Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 1996

Anbetung der Weisen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Freude der heiligen Weihnacht ist noch nicht verklungen, da erhebt sich eine neue Freudenbotschaft am Fest der Erscheinung des Herrn. Der in weihnachtlicher Zeit geboren wurde, wird von nun an der Menschheit kundgetan. Den Vertretern des jüdischen Volkes, den Hirten, wurde die Ankunft des Erlösers kundgemacht durch die Engelbotschaft. Den Vertreter der Heidenwelt, den Magiern aus dem Osten, wurde die Ankunft des Erlösers geoffenbart durch einen Stern. Unzählige Überlegungen sind angestellt worden, was es um diesen Stern sein mag, wie er beschaffen gewesen sein mag, ob es eine natürliche oder eine übernatürliche Erscheinung ist. Die größten Astronomen, wie Galiei, Kepler, Tycho de Brahe, haben sich bemüht, dem Geheimnis des Sternes auf die Spur zu kommen. Es sei bemerkt, daß keiner dieser Astronomen ungläubig war. Sie alle waren überzeugt von der geschichtlichen Tatsache, daß ein Stern den Weisen vorangeleuchtet hat. Ihre Erklärung ist verschieden ausgefallen. Kepler, vielleicht der bedeutsamste unter ihnen, war jedenfalls der Meinung, daß es ein Wunderstern sei, also nicht nur eine Konjunktion, ein Zusammentreten der beiden Planeten Jupiter und Saturn, sondern eine eigens aus diesem Anlaß von Gott bewirkte Lichterscheinung, die den Heiden den Weg zur Krippe wies.

Wir müssen uns diese Männer aus dem Morgenlande ganz konkret vorstellen. Viele Menschen haben den Stern gesehen. Die Magier waren nicht die einzigen, die ihn erblickt haben, aber sie waren die einzigen, die sich auf den Weg machten. Die anderen werden sie vielleicht verspottet haben, werden vielleicht gesagt haben: Ihr seid Leichtgläubige. Was ihr da tut, ist übereilt. Die Männer, die sich zu Boten des Geheimnisses der Weihnacht berufen fühlten, haben auf solche Stimmen nicht gehört. Sie sind aufgebrochen und sind dem Rufe Gottes gefolgt. Ein Ruf Gottes, der nun nicht wie ein Prophetenruf an sie erging, sondern ein Ruf Gottes, der durch ein stummes Element an sie erging. Ein Stern spricht ja nicht. Ein Stern erscheint, aber er redet nicht. Das hat die Magier nicht gehindert, diesem Zeichen zu folgen. Freilich müssen wir annehmen, daß dieser Stern in ihrem Herzen widergeleuchtet hat, d.h. daß die Gnade Gottes in ihnen gewirkt hat und ihnen die Bereitschaft eingab, das Zeichen zu verstehen und dem Zeichen zu folgen. So sind sie den beschwerlichen Weg gegangen, sind vielleicht monatelang unterwegs gewesen unter den damaligen Bedingungen, bedroht von Räubern und Strauchdieben; aber nichts hat sie abhalten können, dem Ruf Gottes, der an sie erging, zu folgen. So kamen sie nach Jerusalem. Natürlich mußte sie der Weg zunächst in die Hauptstadt des Reiches führen. Denn wo soll denn ein König geboren werden, wenn nicht in der Hauptstadt? Sie wandten sich an das Königshaus, an den König Herodes, der ein bedeutender Fürst war, aber auch ein grausamer Mann, und brachten ihre Kunde ihm vor. Da sagt die Heilige Schrift: „Herodes erschrak und ganz Jerusalem mit ihm.“ Warum dieses Erschrecken des Herodes? Weil Herodes seines Thrones nicht sicher war. Er war ja ein Außenseiter, kein rechter Jude, sondern ein Mischling, hatte den Thron mit Gewalt eingenommen, mit Gewalt behauptet und mußte natürlich in Furcht geraten, wenn jetzt ein Thronprätendent auftauchte. Und warum erschrak Jerusalem, die Bewohnerschaft des Ortes, mit ihm? Die Menschen mußten immer erschrecken, wenn der König erschrak. Denn sie wußten: Ein Erschrecken des Königs bedeutet böse Dinge. Seine Grausamkeit war allbekannt; und wenn er sich bedroht fühlte, dann schreckte er vor keinem Mittel zurück. Deswegen heißt es: „Es erschrak ganz Jerusalem mit ihm.“

Aber Herodes war auch ein genialer Schauspieler. Er konnte sich verstellen, er konnte seine wahre Gesinnung verbergen, und deswegen war er in heuchlerischer Weise bemüht, das Geheimnis dieses Aufbruches, das Geheimnis dieses Sternes, das Geheimnis dieser Geburt von den Weisen zu erfahren. Und sie verwiesen ihn nach Bethlehem als dem Geburtsort dieses neuen Königs. Da sieht man, wie verschieden das Erscheinen Jesu, das Erscheinen Gottes auf dieser Erde wirkt, je nach der Verfassung, in der die Menschen sind. Ist einer empfänglich, wie die Weisen, dann folgt er dem Rufe des neuen Königs. Ist er unempfänglich, ist er eifersüchtig, ist er heimtückisch, wie Herodes, dann erschrickt er und sinnt darüber nach, wie er sich von dem angeblichen Nebenbuhler befreien könnte.

Die Magier zogen dann von Jerusalem weiter nach Bethlehem. Das Kind war nicht mehr im Stalle. Wenn wir hier die Weisen in unserer Krippe die Weisen im Stalle sehen, so ist das geschichtlich nicht richtig, denn Sie haben soeben in dem Evangelium gehört, sie fanden ihn „im Hause“. Also Jesus war umgezogen. Die Familie hat später doch noch ein Domizil gewonnen. Sie fanden ihn im Hause, denn über dem Hause blieb der Stern stehen. Und so traten sie in das Haus ein und fanden das Kind und seine Mutter und den Pflegevater Josef. Das hätte normalerweise eine große Enttäuschung sein müssen. Denn wenn man einen König, ein Königskind sucht, dann erwartet man ihn in einer erhabenen Umgebung, da nimmt man an, daß er im Prunk einer Palastes geboren wird, wie das bei Königen üblich ist. Was muß das für eine Glaubensprobe gewesen sein für die Magier, daß sie diesen König nicht in einem Palaste fanden, sondern in einem armen, schlichten Hause! Aber die haben diese Glaubensprobe bestanden. Es hat ihnen nichts ausgemacht, den neuen König in Armut und in Dürftigkeit zu finden. Sie haben die Botschaft, die sie empfangen haben, gläubig aufgenommen, und mit ganzem Herzen sind sie ihr gefolgt. Deswegen heißt es: „Sie fielen nieder und beteten ihn an.“ Sie wußten, daß hier nicht bloß ein irdischer König geboren ist, sondern daß der Herr Himmels und der Erde vor ihnen steht. Und vor ihm ziemt sich die Anbetung. Sie beteten ihn an. Und weil sie wußten, daß man dem König der Könige nicht mit leeren Händen gegenübertreten kann, so brachten sie ihm Geschenke dar.

Gewiß ist das, was wir Gott eigentlich schenken können, einzig unser guter Wille; denn alles ist sein Eigentum. Er ist der Obereigentümer alles Geschaffenen. Wir sind nur seine Verwalter und seine Vertreter bei der Benutzung der irdischen Güter. Eigentlich können wir ihm nur unseren Willen schenken. Aber der Wille drängt nach einem Ausdruck, der Wille will sich äußerlich kundtun. Und so geben wir von den Gütern und Schätzen, die uns anvertraut sind, auch irdische Dinge weg, geben sie der Kirche als Vertreterin Gottes, geben sie dem Priester als dem Sachwalter Gottes und geben sie den Armen als den Geliebten Gottes. Ebenso haben die Magier ihre Geschenke ausgepackt und sie dem Königskinde zu Füßen gelegt.

Meine lieben Freunde, die Botschaft vom Kommen der Weisen aus dem Morgenlande ist keine Legende. Sie ist keine erdichtete Erzählung, die irgendwelche überzeitliche Wahrheiten deutlich machen will. Sie ist ein geschichtliches Ereignis, in dem Gottes Wirken in die Welt eintritt. Die Vertreter der Heidenwelt nahen sich dem Krippenkinde, um zu zeigen: Alle sind berufen, sich diesem König zu unterwerfen. Denn der da in der Krippe liegt, das ist derselbe, der die Spiralnebel lenkt. Der da von einer Mutter genährt wird, das ist derjenige, der die Adler erhält. Und deswegen, meine lieben Freunde, halten wir gläubig daran fest, daß wir in diesen Weisen aus dem Morgenlande vertreten sind. Sie sind unsere Vorfahren, weil wir aus der großen Schar der Heidenvölker zum Krippenkind geeilt sind und ihm in der ganzen Zeit unseres Lebens bis zum letzten Atemzug die Treue halten wollen.

Amen.

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