Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Dezember 1995

Historische Zeugnisse der Geburt Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn man aus den Quellen darstellen will, was sich vor 50, 60 oder 100 Jahren zugetragen hat, dann stellt man fest, daß viele dieser Quellen verlorengegangen sind, unrettbar verloren sind. Ich denke daran, daß ich als Knabe ein Tagebuch führte, also vor etwa 60 Jahren. Dieses Tagebuch habe ich benutzt, um Gedanken und Erlebnisse niederzulegen, Kommentare zu bedeutenden Ereignissen, z.B. zu Stalingrad. Aber dieses Tagebuch ist wie alles andere bei der Vertreibung in Schlesien geblieben. Es ist vernichtet, verloren, unrettbar verloren. Je weiter man zurückgeht, um so ungünstiger wird die Quellenlage. Wenn man gar 2000 Jahre zurückgeht, dann sind nur noch Bruchstücke vorhanden von dem, was damals aufgezeichnet wurde. Die allermeisten Quellen sind verloren. Damals vor 2000 Jahren lebte der bedeutende Schriftsteller Tacitus. Er hat ein großes Werk, „Historien“, geschrieben in 14 Büchern. Von diesen 14 Büchern sind nur 5 erhalten. Ein Zeitgenosse von ihm war der Schriftsteller Sueton. Er hat bedeutende Werke verfaßt; aber das einzige, das wir von ihm besitzen, sind die Kaiserbiographien. Ebenso war ein bedeutender Gelehrter und Historiker Livius. Livius hat eine Geschichte Roms in 136 Büchern verfaßt. Über 100 von diesen Büchern sind verloren, rettungslos verloren. Terentius Varro hat 74 Werke geschrieben; wir kennen alle Titel. Aber nur von zweien dieser Werke haben wir den Text. Die Überlieferung der Vergangenheit ist ein Trümmerfeld. Die Bücher wurden auf Papier geschrieben. Das Papier war schlecht, vermoderte, vermorschte; es mußte also immer wieder abgeschrieben werden. Zwar gab es auch einen besseren Schreibstoff, das Pergament, das aus Tierhäuten gemacht wurde. Aber Pergament war teuer, das konnte sich nicht jeder leisten. Und auch pergamentgeschriebene Bücher waren vor Feuersbrünsten und Kriegen, vor Raub und Flammen nicht sicher.

Warum erzähle ich Euch das? Es gibt Menschen, die bestreiten, daß Jesus gelebt hat oder daß wir etwas Sicheres aus seinem Leben sagen können. Solche Leute gab es früher in der DDR, solche Leute gibt es aber auch unter den Männern, die sich katholische Theologen nennen. Man könne nichts Sicheres über Jesus sagen, alles Geschichtliche verschwimme, so erklären sie. Da wird jeder Gläubige bemerken: Aber wir haben doch die Lebensbeschreibungen Jesu, eine nach Matthäus, eine zweite nach Lukas, eine dritte nach Markus und eine vierte nach Johannes. – Ja, kommt da der Einwand, aber die anderen. Die anderen, wo schreiben sie denn von Jesus? – Die anderen, meine lieben Freunde, sind das die kümmerlichen Bruchstücke, die wir aus der Vergangenheit überkommen haben?

Nehmen wir an, ein Mann sucht in einem Schloß mit 1000 Zimmern ein Gemälde. Er hat 500 Zimmer durchforscht und das Gemälde nicht gefunden und geht jetzt hin und sagt: Das Gemälde befindet sich nicht in dem Schloß. Halt, werden wir sagen, du hast ja die Hälfte der Zimmer noch gar nicht durchforscht. – Ja, die waren mir nicht zugänglich. – Zugänglich oder nicht: Solange du nicht alle Zimmer durchforscht hast, ist deine Behauptung, das Gemälde befinde sich nicht in dem Schloß, unbewiesen. Nun haben wir aber von den Zeugnissen der Vergangenheit nicht etwa die Hälfte, sondern wir haben nur ganz winzige Bruchteile, die uns überliefert sind. Die überkommenen Werke der genannten Schriftsteller Tacitus, Sueton, Livius, Varro sind uns deswegen erhalten geblieben, weil es bedeutende Schriftsteller waren. Nach Inhalt und Form haben sie Mustergültiges geleistet. Daneben aber hat es Dutzende und Aberdutzende von unbedeutenderen Schriftstellern gegeben; sie haben auch Bücher geschrieben. Aber vielleicht war das erste Niederschreiben auch das letzte. Sie wurden nicht abgeschrieben, weil man keine Käufer für sie fand, und infolgedessen sind sie in den Strudel des Vergessens hineingeworfen. Es hat auch Berichte gegeben. Kaiser Augustus hat jedes Jahr Berichte seiner Statthalter empfangen, und die übrigen Kaiser, Tiberius und wie sie alle heißen, ebenso. Wo sind diese Berichte geblieben? Der eine oder andere wurde in ein Buch aufgenommen und ist uns dadurch erhalten geblieben. Aber die Masse der Berichte ist verloren, auch wenn sie gesammelt wurden, sie ist rettungslos untergegangen.

Wenn man Geschichte studiert, wird man gewarnt vor dem Argument aus dem Schweigen (argumentum e silentio). Das will besagen: Daraus, daß ein Ereignis von einem Schriftsteller nicht berichtet wird, kann man nicht schließen, daß es nicht stattgefunden hat. Denn kein Schriftsteller konnte alles berichten, was er wußte. Jeder mußte eine Auswahl treffen. Außerdem besteht die Möglichkeit, daß ein Schriftsteller bestimmte Ereignisse unterdrückt hat. Er wollte nichts darüber sagen. Dafür bietet unsere Zeit instruktive Beispiele. Wenn heute Personen wie Küng, Drewermann oder Frau Ranke-Heinemann Äußerungen gegen Papst und Kirche von sich geben, dann wird das in allen Massenmedien und sogar in den Kirchenzeitungen abgedruckt. Wenn sich aber in Fulda 300 gläubige Christen versammeln, um den Glauben zu bekennen und die Ordnung der Kirche zu erhalten, dann schweigen die Massenmedien darüber und auch die Kirchenzeitungen. Sie unterdrücken diesen Vorgang, weil er ihnen nicht ins Konzept paßt. Ähnlich ist es auch in der Vergangenheit geschehen. Was dem Schriftsteller nicht zusagte, das hat er nicht in sein Buch aufgenommen, er hat es beiseite gelassen. Aus dem Schweigen ist auf die Nichtexistenz dieses Ereignisses keineswegs zu schließen. Es bleibt bestehen die Tatsache, daß wir die vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes haben. Es bleibt bestehen, daß die Handschriften dieser vier Evangelien älter sind als alle anderen Handschriften. Es bleibt bestehen, daß auch profane Quellen uns über Jesus berichten. Der vorhin erwähnte Tacitus hat auch ein großes Werk, „Annalen“, geschrieben. Diese Annalen sind uns ganz erhalten. Im 15. Buch der Annalen schreibt Tacitus, daß Kaiser Nero nach dem großen Brand in Rom viele Christen grausam umbringen ließ. Und dann kommt der bedeutsame Satz: „Der Name Christen kommt von dem Christus her, der unter Kaiser Tiberius durch Pontius Pilatus hingerichtet wurde.“ Wären die Annalen des Tacitus verlorengegangen, wie sie Historien zum größten Teil verlorengegangen sind, so hätten wir auch diese Nachricht nicht. Aber jeder sieht ein, daß das Erhaltenbleiben vom Zufall abhängig gewesen ist. Wir haben diese Nachricht, und sie bestätigt uns, was wir in den Evangelien gelesen haben. Bestehen bleibt auch die Tatsache, daß der Statthalter Plinius an den Kaiser Trajan in Rom schreibt: „Die Christen kommen am frühen Morgen zusammen, um Christus als ihrem Gott Loblieder zu singen.“ Ein herrliches Zeugnis am Anfang des 2. Jahrhunderts für den Kult der Christen. Sie kommen am frühen Morgen zusammen, um Christus als ihrem Gott Loblieder zu singen.

Wir haben also keinen Anlaß, meine lieben Freunde, uns irremachen zu lassen an der Existenz Jesu, an der Glaubwürdigkeit der Evangelien, an der göttlichen Würde unseres Heilandes. Was immer die Menschen bewegen mag, zu ihren irrigen Aufstellungen zu kommen, wir machen dasselbe, was die Christen am Anfang des 2. Jahrhunderts getan haben: Wir kommen zusammen und singen Loblieder Christus, unserem Gott.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt