Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. August 2012

Die Aufnahme Mariens in den Himmel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Aufnahme Mariens in den Himmel Versammelte!

Wenige Geheimnisse unseres Glaubens begegnen so viel Unverständnis und Unwillen wie die Aufnahme Mariens in den Himmel. Wir wollen deswegen drei Fragen stellen und sie zu beantworten versuchen:

1.    Was ist geschehen?

2.    Warum ist es geschehen?

3.    Wozu ist es geschehen?

Die erste Frage lautet: Was ist geschehen? Es ist etwas geschehen, was nur einem einzigen Menschen bisher geschehen ist, nämlich, dass ein Mensch, ein erlöster Mensch, mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde. Dass die Seelen der Verstorbenen bei Gott sein können, wenn sie erlöst wurden und wenn sie die ewige Freude gefunden haben, das wissen wir. Aber hier ist ein Mensch, ein voller Mensch, ein ganzer Mensch, mit Seele und Leib in die Herrlichkeit Gottes eingegangen. Wir brauchen uns nicht irremachen lassen durch die Frage: Wo ist denn der Himmel? Wir wissen es nicht. Der Himmel ist jenseits jeder Erfahrung. Er kann nicht mit Fernrohren und mit Raumschiffen erreicht werden. Er ist die Wirklichkeit, die Gott vorbehaltene Welt! Maria ist mit Seele und Leib in den Himmel aufgenommen worden. Der Leib, den sie in die Herrlichkeit Gottes einführte, war ein veränderter Leib. Es ist nicht der Leib, mit dem sie auf Erden gewandelt ist, sondern es ist ein durch die Verklärung Gottes hindurchgegangner Leib, ein Wunderleib. Ein Leib, der ebenso jenseits der Erfahrung ist, wie der Leib des auferstandenen Heilands. Wir kommen nicht in Verlegenheit, wenn man die Wirklichkeit Mariens, auch die Wirklichkeit ihres Leibes, sich vor Augen führen will. Wir wissen, dass der Herr auf dem Berge Tabor verklärt wurde. Wir wissen, dass er nach der Auferstehung einen durchsichtigen, aber dennoch einen wirklichen Leib besaß, der durch die Türen ging, verschwand und wieder auftauchte. Was ist geschehen? Maria ist mit Seele und Leib, mit einem verklärten Leib, in die Herrlichkeit Gottes eingegangen.

Zweitens: Warum ist das geschehen? Maria ist kein Mensch wie alle anderen. Die gesamte Menschheit wird nach dem Willen Gottes erlöst durch das Geschenk der Taufe. Die Taufe tilgt alle persönlichen Sünden und vor allem die Erbsünde. Die Taufe ist das normale Mittel, um in die Gemeinschaft mit Gott, um in die heiligmachende Gnade einzugehen. Maria brauchte keine Taufe zu empfangen. Sie wurde von der Erbsünde bewahrt. Auch hätte sie diese sich zuziehen sollen. Aber Gott hat in seiner unergründlichen Weisheit sie vor der Erbsünde bewahrt. Sie ist die Ersterlöste und sie ist die Vollerlöste. Sie ist die Ganzerlöste. Maria musste deswegen auch durch weitere Gnadenprivilegien ausgezeichnet werden, weil sie die Erst- und Voll- und Ganzerlöste ist. Deswegen durfte sie die Gottesmutter werden. Maria hat den Heiland der Welt geboren. Eine Auszeichnung, auf die Tausende und Abertausende von israelischen Müttern gehofft hatten. An ihr hat sich dieses Wunder erfüllt. Sie durfte den Messias gebären. Sie durfte der Welt das Heil schenken, und das ist auch der Sinn der Lesung, die wir heute gehört haben. Weil sie den Schlangentreter geboren hat, ist sie beteiligt am Sieg über den Satan. Ohne sie wäre der Schlangentreter nicht auf Erden gekommen. Durch sie ist er erschienen und hat der Schlange in seinem Leiden und Sterben, in seinem Auferstehen und Himmelfahren den Kopf zertreten. Das ist der Grund, warum Maria in den Himmel aufgenommen wurde, weil sie die Ganz- und Vollerlöste ist und weil sie die Gottesmutter ist. Der Leib, der den Erlöser getragen hat, der durfte nicht verwesen! Dieser Leib musste in die Verklärung Gottes eingehen.

Drittens: Wozu ist das geschehen? Es ist geschehen, damit der Himmel eine Königin und damit wir eine Mutter hätten. Die Herrlichkeit des Himmels ist durch die Anschauung und die Liebe zu Gott bedingt. Die Seligen des Himmels schauen Gott und freuen sich und sind glücklich und selig in der Anschauung Gottes. Im Himmel gibt es eine Hierarchie. Nicht alle Himmelsbewohner sind gleich. Es gibt die verschiedenen Kategorien der Heiligen: Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, Frauen, Männer. Unter den Heiligen gibt es Rangunterschiede. Die Apostel werden zweifellos eine überragende Stellung einnehmen im Himmel, ohne dass sich der geringste Neid bei den anderen regt, denn sie sind voll Verständnis für die herausgehobene Stellung anderer. Sie freuen sich mit ihnen über diese hervorragende Stellung. Aber alle diese Heiligen und Seligen waren noch im Wartestande. Es fehlte noch etwas. Es fehlte eine Königin und jetzt hat Gott in seiner unergründlichen Weisheit dem Himmel, den himmlischen Geistern, eine Königin geschenkt. Jetzt ist sie wahrhaftig die Erste von allen Seligen und Heiligen. Jetzt ist sie die hocherhabene Frau, bekränzt von den Sternen, den Mond zu den Füßen, sonnenhell verklärt. Sie ist die Königin des Himmels, und als solche rufen wir sie an. Denn sie ist damit auch unsere Mutter geworden. Der Herr hat sie deswegen so hocherhoben, damit wir eine Fürbitterin am Throne der Gnade hätten, eine – ich möchte sagen – unwiderstehliche Fürbitterin. Niemand vermag so zu bitten wie Maria. Und wir sind gewiss: Was sie ihrem Sohne vorträgt, das wird von ihm erfüllt.

Der hl. Pfarrer von Ars hat einmal das schöne Wort gesagt: „Ich habe schon so viel aus diesem Herzen geschöpft, dass es leer sein müsste, wenn es nicht unerschöpflich wäre.“ Oh ja, meine Freunde, so ist es! Ich habe schon so viel aus diesem Herzen geschöpft, dass es leer sein müsste, wenn es nicht unerschöpflich wäre. Vor einiger Zeit wurde ein Journalist von einer kirchenfeindlichen Zeitung an einen Marienwallfahrtsort geschickt. Er sollte eine Reportage machen über den dortigen Aberglauben, wie es hieß. Der Journalist begab sich an den Wallfahrtsort und sah sich alles genau an. Er betrachtete die Gläubigen, die mit Inbrunst beten. Er sah die Dutzenden von Votivtafeln, auf denen geschrieben stand: „Maria hat geholfen!“ Maria hat geholfen! Da wurde es ihm ganz anders. Auf einmal vergaß er seinen Auftrag und gesellte sich zu denen, die Maria dort anrufen.

Von nichtkatholischer Seite wurde uns, auch heute noch, der Vorwurf gemacht, wir würden den Zugang zu Gott oder zu Christus ja nur über eine Mittelsperson machen, über die Heiligen, über Maria. Einer sagte einmal zu dem Erzbischof von Brüssel, dem Kardinal Mercier: „Ich gehe unmittelbar zu Gott!“ Der Kardinal Mercier antwortete: „Ich auch! Aber ich gehe an der Hand der Mutter!“ Das ist es! Ich gehe an der Hand der Mutter zu Gott und da weiß ich, dass ich ihn finde. Da weiß ich, dass ich den rechten Heiland finde, nicht einen Guru, nicht einen Propheten, sondern den wesenhaften Sohn Gottes. „Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott.“

Heute, meine lieben Freunde, feiern wir das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Wir sprechen besser nicht von „Mariä Himmelfahrt“. Dieser Ausdruck ist Christus vorbehalten. Denn er ist aus eigener Kraft in den Himmel aufgestiegen. Maria wurde aufgenommen durch die Macht ihres Sohnes. Und deswegen: Auch in der Feinheit der Unterscheidung wahren wir den Abstand zwischen Gott und von einem noch so begnadeten Menschen. Wir wollen diesen Tag benutzen, um unsere Liebe zu Maria zu erneuern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen wahrhaften katholischen Christen geben kann, der nicht ein Marienverehrer ist. Die Marienverehrung ist so untrennbar mit der Gottesverehrung verknüpft wie die Mutter mit ihrem Sohne. Und deswegen, meine lieben Freunde, soll heute wie alle Tage des Jahres unser Beten, unser Flehen, unser unstillbares Weinen zur Mutter des Herren gehen:

„Hilf Maria hilf auch mir,

ein armer Sünder kommt zu Dir.

Im Leben und im Sterben,

lass mich nicht verderben,

lass mich in keiner Todsünd sterben!

Steh mir bei im letzten Streit,

o Mutter der Barmherzigkeit.“

Amen.

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