26. Dezember 2007
Kein Platz für den Herrn der Welt
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der Landpfleger Pontius Pilatus steht im Glaubensbekenntnis, und das mit gutem Grund, denn er ist es, unter dem unser Herr und Heiland gelitten hat. Es könnte aber auch im Glaubensbekenntnis der Kaiser Augustus stehen, denn er war an der Herrschaft, als Jesus in Bethlehem geboren wurde. Er hatte eine Volkszählung angeordnet, die im ganzen Reiche durchgeführt wurde. Diese Volkszählung ergriff auch den entlegenen Winkel Nazareth. Ein jeder musste in seine Vaterstadt gehen, um sich dort der Volkszählung zu unterwerfen. Das tat auch Josef, der Zimmermann. Er ging mit seiner Frau, die gesegneten Leibes war, von Nazareth nach Bethlehem. Er mag gedacht haben: Da bin ich bekannt, denn da stamme ich her, da sind meine Angehörigen; sie werden mich aufnehmen. Und er mag vielleicht von Haus zu Haus gegangen sein, aber überall wurde er abgewiesen. Es war alles schon besetzt. Da dachte er: Ich werde in die Herberge gehen, in die Dorfherberge, um dort ein Quartier für Maria zu finden, die ihre Stunde kommen sah. Aber auch in der Herberge wurde er nicht aufgenommen. Soldaten, Kaufleute, die mögen dort Unterkunft gefunden haben, aber für das heilige Paar war kein Platz. Es war kein Platz für den, der die Herberge aller heimatlosen Herzen werden sollte.
Das ist ein erschütterndes Begebnis, meine lieben Freunde. Die Erde hat für alle Platz, für Rennfahrer und Preisboxer, für Jazzmusiker und Eiskunstläufer, aber wenn der Herr der Welt kommt, da hat sie keinen Platz. So ist es geblieben. In der Europäischen Verfassung ist Platz für alle Menschenrechte und alle Bürgerrechte, aber für ein Gottesrecht ist kein Platz in der Europäischen Verfassung!
Wenn die Annalen der Geschichte einmal alle Ereignisse, die im Laufe der Jahrtausende geschehen sind, aufgezeichnet haben werden, dann wird die traurigste Eintragung lauten: Es war kein Platz für ihn in der Herberge. So ziehen denn Josef und Maria hinaus auf das Feld, dorthin, wo die Hirten ihre Unterstände für die Tiere haben; in einer Höhle, in einem Stalle, da kommt der zur Welt, der die Sternennebel regiert. Da hob Maria wie eine Hostie den empor, von dem es bald heißen würde: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.“ Am erbärmlichsten Orte der Erde, in einem Stalle, wurde die Reinheit geboren. Er, der von Menschen, die wie Tiere handelten, getötet wurde, fand Unterkunft unter Tieren. Er selbst, der das lebendige Brot sein sollte, wurde in Bethlehem – und das heißt ja Ort oder Haus des Brotes – geboren. Es war kein Platz in der Herberge, aber es war Platz in einem Stalle. Die Herberge ist der Ort der Populären, der Weltleute, der Sammelplatz der Angeber in dieser Welt. Der Stall aber ist der Platz der Ausgestoßenen, der Übersehenen, der Vergessenen. Von allen Plätzen der Erde, an denen der Sohn Gottes hätte geboren werden können, war der Stall der letzte, an dem er zur Welt kommen würde, an dem wir ihn gesucht hätten.
Wer hätte das gedacht, dass der, der die Erde von der Sonne bescheinen und erwärmen lässt, eines Ochsen und eines Esels bedürfen würde, um von ihrem Atem gewärmt zu werden! Wer hätte geglaubt, dass der, der die Erde in ihrer Umdrehung anhalten kann, eines Tages in einer Futterkrippe liegen würde! Wer hätte gedacht, dass derjenige, der die Sternennebel regiert, einmal winzige Händchen haben würde, nicht groß genug, um die Häupter der Tiere im Stalle zu berühren! Daß die Füße, die über die Erde und über das Wasser schreiten sollten, jetzt nicht fähig waren, auch nur einen einzigen Schritt zu tun! Niemand hätte je gedacht, dass Gott so hilflos auf die Erde kommen würde. Aber das ist wahrscheinlich der Grund, warum die Menschen ihn verfehlen. Das Göttliche ist stets da zu finden, wo es die Menschen am wenigsten erwarten.
Die Hirten, die auf dem Felde wachten, hörten eine Botschaft des Engels: „Dies wird euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln gewickelt, das in einer Krippe liegt.“ Ärmer kann man nicht zur Welt kommen. Und dies war das Zeichen, das über seinem ganzen Leben stehen sollte! Es war nämlich das Zeichen des Kreuzes, und für ein Kind gibt es kein anderes Kreuz als die Ausgestoßenheit und die Armut. Seine Opferbereitschaft wurde schon in der Engelsbotschaft angekündet: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Der Geiz wurde von der Armut herausgefordert, dem Stolz trat die Erniedrigung des Stalles entgegen. Das Verhüllen der göttlichen Herrlichkeit, die sonst keine Grenzen kennt, erscheint denen, die nur an die Macht der Atomenergie denken, allzu unfaßlich. Sie können den Gedanken der göttlichen Herabkunft nicht denken, sie begreifen nicht, dass einer reich war und arm wurde, um die Armen reich zu machen.
Nur zweierlei Arten von Menschen fanden das Kind, die Hirten und die Weisen, die Ungebildeten und die Gebildeten. Es sind diejenigen, die wissen, dass sie nichts wissen bzw. die wissen. dass sie nicht viel wissen. Selbst Gott kann den Stolzen nichts sagen. Es braucht guten Willen, um ihn zu finden. Und deswegen lautet ja auch die Botschaft: „Friede den Menschen seiner Gnade“, das heißt eben, die guten Willens sind.
Christus war noch keine zwei Jahre alt, als der König Herodes ihm nachstellen ließ, als er befahl, alle männlichen Kinder in Bethlehem zu töten. Das war der erste Anschlag auf das Leben Christi. Dem Kinde drohte das Schwert, dem Manne die Steinigung, am Ende seines Lebens erwartete ihn das Kreuz. So ist Bethlehem tatsächlich die Morgendämmerung von Kalvaria. Das gleiche Gesetz, das seine Apostel und seine Anhänger jahrhundertelang bedrohen sollte, forderte seinen ersten Zoll an den jungen Leben, das aus den Armen der Mütter gerissen wurde. „Die Welt wird euch hassen“, wird der, der in der Krippe liegt, einmal sagen. „Die Welt wird euch hassen.“ Warum der Haß, meine lieben Freunde? Woher der Haß? Weil die Tugend stets ein Vorwurf für das Laster ist, weil sich die Gottvergessenheit von der Gottgehörigkeit herausgefordert fühlt. Warum der Haß? Woher der Haß? Weil die Bösen nicht ertragen, dass es Gute gibt. Man will die Boten töten, um die lästige Botschaft zu ersticken.
Vor wenigen Wochen hat der Heilige Vater 500 Martyrer des Spanischen Bürgerkrieges seliggesprochen, 500 Priester, Ordensbrüder und Ordensschwestern. Was hatten sie getan? Sie hatten die Kranken gepflegt, sie hatten sich der Kinder angenommen, sie hatten das Evangelium verkündet. Deswegen musste sie sterben unter den Mordhänden der roten Horden. Die unschuldigen Kinder von Bethlehem starben für einen König, den sie noch gar nicht kannten. Sie starben von der Hand eines irdischen Königs, der ihnen wohlgesinnt hätte sein sollen. Als kleine Lämmer starben sie für die Rettung des Lammes, die ersten aus der langen Reihe der Martyrer, die nicht gekämpft hatten und dennoch die Krone empfangen haben.
So geht es weiter im Leben Jesu. Der Gehorsam ist das Gesetz seines Lebens, der Gehorsam gegenüber dem himmlischen Vater und gegenüber seinem Nährvater. Grundlage des Gehorsams der Menschen, Grundlage des Gehorsams gegen Menschen ist der Gehorsam vor Gott. Verfehlungen der Jugend sind häufig, wenn nicht immer, Frucht der Verfehlungen der Eltern. Die Erwachsenen, die Gott nicht dienen, werden feststellen, dass ihnen die Jugend nicht dient. Das ganze Leben Jesu war Unterordnung und Gehorsam. Er unterwarf sich der Taufe des Johannes, obwohl er der Taufe nicht bedurfte. Er zahlte die Tempelsteuer, obwohl er der Herr des Tempels war. Er forderte das Volk auf, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, obwohl er doch der König aller Könige war. Und so hat er lange Jahre, dreißig Jahr in der Verborgenheit gelebt und gearbeitet wie der letzte Dorfhandwerker in seiner Heimat. Warum diese lange Vorbereitung? Warum diese Zeit der Verborgenheit? Warum dieser Gehorsam? Vielleicht, vielleicht war der Grund, dass er auch die menschliche Reife gewinnen sollte, die eben erst im Laufe von Jahren erworben wird. Er sollte auch als Mensch ein vollkommenes Opfer werden. Deswegen hat er in der Verborgenheit im Gehorsam gegenüber dem himmlischen Vater und seinen Eltern gedient. Auch der Bauer wartet, bis der Weizen reif ist, bevor er ihn mäht. So wartete Jesus, bis er an Leib und Seele die vollkommene Schönheit und Ausbildung erreicht hatte, bevor er sich den Hämmern und Nägeln derer darbot, die ihn kreuzigten. Er hat gewartet, bis es soweit war, bis er sagen konnte: „Das ist meine Stunde.“
Amen.