Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 2009

Ehre Gott und Friede den Menschen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als Konrad Adenauer Bundeskanzler war, hielt er die Ansprache zum Ausgang des alten und zum Beginn des neuen Jahres. Er sprach auch von den Menschen, die guten Willens sind. Da fiel ein protestantischer Geistlicher über ihn her und sagte: „Er verfälscht das Evangelium.“ Gestern hörten wir die Botschaft des Verkündigungsengels: „Seht, ich verkündige euch eine große Freude: Euch ist heute in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Heute sammelt sich eine ganze Schar von Engeln und stimmt den Lobgesang an: „Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden des Wohlgefallens.“ Die Botschaft des Engels hat einen tiefen Sinn. Wer die Erde ist, das wissen wir; die Höhe, von der die Rede ist, ist der Himmel, der Gott vorbehaltene Ort, die Gott vorbehaltene Wirklichkeit. Gottes Herrlichkeit wird gepriesen, wie sie im Himmel offenbar ist, und sein Werk, wie Er es auf Erden tut. Dass Gott die Herrlichkeit gehört, kennzeichnet auch sein Wirken auf der Erde.

Der Lobpreis der Engel gilt dem Messias. Er ist eine messianische Akklamation, ein lobender Zuruf. Die Eigenart dieser Akklamation liegt darin, dass sie den Messias nicht persönlich anredet, sondern Gott: „Ehre Gott in der Höhe!“ Die Verherrlichung Gottes, die Ehre Gottes, liegt darin, dass er durch die Sendung des Messias im Himmel, das heißt vor dem Hofstaat seiner Engel, seinen Namen verherrlicht, d.h. seine Macht und sein Erbarmen kundtut. Der Sinn des ursprünglichen Textes ist: Durch die Geburt des Messias ist Gott in den Himmelshöhen verherrlicht und auf Erden den Menschen des göttlichen Wohlgefallens Heil widerfahren. Achten Sie bitte darauf, die Worte der Engel sind nicht ein Wunsch. Es heißt nicht: „Ehre sei Gott in der Höhe“, sondern „Ehre Gott in der Höhe“, und das heißt: Gott ist Ehre in der Höhe. Die Ehre ist eine Tatsache. Es ist also die Verkündigung eines göttlichen Geschehens, nicht eines Wunsches. Die Worte der Engel beschreiben eine heilsgeschichtliche Stunde, nämlich Gott wird Verherrlichung dargebracht durch die Sendung des Messias.

Ehre Gottes ist die Anerkennung der Selbstoffenbarung Gottes durch die Menschen in Wort und Werk. Der Mensch kann und soll das umfassende Wirken Gottes in der Welt anerkennen. Gott ist der Schöpfer, der Erhalter, der Herr der Natur. Er ist auch der Herr des Lebens. Er soll aber auch gepriesen werden wegen seines gütigen und machtvollen Handelns. Der Mensch soll Gott preisen, weil er die Geschichte und die Geschicke der Menschen in seiner Hand hält. Gott selbst wirkt diese Ehre. Er verbürgt machtvoll sein Wort im geschichtlichen Handeln.

Ehre ist aufs engste verbunden mit der Herrlichkeit Gottes. Diese Herrlichkeit leuchtet in allem Geschaffenen auf. „Die Himmel erzählen Gottes Herrlichkeit, vom Werke seiner Hände kündet das Firmament“, so heißt es im 18. Psalm. Und: „Heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. Die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit“, so lesen wir beim Propheten Isaias. In alles überstrahlender Weise zeigt sich freilich die Herrlichkeit Gottes in seinem Messias, in Christus Jesus. „Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit, das Ebenbild seines Wesens“, wie es in wunderbarer Weise im Brief an die Hebräer heißt. Durch nichts und durch niemanden wird Gott so viel Ehre erwiesen wie durch den Messias. Seine Sendung durch den Vater, seine Offenbarung des himmlischen Vaters, seine unbedingte Hingabe an den Willen des Vaters sind die größtmögliche Verherrlichung Gottes. Mögen die Menschen Gott die Ehre zu entziehen trachten, mögen sie Gott mißachten und verhöhnen, mögen sie ihn lästern und schmähen, die Verherrlichung Gottes durch seinen Sohn überstrahlt alle Versuche, Gott die Ehre zu rauben.

Der Messias hat Gott verherrlicht durch seine Person und durch sein Wirken. Jesus sagt von sich selbst: „Ich ehre meinen Vater.“ Er ehrt ihn, indem er die Sendung, die der Vater ihm aufgetragen hat, erfüllt, indem er verkündigt, was der Vater ihm anvertraut hat. Er ehrt auch den himmlischen Vater, indem er den Widersacher Gottes bekämpft, den Satan. „Er ist ja erschienen“, sagt der heilige Johannes, „um die Bollwerke des Teufels zu zerstören.“ Und er hat seinen Kampf erfolgreich geführt. Einmal, da jubelt er selbst, unser Heiland: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“

Jesus hat den Vater verherrlicht durch seine Wunder. Der Blindgeborene, den er geheilt hatte, sagte zu seinen Widersachern: „Solange die Welt steht, hat man noch nicht gehört, dass einmal einem Blindgeborenen die Augen geöffnet wurden. Wenn dieser nicht aus Gott wäre, vermöchte er so etwas nicht.“ Als Jesus das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein wirkte, da offenbarte er seine Herrlichkeit, „und seine Jünger glaubten an ihn.“ Der Evangelist Johannes faßt deswegen die Wirksamkeit Jesu in die Worte zusammen: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“

Die Ehrung Gottes ist freilich nicht auf den Messias beschränkt. Er ruft alle Menschen auf, in die von ihm ausgehende Verherrlichung des himmlischen Vaters einzustimmen. Wir sollen mit ihm, durch ihn und in ihm den Vater im Himmel preisen. Wir verherrlichen ihn an erster Stelle durch die Anbetung. Indem wir uns hier ehrfurchtsvoll versammeln und das Opfer des Sohnes darbringen, wird Gott die größte Ehre erwiesen. Aber wir sollen ihn auch verherrlichen durch die Gestaltung unseres Lebens, durch ein Leben nach Gottes Geboten, durch ein Leben, in dem wir unsere Kräfte entfalten, durch ein Leben, in dem wir Leistungen vollbringen, Leistungen für uns selbst, für die uns Anvertrauten, für unser Volk. Glauben ist notwendig, aber Leben aus dem Glauben nicht minder. Das Reich Gottes besteht nicht in Schall und Rauch, sondern in Tat und Kraft. Ein Glaube, der nur Überzeugungen, aber keine Taten zur Folge hat, hat nichts von der Kraft Gottes an sich. Wir müssen Gott mit der Arbeit unserer Hände und mit dem Werke unseres Geistes verherrlichen.

Ehre ist Gott in der Höhe. Friede den Menschen seines Wohlgefallens. Die Ehre Gottes ist mit dem Frieden verknüpft. Wo Gott Ehre erwiesen wird, da erblüht den Menschen der Friede. Der Geburtstag des Heilands ist der Geburtstag des Friedens. Friede meint in der Heiligen Schrift die Fülle des messianischen Heils. Friede ist also nicht nur Freiheit von Haß und Feindschaft, Friede ist auch Verständigung und Versöhnung, Zufriedenheit, Wohlwollen, Wohlergehen, Heilsein des ganzen Menschen und der Gemeinschaft. Die Propheten des Alten Bundes hatten das messianische Heil angekündigt unter dem Begriff des Friedens. Immer wenn sie vom Frieden sprechen, meinen sie das messianische Heil. Beim Propheten Isaias beispielsweise heißt es: „Ich bin es, der die Verheißung gibt: Friede, Friede, den Armen und den Reichen, den Fernen und den Nahen. Ich werde sie heilen.“ So trägt der Messias den Namen Friedensfürst. Er bringt den vollkommenen und wahren Frieden. In seinen Tagen erblüht das Recht und der Friede.

Ohne Gott oder gar gegen Gott gibt es keinen Frieden. Wiederholt steht beim Propheten Isaias der Satz: „Es gibt keinen Frieden für die Frevler.“ Wer mit Gott im Unfrieden ist, kann nicht mit den Menschen im Frieden sein. Wer im Frieden mit Gott ist, vermag den Menschen Frieden zu bringen. Friede ist Gabe von Gott und Christus. Aber der Mensch, der den Frieden von Gott nicht annimmt, ist außerstande, ihn Menschen zu vermitteln. „Reich an Frieden sind die, die deine Gebote lieben“, heißt es im Psalm 118. Reich an Frieden sind die, die deine Gebote lieben.

Ich frage mich, meine lieben Freunde, wie Männer und Frauen in den Parlamenten und in den Regierungen Frieden schaffen wollen, die selbst im Unfrieden mit Gott sind. Wie können Regierende, die in der Todsünde leben, einem Volke den Frieden verschaffen? In einer Strafanstalt fragte der Anstaltsgeistliche vor einiger Zeit einen der langjährigen Gefangenen: „Wie geht es Ihnen?“ Er antwortete: „Besser als draußen.“ „Ja, hatten Sie Not draußen, hatten Sie nichts zu essen?“ „Not? Nein, ich hatte immer  zu essen und zu trinken, ich war ja in fideler Gesellschaft.“ „Warum sind Sie dann im Gefängnis glücklicher als draußen?“ Da sagte der Gefangene ruhig und  ernst: „Ich habe viel Zeit zum Nachdenken. Wissen Sie, was Gott ist? Gott ist der Friede. Je weiter man von unserem Herrgott entfernt ist, desto weiter ist man vom Frieden entfernt. Und der innere Friede ist das einzige wahre Glück. Sehen Sie, ich habe mit Gott Ordnung gemacht, und ich habe wieder meinen Herrgott, den Frieden und das innere Glück gefunden.“

Der Friede ist für Gott so charakteristisch, dass Paulus immer wieder vom Gott des Friedens spricht. Ebenso sagt er freilich auch, dass Christus unser Friede ist, und er spricht vom „Frieden Christi“. Man kann das vielleicht so einteilen und unterscheiden, dass Urheber des Friedens Gott ist, der Vater, und der Vermittler des Friedens Christus. Deswegen heißt die neutestamentliche Offenbarung „Evangelium des Friedens“. Christus kam und verkündete den Frieden allen von nah und fern. Er hat die zwischen den Menschen und Gott bestehende Feindschaft beseitigt und Versöhnung geschaffen. Er hat den Schuldschein, der gegen uns lautete, zerrissen und ans Kreuz geheftet. Deswegen sagte der greise Simeon, als er den Jesusknaben im Tempel auf seine Arme nahm: „Nun entlässest du, Herr, deinen Diener nach deinem Wort in Frieden, denn meine Augen haben das Heil geschaut, das du bereitet hast im Angesichte aller Völker.“

Der Herr hat auch den Frieden weiterzutragen befohlen. Als er die Jünger aussandte, um die Heilsbotschaft zu verbreiten, da trug er ihnen auf: „Kommt ihr in ein Haus, so saget zuerst: ,Friede diesem Hause!’“ Als er in die Nacht des Leidens einging, da sprach er noch einmal zu den Jüngern: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Und als er über Jerusalem weinen mußte, da kam es aus ihm heraus: „Wenn doch auch du an deinem Tage erkannt hättest, was dir zum Frieden dient!“ Der Friede gründet im Rechtsein und im Rechttun, im Heilsein, das der Mensch von Gott empfängt. Aus dem Frieden zwischen Gott und den Menschen folgt der Friede von Mensch zu Mensch.

Und der Friede ist auch eine Aufgabe für den Menschen. In den Briefen der Apostel wird immer wieder gemahnt: „Haltet Frieden mit allen Menschen, soviel an euch liegt! Lebt in Frieden miteinander!“ Und der Herr hat die Friedensstifter seliggepriesen. Der Münchner Erzbischof Faulhaber war im Ersten Weltkrieg Militärbischof, und er berichtet von einem Frontabschnitt im Westen, wo ein Trompeter am Heiligen Abend in die Nacht hineinblies: „Stille Nacht, heilige Nacht“. Ohne Kommando hörte das Gewehrfeuer auf beiden Seiten auf. Der religiöse Gedanke, der Friedensgedanke, hatte wenigstens für eine Stunde Frieden geschaffen.

Der Frieden unter Menschen lebt von Geduld und Nachsicht. Er lebt von Vergeben und Verzeihen. Nur wer die Fehler und Schwächen des Nächsten erträgt, ertragen will, wird Frieden haben und Frieden halten. Soeben lesen wir, der italienische Ministerpräsident Berlusconi hat dem Manne, der ihn verletzt hat, verziehen. „Ihr wißt, dass ich nicht nachtragend bin“, hat er gesagt. Das war eine weihnachtliche Geste. Nur wer Unrecht und Ungerechtigkeit, die er erfährt, hinzunehmen vermag, der kann als Friedensstifter auftreten.

Nun aber kommt die wichtige Frage: Wie konnte Konrad Adenauer von den Menschen guten Willens sprechen? Er sprach so, wie er es in der heiligen Messe gehört hat. „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen, die guten Willens sind.“ Diese Aussage der Kirche ist durchaus berechtigt. Die Liturgie braucht sich nicht wörtlich an Texte des Neuen Testamentes zu halten. Sie verwendet sie nach ihrem Sinne und nach ihrem Bedarf. Aber das ändert nichts daran, dass der griechische Text der Engelsbotschaft anders lautet. Ich habe hier vor mir das griechische Neue Testament, und da heißt es in Lk 2,14, ich übersetze: „Ehre in den Höhen Gott, und auf Erden Friede bei den Menschen des Wohlgefallens. Das entscheidende Wort ist Eudokia, und dieses griechische Wort, daran kommt kein Mensch vorbei, dieses griechische Wort heißt nun einmal „Wohlgefallen“, „Huld“. Damit ist das göttliche Erbarmen gemeint. Und die Menschen, die von Gott das Wohlgefallen empfangen, die empfangen eben Frieden. Hat sich Konrad Adenauer verfehlt? Hat er das Evangelium verfälscht, wie dieser protestantische Pfarrer ihm vorwarf? Meine lieben Freunde, Gottes Wohlgefallen kann man nicht gewinnen, wenn man nicht guten Willens ist. Ohne guten Willen ist nichts von Gott zu erwarten. Wer nicht wenigstens einen Funken guten Willens hat, der ist verloren. Wie immer man auch das Verhältnis von Gnade Gottes und Freiheit des Menschen bestimmt, eines ist sicher: Wer in das Wohlgefallen Gottes nicht einstimmt, empfängt nicht den Frieden Gottes.

Die Übersetzung aus dem griechischen Text „bonae voluntatis“ – guten Willens kann, wenn man will, auch im Sinne des griechischen Wortes Eudokia verstanden werden, nämlich der gute Wille Gottes, der eben sich dem Menschen zuneigt und ihm das Erbarmen zuspricht. Gottes Sache ist es, die Gnade zu verleihen, die Sache des Menschen ist es, sie willig aufzunehmen und zu bewahren. Das Reich Gottes wird nicht den Schlafenden zuteil, sondern denen, die arbeiten und wachen im Dienst Gottes. Gott hilft dem Schiffer, aber er muss rudern. Gott hat die Quelle geschaffen, aber nicht den Eimer. „Es ist zwar wahr, dass Gott dich selig machen will, glaubst du, er will es ohne dich, so glaubest du zuviel“, sagt unser Dichter Angelus Silesius. „Es ist zwar wahr, dass Gott dich selig machen will, glaubst du, er will es ohne dich, so glaubest du zuviel,“

Konrad Adenauer hat also keineswegs Unrecht getan, wenn er sagte, Friede soll allen Menschen guten Willens sein. Das Wohlgefallen Gottes weckt ja in den Menschen den guten Willen auf, aber wenn der Mensch nicht willig ist, ihn zu erbringen, dann geht das Wohlgefallen Gottes an ihm vorüber. Die Ehre Gottes und der Friede des Menschen gehören zusammen. Anders kann nicht Frieden auf Erden sein, als indem Gott die Ehre gegeben wird. Ehre Gottes und den Frieden der Menschen kann auch niemand auseinanderreißen. Wenn die Welt friedlos ist, dann deswegen, weil sie Gott die Ehre versagt.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt