Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. April 2010

Die Authentizität der Auferstehungsberichte

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Nehmen wir an, Sie alle würden nach diesem Gottesdienst aufgefordert, niederzuschreiben, wen Sie in dieser Kirche, in diesem Gotteshaus gesehen haben. Jeder würde andere Namen nennen, diejenigen, die ihm vertraut sind, die er kennt, an denen er Interesse hat. Keiner aber  würde bestreiten, dass auch die, die er nicht nennt, anwesend gewesen sind. Niemand hat das Bedürfnis oder auch die Fähigkeit, alle Anwesenden zu nennen.

Ähnlich ist es mit den neutestamentlichen Zeugnissen von der Auferstehung Christi. Da bestehen in manchen Einzelheiten Unterschiede oder, wie manche wollen, Unstimmigkeiten. Diese Unterschiede oder Unstimmigkeiten werden von den ungläubigen Theologen genutzt, um einen Gegensatz zwischen den Aussagen zu konstatieren und auf diese Weise das Geschehnis von Ostern auszuhebeln. Die Unterschiede sind vorhanden. Wir sind die letzten, die sie leugnen. Aber sie erklären sich aus mehreren Gründen.

1. Die Evangelisten – und Paulus gehört dazu, weil er ja auch das Evangelium von der Auferstehung verkündet – die Evangelisten und Paulus sind Männer von ausgeprägter Individualität. Ihre Vorbildung, ihre Eigenart, ihre Interessen, ihre Sprachkenntnisse zeigen sich darin, was sie berichten und wie sie berichten. Die Individualität geht in ihre Berichte, was die Auswahl und die Darstellung betrifft, ein.

2. Den einzelnen Autoren standen unterschiedliche Quellen zur Verfügung. Sie haben zweifellos Augenzeugen befragt, soweit sie nicht selbst Zeugen des Auferstandenen waren. Zeugen berichten immer nach ihrer Fassungskraft und nach ihrem Interesse. Kein Zeuge kann alles lückenlos wiedergeben.

3. Die Evangelisten schrieben nicht alle an ein und demselben Ort. Matthäus schreibt in Palästina, Markus schreibt in Rom. Das Lokalkolorit, in dem sie sich befanden, hat ihr Schreibweise beeinflußt. Matthäus schreibt hebräisch, Markus schreibt vermutlich griechisch von Anfang an, ohne Übersetzung.

4. Die biblischen Autoren schreiben alle für Christen, aber ihre Adressaten, diejenigen, für die ihr Evangelium bestimmt ist, waren verschieden. Matthäus schreibt für Judenchristen, also für Juden, die Christen geworden waren. Lukas schreibt für Heidenchristen, also für Christen, die vorher Heiden waren.

5. Die Evangelisten schreiben nicht alle zur gleichen Zeit. Die Evangelien sind zu verschiedenen Zeiten entstanden. Man darf annehmen, dass die Evangelisten, die später schreiben, die Aufzeichnungen der früheren kannten. Lag es da nicht nahe, dass sie manches von dem früher Erwähnten übergehen, um anderes einzufügen, was sie selbst gesammelt haben?

Es gibt Unterschiede, und die Unterschiede beziehen sich auf verschiedene Punkte. Zunächst einmal auf die Personen, denen der Auferstandene erschienen ist. Alle vier Evangelisten erzählen das Erlebnis, welches die Frauen am Ostermorgen am Grabe Jesu hatten. Markus und Lukas nennen drei Frauen, Matthäus nennt zwei, Johannes nur eine. Ein Widerspruch? Ein Gegensatz? Kein Evangelist mußte alle Frauen nennen. Es genügte, dass Frauen am Grabe waren und dass sie eine Botschaft von Engeln empfingen. Johannes, der nur eine Frau nennt, nämlich Magdalena, kommt es eben nur auf Magdalena an, diese – ich möchte sagen einflußreichste, diese bedeutendste Frau der Urgemeinde. Deswegen berichtet er von ihr allein, dass sie zum Grabe ging. Dass sie aber nicht allein war, das sieht man aus dem Bericht, den sie dann dem Petrus gibt. „Wir“, wir sagt sie, nicht ich, „wir wissen nicht, wohin sie den Herrn gelegt haben.“ Also auch Johannes weiß, dass mehrere Frauen zum Grabe gegangen sind. Lukas nennt zwar nur drei Frauen mit Namen, Magdalena, Johanna, Maria des Jakobus. Aber er weiß, dass es noch mehr waren. „Und die anderen Frauen“, sagt er, „und die anderen mit ihnen“. Es wird eine große Schar gewesen sein. Paulus erwähnt überhaupt keine Frauen. Er hat dafür andere Gewährsleute. Markus und Johannes berichten die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena. Matthäus erwähnt, dass noch andere Frauen dabei waren, und Ähnliches scheint bei Lukas durch. Magdalene hatte eine besondere Stellung in der Urgemeinde. Sie erklärt sich aus ihrer besonderen Nähe zu Jesus. Sie ist die Frau, der die erste Erscheinung des Auferstandenen zuteil wurde. Das hob sie über alle anderen hinaus.

Markus und Matthäus sprechen von einem Engel, den die Frauen am Grabe sahen. Lukas spricht von zwei Engeln. Ein Widerspruch? Es ist klar, worauf es den Evangelisten ankommt: auf die Botschaft, dass Jesus auferstanden ist. Es ist anzunehmen, dass nur ein Engel gesprochen hat, nicht im Sprechchor zwei. Da war es auch nur notwendig, einen Engel zu erwähnen, eben den, der die Botschaft vermittelt hat. Und wenn Lukas schreibt: „Sie sprachen zu den Frauen…“, dann ist man nicht gezwungen anzunehmen, dass sie im Sprechchor geredet haben. Wenn einer spricht und der andere durch sein ganzes Verhalten zeigt, dass er damit einverstanden ist, kann man auch ohne weiteres sagen: Sie haben gesprochen. Der Widerspruch löst sich in nichts auf.

Lukas berichtet, dass Petrus auf den Bericht der Frauen zum Grabe eilte. Johannes ergänzt, dass er nicht allein war. Er selbst, der Lieblingsjünger, ging mit ihm, denn sie waren begierig zu sehen, was mit dem Grabe geschehen war. Der Jüngere war schneller und kam zuerst an. So berichtet ein Teilnehmer, nämlich Johannes selbst. Das Zusammensein, das Zusammenwirken von Petrus und Johannes wird in den Evangelien oft bezeugt, also warum nicht beim Gang zum Grabe?

Johannes berichtet als einziger die dreifache Frage des Auferstandenen an Petrus, ob er ihn liebe, und dann auch die dreifache Weisung, seine Herde zu weiden. Oftmals hielt er es für angebracht, die übrigen Evangelisten, die davon nichts schreiben, zu ergänzen. Wenn es, wie die allgemeine Annahme lautet, wenn es so ist, dass er als der letzte, als der jüngste das Evangelium schrieb, dann war es sehr angebracht, dass er das, was ihm zu fehlen schien, nachtrug.

Am Ostersonntag erschien Jesus den Elfen. Um sie von der Wirklichkeit und von der Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten zu überzeugen, verweist er auf seinen Körper, wo die Wundmale zu sehen sind. Lukas schreibt: „Jesus zeigte ihnen seine Hände und seine Füße.“ Johannes schreibt: „Er zeigte ihnen die Hände und die Seite.“ Ist das ein Widerspruch? Johannes und Lukas sind beide überzeugt, dass der Herr sich als ganzer zu erkennen gab. Aber Lukas erwähnt die Hände und die Füße, weil die Jünger beide, Hände und Füße, aus ihrer langen Wanderschaft mit Jesus kannten. Johannes spricht von der Seite. Warum? Weil er am Kreuze stand und gesehen hat, dass die Seite mit einer Lanze geöffnet wurde. Deswegen spricht er von der Seite.

Auch für die Orte der Erscheinungen gibt es Unterschiede. Lukas berichtet nur von Erscheinungen in Jerusalem. Er berichtet nicht von Erscheinungen in Galiläa. Die anderen Evangelisten berichten sowohl von Erscheinungen in Jerusalem und in Galiläa. Warum spricht Lukas nur von Erscheinungen in Jerusalem? Ich meine, es sind zwei Gründe.

1. Jerusalem war der Ort, an dem Jesus dem Tode überliefert wurde. Es war angemessen, dass er eben hier an diesem Ort auch als der Lebendige sich erwiesen hat. Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstanden.

2. Jerusalem war der Hauptort des Christentums. Von hier aus nahm die Botschaft von Jesus, dem Christus, ihren Ausgang. Die Grundtatsache dieser Botschaft aber war die Auferstehung Jesu. Und deswegen spricht nach meiner Überzeugung Lukas von den Erscheinungen, nur von den Erscheinungen in Jerusalem.

Wir haben heute die ausführliche Berichterstattung des Lukas über die Begegnung gehört, die Jesus mit den Emmausjüngern hatte. Sie erkannten ihn zunächst nicht. Beim Brotbrechen ging es ihnen auf, wer der Fremdling war, der sich ihnen zugesellt hatte. So hat er es immer gemacht. Warum sprechen die anderen Evangelisten nicht von dieser Erscheinung? Es gibt doch einen, der davon spricht, nämlich Markus. „Danach“, so schreibt er, „erschien er zwei von ihnen in einer anderen Gestalt.“ Das sind die Emmausjünger.

Die Apostelgeschichte berichtet, dass Jesus seinen Jüngern vierzig Tage hindurch erschienen ist und sich als lebendig zeigte. In vierzig Tagen belehrte er sie und gab ihnen Weisungen. Er wird also noch viel öfter erschienen sein, als uns in den Evangelien und bei Paulus berichtet wird. Jeder von ihnen, und auch der Apostel Paulus, hat nur einen Teil der Erscheinungen wiedergegeben, eben die, die ihm wichtig waren. Damit wollte er mitnichten die übrigen Escheinungen leugnen.

Es gibt Unterschiede, aber diese Unterschiede sind keine Gegensätze. Die Unterschiede lassen sich erklären, wenn man nicht von vornherein mit einer Hermeneutik des Mißtrauens an die Evangelien herangeht. Es ist klar, dass die Berichterstatter, die ersten Zeugen, von dem umstürzenden Ereignis geradezu betroffen waren. Da konnten ihre Berichte nicht wie sachliche Protokolle ausfallen. Sie spiegeln die Erregung ihrer Urheber wider, und doch sind sie in allen wesentlichen Punkten gleich.

1. Der Glaube der Jünger an die Auferstehung als eine Tatsache ist bei allen ohne Frage zu finden. Die durch die Ereignisse des Karfreitags irregewordenen Jünger sind mit einem Male aufgerichtet, getröstet, überzeugt, dass der begrabene Meister auferstanden und ihnen erschienen ist. Dass er wahrhaft auferstanden ist, dass der Auferstandene identisch ist mit dem Gekreuzigten.

2. Alle bezeugen die Tatsache des leeren Grabes. Das Grab ist leer, aber nicht weil man den Leichnam gestohlen hat, sondern weil der entseelte Leib wieder lebendig geworden ist, in verwandelter Gestalt sich ihnen gezeigt hat.

3. Alle sind überzeugt, dass die Auferstehung nicht nach einem langen Zeitraum geschehen ist, sondern am dritten Tage, also wenige Stunden nach der Hinrichtung. Der Herr ist lebendig geworden, aber nicht am Karfreitag, auch nicht am Karsamstag, sondern am Ostersonntag. Die zeitliche Fixierung wehrt jedem Mißverständnis, das Jesu Auferstehung als Mythos ausgeben möchte. Der Mythos bildet die Natur nach, da ist fortwährend ein Vergehen und ein Auferstehen, die Jahreszeiten wechseln sich, und die Pflanzen verwelken und richten sich im Frühling wieder auf. Die Geschichte liegt nach Tag und Stunde fest.

4. Alle lehren, dass die Erscheinungen auf eine bestimmte Zeit beschränkt waren. Paulus hebt das hervor, wenn er sagt: „Zuletzt – zuletzt – erschien er mir.“ Danach sind solche Erscheinungen nicht mehr vorgekommen. Der Herr kann sich auf andere Weise kundgeben. Es gibt Offenbarungen, es gibt Gesichte, gewiß. Aber sie können nicht konkurrieren mit den während der vierzig Tage geschehenen Erscheinungen.

5. Alle bezeugen, dass der Auferstandene eine neue, aber dennoch leibhaftige Existenzweise hat. Der dem Grabe entstiegende Heiland ist anders geworden, aber er ist kein anderer. Der Auferstandene ist identisch mit dem Wanderprediger von Galiläa. Seine Seinsweise ist verändert ähnlich jener, die sie schon einmal erlebt hatten auf dem Berge Tabor, als er vor ihnen verklärt wurde. Dennoch ist er kein Geist und schon gar nicht ein Gespenst. Er spricht mit ihnen, er läßt sich betasten, er nimmt Speise zu sich.

6. Alle Evangelisten sind überzeugt: Der Ursprung des Auferstehungsglaubens ist nicht das leere Grab, sondern das sind die Erscheinungen Christi. Die Jünger Jesu haben nicht gefolgert: Das Grab ist leer, also muss er auferstanden sein. Nein! Gerade umgekehrt. Er ist uns erschienen, also muss das Grab leer sein. Nicht das leere Grab, das sei noch einmal hervorgehoben, sondern die Erscheinungen sind entscheidend für die Gewißheit, dass Jesus wirklich lebt. Daraus folgt, dass die Ansicht der Ungläubigen, nämlich das leere Grab sei eine nachträgliche Schöpfung der durch ekstatische Ereignisse gläubig gewordenen Jünger, dass diese verkehrte Anschauung unhaltbar ist.

7. Alle Zeugen sind überzeugt: Die Auferstehung ist ein von Gott gewirktes Wunder. Nicht Menschenkraft, nicht Menschenweisheit hat den toten Herrn lebendig gemacht, sondern der allein, der die Macht hat zu töten und lebendig zu machen. Was an Jesus geschehen ist, ist Menschen unmöglich. Aber bei Gott ist kein Ding unmöglich.

8. Der Auferstehungsvorgang selbst wird nicht beschrieben. Gerade dieser allen Auferstehungszeugnissen gemeinsame Zug hat für die Beurteilung der Berichte eine besondere Bedeutung. Er muss als ein Hauptbeweis dafür gelten, dass Geschichte und nicht Legende erzählt wird. Es ist für die Berichterstattung, für ihre Sauberkeit geradezu entscheidend, dass der eigentliche Vorgang der Auferstehung gänzlich verschwiegen wird. Redselig sind die unechten Evangelienberichte, die die Kirche verworfen hat, die sie nicht anerkannt hat, die sie als apokryph bezeichnet. Dort ist die Rede von dem Vorgang, der kosmische Ausmaße annimmt. Ich habe sie gelesen, diese Berichte. Aber sie werden von der Kirche abgelehnt.

Angesichts der Verschiedenheiten der Auferstehungsberichte gilt also: Die neutestamentlichen Schriftsteller haben nicht die Absicht gehabt, eine wohlgeordnete Darstellung der Ereignisse und der Einzelheiten zu bringen, sondern es kommt ihnen allein auf die Tatsache der Auferstehung an. Diese Ursprünglichkeit und Glaubwürdigkeit spricht aus der Knappheit, ja aus der Dürftigkeit der Berichte. Hätten die Evangelisten fabulieren wollen, dichten wollen, dann würde ihnen das außerordentliche Phänomen der Auferstehung Jesu dankbaren Stoff geliefert haben. Man braucht nur an die apokryphen Schriften wie an das Hebräerevangelium oder das Petrusevangelium zu denken, da wird fabuliert, da wird gedichtet, da werden die Einzelheiten bis ins Groteske ausgemalt. Und deswegen sind sie nicht echt. Auch was der Auferstandene spricht, ist knapp, machtvoll, diskret, ist von dem Ernst und der Weihe des Augenblicks getragen. Man darf im Hinblick auf die Ausführlichkeit, mit der die Evangelisten sonst das Leben Jesu schildern, feststellen: Den Evangelisten und auch dem heiligen Paulus ist es nicht um eindringende Auferstehungsberichte zu tun. Sie wollen die Auferstehung Jesu nur insoweit bezeugen, als sie der glorreiche Abschluß eines wahrhaft göttlichen Lebens, das Amen Gottes zu diesem Leben ist.

Amen. Alleluja.

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