Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 2003

Laßt nach Bathelehm uns gehen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

An Weihnachten kennt der gläubige Christ nur eine einzige Richtung, wohin seine Gedanken gehen, nach Bethlehem, nicht nach Jerusalem, das die Propheten mordet, und auch nicht nach Nzareth, wo die heilige Familie ihre Wohnung nehmen sollte, sondern nach Bethlehem: Kommt, laßt uns nach Bethlehem gehen! Das ist die Botschaft, das ist die Aufforderung, das ist der Ruf, der zu Weihnachten von den Hirten an alle, die ihnen gläubig folgen, ergeht: Laßt uns nahc Bethlehem gehen! Bethlehem ist die Stätte, an der das Wort Fleisch wurde. Seitdem ist dieser Ort geheiligt, seitdem sprechen wir vom „Heiligen Lande“. Und Bethlehem ist die heiligste Stadt dieses heiligen Landes.

Die Verheißungen der Propheten sind erfüllt. Der Weltkämpfer, der mit dem Satan ringen wird, ist da. Der Tröster, der die Trostlosen trösten will, ist gekommen. Die Quelle rinnt jetzt, die Quelle des Heiles, und der Lehrer, der unvergleichliche Lehrer, der Lehrer über allen Lehrern ist jetzt auf Erden eingetroffen. Über ihn hinaus gibt es keinen Lehrer mehr. Laßt uns deswegen nach Bethlehem gehen! Und was treffen wir dort? Wir treffen dort erstens das Krippenkind, zweitens seine Forderung und drittens seine Gabe.

In Bethlehem treffen wir das Krippenkind. Der Name sagt schon, was mit diesem Kind geschehen ist in der ersten Stunde seines Lebens. Er konnte nicht in der Geborgenheit und in der Wärme eines Gasthauses zur Welt kommen, denn in der Herberge war kein Platz. Der Wirt sah es den beiden Wanderern an, die hatten nicht viel Geld, von denen würde er nicht viel erhalten, und es konnten noch andere kommen, denn die gesamte Verwandtschaft aus dem Hause David war ja eingeladen, mächtigere, reichere, wohlhabendere. Für die muß er Platz halten. Und so weist er diese stille Frau und diesen müden Wanderer ab. In der Herberge ist kein Platz für sie. Nur in einem Stalle, dort, wo die Tiere zu Hause sind, dort, wo eine Krippe steht, aus der die Tiere fressen, da kann er eine Unterkunft finden, der Herr der Welt, der in diese Welt eingegangen ist.

Und doch, diese zarten Ärmchen, die sich der Mutter entgegenstrecken, regieren die Spiralnebel. Dieses zarte Körperchen, das von den Windeln eingehüllt wird, hat als festliche Ausstrahlung den Horizont, die Sonne und die Sterne. Dieses kleine Menschenkind, dieses schwache Kind ist der große, allmächtige Gott. Sein Purpurmantel ist die Sternenwelt, und das rauschende Meer ist seine Musik, die sein Eingang in diese Welt begleitet. Ein tiefes, unfaßbares Geheimnis. Wenn Gott in die Welt, die er geschaffen hat, kommt, da findet er keinen Platz. Die Welt, die Erde hat für alles Platz, für Preisboxer und Schönheitsköniginnen, sie hat Platz für Schwule und Lesben, sie hat Platz für Politiker und Generäle, aber für den Herrn der Welt hat sie keinen Platz. Und das ist immer so geblieben. Er, der Aufnahme begehrt in den Herzen der Menschen, findet die Herzen schon gefüllt, vollgestopft mit Wünschen und Ansprüchen und Rechten und mit dem Kram irdischen Sehnens und irdischen Verlangens. Es ist keine Öffnung mehr da. Es ist kein Raum mehr da, wenn der Erlöser kommt. Die Menschen sind so erfüllt von der Suche nach Geld und Ehre und Karriere, daß der Platz nicht reicht, um auch noch den König der Herrlichkeit aufzunehmen.

Dennoch, der edelste Mensch, den diese Erde damals trug, die Himmelskönigin, ist die Zierde seiner Geburtsstätte. Und der gerechteste Mann, so nennt ihn ja die Heilige Schrift, der gerechte Josef steht da und begrüßt den Eintritt des Königs in seine Herrschaft. Hirten, gottesfürchtige, arme Männer, die bei den Herden wachen, sind es, die sagen: „Laßt uns nach Bethlehem gehen!“ Und sie machen sich auf den Weg, eilends, heißt es, eilends. Sie haben keine Zeit zu verlieren, um zu sehen, was da geschehen ist. Wahrhaftig, Bethlehem ist die Stätte, in der das Krippenkind zur Welt kam.

Bethlehem ist aber auch der Ort, an dem zum ersten Mal seine Forderung sich erhebt. Und diese Forderung lautet: „Ehre sei Gott in der Höhe!“ Alles andere kommt danach, so der Friede, aber zuerst, als Voraussetzung, muß Gottes Ehre gesichert sein. Wann wird Gott Ehre? Ihm wird Ehre, wenn sein Wille geschieht, wenn seine Königsherrschaft anerkannt wird, wenn die Menschen sich unter sein Zepter beugen, dann wird ihm Ehre. Wenn die Menschen ihm dienen, wenn sie ihn lieben, wenn sie sich ihm unterwerfen, dann wird ihm Ehre. Das gilt für den Einzelnen, und das gilt für die Gemeinschaft. Das gilt für das Volk, das gilt für die Regierung, das gilt für das Parlament. Wann hören Sie jemals im Deutschen Bundestag, daß jemand sagt: Wir wollen nach dem Willen Gottes fragen? Wonach fragen denn diese Parlamentarier? Nach der nächsten Wahl. Sie schielen nur auf einen Punkt, auf den Schlitz in der Wahlurne, aber nicht nach dem Willen Gottes. Sie geben Gott nicht die Ehre, und deswegen geht es so schlecht in unserer Gesellschaft. Europa setzt dazu an, sich eine Verfassung zu geben, ein Grundgesetz. Aber in dieser Verfassung ist kein Platz für den Namen Gottes! Als Deutschland nach der Katastrophe sich Länderverfassungen gab, da hieß es im Vorspruch der Verfassung von Baden-Württemberg: „Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ hat sich das Land diese Verfassung gegeben. Und der Freistaat Bayern schrieb in der Präambel seiner Verfassung: „Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges geführt hat, gibt sich das bayerische Volk diese Verfassung.“ Aber in der Verfassung für Europa ist kein Platz für den Namen Gottes. Die Anführer in dieser Auslassung des Namens Gottes sind die Franzosen. Sie berufen sich auf ihren Laizismus, und dieser Laizismus geht angeblich auf die Französische Revolution zurück. Meine lieben Freunde, auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution, im Jahre 1794, brachte der große Maximilian Robespierre ein Gesetz im Konvent ein, und dieses Gesetz hatte nur einen Inhalt, nämlich: Die französische Nation bekennt sich zu dem höchsten Wesen und zur Unsterblichkeit der Seele. Auch das ist Erbe der Französischen Revolution.

Vor langer Zeit schrieb einmal der russische Dichter Dostojewski: „Europa hat Christus verloren, und deswegen stirbt Europa, ganz allein deswegen.“ Wahrhaftig, ein prophetisches Wort. Europa hat Christus verloren, und deswegen stirbt Europa, ganz allein deswegen. Wenn Gott nicht die Ehre gegeben wird, dann kann auch nicht die Erfüllung der Verheißung eintreten, nämlich vom Frieden auf Erden. Gottes Ehre und den Frieden unter den Menschen reißt niemand auseinander, und wer es versucht, der geht zugrunde.

Die Engel haben die Festgabe Gottes verkündet: Friede den Menschen auf Erden. Der Friede Christi, der Gottesfriede, der Friede der Seele ist das Köstlichste, was den Menschen geschenkt werden kann. Wir alle wissen, wie einem zumute ist, wenn man friedlos ist, wenn der Friede von einem gewichen ist, wenn man unruhig und bedrückt und von tausend Furien gehetzt durch diese Zeit gehen muß. Wie friedlos, wenn die Sinnengier, wenn die Leidenschaft uns beherrscht. Immer wieder kann man das feststellen, wie Menschen, die von Lust und Leidenschaft getrieben sind, keinen Frieden haben. Rastlos und unermüdlich sind sie unterwegs, aber sie finden keinen Frieden. Der Friede Christi ist von anderer Art. Er ist daran geknüpft, daß man Gott die Ehre gibt. Wer Gott die Ehre gibt, restlos und ohne Unterlaß, der findet auch den Frieden Christi.

In der Weihnacht wandert das Krippenkind von Bethlehem über die friedlose Erde, klopft an alle Hütten und an die Portale der Paläste. Es legt seine Kinderhand auf alle Häupter, die von Tränen feucht sind. Es wandert durch die Krankenhäuser und legt seine Hand auf die Stirnen, die vom Fieber glühend sind. Das Krippenkind wandert zu denen, die darbend in der Fron des Alltags stehen, und legt seine Hand auf die müden Schultern. Das Krippenkind wandert zu den Einsamen und Verlassenen und sucht ihnen Trost in das freudlose Herz zu senken. Ja, das Krippenkind wandert auch über die Friedhöfe und legt seine stille Hand auf die Gräber, in denen die ruhen, die uns im Zeichen des Glaubens vorangegangen sind. Und überall, wo ein Mensch sich diesen leisen, sanften Druck der Hand des Krippenkindes gefallen läßt, überall da zieht der Friede in die Herzen der Menschen ein, ein Friede, den die Welt nicht geben kann, den sie aber auch nicht nehmen kann.

Laßt uns nach Bethlehem geben! So lautet die Kunde in der heiligen Weihnacht. Das ist die Aufforderung, die die Hirten an uns richten: Kommt, laßt uns nach Bethlehem gehen, dort, wo die Ehre Gottes verkündet und der Friede Christi verheißen worden ist. Kommt, laßt uns sehen, was da geschehen ist. Kommt, laßt uns staunen, was Gott der Welt getan hat. Kommt, laßt uns niederfallen und anbeten den, der gekommen ist, die Welt zu erlösen.

Amen.

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