Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. Juli 2008

Das Sittengesetz als Grundlage des privaten und öffentlichen Leb

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Bei bestimmten Gelegenheiten, vor allem vor Wahlen, hören wir immer wieder, wie Menschen sich erstaunt zeigen, dass andere christliche Überlegungen in das öffentliche Leben, in die politische Diskussion einbringen. Sie sagen: Religion ist Privatsache, und die politischen Entscheidungen haben mit Glaubensangelegenheiten nichts zu tun. Ebenso – sagen sie – ist es Sache des Einzelnen, was er in seinem Privatleben tut und lässt. Zwei grundlegende, grundlegend falsche Auffassungen bestimmen unser politisches Leben. Die erste lautet: Religion ist Privatsache. Die zweite falsche Meinung heißt: Das Privatleben geht das politische Leben nichts an.

Diese falschen Ansichten haben ihre Wurzel darin, dass man das Christentum, die Religion, die Kirche auf eine Stufe stellt mit Parteien, Gewerkschaften, Sportvereinen. Ja, wenn die Kirche nur das wäre, dann allerdings wäre ihre Botschaft unbeachtlich. Aber die Kirche ist mehr als ein Verein. Sie ist die Heroldin Gottes auf Erden. Sie ist die Vertreterin des göttlichen Herrschaftsanspruches auf Erden. Die Kirche ist der Interpret des Hoheitsanspruches Gottes. Und weil sie das ist, kann Religion niemals eine Privatsache sein. Gott ist der Herr und Schöpfer der Welt. Das ganze Leben des Menschen wird von ihm beansprucht, ohne Ausnahme, das private und das öffentliche Leben.

Gerade das politische Leben ist ja besonders der Weisungen Gottes bedürftig. Es steht niemandem zu, zu sagen: Gewiß, was das Heiraten angeht und die Kindtaufe, die Beerdigung, da hält man sich an die Religion, man ist auch bereit, Weihnachten und Ostern einmal den Gottesdienst zu besuchen. Aber was wir sonst tun und lassen, dafür braucht sich unser Herr und Schöpfer nicht zu interessieren. Es ist völlig irrig, Gott auf die eine Stunde des Gottesdienstes am Sonntag beschränken zu wollen. Es kann keinen menschlichen Bereich ohne Gott, ohne Christus und ohne die Kirche geben, nicht den Beruf und nicht den Feierabend, nicht die Familie und auch nicht Kunst und Wissenschaft und schon gar nicht die Politik. Denn nichts bestimmt so sehr den Lauf der Welt wie das politische Geschehen. Davon hängt es ab, ob die Menschen in Frieden oder Unfrieden leben, on Ehrfurcht vor Gott besteht oder nicht. Über die Wichtigkeit der Religion hat einmal der griechische Philosoph Aristoteles geschrieben: „Die Sorge für die Religion ist die erste Aufgabe des Staates.“ Der Staat hat zwar nicht die Religion selbst zu betreiben, aber er soll sie pflegen und beschützen. Er soll ihr Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit sichern. Er soll der Religion die Stellung eines Grundgesetzes im Tun und Lassen geben. Das öffentliche Leben kann nicht religionsfrei sein, denn wenn es von der Religion frei wäre, dann wäre es unreligiös, areligiös und antireligiös.

Die Geschichte aller Völker beweist es: Der religionslose Staat wird, wenn er sich auswirkt, notwendig zum sittenlosen Staat. „Wer dem Volke die Religion nehmen will, ist entweder ein Bösewicht oder ein Narr“, hat der Vater der amerikanischen Verfassung, George Washington, einmal gesagt. Wer dem Volke die Religion nehmen will, ist entweder ein Bösewicht oder ein Narr. Gott muss herrschen im öffentlichen wie im privaten Leben. Wie soll privates Leben in Religion und Frömmigkeit möglich sein, wenn das öffentliche Leben das private erstickt, wenn das öffentliche Leben die Religion unterdrückt und ihr keinen Freiraum gewährt? Auch das öffentliche Leben untersteht dem Hoheitsanspruch Gottes. Die Gesetze des Staates müssen sich an den Geboten Gottes ausrichten. Was Gott verbietet, darf der Staat nicht erlauben, und was Gott gebietet, darf der Staat nicht missachten. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder das öffentliche Leben wird von religiösen Grundsätzen bestimmt, oder es wird durch unreligiöse Prinzipien beherrscht.

Warum, meine lieben Freunde, warum haben die Iren, dieses kleine Volk, warum haben die Iren das neue Grundgesetz für die Europäische Union abgelehnt? Eines der Motive war: Sie fürchten, dass in Brüssel und in Straßburg die Religion zu kurz kommt. Sie fürchten, dass der christliche Einfluß in den europäischen Institutionen immer mehr abnimmt. Die Gesetze müssen sich an Gottes Willen ausrichten. Aber auch die Regierung muss nach Gottes Willen handeln. Ihre oberste Maxime muss sein, Gottes Willen Achtung zu verschaffen. Die Gebote Gottes müssen auch für die Regierung Richtschnur sein. Keine Handlung, die moralisch verwerflich ist, kann als politisch zulässig gelten. „Was moralisch falsch ist, kann politisch nicht richtig sein.“ Dieses Wort stammt von dem englischen Ministerpräsidenten Gladstone. Was moralisch falsch ist, kann politisch nicht richtig sein.

Aber wonach richtet sich die Politik? Sie richtet sich nach der Mehrheit. Die Mehrheit will es, sagt man. Aber die Mehrheit legitimiert ein Gesetz nicht, sondern die Wahrheit. Die Mehrheit ist von unseren Dichtern und Denkern schon öfters als eine schwache Legitimationsgrundlage bezeichnet worden. Friedrich Schiller hat in seinem Dichtwerk „Demetrius“ folgende Äußerungen gemacht: „Was ist Mehrheit? Mehrheit ist Unsinn. Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen.“ Und an einer anderen Stelle in demselben Werk heißt es: „Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen. Der Staat muss untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“

Woher kommt die heillose Unordnung in unserer Welt? Durch die Zerreißung in religiöse und öffentliche Angelegenheiten, durch die Zertrennung der öffentlichen Bereiche von der Religion. Daher kommt diese heillose Unordnung. Weil die Regierungen, weil die Parlamente sich nicht Gott zum obersten Gesetzgeber nehmen, deswegen wird die Welt fortlaufend in Unfrieden gestürzt. Er ist der Herr und Schöpfer, er hat zu befehlen, was im Alltag geschehen soll. Für Gott gibt es keinen Urlaub; für Gott gibt es auch kein Schild: „Für Unbefugte ist der Zutritt verboten!“ Gott will herrschen im Rathaus wie im Parlament. Das öffentliche Leben muss sich von religiösen Prinzipien leiten lassen, wenn es nicht in eine falsche Richtung laufen will.

Aber auch das Privatleben muss von der Religion geleitet sein. Man sagt: Nein, das Privatleben ist unbeachtlich für die Politik, für das Wirken in der Öffentlichkeit. Im privaten Leben kann jeder machen, was er will, wenn er nur nicht mit den Strafgesetzen in Konflikt gerät. Meine lieben Freunde, was im privaten Leben geschieht, ist höchst beachtlich für das Wirken in der Öffentlichkeit; denn vom privaten Leben lässt sich auf das Wirken in der Öffentlichkeit schließen. Das private Leben macht sich im öffentlichen Leben bemerkbar. Ein Mensch kann nicht eine Stunde religiös sein und in einer anderen Stunde nicht religiös, ebensowenig wie er eine Stunde gesund sein kann und in einer anderen Stunde krank. Die menschliche Persönlichkeit lässt sich nicht zerteilen. Wer religionslos oder sittenlos ist, ist es nicht nur im privaten Leben, sondern es wird sich unweigerlich seine Religionslosigkeit oder Sittenlosigkeit auch im öffentlichen Leben geltend machen.

Von Robespierre stammt das schöne Wort: „Ich glaube nicht, dass ein schlechter Mensch ein guter Politiker sein kann.“ Wie richtig! Ich glaube nicht, dass ein schlechter Mensch ein guter Politiker sein kann. Die Geschichte liefert den Kommentar zu diesem Worte Robbespieres. Die Geschichte weiß viele Personen zu nennen, deren zerrüttetes privates Leben unheilvoll sich auf ihr öffentliches Wirken ausgewirkt hat. Sie haben vielleicht schon den Namen des französischen Ministerpräsidenten Clemenceau gehört. Clemenceau war ein ungetaufter Atheist, ein grimmiger Hasser des Christentums, ein erbitterter Feind der katholischen Kirche. Er war in seinem Inneren zerfressen vom Haß. Der Haß gegen die Religion war ein bestimmendes Motiv seines ganzen Lebens. Nicht umsonst hatte er den Beinamen „le tigre“, der Tiger. Auf ihn geht in der Hauptsache der Vertrag von Versailles zurück. Dieser Vertrag, der Deutschland zerstückelte, der dem deutschen Volke unermeßliche Zahlungen auferlegte, der das deutsche Volk demütigte und auf diese Weise den Keim zu einem neuen Kriege legte. Der Zentrumspolitiker Ludwig Kaas hat einmal das treffende Wort gesagt: „Hitler ist nicht in Braunau, sondern in Versailles geboren.“ Er wollte damit sagen, ohne die furchtbaren Verhältnisse, wie sie durch den Vertrag von Versailles geschaffen wurden, hätte der Demagoge Hitler niemals soviel Zuspruch gefunden, wie er gefunden hat. Wer segensreich in der Öffentlichkeit wirken will, muss als sittliche Persönlichkeit in Ordnung sein. Er muss Tugenden besitzen, ja, ich muss es aussprechen: Er muss im Stande der heiligmachenden Gnade sein. Er muss Gott als den höchsten Herrn anbeten und verehren. Ich habe Angst vor Politikern, die nicht beten und die nicht bereuen.

Führende Persönlichkeiten haben auch eine Vorbildfunktion. Sie sollen neben ihrer politischen Tätigkeit ein beispielhaftes Privatleben führen. Das Volk soll an ihnen ablesen können, wie man zu Ehe und Familie stehen soll. Aber wie sieht es oft mit dem Privatleben unserer führenden Männer und Frauen aus? Von dem französischen Präsidenten Giscard d’Estaing wurde bekannt, dass er zu nächtlicher Stunde Bordelle besuchte. Die französischen Zeitungen schieben dann: „Der Präsident hat ein Recht auf ein Privatleben.“ Dass ich nicht lache! Er hat kein Recht auf Unzucht; er hat kein Recht, ein Ehebrecher zu sein. Ich möchte nicht von Ehebrechern regiert werden. Führende Persönlichkeiten haben eine Vorbildfunktion. Sie sollen auch uneigennützig sein. Die Franzosen haben dafür das schöne Wort „désintéressiment“. Man soll also als Politiker uneigennützig handeln. Und wie viele tun das? Als der französische Polizeiminister Joseph Fouché im Jahre 1789 seine politische Laufbahn begann, war er ein mittelloser Lehrer, ein Oratorianer. Als er seinen Dienst in der Politik beendete, hatte er ein Vermögen von 21 Millionen Franken angehäuft. Wie kam er zu so viel Reichtum? Offenbar nicht deswegen, weil er dem Staat selbstlos und uneigennützig gedient hatte. Ich sage: Wer als sittliche Persönlichkeit nicht in Ordnung ist, der ist ungeeignet, ein Volk zu lenken. Wer sich selbst nicht recht führen kann, der kann auch andere nicht regieren. Von dem weisen indischen Politiker Mahatma Gandhi stammt das schöne Wort: „Eine Führerpersönlichkeit muss sich selbst beherrschen und darf Zorn und Furcht nicht kennen.“ Wie richtig! Eine Führerpersönlichkeit muss sich selbst beherrschen und darf Furcht und Zorn nicht kennen. Eine Führerpersönlichkeit muss auch fähig und gewillt sein, der Wirklichkeit ins Auge zu schauen. Das war ja das Verhängnis unseres schrecklichen Reichskanzlers Hitler, dass er die Wirklichkeit nicht wahrnahm. Er gestaltete sich die Wirklichkeit nach seinen Vorstellungen. Er wollte nicht wahrhaben, was in Wirklichkeit geschah. Bereits im Jahre 1941 im Oktober stellte der Generaloberst Fromm fest: „Der Krieg muss sobald wie möglich beendet werden, sonst ist er verloren.“ Aber Hitler führte ihn noch vier Jahre weiter. Es ist das Unglück so vieler Regierender, dass sie die Wahrheit nicht vertragen.

Die Heilige Schrift hat strenge Maßstäbe für die Hirten der Kirche aufgestellt. Auch sie sind Regenten; auch sie sind Führer. Und sie verlangt von den Hirten der Kirche, dass erst ihr privates Leben in Ordnung ist, bevor sie die Kirche Gottes weiden können. „Wenn einer seinem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er für die Kirche Gottes sorgen?“ Wenn einer seinem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er für die Kirche Gottes sorgen? Das katholische Volk ist mit Recht entsetzt und erschüttert, wenn es erfährt, dass ein Priester oder ein Bischof ein Doppelleben führt, dass er einerseits die Gebote Gottes verkündet und andererseits ein schwer sündhaftes Leben führt. Die Heilige Schrift hat für solche scharfe Worte. „Wer für die Seinigen, zumal für seine Hausgenossen nicht Sorge trägt, hat den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger.“

Für die Persönlichkeiten, die im öffentlichen Leben stehen, ist das Privatleben nicht unbeachtlich. Wird ein bequemer, arbeitsscheuer Mensch ein eifriger Politiker sein? Wird ein egoistischer Selbstversorger im Amt ein gerechter Sachwalter für alle sein? Wird ein zänkischer Streithammel in einer öffentlichen Stellung ein Friedensbringer sein? Wir sollten, meine lieben Freunde, wenn sich uns Politiker zur Wahl empfehlen, eifrig ihr Privatleben erforschen, denn wir benötigen bekennende Christen in den Parlamenten und den Regierungen. Wir brauchen Männer und Frauen, die bei der Beratung der Gesetze und bei der Fällung von Entscheidungen nach Gottes Willen fragen. Und damit wir solche Persönlichkeiten wählen, müssen wir ihr Privatleben kennen. Gott beansprucht den ganzen Menschen im öffentlichen wie im privaten Leben.

Vor einiger Zeit hat ein Bonner Rechtslehrer, Josef Isensee, richtig darauf hingewiesen, dass in die höheren Richterstellen immer mehr Männer und Frauen einsickern, die zu den so genannten 68ern gehören, die also von Religion und Sittlichkeit wenig halten und die selbstverständlich von diesen Anschauungen geprägt sein werden, wenn sie Entscheidungen im Gericht fällen. Wir müssen uns also auch in der Gerichtsbarkeit darauf gefasst machen, dass immer mehr Entscheidungen gefällt werden, die nicht von Religion und Sittlichkeit geprägt sind.

Es gibt nur einen Totalitätsanspruch auf Erden, und das ist jener, den Gott erhebt. Christ ist nicht, wer diesen Namen für sich in Anspruch nimmt, sondern Christ ist nur, wer bereit ist, sein ganzes privates und öffentliches Leben ohne Abstrich von den göttlichen Geboten prägen zu lassen. Religion ist keine Privatangelegenheit, und das Privatleben ist nicht unbeachtlich. Sowohl das öffentliche Leben wie das private Leben muss gelenkt und bestimmt sein von den Geboten Gottes und von der Sittenlehre der Kirche.

Amen.

 

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