Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Dezember 1991

Ehre sei Gott und Friede auf Erden

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Weihnachtsfreude Versammelte!

„Vielfach und vielfältig hat Gott einst zu unseren Vätern durch die Propheten geredet. Zuletzt aber hat er zu uns gesprochen durch seinen Sohn, den er zum Erben des Weltalls gemacht, durch den er das Weltall geschaffen hat.“ Dieser inhaltsschwere Satz ist der Anfang der Lesung der heutigen heiligen Messe. In diesem Satz wird eine deutliche Zäsur gemacht zwischen allem, was vor Jesus war und was außer Jesus ist, und dem, was mit Jesus begonnen hat. Gewiß, vielfach und vielfältig hat Gott einst zu den Vätern geredet durch die Propheten, die großen Propheten, die kleinen, die, welche nur mündlich gesprochen haben, und die Schriftpropheten. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was jetzt geschehen ist. Zuletzt, in unseren Tagen, hat er zu uns geredet durch seinen Sohn, durch den er das Weltall geschaffen, den er zum Erben von allem eingesetzt hat.

Weihnachten steht nicht ohne das Bekenntnis zur wahren Gottessohnschaft Jesu Christi. Und wenn die Mohammedaner auf ihre Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem schreiben: Gott hat keinen Sohn, so sagen wir heute: Gott hat einen Sohn, und dieser Sohn ist Mensch geworden, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, seine Herrlichkeit voll der Gnade und Wahrheit. Die Umstände des Erscheinens seines Sohnes enthalten beides, Dunkelheit und Licht. Es ist genug Dunkelheit für die, die nicht sehen wollen. Es ist aber auch genug Licht für die, die sehen wollen.

Er ward geboren in Bethlehem. Dieses hebräische Wort heißt „Haus des Brotes“. Warum ist er in Bethlehem geboren worden? Er stammt doch aus Nazareth. Wie kam er nach Bethlehem? Durch Gottes Fügung. Kaiser Augustus war das Werkzeug der göttlichen Vorsehung. Kaiser und Präsidenten wissen oft nicht, daß sie in Gottes Weltenplan eine Stelle haben. So hatte Augustus eine Aufschreibung angeordnet, die Josef und Maria, die gesegneten Leibes war, nach Bethlehem führte, weil Josef Davidide war, aus dem Geschlecht Davids stammte, und die Heimatstadt Davids ist Bethlehem. „Haus des Brotes“ – das scheint nicht von ungefähr der Geburtsort Jesu zu sein, denn es ist ja der geboren, der einmal sagen wird: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer von diesem Brote ißt, wird leben in Ewigkeit und nicht mehr sterben.“

Er ward geboren in einem Stalle. Stall, das ist die Behausung der Tiere. Wie kommt der Sohn Gottes, wenn er auf Erden erscheint, in einen Stall? In der Herberge war kein Platz mehr. Die Erde hat für alles Platz, meine lieben Freunde. Sie hat Platz für serbische Generäle, die wehrlose Völker überfallen; sie hat Platz für Ideologen und Rauschgifthändler, aber sie hat keinen Platz für Gottes Sohn, wenn er auf die Erde kommt. Es war kein Platz in der Herberge. Es war kein Platz für ihn. Nun hätte er ja wieder gehen können, aber nein, er ist geblieben. Er ist geblieben, obwohl kein Platz für ihn war, und hat in einem Stalle Zuflucht gesucht, in einer Krippe. Denn er wollte die Welt erlösen. Augustinus sagt so schön: „Der die Sterne regiert, liegt in der Krippe. Der die Engel nährt, wird von der Jungfrau gespeist. Ein großer Arzt ist auf Erden erschienen, aber er hat eine neue Art zu heilen: er nimmt unsere Krankheiten auf sich.“

Hirten sind die ersten, denen die Botschaft verkündet wird. „Ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Sollte das von ungefähr sein, daß Hirten, die in Palästina zu den geringschätzig behandelten Menschen zählten, zuerst von ihm hören durften? Ist doch der geboren, der einmal von sich sagen wird: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe.“ Er wurde geboren im Verborgenen. Niemand nahm von ihm Notiz. Die Großen und Mächtigen, die es ja damals auch gab, wußten nichts von ihm und wollten nichts von ihm wissen. Und das ist nun das Geheimnis Christi und des Christentums seit 2000 Jahren. Es ist genügend Licht da für den, der guten Willens ist, aber es ist auch genügend Dunkel da für den, der diesen guten Willen nicht aufbringt. Daß der Hintergrund in den Vordergrund tritt, daß der Allmächtige in Menschengestalt erscheint, daß die Stärke schwach wird, daß der Reichtum arm wird, das ist die Verborgenheit Jesu. Er wird einmal von sich sagen: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wohin er sein Haupt legen kann.“ Er ist der Heimatlose auf dieser Erde. Er ist der verborgene Gott. Vere tu es deus abscondidus – wahrhaftig, du bist ein verborgener Gott!

Daß Gott ein Mensch wurde, daß der Unendliche in die Endlichkeit einging, das ist ein solches ungeheuerliches Geschehen, daß man nur staunen und staunen und anbeten und anbeten kann. Manche haben es begriffen. Zum Beispiel der große, fromme Anton Bruckner. Er hatte in der Weihnachtsnacht als Organist von Sankt Florian in Österreich gar wundersam gespielt. Und am Morgen suchten ihn seine Hausgenossen. Sie fanden ihn vor der Krippe. „Meister,“ fragten sie ihn, „was hast du denn hier die ganze Nacht gemacht?“ Da gab Bruckner zur Antwort: „Ich habe nur immer vor mich hingesagt: Er ist ein Mensch geworden. Er ist ein Mensch geworden. Und da bin ich vor Staunen nicht mehr fertig geworden.“ Bruckner hat das Geheimnis der Verborgenheit Gottes in Christus Jesus begriffen. „Da bin ich vor Staunen nicht mehr fertig geworden.“

Er ist in Armut erschienen, um einen wunderbaren Tausch vorzunehmen. Er, der reich war, ward arm, damit wir durch seine Armut reich würden. Er, der ein Herr war, ward ein Knecht, damit der Knecht befreit und zu einem Herrn würde. Das ist der wunderbare Tausch, der in dieser Heiligen Nacht begonnen hat.

Es ist aber nicht nur dunkel in Bethlehem, es ist auch ein Licht da. Es wird ein Licht angezündet. Der Stern, der über dem Hause strahlt, und die Lichtflut, die sich ergießt, als die Engel das Feld von Bethlehem heimsuchen, sie zeigen, daß diese Verborgenheit nicht ausweglos ist; daß in der Verborgenheit auch Helles vorhanden ist. Die Engel erscheinen und preisen den, der da gekommen ist. Sie singen das Lied von Weihnachten: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden seiner Gnade!“ Das ist das Motto von Weihnachten. Das ist das Thema, das jetzt angeschlagen ist und das nicht mehr aufhören wird bis zur zweiten Wiederkunft Jesu Christi. Dieser Lobgesang hat zwei Dinge aneinandergeknüpft, die unzerreißbar sind. Und das Heil der Welt hängt davon ab, ob sie diese Unzerreißbarkeit erkennt oder nicht. Zwei Dinge, die unzerreißbar sind, nämlich die Ehre Gottes und der Friede der Menschen. Wenn Gott verherrlicht wird, dann haben die Menschen die Garantie, daß Friede bei ihnen sein wird. Wenn sie Gott die Ehre geben, wenn sie seinen Namen preisen, wenn sie seine Gebote hochschätzen, wenn sie nach seinem Willen leben, dann wird Friede auf Erden. Aber wo die Menschen Gott nicht die Ehre geben, da kann auch kein Friede sein; da kann kein Friede im Herzen, da kann kein Friede in den Familien, da kann kein Friede in den Gemeinden, da kann auch kein Friede in der Kirche und kein Friede in der Welt sein. Ehre Gottes und Friede der Menschen sind unzerreißbar miteinander verknüpft. Man kann es auch anders ausdrücken. Man kann sagen: Gottes Rechte und Menschenrechte sind unzerreißbar miteinander verbunden. Wenn die Menschen Gott geben, was Gottes ist, dann wird man auch den Menschen geben, was der Menschen ist. Wenn man die Gottesrechte achtet, denn werden auch die Menschenrechte geachtet werden. Aber wenn man nur von den Menschenrechten redet, wie es die sieben freimaurerischen Außenminister der EG tun, dann ist das zu wenig. Man muß zuerst von den Gottesrechten und dann von den Menschenrechten reden. Wenn man die Menschenrechte sichern will, dann muß man die Gottesrechte hochhalten. Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden! Das ist der Lobgesang der Engel, der in unseren Ohren widerklingt und der nicht mehr aufhören wird bis zur zweiten Ankunft unseres Erlösers.

„Seht, ich verkünde euch eine große Freude! Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Es kommt alles darauf an, meine lieben Freunde, daß wir die Einzigartigkeit, aber auch die Geschichtlichkeit dieses Ereignisses festhalten. Hier ist nichts von Legende; hier ist nichts von Mithras und ähnlichen Geschichten, wie gewisse katholische Exegeten behaupten. Hier ist solide Wirklichkeit Gottes. Hier hat sich der Himmel geöffnet und den Sohn Gottes freigegeben, daß er auf Erden sein Werk, sein schweres Werk verrichte. Hier ist das Christentum in seiner Unnachahmbarkeit, in seiner einzigartigen Absolutheit konstituiert. Kein anderer, kein Buddha und kein Mohammed, kein Laotse und niemand sonst kann diesem Sohn Gottes jemals irgendwie an die Seite gestellt werden. Hier ist der erschienen, von dem der Hebräerbrief sagt: Vielfach und vielfältig hat Gott einst zu den Vätern durch die Propheten gesprochen. Zuletzt aber, in der Fülle der Zeit, in unseren Tagen hat er zu uns geredet durch seinen Sohn, den er zum Erben von allem gemacht, durch den er das Weltall geschaffen hat.

Amen.

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