Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. März 1992

Die Keuschheit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Heiligen sind die Freunde Gottes. Sie haben auf Erden nach seinem Willen gelebt, haben heroische Tugend geübt und sind von ihm, wie wir mit unfehlbarer Sicherheit wissen, in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen worden. Dort sind sie unsere Fürbitter und gleichzeitig unsere Vorbilder. Wir können sie anrufen, und wir dürfen sie als Beispiel nehmen. Das ist der Grund, warum die Kirche die Figuren der Heiligen in den Kirchen aufstellt, warum sie die Bilder der Heiligen an die Wände malen läßt in ihren Gotteshäusern. So ist es auch in unserer Dreifaltigkeitskirche geschehen, wo das Altarbild in der Hauptkirche Heilige zeigt, Pankratius, Hildegard, die Mutter Gottes, Maximilian Kolbe. Aber da steht auch ein Mann, der kein Heiliger ist. Dieser Mann ist vielmehr ein notorischer Ehebrecher gewesen, dem Dutzende von Ehebrüchen nachgewiesen werden konnten, u.a. vom amerikanischen Geheimdienst. Wie kommt dieser Mann, Martin Luther King, in die Reihe der Heiligen, der Mutter Gottes, von Maximilian Kolbe, Hildegard, Pankratius? Ich sage, das ist ein Ärgernis, einen solchen Mann unter die Heiligen einzureihen. Das ist kein Vorbild, und das ist kein Fürbitter. Die Heiligen lehren uns die Tugenden. Martin Luther Kind kann uns die Tugend der Keuschheit nicht lehren, über die wir heute nachdenken wollen.

Die Keuschheit ist die gottgewollte Ordnung der geschlechtlichen Kräfte, und diese gottgewollte Ordnung wird durch Unkeuschheit zerstört. Die Keuschheit ist eine dreifache, je nach dem Stande, in dem einer lebt. Es gibt eine voreheliche, es gibt eine eheliche und es gibt eine außereheliche Keuschheit. Gemeinsam ist in all den drei genannten Fällen die Ordnung der geschlechtlichen Kräfte. Aber diese Ordnung ist eine andere je nach dem Stande, in dem man lebt.

Die voreheliche Keuschheit besteht darin, daß die geschlechtlichen Kräfte völlig gebändigt, vor allem aufgespart werden für die Ehe. Es ist wie mit einem Stausee. Da wird das Wasser angestaut, damit es die Turbinen treiben kann. Ähnlich ist es mit der Geschlechtskraft vor der Ehe. Die Kraft soll angestaut werden, damit sie geeignet ist, die Liebesflamme während der gesamten Dauer der Ehe am Leben zu erhalten. Wir nennen diese voreheliche Keuschheit Jungfräulichkeit, und diejenigen, die sie bewahren, Jungfrauen, auch wenn es Männer sind; denn für die Männer gilt kein anderes Gesetz als für die Frauen.

Im heidnischen Rom wurde die Jungfräulichkeit in hohen Ehren gehalten. Die Römer kannten eine Göttin des häuslichen Herdes, die Vesta, und diese Vesta hatte einen eigenen Tempel. In diesem Tempel brannte ständig ein Feuer, das heilige Herdfeuer, und dieses Feuer wurde gehütet von sechs Jungfrauen. Im Alter von sechs bis zehn Jahren wurden sie vom Oberpriester aus dem Volke gewonnen und kamen zum Dienst in den Tempel. Dreißig Jahre lang mußten sie diesen Dienst versehen. Sie standen in hohen Ehren. Wenn sie ausgingen, hatten sie militärisches Geleit, und wenn ein Verbrecher ihnen begegnete, wurde er begnadigt. Bei öffentlichen Veranstaltungen hatten sie die Ehrenplätze inne. Aber wehe, wenn sich eine der Jungfrauen gegen die Keuschheit verfehlte. Dann wurde sie lebendig begraben. So haben Heiden die Jungfräulichkeit geachtet und geehrt. Es blieb einer christlichen Zeit, genauer einer nachchristlichen Zeit vorbehalten, einmal im Münchener Faschingszug die letzte Jungfrau Münchens vorzuzeigen.

Die eheliche Keuschheit besteht darin, daß die Gesetze Gottes in der Ehe beachtet werden. Das oberste Gesetz lautet: Die Geschlechtskraft ist eine Lebenskraft. Sie ist nicht eine Genußkraft, sondern sie ist eine Lebenskraft. Gott hat zwei Sinne mit dieser Kraft verbunden, die liebende Vereinigung, den Ausdruck der gegenseitigen Liebe auf der einen Seite und die Fortpflanzung, die Erhaltung der Art auf der anderen Seite. Was Gott verbunden hat, darf der Mensch auch hier nicht trennen. Es ist ihm nicht gestattet, mit Pille, Kondom und ähnlichen Mitteln diese Zusammenhänge auseinanderzureißen. Zur ehelichen Keuschheit gehört auch, die Befindlichkeit des anderen Gatten zu beachten, wenn die eheliche Einung gesucht wird. Es muß hier eine Rücksichtnahme und eine gegenseitige Harmonie herrschen. Wer sich also gegen diese Gesetze verfehlt, der beachtet nicht die Keuschheit, die in der Ehe verlangt ist.

Die außereheliche Keuschheit besagt: Es gibt nach katholischer, christlicher Lehre eine erlaubte geschlechtliche Betätigung nur in der gültigen Ehe. Weder vor der Ehe noch außer der Ehe ist geschlechtliche Betätigung, ist auch nur geschlechtliche Begierde sittlich erlaubt. Deswegen darf niemand aus der Ehe ausbrechen. Heute gibt es sogenannte katholische Moraltheologen, meine Freunde, die sagen: Wenn ein Mann lange auf einer Reise ist, dann kann er schon mal einen Seitensprung tun. Katholische Moraltheologen sagen so etwas, wohin sind wir gekommen! Die außereheliche Keuschheit verbietet jeden außerhalb der Ehe gesuchten Geschlechtsgenuß.

Nach dieser dreifachen Art der Keuschheit richten sich auch die Sünden gegen die Keuschheit, die Unkeuschheit. Es gibt Sünden gegen die Natur, Sünden gemäß der Natur und Sünden neben der Natur. Sünden gegen die Natur sind alle die, welche den Fortpflanzungszweck vereiteln. Das ist gegen die Natur. Denn Gott hat den Fortpflanzungszweck und den Ausdruck der Liebe untrennbar miteinander verknüpft. Auch die Sünden der Einsamkeit sind gegen die Natur. Selbstbefriedigung von Männern oder Frauen ist Unkeuschheit, ist gegen den Zweck, den Gott mit diesem starken Trieb verbunden hat. Gegen die Natur ist auch die gleichgeschlechtliche Unzucht, die mann-männliche oder die weib-weibliche Unzucht. Das ist eine Verkehrung des Zweckes, den Gott mit der Geschlechtlichkeit intendiert hat. Er wird schon vom Apostel Paulus im Römerbrief gegeißelt, wenn er schreibt: „Darum überließ sie Gott schändlichen Leidenschaften. Ihre Weiber vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen. Ebenso verließen auch die Männer den natürlichen Umgang mit der Frau und entbrannten in wilder Gier gegeneinander. Männer verübten Schamloses aneinander und empfingen den gebührenden Lohn für ihre Verirrung an sich selbst.“

Sünden gemäß der Natur sind solche Sünden, wo der Zweck der Fortpflanzung nicht vereitelt wird, wo aber Gebote der Gerechtigkeit und der Treue gegen diesen Geschlechtsverkehr Einspruch erheben. Dazu gehört an erster Stelle die Unzucht zwischen Unverheirateten oder auch der Ehebruch. Es tun sich heute schreckliche Dinge, meine lieben Freunde. Vor einigen Jahren spannte ein katholischer Theologieprofessor, ein Priester, einem evangelischen Pfarrer die Frau aus, heiratete sie zivil und trat aus der Kirche aus. Wer wissen will, wie es um unsere Kirche steht, der muß sich an solche Beispiele erinnern. Mir sagte damals mein akademischer Lehrer: „Soweit können einen Menschen die Hormone führen, wenn sie nicht beherrscht werden!“ Das sind Sünden, wo die Geschlechtskraft zwar gemäß der Natur, aber gegen die Gerechtigkeit und gegen die Treue, die Gott mit der Keuschheit untrennbar verknüpft hat, gebraucht wird.

Und schließlich Sünden neben der Natur, etwa Blutschande, also geschlechtliche Betätigung mit Verwandten, Schändung, Notzucht und ähnliche Scheußlichkeiten, die ja leider Gottes nicht selten sind und die deswegen nicht verschwiegen werden dürfen. Meine lieben Freunde, wir wollen keine Pharisäer sein. Wir alle wissen, wie stark der Trieb ist. Jeder von uns kennt den Kampf und das Ringen um Reinheit. Ein junger Mann hat sich einmal über sein Bett geschrieben: „Tikur“. Das ist die Abkürzung von einem Satz gewesen, und dieser Satz lautet: „Treu im Kampf um Reinheit.“ Tikur – Treu im Kampf um Reinheit. Jawohl, das ist einem jeden von uns aufgegeben. Es hat auch fast jeder Mensch ein sexuales Problem. Früher oder später, nur in einer Phase des Lebens oder auch das ganze Leben lang haben die meisten Menschen mit diesen Dingen zu ringen, vor allem mit unkeuschen Vorstellungen, die auf den Menschen eindringen, die ihm keine Ruhe lassen. Zur Tröstung kann gesagt werden: Was einen als eine fremde Macht überfällt, wovon man nichts wissen will, was man ablehnt und worüber man erschrickt, das kann keine Sünde sein. Es gibt im Menschen, sei es im Leib, sei es in der Seele, sogenannte motus primo primi, wie die Theologie sagt, d.h. spontan eintretende Regungen, die ohne Erkenntnis und ohne Zustimmung geschehen; sie können keine Sünde sein. Selbst die motus secundo primi, wo also der Wille und die Aufmerksamkeit  schon irgendwie, aber dunkel und unklar damit beschäftigt ist, können höchstens eine läßliche Sünde sein. Eine schwere Sünde kann nur geschehen, wenn der Mensch mit Verstand und Willen, mit Aufmerksamkeit sich der Handlung zuwendet. Das sind die motus secundi. Die sind allerdings schwere Sünde.

Es ist auch zu unterscheiden die Erzeugung von Lust durch solche Gedanken und das theoretische Nachdenken. Man muß manchmal bei sich selbst oder bei anderen über Sündhaftes nachdenken. Wenn dazu ein Grund besteht, ist es gestattet. Das ist keine Sünde. Es kann sogar Pflicht sein. Nur wenn es aus Neugierde oder aus geheimer Begierde geschieht, dann würde es Sünde werden. Sünde ist nur, wenn jemand sündhafte Gedanken in sündhafter Lust und in sündhafter Absicht unterhält.

Die Unordnung im Geschlechtlichen, meine lieben Freunde, hat verheerende Folgen. Der heilige Hieronymus schreibt einmal von der Geschlechtsbegierde: „Usu crescit numquam satiatur“, also die geschlechtliche Lust wächst dadurch, daß man ihr nachgibt, sie wird niemals satt. Es ist also nicht so, wie man uns weismachen will, wenn man diesem Trieb nachgebe, dann würde er sich beruhigen. Das Gegenteil ist der Fall. Je mehr man ihm nachgibt, um so mehr meldet er sich, um so stärkere Dosen will er haben. „Usu crescit numquam satiatur“. Er wächst dadurch, daß man ihm nachgibt, er wird niemals satt. Und dann die beklagenswerten Folgen dieses Triebes, die Unbeständigkeit und die Gleichgültigkeit gegen Ehre und Zucht, nur um diesen Trieb zu befriedigen. Was haben Menschen schon alles preisgegeben um dieses Triebes willen, Familie und Ehe und Besitz und Beruf! Die Leidenschaft wird sich auch häufig in Krankheiten und in Leiden bemerkbar machen. Wir alle wissen, daß die Geschlechtskrankheiten, daß das furchtbare Laster von Aids auf Mißbrauch der Geschlechtskräfte zurückzuführen ist. Das ist die alte Erfüllung des Grundsatzes: Man wird mit dem gestraft, womit man sündigt. Dazu kommen die verhängnisvollen Auswirkungen im religiösen Bereich: Auflehnung gegen Gott, Unlust zu Gebet und Gottesdienst, Verblendung und Unglauben.

Das alles sind Folgen des Mißbrauchs der Geschlechtskraft. Wir wollen, meine lieben Freunde, soweit es an uns liegt, treu im Kampfe um Reinheit sein, wollen die uns Anvertrauten zu dieser Treue im Kampfe um Reinheit führen, wollen ihnen die Schönheit der Keuschheit zeigen, die Schönheit des Ideals. Wie wunderbar ist es, wenn ein Mensch diese Kräfte, diese zugegeben gewaltigen Kräfte, zu beherrschen weiß! Ein solcher Mensch ist zu allem Guten fähig. Wer diese Kräfte beherrscht, der wird verfügbar im Dienste Gottes, den begleiten die Engel und den führen sie den Weg der Gerechtigkeit.

Die Keuschheit in der Ehe, vor der Ehe und außer der Ehe ist aber auch für das Volk von größter Bedeutung. Die Unkeuschheit schwächt ein Volk, treibt es in Konflikte, zerstört die Familien und damit die Keimzelle des Volkes, bringt den Untergang ganzer Völker. Rom ist zugrundegegangen an der Unkeuschheit. Und unser Volk ist auf dem besten Wege, es ihm nachzumachen.

Vor einiger Zeit sind einmal drei junge Männer auf Wanderschaft gewesen, und zwar an der Elster, also einem Fluß in Sachsen. Sie wollten zur Quelle der Elster. Sie stiegen also auf und kamen an den Ort, wo das Wasser aus dem Boden sprudelte, und waren glücklich, diese Naturerscheinung aus der Nähe zu betrachten. Aber einer von ihnen warf den Rucksack ab, packte sein Essen aus, warf Eierschalen und Obstreste und Papier in die Quelle und sagte: „Ich will doch sehen, ob ich sie verstopfen kann.“ Die beiden anderen sagten: „Du, das ist nicht recht. Das tut man nicht mit einer Quelle.“ Das ist ein Bild, meine lieben Freunde, für die Geschlechtskraft. Verunreinigt nicht die Quelle! Schändet nicht die Quelle des Lebens! Verstopft nicht die Quelle der Heiligkeit! Haltet die Quelle rein!

Amen.

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