Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Dezember 2008

Die Weihnachtsbotschaft in unchristlicher Zeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Weihnachten ist das Fest des Heilands der Welt. Hirten haben den Himmel offen gesehen, den Lobgesang der Engel gehört. Sie ließen ihre Herden im Stich und eilten zu dem Ort, wo das Kind in der Krippe lag. Sie fanden es und beteten es an. Die Welt hat von diesem Vorgang nichts gespürt. Für sie blieb der Himmel verschlossen wie immer. Der Glorienschein brach nicht durch zu ihr. Die Engel sangen für sie nicht, der Ruf verhallte ungehört: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seiner Gnade!“

Trotzdem hat dieses übersehene Geschehen von Bethlehem die Welt verändert. Dreihundert Jahre, nachdem die Hirten den Lobgesang der Engel vernommen hatten, hatte das Christentum das römische Weltreich besiegt. Aus griechischem Geist und aus römischem Ordnungssinn erstand die Zivilisation, in der wir heute noch leben. Das Christentum ist mit Europa zutiefst verwurzelt. Das Herz der westlichen Welt schlägt im Christentum, wenn man sich auch selten darüber Rechenschaft gibt. Europa ist zutiefst christlich; seine Seele ruht im Christentum. Wenn das Christentum verschwindet und verdunstet, dann schlägt auch das Herz Europas nicht mehr. Wenn das Christentum unterdrückt oder ausgelöscht wird, dann verliert Europa seine Seele. Ohne Christus sinkt unser Land zurück ins Heidentum, nicht in das alte Heidentum, das in der Erwartung des Erlösers stand, sondern in das neue, verkümmerte, verderbte und verdorbene Heidentum, das den Erlöser verworfen hat.

Es ist keine Frage, dass seit Jahrzehnten die Entchristlichung Europas im Gange ist. Immer mehr Christen verlieren den Glauben, trennen sich von der Kirche, geben jede religiöse Praxis auf. Darüber können die vollen Kirchen am Heiligen Abend nicht hinwegtäuschen. Weihnachten ist eine Ausnahmesituation. Man hat in diesen Tagen eine Umfrage veranstaltet, wie viele Anhänger einer jeden Partei zu Weihnachten den Gottesdienst besuchen. Man höre und staune: An der Spitze steht die FDP. 56 % der FDP-Anhänger besuchen Weihnachten des Gottesdienst, 55 % der CDU, 42 % der Grünen, 39 % der SPD, 25 % der Linken. Insgesamt hatten 40 % der Deutschen vor, Weihnachten in die Kirche zu gehen. Das ist erfreulich, aber es ist kein Grund zur Beruhigung.

1. Was tun die 40 Prozent zu Weihnachten in der Kirche? Sind sie gläubigen Sinnes zum Gottesdienst geeilt? Verstehen sie zu beten? Wissen sie um das Geschehen der heiligen Messe? Wie sind sie daran beteiligt?

2. Wo sind die 40 Prozent an den anderen Sonntagen des Jahres? Und was ist mit den 60 Prozent, die nicht einmal an Weihnachten den Weg zum Gotteshaus finden? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat einen Reporter losgeschickt, um in Frankfurt die vorweihnachtliche Stimmung unter den Christen auszuloten. Der Reporter hat mehrere Pfarreien besucht. Er schreibt in seinem Bericht: „Nur die ersten Reihen sind insgesamt gut gefüllt.“ Ein Pfarrer einer Pfarrei in Frankfurt erklärte ihm: „Ohne Menschen mit Migrationshintergrund, also Kroaten, Schwarze, Amerikaner, ohne Menschen mit Migrationshintergrund könnte man den Laden dichtmachen.“ Nur 6 bis 7 Prozent der in der Gemeinde lebenden Katholiken besuchen am Sonntag den Gottesdienst.

3. Vergessen wir nicht: Wir Christen sind nicht mehr allein mit den Nichtchristen unserer Zunge. Unter uns leben zahlreiche entschiedene Gegner des Christentums aus Asien und Afrika. Wir haben 54 Millionen Mohammedaner in Europa, 54 Millionen. Sie sehen in Christus, dem Krippenkind, nicht den Heiland der Welt, denn auf ihrer Moschee in Jerusalem steht geschrieben: „Gott hat keinen Sohn!“ Das ist die Ansage, die Kampfansage an das Christentum.

Der, welcher in jener Nacht geboren wurde, wurde 30 Jahre später vor den Stadtmauern Jerusalems gekreuzigt und begraben. Dass der Tod am Kreuze nicht das Ende war, dass er auferstand und dass er von Petrus und den übrigen Jüngern gesehen wurde, das ist der Beginn der christlichen Predigt. „Wir können nicht aufhören zu reden von dem, was wir gesehen und gehört haben.“ Nur von der Auferstehung her verstehen wir den Karfreitag, und nur weil zwischen Auferstehung und Karfreitag ein unzerreißbarer Zusammenhang besteht, ist die Nacht von Bethlehem für uns der Beginn des Heiles geworden. „Krippe und Kreuz“, sagte mir einmal eine alte Lehrerin, „sind der Inhalt und die Kraft meines Lebens.“ Die Erinnerung an die Nacht von Bethlehem ist zu einem Hauptfeste geworden, in Deutschland zum innigsten Feste überhaupt. Jetzt ist es möglich, die Sehnsucht eines jeden Menschen nach einem vollen, nach einem glücklichen, nach einem befriedeten Leben zu erfüllen. Jetzt ist es tatsächlich möglich, was Papst Leo der Große in der Christnacht des Jahres 445 gepredigt hat, dass sich das erfüllt. Jetzt kann das geschehen, nämlich: „Die Sünde kehrt zurück zur Unschuld. Was alt war, wird neu. Fernstehende werden an Kindes Statt angenommen. Fremdlinge treten das Erbe an. Aus Gottlosen werden Gerechte, aus Geizigen Mildtätige, aus Unenthaltsamen Jünger der Keuschheit und aus jenen, welche die Welt liebten, werden Anhänger des Himmlischen.“

O, ich weiß, meine Freunde, das sogenannte „moderne Denken“ ist gewöhnt, sich nur an das zu halten, was man sehen, hören, messen und zählen kann. Aber der versteht sehr wenig, der nur das versteht, was man messen und zählen kann. Die Weihnachtsbotschaft sprengt das herkömmliche Denken. Die ersten zwei Kapitel des Lukasevangeliums erzählen wunderbare Begebenheiten in wundersamen Wendungen. Ihr Inhalt steht im Widerspruch zur Alltäglichkeit. Es wird den Menschen Erlösung und Friede verheißen. Es ist das Urteil Gottes, dass der Mensch mit seinem Wissen und Können, mit seiner Gewalt nicht zum Ziele kommt, sondern dass Gott sich selbst aufmachen muss, um den Menschen zu retten.

Wenn alle Arbeit haben, wenn alle versorgt sind, wenn alle Tische gedeckt sind, ist die Seele noch immer leer. Der Mensch hat eine bleibende Ausrichtung auf Gott, und solange er ihr nicht nachkommt, gelangt er nicht zur Erfüllung. Es gibt eine unaustilgbare, unaufhebbare Verwiesenheit des Menschen auf Gott. Ob er sich ihr stellt oder ob er sie zu unterdrücken sucht, die Gottgehörigkeit des Menschen ist unzerstörbar. Und das ist, meine Freunde, das ist und das bleibt die Chance der Kirche. Ihre Aufgabe wird nie überflüssig werden. Wir Priester werden nie ersetzbar sein. Unsere Botschaft wird nie entbehrlich sein. Was die Kirche verkündet, ist immer gültig und immer unerläßlich. Die Kirche ist die einzige Institution, welche die tiefste Sehnsucht des Menschen befriedigen, welche die umfassende Antwort auf die Frage nach Wert und Sinn des Lebens geben kann. Es kommt nur darauf an, die Menschen von Notwendigkeit und Nutzen des Christentums zu überzeugen.

Das ist genau unsere Aufgabe. An uns ist es, durch Wort und Beispiel die Unruhe in den Menschen wach zu halten, zu verhindern, dass sie sich allzu häuslich auf dieser Erde einrichten, dass sie sich mit Arbeit, Genießen und Faulenzen zufrieden geben. „Die Welt ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr!“ So klagt ein versprengtes Jesuswort, das nicht in den Evangelien steht. „Die Welt ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr!“ Wir müssen, jeder an seiner Stelle, versuchen und dürfen nicht aufhören, die Menschen von der Wahrheit zu überzeugen, dass sie von Gott und für Gott geschaffen sind. Wir müssen sie davon überzeugen, dass wahr ist, was die heilige Theresia von Avila so begeistert gesungen hat: „Ich bin dein, bin für dich in dieser Welt. Wie verfügst du über mich?“

Amen.

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