Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Dezember 2011

„Heute ist euch der Heiland geboren“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Weihnachtsfreude Versammelte!

„Stille Nacht, heilige Nacht, Hirten erst kundgemacht. Durch der Engel Halleluja tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter, ist da!“ So singen wir einmal im Jahre in der heiligen Weihnacht. „Stille Nacht, heilige Nacht, Hirten erst kundgemacht.“ Einfältige Hirten waren die ersten, denen Gott die Geburt seines Sohnes offenbarte. Es war in Palästina üblich, dass das Weidevieh im Unterschied vom Stallvieh vom Paschafest bis zum Beginn des Herbstregens im November im Freien verblieb, manchmal sogar auch im Winter. Abends wurden die Tiere in einen Pferch getrieben zum Schutz vor Dieben und Raubtieren, und die Hirten errichteten sich zur nächtlichen Ruhe und zum Schutz gegen die Unbilden der Witterung eine Hütte.

Dass es Hirten sind, denen die Offenbarung des neugeborenen Königs wurde, ist nicht ein altertümliches Sagenmotiv, wie protestantische Religionsgeschichtler meinen, etwa aus dem Mithraskult bezogen, sondern die Hirten nehmen in dem Bericht des Lukas eine besondere Stelle ein. Gewacht wurde damals auch im Palast des Herodes und in Jerusalem, aber die Hirten wachten, weil sie von Gott wachgehalten wurden, denn er hatte sie sich auserwählt. Die Hirten sollten die ersten sein, welche die Kunde von dem neugeborenen König empfangen. Das ist ein Zeichen, wie Gott handelt. Gott sucht und hat sein Volk unter den Geringen und Verachteten, denn die Hirten waren verachtet, weil sie lohnabhängig waren, und sie galten als unehrlich.

So wird es weitergehen. Paulus wird einige Jahrzehnte später an die Gemeinde in Korinth schreiben: „Seht nur auf eure Berufung. Da sind nicht viele Gebildete, nicht viele Einflußreiche, nicht viele Vornehme, sondern was vor der Welt töricht ist, das hat Gott erwählt, um das Gebildete zu beschämen.“

Vor solchen Hirten, die in der Nähe Bethlehems gerade ihre Herde bewachen, erscheint plötzlich ein Engel. Aber nicht nur ein Engel. Achten Sie bitte darauf, daß Lukas berichtet: Neben dem Engel zeigte sich eine blendende Lichterscheinung. Die Herrlichkeit des Herrn ging auf neben dem Engel. Es sind zwei Wirklichkeiten, welche die Hirten erfahren, den Engel und die Herrlichkeit des Herrn. Licht, glänzendes Licht, Sonnenlicht vergleichbar, ist immer ein Zeichen, dass Gott nahe ist. Als Jesus auf dem Berge Tabor war, da glänzte sein Angesicht wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie der Schnee. Als die Frauen zum Grabe Jesu kamen, da standen zwei Männer in strahlender Gewandung vor ihnen. Engel ohne Zahl, ein Heer von Engeln dient dem großen, gewaltigen Gott. Sie sind die Helfer und Werkzeuge bei der Ausführung seiner Pläne.

Die erste Reaktion der Hirten ist Furcht. Furcht. Wenn eine himmlische Erfahrung die Menschen trifft, dann ist das erste, was sie erleben, Furcht. So war es auch, als der Engel zu Maria kam. Da erschrak sie, und sie mußte gebeten werden: „Fürchte dich nicht!“ Als die Frauen am Grabe den Engel sahen, erschraken sie ebenfalls, und der Engel mußte ihnen sagen: „Fürchtet euch nicht! Erschreckt nicht!“ Die Hirten wurden also von großer Furcht ergriffen, aber der Engel der Verkündigung sagte ihnen, sie sollen die Furcht fahren lassen, denn „Seht, ich verkündige euch eine große Freude.“

Weihnachten ist ein Fest der Freude. Der Engel hat eine Freudenbotschaft. Das griechische Wort dafür ist „Evangelium“ – Euangelion. Euangelion besagt Freudenbotschaft, Frohbotschaft. Man gebrauchte zur Zeit Jesu das Wort, um die Proklamation eines Herrschers anzukündigen. Wenn der Herrscher kam, war das eine Freudenbotschaft. Jetzt wird dieser Ausdruck verwendet, um die Ankunft des Messias zu verkünden. Das Evangelium enthält die Ausrufung des neugeborenen Kindes zum König von Israel durch Gott selbst.

„Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, der Messias und Herr.“ Das ist die Botschaft der Weihnacht. Das ist der Inhalt dieser Botschaft. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Messias geboren, der Retter, der Herr.“

Achten Sie bitte, meine lieben Freunde, auf jedes Wort. „Heute“. Damit ist ein bestimmter Termin angegeben. Wir sind nicht Fabeln gefolgt, als wir dem Evangelium glaubten, wir haben keine Illusionen in uns aufgenommen, sondern es ist ein historisches Faktum, dass „heute“ der Herr, der Messias, der Retter geboren ist. Der Herr Jesus wird noch mehrmals auf dieses Heute zurückkommen. Als er seine Antrittspredigt hält in der Synagoge von Nazareth, da sagt er: „Heute ist das in Erfüllung gegangen, was der Prophet Isaias verkündet hat. Der Geist des Herrn liegt auf mir.“ Und als er den Oberzöllner Zachäus besucht, da sagt er: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.“ Und als er gar dem Schächer den Himmel öffnet, da sagt er: „Heute, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“

Wenn der Priester, meine lieben Freunde, das Evangelium verliest, hebt er immer an mit den Worten: „In jener Zeit“. Es ist die Zeit, die konkurrenzlos gegenüber allen Zeiten ist. Es ist die Zeit, in welcher der Retter erschienen ist.

Die Botschaft gilt „euch“, den Hirten, und „dem ganzen Volke“. Die Hirten sind die von Gott erwählten Zeugen der Geburt des Messias. Aber seine Geburt gilt dem ganzen Volk. Damit ist die universale Bedeutung dieses Ereignisses ausgesagt. Der Knabe kommt als Retter, als Heiland aller Menschen. Über diesem Leben steht das Wort: „Für euch, für euch, für euch.“ Für das Volk, für die gesamte Menschheit ist er geboren, hat er gelebt und gelitten und ist er gestorben. Sein Kommen und Wirken geschieht zum Nutzen und Frommen aller Menschen. Die Frau in Samaria wird es aussprechen: „Dieser ist wahrhaft der Heiland, der Retter der Welt.“ Er ist ein Erlöser ohne Konkurrenz. Von diesem Knaben erwähnen die Engel, erwähnt der Verkündigungsengel drei Hoheitstitel: Retter, Messias, Herr.

Retter. Das ist das griechische Wort sotär. Die Leser des Evangeliums des Lukas wußten genau, was damit gemeint ist, mit sotär, mit Retter. Sie kannten dieses Wort von den heidnischen Göttern, sie wurden nämlich auch als Retter, als sotäres, bezeichnet. Asklepios, der Gott der Heilkunst, galt als Retter vor Krankheiten. Isis und Sarapis wurden Retter genannt. Isis war eine ägyptische Göttin. Sie wurde wegen ihrer Zaubermacht um Hilfe angerufen. Sarapis war ebenfalls ein ägyptischer Gott, er war der Gott der Fruchtbarkeit. Auch Zeus wurde als sotär, als Retter, angerufen, als Beschützer und Erhalter der Ordnung der Welt und allen Lebens. Die Juden, die die Botschaft des Engels hörten, wußten selbstverständlich, dass die Götter Nichtse sind; sie existieren nicht. Sie sind Ausgeburten der menschlichen Phantasie. Sie sind Schöpfungen der Sehnsucht der Menschen, aber als solche sind sie nicht wertlos. Die vor- und außerchristlichen Götter sind dunkle Ahnungen des Menschengeistes, dass es eine überweltliche Macht gibt, die den Menschen zu Hilfe kommen kann. Was die Göttes meinten, aber nicht waren, das ist der Knabe von Bethlehem. Was die Menschen ahnten, wenn sie diese Götter anriefen, das ist verwirklicht im Sohne Marien,

Die Götter der Heiden trugen den Namen Retter, sotäres, zu Unrecht. Der in Bethlehem geborene Knabe trägt ihn zu Recht; denn Gott hat seinen eingeborenen Sohn deswegen Retter genannt, weil es seine Aufgabe ist, Rettung und Heil zu bringen, Rettung von der Sünde, Rettung von dem ewigen Tode. Der greise Simeon wird bestätigen, dass der neugeborene Knabe der Retter ist. Er wird ausrufen: „Meine Augen haben geschaut dein Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und ein Ruhm für das Volk Israel.“ Dieser Retter, meine lieben Freunde, ist konkurrenzlos. Petrus wird dem Hohen Rate, bei dem er vorgeladen ist, sagen: „In keinem anderen ist Heil. Es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem wir selig werden können, als der Name Jesu.“

Jesus ist der Retter. Er ist aber auch zweitens der Messias. Er ist der von den Propheten angekündigte Bringer der Heilszeit. In dem Knaben erfüllen sich die Weissagungen der Propheten. Nun gibt es die Merkwürdigkeit, dass Jesus es während seines ganzen Lebens vermieden hat, sich als Messias zu bezeichnen. Erst am Ende, bei seinem Einzug in Jerusalem, ist er als Messias aufgetreten, und vor dem Hohenpriester legt er auf die ausdrückliche Frage ein klares Bekenntnis zum Messiasamt ab und geht dafür in den Tod. Warum schweigt der Herr in seinem Leben über seine Messiaswürde? Er schweigt, weil er der falschen Messiaserwartung des Volkes keine Nahrung geben wollte. Das Volk stellte sich den Messias entweder vor als einen Propheten oder als einen Gesetzeslehrer, als einen Träger engelhafter Kraft, als einen Priesterkönig, als einen politisch nationalen König. Alle waren sich einig darin, dass dieser Messias die Fremdherrschaft in Palästina beenden und die Römer aus dem Lande treiben wird. Diese Messianität lehnt Jesus ab. Er ist ein Messias anderer Art. Er will nicht die Befreiung vom römischen Joch bewirken, sondern er bringt ein Reich religiöser Natur. Und Bedingung für den Eintritt in dieses Reich ist die vollständige religiöse Erneuerung und die höchste sittliche Anspannung. Die Knechtschaft, von der er das Volk befreien will, ist nicht die römische Herrschaft, sondern die Gewalt Satans und der Sünde, das Sich-Verlieren an die kümmerlichen Freuden dieser Welt. Deswegen konnte er nicht vor die Jünger treten und sich als Messias bekennen; dann hätte er ein radikales Mißverständnis seiner Sendung heraufgeführt. Aber er ist der Messias, und er hat sich am Ende seines Lebens als solcher auch vor dem Volk und dem Hohen Rat bekannt.

Drittens: Der Retter ist der Herr. So hilflos und ohnmächtig dieser Knabe scheint, in Wahrheit ist er ein Herrscher. Er ist der Herrscher, den der Prophet Isaias angekündigt hat: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft ruht auf seinen Schultern. Wunderrat lautet sein Name, starker Gott.“ Auf Erden gibt es viele Herren. Ihre Herrschaft ist jeweils geliehen oder übertragen. Sie ist zeitlich und räumlich begrenzt. Der Herr, von dem hier gesprochen wird, der hier von dem Engel verkündet wird, ist ein Herr über alle Herren. Seine Herrschaft ist von Ewigkeit, wie wir soeben im Evangelium der heiligen Messe gehört haben. Sie kennt keinen Anfang, und sie kennt kein Ende. Die Götter der Heiden wurden auch Herren genannt. Aber ihre Herrschaft war bloßer Schein. Der in Bethlehem geborene Herrscher ist wahrhaft ein Herr. Ihm hat Gott die Herrschaft übertragen. Christus ist ein Herrscher nicht in der Phantasie, nicht in der Sehnsucht, nicht in der Ahnung der Menschen, sondern sein Herrschertum stammt vom allherrschenden Gott. Er hat es auch nicht erst, wie manche meinen, durch die Auferstehung erworben. Nein, die Auferstehung macht ihn nicht zum Herrn, sondern sie erweist ihn als den Herrn. Der Name Herr schließt eine gottgleiche Stellung in. In der griechischen Bibel, in der Septuaginta, ist „Herr“ immer der Name für Gott. Wo die hebräische Bibel Jahwe schreibt, da schreibt die griechische Bibel Kyrios, Herr, Es wird also damit seine Macht und seine Autorität ausgesagt. Retter, Messias, Herr, das sind die Würdenamen, die Würdetitel des neugeborenen Kindes.

Der Engel gibt den Hirten auch den Geburtsort an, die Stadt Davids. Das ist Bethlehem, weil David von daher stammt, Bethlehem in der Nähe von Jerusalem. Es ist kein Widerspruch, dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, aber durchweg „Jesus von Nazareth“, der Nazarener, genannt wird. Er ist ja in Nazareth aufgewachsen und erzogen worden, und deswegen wird er der Prophet von Nazareth genannt. Es ist irrig und irreführend, wenn der Kardinal Walter Kasper sagt, Bethlehem sei der theologische und Nazareth der biologische. Nein, nein, meine lieben Freunde, wenn Jesus nicht biologisch in Bethlehem geboren ist, dann gibt es keinen theologischen Geburtsort Bethlehem, sondern dann ist diese Rede unsinnig. Jesus ist in Bethlehem geboren, und das ist sein biologischer und sein theologischer Geburtsort. Das bezeugt sogar das Heidentum. Kaiser Hadrian legte an der Geburtsstätte Jesu im Jahre 135 einen Hain des Adonis an. Damit hat er bezeugt, dass auch er davon überzeugt war, dass Jesus in Bethlehem geboren ward.

Der Engel fordert von den Hirten Glauben. Aber wie es üblich ist, gibt Gott, wenn er Glauben fordert, auch ein Beglaubigungszeichen. Zacharis, dem die Geburt des Johannes angekündigt wurde, verlor die Sprache. Er fand sie wieder, als das Ereignis eingetreten war. Maria erhielt auch ein Zeichen dafür, dass sie einen Sohn empfangen würde, nämlich Elisabeth, die als unfruchtbar gilt, hat noch einen Sohn empfangen. So bekommen auch die Hirten ein Zeichen. Aber was für ein Zeichen, meine lieben Freunde! Nicht Palast und goldene Wiege, sondern Krippe und Windeln, das ist das Zeichen des neugeborenen Königs. Gott bekennt sich zur Niedrigkeit seines Gesalbten. Gott handelt meist anders, als die Menschen es erwarten. Von ihm wird Paulus einst sagen: „Christus Jesus befand sich in der Gestalt Gottes. Aber er meinte nicht, die Gottesgestalt wie einen Raub festhalten zu müssen, sondern er entäußerte sich, nahm Knechtsgestalt an und war im Äußeren Erfunden wie ein Mensch. Er hat sich erniedrigt. Er ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze.“

Das Bekenntnis zur Messianität des Neugeborenen findet seinen Höhepunkt in der Öffnung des Himmels. Es erscheinen neben dem Verkündigungsengel weitere Engel, Heerscharen von Engeln, die Gott über der Geburt Jesu loben und preisen. Hier ist alles auf die Erkenntnis und den Preis des göttlichen Wirkens abgestellt. Das ergibt sich aus dem Wort, in dem das Lob der Engel zusammengefaßt wird: „Ehre ist für Gott in der Höhe, und auf Erden Friede bei den Menschen des Wohlgefallens.“ Ich wiederhole noch einmal diese Botschaft: Ehre ist für Gott in der Höhe, und auf Erden Friede bei den Menschen des Wohlgefallens. Diese Worte sind nicht ein Wunsch, wie wir sie in der heiligen Messe beten: Ehre sei Gott in der Höhe. Die Kirche hat ja Gewalt und die Macht, die Worte für den Gottesdienst umzuformen. Nein, sondern das ist nicht ein Wunsch, sondern das ist eine Aussage. Ehre „ist“ – jetzt „ist“ – für Gott in der Höhe. Das ist die Verkündigung eines göttlichen Geschehens. Es beschreibt die heilsgeschichtliche Bedeutung der Stunde. Durch die Geburt des Messias ist Gott verherrlicht. Warum? Weil er seine Verheißungen eingelöst hat, weil er die Vorhersagen der Propheten erfüllt hat. Er ist ein treuer Gott. Die unerhörte Liebestat, seinen eigenen Sohn in die Welt zu senden, um sie mit sich zu versöhnen, ist eine unerhörte Verherrlichung Gottes. Gleichzeitig wird den Menschen Heil. Denn jetzt ist der Heilbringer da. „Friede“ ist in der Bibel das Wort für das messianische Heil. Es erfaßt nicht nur die Abwesenheit von Streit in sich, sondern Friede ist die Fülle des Heils. Es wird in der späteren Verkündigung immer wieder vom Frieden die Rede sein. Der greise Simeon sagte: „Nun entlässest du, Herr, deinen Diener in Frieden, denn meine Augen haben dein Heil geschaut.“ Und als Jesus die Jünger ausschickt, die Frobotschaft zu verbreiten, das sagt er, sie sollen dort, wo sie eintreten, dem Haus den Frieden bringen. Friede ist die Fülle des Heils.

Den Menschen des göttlichen Wohlgefallens. Da stutzen Sie vielleicht, denn wir beten ja in der heiligen Messe beim Gloria: „Allen Menschen, die guten Willens sind.“ Bonae voluntatis. Der griechische Text lautet anders. Da heißt es: „Den Menschen des Wohlgefallens.“ Nämlich des göttlichen Wohlgefallens. Die Menschen empfangen Heil, denen Gott sein Wohlgefallen schenkt. Also den Menschen ist die Huld Gottes, das Sich-Neigen Gottes, das Wohlgefallen Gottes, seine freischaltende Güte zugesagt, weil er Wohlgefallen an ihnen hat. Das göttliche Wohlgefallen ist dem Menschen gewährt. Aber ich halte trotzdem die Übersetzung der Vulgata, die wir ja in der heiligen Messe verwenden, nicht für falsch, denn ist es denkbar, meine lieben Freunde, dass Menschen, die nicht guten Willens sind, das Wohlgefallen Gottes finden? Kann ein Mensch, in dem nicht wenigstens ein Funke guten Willens ist, das Heil Gottes erfahren? Insofern hat die Kirche durchaus recht, wenn sie uns weiter beten läßt: „Friede den Menschen, die guten Willens sind.“ Es sind die Menschen des göttlichen Wohlgefallens, die aber auch dieses Wohlgefallens sich würdig machen.

Die Hirten hören die Himmelsstimme. Sie nehmen sie ernst, und sie folgen ihr. Sie machen sich auf den Weg nach Bethlehem. „Transeamus usque Bethlehem“, so haben wir in meiner schlesischen Heimat immer zu Weihnachten gesungen: Laßt uns aufbrechen nach Bethlehem! Die Hirten sind nicht bestürzt über das, was sie dort antreffen. Sie sind überzeugt, dass das eingetroffen ist, was die Himmelsstimme ihnen angekündigt hat. Sie fassen Glauben, und sie bleiben beim Glauben. Die Hirten sind die ersten gläubigen Anhänger des Retters und Messias. Und sie schweigen nicht von ihrer Erfahrung. Sie machen bekannt, was sie erlebt haben. Sie sind die ersten berufenen Zeugen, und sie müssen Zeugnis geben von dem, was sie erlebt haben. Die Menschen, denen sie von ihrer Erfahrung erzählen, staunen. Sie staunen. Sie staunen, meine lieben Freunde, wie Anton Bruckner gestaunt hat. Sie kennen alle den großen Symphoniker Anton Bruckner, diesen kindlich frommen Mann. Er war jahrelang Organist in St. Florian, hat dort die Orgel gespielt, auch in der Heiligen Nacht. Und als man ihn am Morgen in seiner Wohnung suchte, war er nicht zu finden. Man ging in die Kirche zurück. Da fand man ihn, wie er vor der Krippe kniete. „Ja, Meister“, sagte man zu ihm, „Meister, was haben Sie hier die ganze Nacht gemacht?“ Anton Bruckner antwortete: „Ich habe nur immer vor mich hingesagt: Er ist ein Mensch geworden! Er ist ein Mensch geworden! Da bin ich vor Staunen nicht mehr fertig geworden.“

Maria nahm die Erzählung der Hirten als eine neue Bestätigung der Verheißungen, die ihr für ihren Sohn gegeben waren. Sie glaubte, wie sie an die Botschaft des Engels in ihrem Heim geglaubt hatte und wofür Elisabeth sie selig pries: „Selig bist du, die du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird das Wort, das an dich gerichtet ward.“

Die Hirten wurden über ihrem Lobpreis Gottes nicht zu einer schwärmerischen Gruppe. Sie kehrten zu ihren Herden zurück, von der sie der Engel nach Bethlehem gerufen hatte. Darin wird die Nüchternheit des Berichtes noch einmal deutlich. Das Evangelium ist eine nüchterne Botschaft, keine phantastisch ausgeschmückte. Es gehört zu seinem Wesen, dass es nicht jeden, den es zum Gauben führt, auch zum Apostel macht, wohl aber verpflichtet es alle, die gläubig werden, ihren Glauben in ihrer Umgebung zu bewähren.

Das also, meine lieben Freunde, das ist die Botschaft der heiligen Weihnacht. Das ist es, was vor zweitausend Jahren geschehen ist und was wir gläubig festhalten. Jetzt ist er da, der Wunderrat, der Gottheld, der Vater der Zukunft, der Friedensfürst, wie ihn Isaias genannt hat.

Geboren ist das Kind zur Nacht, für dich und mich und alle.

Darum haben wir uns aufgemacht nach Bethlehem zum Stalle.

Sei ohne Furcht! Der Stern geht mit, Königsstern der Güte,

dem darfst du trauen, Schritt für Schritt, dass er dich wohl behüte.

Und frage nicht und rate nicht, was du dem Kind sollst schenken.

Mach nur dein Herz ein wenig licht, ein wenig gut dein Denken.

Mach deinen Stolz ein wenig klein und fröhlich mach dein Hoffen.

So trittst du mit den Hirten ein, und sieh, die Tür steht offen!

Amen.

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