Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. März 2005

Auferstehung – Stützpunkt des Glaubens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Versammelte!

Im Physikunterricht der Schule haben wir die Gesetze der Mechanik kennengelernt, an erster Stelle das Hebelgesetz. Das Hebelgesetz lautet: Last x Lastarm = Kraft x Kraftarm. Das ist eine fundamentale Entdeckung. Sie geht zurück auf den griechischen Mathematiker Archimedes. Er lebte im 2. Jahrhundert v. Chr. in Syrakus. Von diesem genialen Mathematiker Archimedes stammt der Satz: „Gebt mir einen festen Punkt, und ich werde die Welt aus den Angeln heben.“ Auf den festen Punkt kommt es an, dann kann der Hebel wirken und die Last heben.

Auch im geistige Bereich, meine lieben Freunde, brauchen wir einen archimedischen Punkt, einen festen, einen unumstrittenen, einen unerschütterlichen Punkt, auf den wir uns stützen und von dem wir leben können. Dieser Punkt, dieser archimedische Punkt des Glaubens ist die Auferstehung Jesu. Die Auferstehung Jesu ist deswegen für die christliche Glaubensbegründung so notwendig, weil der Glaube sich auf Verborgenes und Zukünftiges richtet. Wer von uns kann die Gnade messen? Wer von uns sieht mit den Augen des Leibes Christus im eucharistischen Opfersakrament? Wer von uns fühlt in seinem Leibe die Wirkung der Lossprechung im Bußsakrament? Alle diese Wirklichkeiten sind verborgen. Andere liegen in der Zukunft. Wann wird Jesus kommen, zu richten die Lebenden und die Toten? Wie wird das sein bei der Auferstehung der Leiber? Wer kann sich das vorstellen? Und wie wird das Leben, das ewige Leben aussehen, das uns Gott verheißen hat? Wahrhaftig, alle diese Wirklichkeiten sind verborgen. Und so kann der Hebräerbrief schreiben: „Der Glaube ist die Überzeugung von dem, was man nicht sieht, das zuversichtliche Vertrauen auf das, was man erhofft.“

Um aber dem Verborgenen und dem Zukünftigen eine Stütze zu geben, hat Gott seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferstehen lassen. Die Auferstehung Jesu ist der Stützpunkt unseres Glaubens. Mit der unerbittlichen Logik, wie sie dem christlichen Gewissen eigen ist, sagt Paulus: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist eitel unsere Predigt und dann ist leer unser Glaube.“ Die Realität der Auferstehung Jesu garantiert uns die Wirklichkeit des gesamten christlichen Glaubens.

Die Auferstehung Jesu ist zunächst eine Tatsache der Geschichte. Man kann sie zeitlich und örtlich festlegen. Es war in der Zeit des Kaisers Tiberius. In Palästina, das damals eine römische Provinz war, regierte der Prokurator Pontius Pilatus, und er hatte eines Tages über einen Bauhandwerker aus Nazareth zu richten. Er war überzeugt von seiner Unschuld, aber das Geschrei der Juden, die Furcht, die Gunst des Kaisers zu verlieren, veranlassten ihn, den Unschuldigen zum Tode zu verurteilen. Er starb einen schmählichen Tod, den Tod, der für Sklaven bestimmt war, nämlich den Tod am Kreuze. Aber er blieb nicht im Tode. Es geschah etwas, was damals und heute in gleicher Weise unerhört ist: Er ward wieder lebendig. Die Wächter am Grabe melden voll Entsetzen die Flucht des Begrabenen. Petrus, der Fischer, sieht den Auferstandenen mit den scharfen Augen des Handwerkers. Die Jünger sitzen mit ihm zu Tische und essen und trinken mit ihm. Thomas darf seine Hand in seine Seite legen. Und auch die Emmausjünger erkennen ihn an seinen Gesten, die er macht, als sie mit ihm zu Tische sitzen. Wahrhaftig, es ist kein Zweifel: Der geliebte Meister, der verehrte Meister ist wieder lebendig geworden. Er ist nicht mehr tot, er lebt. Eine unerhörte Meldung! Eine Meldung, die die jüdische Obrigkeit aufregt und aufbringt. Am liebsten hätte man den Auferstandenen eingesperrt, wenn man ihn gefasst hätte. Aber er war nicht greifbar. Er war den Verfolgern, den Häschern entzogen. Und so hielt man sich an seine Verkündiger. Mit Drohungen und mit Versprechungen suchte man sie von der Verkündigung abzubringen: Jesus ist erstanden. Doch weder Drohung noch Versprechung verfingen bei ihnen. „Wir können nicht aufhören, davon zu reden, was wir gesehen und gehört haben.“ Wir können es nicht!

Die Auferstehung Jesu ist der archimedische Punkt unseres Glaubens, der die Welt aus den Angeln hebt. Seit der Auferstehung ist alles anders geworden. Da heißt es nicht mehr: Der Tod ist das Letzte und Endgültige, tot ist tot, und aus ist aus. Nein, seit der Auferstehung ist der Tod das Vorletzte und das Unabgeschlossene. Seitdem gilt nicht mehr: Mach dir’s auf der Erde schön, kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn. Nein, seit der Auferstehung gilt: Wie in Adam alle sterben, werden auch alle in Christus auferstehen. Seit der Auferstehung Jesu gilt nicht mehr: Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Nein, seit der Auferstehung gilt: Wenn Jesus auferstanden ist, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus herbeiführen. Seit diesem Tage singen die Christen ihr Jubellied: „Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken? Jesus lebt und wird auch mich vom Tode auferwecken. Er verklärt mich in sein Licht. Das ist meine Zuversicht.“

Nun stürmt aber, meine lieben Freunde, der Unglaube nach wie vor gegen die leibhaftige Auferstehung Christi an. Es sind immer die gleichen Hypothesen, die er vorbringt. Wenn man eine widerlegt, dann greift der Unglaube zu einer anderen. Ich habe einmal gehört, wie in Haar bei München in der dortigen Irrenanstalt ein Kranker war, der sich einbildete, er habe ein Sofa im Kopf. Die Ärzte waren ratlos. Endlich kam einer der Ärzte auf den Gedanken: „Wir wollen ihm das Sofa herausnehmen.“ Er sagte zu dem Kranken: „Wir werden eine Operation machen und werden das Sofa aus dem Kopf entfernen.“ „Ja!“ Er war ganz begeistert davon, „das wollen wir machen.“ Der Arzt veranlaßte eine Operation, eine Narkose, eine Betäubung, und eine harmlose kleine Wunde brachte er am Kopfe bei. Als der Kranke aus der Narkose erwachte, sagte der Arzt zu ihm: „Sehen Sie, wir haben jetzt das Sofa herausgenommen, hier steht es. Dieses rote Sofa war in ihrem Kopf.“ Da schüttelte der Kranke den Kopf und sagte traurig: Das ist nicht meines, meines ist grün!“ So ist es ähnlich bei den Leugnern der Auferstehung. Wenn man eine Hypothese zurückweist, greifen sie zu einer anderen.

Die älteste ist die Diebstahlshypothese. Die Wächter – die Wächter! – berichten, sie hätten geschlafen, und die Jünger seien gekommen und hätten den Leichnam gestohlen. Wenn die Wächter geschlafen haben, dann konnten sie nicht beobachten, wie Jesus gestohlen wurde. Wenn sie aber wach waren, warum haben sie dann die Jünger nicht gehindert, ihn zu stehlen? Die Hypothese ist hinfällig. Man greift dann zu der Visionshypothese. Es sei eine Halluzination, eine Vorspiegelung gewesen, so wie ein Wüstenwanderer plötzlich eine Fata Morgana hat. Er sieht eine Oase vor sich mit Palmen und mit Wasser. Das spiegelt ihm seine durch die Hitze krank gewordene Vernunft vor. O, meine lieben Freunde, gesunde Menschen vermögen zu unterscheiden, ob sie etwas mit den Augen des Leibes sehen, oder aob ein Phantasiegebilde sich vor ihnen breitmacht. Und die Jünger waren gesunde Männer. Sie haben also sehr wohl zu unterscheiden gewusst zwischen Vision und Wirklichkeit.

Wenn man die Visionshypothese zurückweist, dann greift man zu der Mythoshypothese. Das ist die Hypothese, die der evangelische Theologieprofessor Rudolf Bultmann zwar nicht aufgebracht hat, aber im protestantischen Bereich weithin zum Siege geführt hat. Die Mythoshypothese! Die Auferstehung Jesu ist ein Mythos. So wie bei den Griechen die Götter sterben und auferstehen, so sei es mit Jesus auch geschehen. Die Mythoshypothese, meine lieben Freunde, scheitert schon daran, dass kein einziger Grieche geglaubt hat, dass die Götter wirklich sterben und auferstehen. Er wusste, dass hier nichts anderes geschieht, als dass Naturvorgänge den Göttern zugeschrieben werden. Von den griechischen Mythen lassen sich Auferstehung und Sieg unseres Heilandes nicht ableiten. Die Mythoshypothese ist unbrauchbar, uns zu erklären, warum Jesus wirklich ins Leben zurückgekommen ist. Aber die Auferstehung Jesu ist der archimedische Punkt, der die Welt aus den Angeln hebt, auch diese Hypothesen aus den Angeln hebt.

Wenn Jesus gestorben und auferstanden ist, dann ist die Welt nicht das Einzige und Letzte. Es wäre so schön, nicht wahr, wenn niemand außer uns da wäre, wenn wir tun könnten, was wir wollten. Wie sagt Fjeodor Dostojewski in dem Roman „Die Brüder Karamasow“: „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt.“ Schön so. Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt. Seit der Auferstehung wissen wir, dass es einen Gott gibt, der seinen Sohn nicht die Verwesung hat schauen lassen. Seit der Auferstehung Jesu ist uns gewiß, dass das eintritt, wovor die Ungläubigen Angst haben, nämlich das ewige Leben nach dem Gericht. Davor zittern sie. Davor haben schon die Römer gezittert: das ewige Leben nach dem Gericht. Jesus macht uns gewiß, dass es ein solches ewiges Leben gibt. Die Ungläubigen wollen wie die Schweine leben und wie ein Tier begraben werden. Nein, dagegen erhebt die Auferstehung Jesu Einspruch. Die Auferstehung macht uns gewiß, dass es eine Rechenschaft gibt für unser Leben und dass sie von jedem eingefordert wird.

Die Auferstehung Jesu ist auch insofern der archimedische Punkt, als sie diese törichte Redensart aus der Welt schafft: Das mache ich mit meinem Gewissen aus. Das Gewissen ist der Herold Gottes, wenn es richtig gebildet ist. Was man tut und unterlässt, das muss man mit Gott ausmachen und nicht mit einem nebulösen Gewissen. Die Auferstehung Jesu ist der archimedische Punkt, der diese Welt aus den Angeln hebt, diese erbärmliche, diese klägliche Welt. Der harmlose Fremdling, der in den Romanen der Ungläubigen als Jesus von Nazareth bezeichnet wird, ist der Herr der Welt. Er ist nicht der charmante Tischler, wie Ernest Renan schrieb. Er ist auch nicht bloß ein Freund der Sünder und der Verlassenen. Nein, er ist der Sohn des ewigen Vaters, den der Vater nicht hat die Verwesung schauen lassen. Er lebt und wartet. Er wartet auf seine Stunde. Schon auf Erden hat er manchmal auf seine Stunde warten müssen, wenn ihn die Menschen drängten, etwa bei der Hochzeit von Kana oder als die Juden ihn ergreifen wollten. Seine Stunde war noch nicht gekommen. Aber einmal schlägt seine Stunde, und einmal schlägt auch die Stunde seiner Wiederkunft. Er wartet, bis die Bußzeit abgelaufen ist. Er wartet, bis der Gestank von Sodom nicht mehr zu ertragen ist. Er wartet, bis Gott mit dem Schlüssel auf den Tisch klopft und sagt: Jetzt wird Schluß gemacht, meine Herren! Er wartet auf diese Stunde. Er wartet, und dann wird er kommen. Er wird kommen wie das Gericht, denn er ist das Gericht. Er wird kommen wie das Schicksal, denn er ist das Schicksal. Dann wird sich zeigen, meine lieben Freunde, dass die Auferstehung Jesu nicht nur der archimedische Punkt des Christentums, sondern der ganzen Weltgeschichte ist.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt