Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. April 1991

Der verklärte Leib des Auferstandenen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte im Herrn!

Die Auferstehung und der auferstandene Leib des Herrn sind ein göttliches Wunder. Weil sie ein göttliches Wunder sind, sind sie auch ein göttliches Geheimnis. Wir Priester haben im Brevier des heutigen Tages, im Nachtgebet, eine Lesung vorgelegt bekommen, in der gesagt wird, wenn die Werke Gottes nicht wunderbar wären, dann könnten die Menschen sie mit ihrem Verstande ergreifen, und der Glaube hätte kein Verdienst. Die Werke Gottes müssen unbegreiflich sein, wenn sie Gottes Werke bleiben sollen. Die Auferstehung und der auferstandene Leib sind also ein Geheimnis, aber das hindert nicht, daß wir versuchen, mit unseren vom Glauben erleuchteten Verstandeskräften in dieses Geheimnis so weit einzudringen, wie es uns möglich ist. Es ist also nicht nur denkbar, sondern es scheint, um den Glauben zu stärken und zu sichern, geboten, zu fragen: Wie war denn der Leib des auferstandenen Herrn?

Es wäre falsch, wenn man den Ernst des Todes Jesu leugnete. Die Kreuzigung, der Lanzenstich, das Grab, die Steinplatte vor dem Grabe, die Wache, die aufgestellt wurde, erheben Einspruch gegen diejenigen, die den Ernst des Todes Jesu bezweifeln. Und sie erheben auch Einspruch gegen jene, die diesen Tod nicht als ein unwiderrufliches Ende dieses irdischen Lebens Jesu ansehen. Der Tod war nicht bloß ein Durchgang, hinter dem Jesus dasselbe Leben fortsetzte, wie er es vorher geführt hat. Nein, der Tod war ein Verwandler. Es kam etwas Neues hervor. Der Jesus, der aus dem Grabe entstieg, ist nicht gekommen, um dasselbe Leben fortzusetzen, wie er es vorher geführt hatte. Wenn er als der gleiche wiedergekommen wäre, dann wäre das ein Zeichen des Mythos. Aber er ist nicht als der gleiche, er ist als ein Verwandelter wiedergekommen, und das ist ein Zeichen dafür, daß wir es hier mit Geschichte zu tun haben.

In den Evangelien sind zwei Reihen von Aussagen über den Auferstandenen enthalten. Die eine Reihe schildert ihn in seiner Erhabenheit über Raum und Zeit, über Fleisch und Blut. Diese Erhabenheit, diese Andersartigkeit, diese Verschiedenheit ist so groß, daß ihn seine vertrauten Anhänger nicht mehr erkennen. Maria Magdalena hält ihn für den Gärtner, und die Emmausjünger meinen, es sei irgend ein Fremdling, der da mit ihnen wandelt. Das ist die eine Reihe von Vorstellungen, nämlich diejenigen, die Jesus in seiner Andersartigkeit vom vorherigen Leben schildern.

Die zweite Reihe von Aussagen und Berichten betont, daß Jesus in wirklicher, leibhaftiger Gestalt erschienen ist. Er ist nicht nur plötzlich vor ihnen aufgetaucht, sondern er hat mit ihnen geredet, genauso erhaben, genauso klar, genauso tatkräftig wie zur Zeit seines Lebens auf Erden, und er hat mit ihnen gegessen, er hat mit ihnen getrunken, er hat sich anrühren lassen. Die liberale Theologie, also der theologisch verbrämte Unglaube, schließt aus diesen gegensätzlichen Vorstellungsreihen, daß die Berichte unglaubwürdig seien. Sie widersprechen sich, so sagen die liberalen Theologen. In Wirklichkeit widersprechen sie sich nicht, sondern sie ergänzen sich. Erst in ihrem Zusammen bekommen wir ein wirkliches Bild des auferstandenen Heilandes. Daß die Evangelisten keinen Widerspruch zwischen den verschiedenen Berichten gesehen haben, das erkennt man daran, daß sie nicht verteilt sind auf das eine oder das andere Evangelium, sondern daß die beiden Vorstellungsreihen in ein und demselben Evangelium, ja in ein und derselben Erscheinung berichtet werden, nämlich zunächst das Erstaunen und die Befremdung über diesen da vor ihnen Erscheinenden und dann die Lösung dieses Rätsels, als sich Jesus zu erkennen gibt. Die beiden Vorstellungsreihen müssen also zusammen gesehen werden; sie schließen sich nicht aus. Erst ihre Gemeinsamkeit ergibt ein vollendetes und vollkommenes Bild des auferstandenen Herrn.

Ein Apostel hat sich besonders mit dem verklärten Leib des Herrn beschäftigt. Es ist das der Apostel Paulus. Schon damals, also vor 1900 Jahren, haben die Menschen gefragt: Was war das denn für ein Leib, mit dem der Herr erschienen ist? Und schon damals gab es selbstverständlich Einwände gegen dieses einzigartige, noch nie dagewesene Wunder. Wir haben in unserer Erfahrung kein Vergleichsmaterial für dieses Geschehnis, das sich damals, einmal und ein einziges Mal in der Geschichte, ereignete. Aber Paulus sucht nach Analogien für die Auferstehung des Herrn. „Es könnte jemand sagen: Wie stehen die Toten auf? Mit was für einem Leibe kommen sie zum Vorschein? Du Tor! Was du säst, keimt nicht auf, wenn es nicht zuvor abstirbt. Und wenn du säst, säst du nicht die Pflanze, die erst werden soll, sondern ein bloßes Korn, etwa ein Weizen- oder ein anderes Samenkorn. Gott aber gibt ihm einen Körper, so wie er will, und einer jeden Samenart einen eigenen Körper.“ Er setzt also an mit der Verschiedenheit zwischen dem, was man sät, und dem, was daraus wird, und sagt: Es ist ein großer Unterschied. Man kann es der Pflanze ja nicht ansehen, daß sie einmal aus einem winzigen Korn geworden ist. Man sieht es der Eiche nicht an, daß sie aus einer Eichel entstanden ist. Aber nicht genug damit. „Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch. Vielmehr ein anderes ist das Fleisch der Menschen, ein anderes das der Vierfüßler, anders das der Vögel, anders das der Fische.“ Also schon im Bereiche der Lebewesen gibt es sehr verschiedene Körperlichkeiten, sehr verschiedene Fleischarten. Auf diese Weise versucht er einen neuen Ansatz, um das Geheimnis des verklärten Leibes und den Unterschied zum irdischen Leib Jesu zu erklären. Dann weiter: „So gibt es auch himmlische Körper und irdische Körper. Anders ist der Glanz der himmlischen, anders derjenige der irdischen.“ Jetzt geht er an den Himmel. „Anders ist der Glanz der Sonne, anders der Glanz des Mondes, anders der Glanz der Gestirne; denn Stern unterscheidet sich von Stern an Glanz.“ Er hat also drei Beispiele gebracht, wie es Unterschiede gibt zwischen den verschiedenen irdischen Wirklichkeiten „So“, kommt jetzt die Anwendung, „ist es auch mit der Auferstehung der Toten.“ Jetzt kommt ein vierfacher Vergleich: „Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit. Gesät wird in Häßlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit. Gesät wird in Hinfälligkeit, auferweckt in Kraft. Gesät wird ein sinnlicher Leib, auferweckt ein vergeistigter Leib.“ Also vier Gegensatzpaare, die erklären sollen, wie sich der himmlische, der verklärte, der auferweckte Leib von dem irdischen Leib unterscheidet. Der irdische Leib ist verweslich, er ist – im Vergleich zum verklärten Leibe – häßlich, er ist hinfällig, er ist sinnenhaft, sinnlich. Ganz anders der auferweckte Leib. Er ist unverweslich, er ist herrlich, er ist voll Kraft, und er ist vergeistigt. Die Vergeistigung des auferweckten Leibes geht so weit, daß der heilige Paulus an einer Stelle seiner Briefe schreibt: „Der Herr ist der Geist.“ Der Leib des Herrn ist derart vergeistigt, vom Heiligen Geist durchwirkt und ergriffen, daß man sagen kann: Der Herr ist der Geist.

Er hat auch an anderen Stellen ein neues Gleichnis für den verklärten Leib des Herrn eingefügt, nämlich das Licht. Er hat ja selbst den auferstandenen Heiland in einer Lichterscheinung gesehen, vor Damaskus. Da brannte vor ihm ein Licht, und er stürzte zu Boden. Und aus dieser Lichterscheinung kam die Rede: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Und fortan ist das Licht bei Paulus das Hauptmedium geworden, mit dem er den auferstandenen Herrn zu schildern bemüht ist. Der Herr ist Licht. Er ist lichtvoll, er ist durchleuchtet. Sein Leib ist durchleuchtet von der Herrlichkeit Gottes. Auf Erden war der Leib Jesu mehr Verhüllung als Offenbarung der Herrlichkeit Gottes; da war die Herrlichkeit Gottes verborgen. Jetzt aber, nach der Auferweckung, ist die Herrlichkeit offenbar geworden. Jetzt durchdringt und durchwirkt sie den Leib Jesu. Jetzt ist er lichtvoll, lichthaft geworden. Und diese Verwandlung hat der Geist, der Heilige Geist bewirkt. Der Geist, der den Leib Christi geschaffen hat, dieser Geist, dieser selbe Geist hat ihn auch verwandelt im Werk der Auferstehung. Der Geist des Herrn, der über den Wassern ruhte, als die Welt geschaffen wurde, dieser allmächtige Geist hat den Körper des Auferstandenen verwandelt.

Da sehen wir,  meine lieben Freunde, daß man eine Ahnung gewinnen kann von der Wirklichkeit des auferstandenen Heilandes. Auch die Verklärung auf dem Berge Tabor kann uns helfen, in dieses Geheimnis etwas einzudringen. Die drei Apostel, die damals mit dem Herrn auf dem Verklärungsberge waren, sahen, daß sein Antlitz leuchtete wie die Sonne und daß seine Kleider wurden wie Licht. So steht es im 17. Kapitel des Matthäusevangeliums. Wie Licht, sie wurden lichtvoll; sein Leib wurde lichtvoll auf diesem Berge, und das fügt sich nahtlos zu der Erscheinung, die Paulus vor Damaskus gehabt hat. Der Leib Christi ist lichtvoll geworden. Die Tabor-Verklärung und die Lichterscheinung vor Damaskus vermögen uns eine Ahnung zu vermitteln von der Wirklichkeit des verwandelten Leibes Christi.

Und doch muß festgehalten werden: Der verwandelte Leib Christi ist kein anderer als der Leib, der am Kreuze verblutete, der in Tücher gelegt wurde, der ins Grab gelegt wurde. Er ist nur anders geworden. Es ist derselbe Leib, aber in veränderter Gestalt. Der verwandelte Leib des Herrn ist identisch mit dem Leib, der ans Kreuz geheftet wurde. Deswegen läßt der Herr ja die Jünger die Dichtigkeit seines Leibes spüren. Damit sie nicht meinen, es sei ein Gespenst oder eine trügerische Lichterscheinung, dürfen sie den Finger in seine Wunden legen und die Hand in seine Seitenwunde. Das ist ein Beweis der Identität, also der Dieselbigkeit des verklärten Leibes mit dem zerrissenen, verblutenden Leibe, den der Herr am Kreuze zum Opfer gebracht hat.

Die gläubige Betrachtungsweise des Volkes hat sich immer schon mit dem lichtvoll gewordenen Leibe des Herrn beschäftigt in dem schönen Liede „Ist das der Leib, Herr Jesus Christ, der tot im Grab gelegen ist? Kommt, kommt, ihr Christen, jung und alt, schaut die verklärte Leibsgestalt.“ In den folgenden Versen werden dann die Eigenschaften dieses Leibes beschrieben: „Den Leib verklärt ein lichter Strahl, es schimmert hell der Wunden Mal. Die Seele durchleuchtet ihn so rein wie tausendfacher Sonnenschein.“ Also die Lichtherrlichkeit seines Leibes. „Der Leib empfindet nimmer Leid, bleibt unversehrt in Ewigkeit. Gleich wie die Sonne leuchtet klar durch noch so viele tausend Jahr'.“ Dieser Leib ist dem Leide nicht mehr zugänglich. „O Leib des Herrn, wie zart und fein, du dringst durch Schloß und Riegel ein, wie durch das Glas die Sonne geht und nichts den Strahlen widersteht.“ Als der Herr auf Erden wandelte, da ist er einer der anderen Menschen gewesen, der kam und ging und aß und trank wie sie. Jetzt aber kommt er plötzlich und verschwindet ebenso plötzlich. Die Gesetze von Raum und Zeit gelten nicht mehr für ihn. „Schnell ist der Leib, schnell und geschwind, gleich wie ein Pfeil, gleich wie der Wind, gleich wie ein Stern viel tausend Meil' die Welt umläuft in schneller Eil'.“ Die Enge des Raumes und der Zeit, die Schranken des Raumes und der Zeit gelten für den verklärten Leib nicht mehr.

Und deswegen, weil dieser verklärte Leib so wunderbar gestaltet ist, weil er verbunden ist mit dem Logos, der zweiten Person der Gottheit, deswegen stimmt der Sänger in der letzten Strophe an: „Verklärter Leib, dich bet' ich an, lobpreise dich, soviel ich kann. Gib, Herr, daß ich in Ewigkeit ihn schauen mög' in Himmelsfreud'.“

Alleluja, alleluja. Amen.

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