Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. Februar 1991

Die Vollendung der Erlösung im Leib

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Tod ist der endgültige Abschluß der raumhaften und zeithaften Lebensform des Menschen. Im Tode wird die Seele vom Leibe getrennt und in eine neue Lebensform übergeführt, während der Leib in seine Bestandteile zerfällt. Die Seele geht durch eine tiefgehende Verwandlung hindurch, denn es muß offenbar ein machtvoller Eingriff Gottes geschehen, damit die bisher an den Leib gebundene, dem Leib zugeordnete Seele allein, ohne Leib, existieren kann. Die Lösung der Seele vom Leib ist aber noch nicht die endgültige und die ganze Vollendung des Menschen. Die Seele ist gewissermaßen im Wartestand. Sie wartet darauf, daß sie einen Leib erhält, damit der Mensch in der Verbindung von Seele und Leib Gott loben und preisen kann für die ganze Ewigkeit. Es gibt eine Auferstehung des Fleisches. Wenige Wahrheiten sind in der Offenbarung so klar und deutlich wie diese. Die Kirche hat sich in allen Glaubensbekenntnissen dazu bekannt. „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches.“

Die Lehre von der Auferstehung des Fleisches ist auf den christlichen Bereich beschränkt. Außerhalb des Christentums ist eine der christlichen vergleichbare Vorstellung nicht zu finden. Das hängt damit zusammen, daß die Auferstehung des Fleisches unabdingbar an Jesus Christus gebunden ist. Es gibt eine Auferstehung des Fleisches, weil es einen auferstandenen Christus gibt. Christus ist das Ur-Bild der Auferstehung, und er ist die Ur-Sache der Auferstehung. Er ist ja in leibhaftiger Gestalt erschienen. Der Jesus von Nazareth hatte einen Leib wie wir und hat mit diesem Leibe gelitten, ist gestorben und ins Grab gelegt worden. Dieser Leib wurde lebendig gemacht, wenn auch in veränderter, verwandelter Gestalt. Nun hat aber Christus sein Schicksal nicht nur für sich durchlitten und erfahren. Er ist vielmehr das Haupt. Er ist das Haupt der Menschen. Er ist auch das Haupt der Schöpfung. Er ist der Herzog des Lebens, so nennt ihn der Hebräerbrief, also einer, der vor den anderen herzieht und dem dann die ganze Mannschaft folgt. Er ist der Erste. Dem Ersten folgen alle anderen. Er ist der Erstgeborene; ihm tun es die Nachgeborenen gleich. Er ist der Anfang, und ihm müssen die anderen nachkommen. So ist also die Lehre von der Auferstehung des Fleisches untrennbar von dem Glauben an die Auferstehung Christi gebunden. Sie ist so sehr daran gebunden, daß man sagen muß, wenn die Christen nicht auferstehen, dann ist auch Christus nicht auferstanden. Dann ist die Botschaft und das Zeugnis der Apostel leeres Gerede, nämlich daß Christus gestorben und auferstanden ist; dann gibt es keine Erlösung, denn die Erlösung besteht in der Gemeinschaft mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus.

Es gibt kaum ein Dogma, einen Glaubenssatz der Kirche, der so zentral ist wie dieser von der Auferstehung des Fleisches. Es gibt aber auch freilich wenige, die so schwer zu erfassen sind wie diese. Diese Erfahrung hat die Kirche von Anfang an gemacht. In der Erfahrung sehen wir nämlich den Zerfall des Stofflichen, da sehen wir den Rhythmus von Leben und Tod. Aber eine Auferstehung ist in der Erfahrung nicht vorfindlich. Wer nur auf die Erfahrung baut und auf seinen Verstand, der kann irre werden an der Lehre von der Auferstehung, dem kann sie ein Ärgernis bedeuten. Und so war es. Im 1. Korintherbrief haben wir ein Zeugnis davon. Paulus brachte die Botschaft von der Auferstehung in die Welt der griechischen Geistigkeit. Diese Welt sah im Leibe das Gefängnis der Seele. Der Grieche erblickte daher im Tode eine Befreiung, nämlich eine Befreiung aus dem Gefängnis des Leibes. An die Auferstehung glaubten die Griechen nicht, aber an das Weiterleben der Seele glaubten sie. Und es schien ihnen undenkbar, daß der Leib, dieses Gefängnis der Seele, ja, wie man auch noch annahm, der Hort des Bösen und des Schlechten, daß der auferweckt werden könnte. Und so gab es schon in der korinthischen Gemeinde Christen, die die Lehre von der Auferstehung umdeuten, spiritualisieren wollten.

Noch trübere Erfahrungen machte Paulus auf dem Areopag in Athen. Der Areopag war das Zentrum des politischen Lebens und die Stätte der Geistigkeit der Griechen. Solange Paulus dort von dem unbekannten Gott sprach, den ihre Dichter besangen, solange er von der Vorsehung redete, die alles lenkt, hörten ihm die Griechen gern zu. Als er aber anfing, von dem Gott zu reden, der den Kreislauf der Natur durchbricht, von dem Gott, der die Toten auferweckt, da lachten sie ihn aus und ließen ihn stehen. Ähnliches widerfuhr dem Paulus vor dem Statthalter Festus und dem König Agrippa. In seiner Verteidigungsrede vor den Statthaltern Felix und Festus sprach er von der Auferstehung der Toten. Da sagte ihm der Festus: Du bist von Sinnen, Paulus. Das viele Studieren bringt dich um deinen Verstand.

An diesen Beispielen sehen wir, wie schwer es für den Weltgläubigen, für den Naturgläubigen, ist, die Wahrheit von der Auferstehung des Fleisches zu bejahen. Wer nicht an Christus glaubt, der kann auch nicht zum Glauben an die Auferstehung des Fleisches gelangen. Im Alten Testament wurde der Glaube an die Auferstehung des Fleisches allmählich vorbereitet. Wir haben ein klares Zeugnis im Buche des Propheten Daniel. Da heißt es nämlich: „In jener Zeit wird sich Michael, der große Engelfürst, erheben. Es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie sie nie gewesen, seitdem es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Dein Volk aber wird in jener Zeit gerettet werden, alle, die man im Buche aufgezeichnet hat. Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zu ewigem Leben, die anderen zu Schmach und ewiger Schande. Die Frommen werden leuchten wie der strahlende Himmel, und die, die viele zur Gerechtigkeit angeleitet haben, wie die Sterne in alle Ewigkeit.“ Also hier ein klares Zeugnis für die Auferstehung der Toten, und zwar aller Toten, der einen freilich zur Herrlichkeit, der anderen zur Qual. Als Jesus auf dieser Erde erschien, war der Glaube an die Auferstehung der Toten Gemeingut der frommen Juden. Der alttestamentliche Vergeltungsgedanke mag dazu beigetragen haben, daß diese Botschaft von der Auferstehung, die Gott durch seine Offenbarung den Menschen geschenkt hat, Wurzeln faßte. Der Vergeltungsgedanke bedeutete folgendes: Die Juden sahen, wie der Gute und der Fromme oft auf Erden gequält, mißhandelt, zurückgestellt wird, und wie der Böse und der Rücksichtslose auf Erden Erfolg hat und siegt und vorankommt. Da hätte man zur Verzweiflung an Gottes Gerechtigkeit kommen können, wenn sich nicht der Glaube erhoben hätte: Es gibt einen Ausgleich zwischen Frömmigkeit und Schicksal, wenn nicht auf dieser Erde, dann im Jenseits. Und so hat der Vergeltungsgedanke gewissermaßen den Boden gelockert für die Botschaft, für die von Gott vermittelte Botschaft von der Auferstehung des Fleisches. Jesus hat von dem Zusammenhang von Vergeltung und Auferstehung gepredigt. Er hat einmal von der Liebe gesprochen, die auf Gegenseitigkeit beruht. Diese Liebe ist keine echte Liebe. „Wenn du ein Mittags- oder ein Abendmahl gibts, so lade nicht deine Freunde ein noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn, sonst laden sie dich wieder ein und halten dich schadlos. Lade vielmehr, wenn du ein Gastmahl gibst, Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Dann wirst du selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten. Dir wird es vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.“ Also hier der Vergeltungsgedanke in Verbindung mit der Auferstehungshoffnung.

Ganz besonders deutlich hat der Herr gesprochen, als er sich mit den Sadduzäern stritt. Die Sadduzäer waren eine Gruppe im jüdischen Volke, die – so würde man heute sagen – einem Materialismus huldigten, die die Auferstehung der Toten ablehnten. Die Sadduzäer glaubten Jesus hereinzulegen, indem sie sagten: Da waren ein Mann und eine Frau, sie haben geheiratet. Dann starb der Mann, und die Frau hat einen zweiten geheiratet. Das ist siebenmal so geschehen, sie hat sieben Männer gehabt. Wie wird das nun sein bei der Auferstehung? Da wird sie doch jeder haben wollen. Jesus lächelt überlegen über die absurden Auffassungen. In der Auferstehung, sagt er, werden sie weder heiraten noch verheiratet werden, sondern sie sind wie die Engel im Himmel. Auf Erden ist der Leib mit seinen Geschlechtsorganen notwendig, damit das Menschengeschlecht nicht ausstirbt. Wenn keine Zeugung erfolgt und keine Geburt, dann würden die Menschen aussterben. Aber im Himmel gibt es keinen Tod mehr, und deswegen besteht auch keine Notwendigkeit, die durch Tod aus der Mitte gerissenen Wesen zu ersetzen. Infolgedessen braucht es gar keine Besorgnis, wem diese Frau gehören wird. Es wird in keiner Weise einen Streit um sie geben, sondern man wird in völliger Harmonie in der Seligkeit Gottes verweilen.

Der Apostel Johannes berichtet, wie der Herr die Auferstehung von den Toten an das Hören seines Wortes geknüpft hat. „Wahrlich, ich sage euch, wer mein Wort hört und ihm glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist vom Tode zum Leben übergegangen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es kommt die Stunde, ja sie ist schon da, wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie hören, werden leben.“

Die Auferweckung von den Toten ist also geknüpft an das Hören des Wortes, genauer noch an den Glauben an das Gehörte. Und auch das hat der Herr an anderer Stelle gesagt: „Das ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich nichts von allem, was er mir gegeben hat, verlorengehen lasse, sondern es auferwecke am Jüngsten Tage. Denn dies ist der Wille meines Vaters, daß jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe und ich ihn auferwecke am Jüngsten Tage.“ Also das Hören auf die Botschaft, das Annehmen der Botschaft im Glauben, das garantiert die Verbindung mit Christus, der dann der Auferwecker am Jüngsten Tage sein wird. Aber noch etwas: Auch der Genuß der eucharistischen Speise ist Vorbereitung auf die Auferstehung, er setzt gleichsam Auferstehungskeime in uns ein, die sich eines Tages entwickeln werden. „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich um des Vaters willen lebe, so wird auch der, welcher mich ißt, um meinetwillen leben.“ Die Eucharistie ist ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit auch des Leibes, ja gerade des Leibes.

Diese Botschaft Jesu ist von seinen Aposteln aufgenommen worden. Sie haben sie zu einem zentralen Gegenstand ihrer Verkündigung gemacht, und niemand hat klarer darüber gesprochen als der Apostel Paulus, vor allen Dingen im 1. Korintherbrief. Ich sagte schon, daß es in Korinth Kreise gab, die die Schrift gewissermaßen – um ein heute im Schwange befindliches Wort zu gebrauchen – entmythologisieren wollten, d.h. sie ihres Wirklichkeitscharakters berauben wollten, und die sagten: Ja, das ist nicht so wörtlich zu nehmen mit der Auferstehung Jesu, natürlich auch nicht mit der Auferstehung der Christen. Das ist geistig zu verstehen und bildlich. Dagegen wendet sich Paulus mit aller Energie. Man spürt, wie erregt er ist über die Verkehrung der Heilsbotschaft. „Wenn aber gepredigt wird“, sagt Paulus, „daß Christus von den Toten auferstanden ist, wie behaupten dann einige von euch, es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist unsere Predigt ohne Sinn, ohne Sinn auch euer Glaube. Dann sind wir als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt haben, daß er Christus auferweckt habe, den er ja nicht auferweckt hat, wenn nämlich die Toten nicht auferstehen. Denn wenn Tote nicht auferstehen, so ist auch Christus nicht auferstanden. Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist euer Glaube nichtig, dann seid ihr noch in euren Sünden, dann sind auch die in Christus Entschlafenen verloren. Wenn wir bloß in diesem Leben auf Christus unsere Hoffnung setzen, so sind wir bejammernswerter als alle Menschen. Nun ist aber Christus von den Toten  auferstanden als Erstling der Entschlafenen. Denn weil durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.“ Hier kommt ein Leitmotiv der Predigt des Apostels Paulus zum Tragen, nämlich Christus, der Erstling. Was am Erstling geschieht, das muß an allen folgenden geschehen. Was an Christus geschehen ist, das wird auch an den Christen geschehen. Sie sind ja mit Christus verbunden, verbunden durch den Glauben, durch die Taufe, durch die Eucharistie. Sie sind schon jetzt mit dem Auferstehungsleben Christi verbunden, nur ist diese Verbundenheit jetzt verhüllt. Sie wird aber eines Tages enthüllt werden, wenn die Auferstehung des Fleisches angesagt wird. Dann wird sich zeigen, daß im Christen Auferstehungskräfte wirksam waren, die sich nun wunderbar entfalten. Und deswegen kann Paulus sagen: Wir haben eigentlich unsere Heimat, unser Gemeinwesen, unser Staatswesen, im Himmel. Dort ist Christus, und wir sind eigentlich schon bei ihm, weil wir bei ihm gewissermaßen angemeldet und eingetragen sind. Er hat schon Wohnungen bereitet für uns. Hier wohnen wir nur wie in einem Zelt, und die Zeltwohnung ist vorübergehend, dient lediglich einem provisorischen Aufenthalt. Drüben sind die endgültigen Wohnungen, die Christus für uns bereitet hat. „Unsere Heimstätte aber ist im Himmel, woher wir auch den Heiland erwarten, unseren Herrn Jesus Christus. Er wird unseren armseligen Leib umgestalten und ihn ähnlich machen seinem verklärten Leibe durch die Kraft, mit der er sich auch alles unterwerfen kann.“

Ich wähne nicht, meine lieben Freunde, daß die Annahme der Lehre von der Auferstehung des Fleisches leicht sei. Ganz gewiß ist sie das nicht. Es bleiben Denkschwierigkeiten, die man sich nicht verheimlichen darf. Aber wenn sie ein Geheimnis Gottes ist, wenn die Macht Gottes dabei am Werke ist, dann muß es ja doch wohl so sein, daß wir es nicht verstehen; denn sonst könnten wir gewissermaßen die Auferstehung erzeugen, könnten sie mit unseren Kräften und Mitteln hervorbringen, sei es mit biologischen oder physikalischen oder chemischen Mitteln. So darf es nicht sein. Es muß die Auferstehung ein undurchdringliches Geheimnis bleiben, weil sie Gottes eigenstes Werk ist.

Zu dem großen englischen Physiker Isaac Newton kam einmal ein Mann, der sagte, er halte die Auferstehung der Toten für Unsinn, das sei ja gar nicht möglich. Da nahm Isaac Newton, dieser große Physiker und Mathematiker, eine Handvoll Eisenfeilspäne und mischte sie mit Sand. Dann sagte er zu dem Manne: „Könnten Sie jetzt aus diesem Gemengsel die Eisenfeilspäne herausholen?“ „Nein.“ Da nahm Newton einen Magneten, und auf einmal erhoben sich die Eisenfeilspäne aus der Masse des Sandes. „Sollte der“, so sagte Newton, „der dem Magneten solche Kraft verliehen hat, nicht fähig sein, der unsterblichen Seele einen Leib zurückzugeben?“

Amen.

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