viel-Gott-Glauben hatten. Sie meinten, das Numinose, also das Göttliche, lasse sich nicht in einer einzigen Person, in einer einzigen Wirklichkeit zusammenfassen. Man müsse es zerlegen in viele Götter. Und die Athener, die besonders fromm sein wollten, bauten einen Altar dem ‚Unbekannten Gott‘. Sie wollten keinen von den Göttern vergessen haben.

Von den Einwirkungen der göttlichen Gnade auf den einzelnen Menschen, auch in der Zeit vor Christus, verschieden ist die amtliche Offenbarung. Gott hat sich ein Volk auserwählt, dem er eine öffentliche Kundmachung zugehen ließ. Es war das Volk der Juden. Das Heil kommt von den Juden, ob man will oder nicht. Mannigfach und auf vielfältige Weise hat Gott einst zu den Vätern geredet in den Propheten. Sie, diese gotterweckten Männer und Frauen, waren die Werkzeuge, deren sich Gott bediente, um seine Offenbarung zu den Menschen gelangen zu lassen. Sie hielten den Ein-Gott-Glauben in Israel aufrecht, obwohl die Juden immer wieder zu den Göttern der Umgebung neigten. Sie nährten die Erwartung auf den Erlöser. Der hervorragendste unter den Propheten ist der große Isaias. Von ihm haben wir heute in der Epistel gehört: "Auf, werde Licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn erstrahlt über dir!" Die Religionsgeschichte lehrt uns: Jahrtausende, Hunderttausende von Jahren, haben die Menschen Gott gesucht. Aber einmal ist das Suchen und das Sehnen der Menschen zu Ende. Es kommt zu einem Ziel, wenn Gott sich aufmacht, zu den Menschen zu kommen. Das Unerhörte ist geschehen: Der Unsichtbare wird sichtbar. Der unendlich Ferne wird nahe. Der Unbegreifliche kann erfasst werden. Gott wurde ein Mensch, damit er den Menschen so nahe kommen könnte wie nur möglich. Und von ihm schreibt ein Augenzeuge, Johannes: "Was da war von Anfang an, was wir gehört, was wir gesehen, was wir mit unseren Händen betastet haben, das Wort des Lebens, es ist sichtbar geworden, das ewige Leben, das beim Vater war, das wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir euch nun." Das ist die Sprache des Augenzeugen. Das ist die Sprache des Apostels, der im Abendmahlsaal an der Seite des Herrn geruht hat. Für die abendländische Christenheit liegt das Schwergewicht der Menschwerdung auf Weihnachten. Wir feiern den 25. Dezember, den Tag des Sol Invictus, der unbesiegten Sonne, die jetzt wieder länger zu scheinen beginnt. Wir feiern diesen Tag, weil er ein historisches Datum ist. An diesem Tage kam das Licht der Welt zur Erde. Die morgenländische Christenheit feiert auch diesen Tag, aber sie verbindet ihn mit der Epiphanie, mit dem Erscheinen des Herrn, mit dem Sichtbarwerden seiner großen Herrlichkeit. Gottes Herrlichkeit ist sichtbar geworden, und die Kirche zeigt uns diese Sichtbarkeit in drei Bildern. Erstens in dem Erscheinen der Magier, zweitens in der Taufe des Herrn im Jordan und drittens bei dem Wunderwirken auf der Hochzeit zu Kana.

Die Herrlichkeit Gottes hatte sich einst auf dem Tempel niedergelassen, auf der Bundeslade, und nur mit Erschütterung betraten die Priester einmal im Jahre das Allerheiligste. Jetzt aber hat sich die Herrlichkeit Gottes niedergelassen auf dem Menschen Jesus von Nazareth. "Wir haben seine Herrlichkeit gesehen", sagt Johannes, "die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater." Die erste Weise, wie sich Gott offenbart, wie seine Herrlichkeit erscheint, ist die Anbetung der Weisen. Ein Stern verkündet die Geburt des neuen Königs, nicht nur von Juda, sondern der ganzen Welt. Wer ist geboren? Der die Welt der Sterne geschaffen hat und der ihren Lauf lenkt. Der ist geboren, von dem Johannes sagt: "Durch ihn ist alles geworden, und nichts was geworden ist, ist ohne ihn geworden." So wird es weitergehen im Leben dieses Kindes. Die Natur bezeugt, dass ihr Schöpfer gekommen ist. Die Himmel erkannten diesen Gott, indem sie einen Stern sandten. Das Meer erkannte ihn, indem es seinen Füßen als tragfähig sich erwies. Die Erde erkannte ihn, denn sie bebte, als er starb. Die Sonne erkannte ihn, denn sie verbarg sich, als das Leben am Kreuze verblich. Die Felsen erkannten ihn, denn sie zersprangen bei seinem Tode. Ja sogar die Unterwelt erkannte ihn, denn sie gab ihre Toten heraus. Aber nicht nur die Natur verkündet die Herrlichkeit des Sohnes Gottes. Auch die Menschen stimmen in den Lobpreis ein. Gelehrte des Ostens folgen der Führung des Sternes. Der ist geboren, der in die Herzen hineingreift und sie anregt, sich auf den Weg zu ihm zu machen. Nicht nur schlichte Hirten, auch studierte Männer finden den Weg zum Heiland. Der Stern hat sie geführt, aber dass sie dem Stern folgen, das ist darauf zurückzuführen, dass ihr Herz innerlich berührt wurde, in dem Stern das Zeichen des großen Gottes zu erkennen. Die Weisen fallen nieder und beten an. Der ist geboren, der einen Namen trägt, der über allen Namen ist. Der ist geboren, in dessen Namen sich alle Knie beugen müssen, im Himmel, auf der Erde und unter der Erde. Der ist geboren, von dem gilt: Es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, in dem sie selig werden können. Wahrhaftig, das Erscheinen der Magier offenbarte seine Herrlichkeit.

Das zweite Ereignis ist die Taufe Jesu im Jordan. Auch sie offenbart seine Herrlichkeit, denn er ließ sich taufen, obwohl er die Bußtaufe nicht nötig hatte, er, der Sündlose. Er ließ sich taufen, um jede Gerechtigkeit zu erfüllen, um den Menschen zu zeigen: Man muss gegen Gott bedingungslosen Gehorsam beweisen, auch wenn man der Sohn Gottes ist, ja gerade, wenn man der Sohn Gottes ist. Getauft wurden viele. Aber nur bei einem öffnete sich der Himmel und stieg der Geist Gottes wie eine Taube auf ihn herab. Es ertönte eine Stimme: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe." Das heißt: Der himmlische Vater bekennt sich zu seinem Sohn. Das ist Offenbarung seiner Herrlichkeit. Getauft wurden viele, aber nur zu einem sagt Johannes der Täufer: "Nach mir kommt einer, dem die Schuhriemen aufzulösen ich nicht würdig bin. Er tauft mit Heiligem Geist und mit Feuer."

Das dritte Ereignis, dessen wir heute gedenken, ist die Hochzeit zu Kana. Hochzeiten im alten Israel waren feierliche Geschehnisse. Die ganze Verwandtschaft kam, oft  Hunderte von Menschen. Auch diesmal werden Viele zugegen gewesen sein, sonst wäre ja der Wein nicht ausgegangen. Sie haben zu viel getrunken, die Gäste. Und deswegen ist Maria voll Sorge. "Sie haben keinen Wein mehr!" Wie soll es da weitergehen? Wie soll denn da die Freude anhalten? Sie sagt es ihm, weil sie weiß, er allein kann Abhilfe schaffen. Und er tut es. Er tut das, was sonst niemand tun kann, außer Gott. Er verwandelt Wasser in Wein. Er zeigt seine Macht über die Natur, denn er ist der Herr der Natur. So machte Jesus den Anfang seiner Wunder, offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn. Diesem Wunder werden viele andere folgen, denn seine Wunderkraft erschöpft sich nicht. Dem Aussätzigen, der ihm sagt: "Wenn du willst, kannst du mich rein machen", antwortet er: "Ich will, sei rein!" Und als das Meer tobt und ein Seebeben entsteht und der Sturm heult, da sagt er: "Schweig!" „Verstumme!“ Und das Seebeben legt sich, und der Sturm fällt zusammen. Meine lieben Freunde! Wunder sind Tatsachen. Wunder und Naturgesetz widersprechen sich nicht, sind vielmehr beide Geschöpfe des allmächtigen Gottes. Wunder sind eine Kundgebung der Macht Gottes. Diese Kundgebung besteht nicht darin, wie man immer wieder polemisch sagt, dass Naturgesetze durchbrochen werden. Die Naturgesetze werden gar nicht durchbrochen, sondern zu ihnen kommt eine neue Kraft hinzu, das ist ja gerade das Wunder, dass die am natürlichen Vorgang beteiligten Kräfte nicht ausreichen, um das Geschehnis zu bewirken, sondern dass eine neue Kraft sich bemerkbar macht. Die Naturgesetze bleiben in Kraft, aber eine neue Kraft kommt hinzu. Mit Gottes Macht greift eine übernatürliche Macht in den Geschehensverlauf hinein und überlagert ihn. Lassen Sie sich nicht irremachen, meine lieben Freunde. Wir sind weder wundersüchtig noch wunderflüchtig. Wir sind wundergläubig, weil wir an den glauben, der gesprochen hat: "Es werde Licht!“ Und es ward Licht.

Diese Ereignisse sind der Kommentar zu dem, was Johannes im Prolog seines Evangeliums schreibt: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit." Ich weiß nicht, ob Sie jemals, meine lieben Freunde, die Weihnachtserzählungen der schwedischen Dichterin Selma Lagerlöf gelesen haben. Sie sind lesenswert. In einer dieser Geschichten sagt die Großmutter zu ihrer Enkelin: "Dies aber sollst du dir merken, denn es ist so wahr, wie ich dich sehe und du mich siehst. Es kommt nicht auf Lichter und Lampen an, und es liegt nicht an Mond und Sonne, sondern was not ist, das ist, dass wir Augen haben, Gottes Herrlichkeit zu sehen." Was not ist, dass wir Augen haben, Gottes Herrlichkeit zu sehen. Die Epiphanie, das ist das griechische Wort für Erscheinung, die Epiphanie des Herrn ist der umfassende Ausdruck für die göttlichen Geheimnisse auf unserer Erde. Die ganze Schöpfung preist seinen Namen. "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" heißt es im 18. Psalm. Alle Offenbarung ist Epiphanie. Das Leben Jesu und die Existenz der Kirche, so verhüllt ihr Glanz sein mag, das ist Epiphanie des großen Gottes. Christus in seiner Geburt, in seinem Wirken, in seinem Sterben, auch in seinem Wiederkommen, ist die Offenbarung Gottes. Und er will, dass auch seine Kirche an dieser Epiphanie Teil hat, dass durch seine Kirche etwas von seiner Macht und Größe, von seiner Liebe und seiner Güte offenbar wird. Ach, meine lieben Freunde, dass doch auch in unserem Leben wenigsten ein schwacher Lichtschein von der Herrlichkeit Gottes sichtbar werden möchte.

Amen.

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