Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Oktober 1999

Die absolute Gewißheit des göttlichen Weltplans

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Vorsehung Gottes ist uns bezeugt in der heiligen Schrift und in der heiligen Überlieferung. Aber auch die Vernunft läßt sich durch die Wahrheit von der Vorsehung Gottes überführen. Wenn Gott einen Zweck mit der Welt verfolgt, dann muß er einen Weltplan haben, und er muß eine Idee von diesem Weltplan haben, und er muß einen Gedanken haben, wie dieser Weltplan durchgeführt wird. Er muß aber auch in seiner Allmacht und Weisheit dafür sorgen, daß dieser Weltplan zur Durchführung kommt. Diese Durchführung geschieht entweder unmittelbar, indem Gott in die Welt, in die Geschehnisse der Welt unmittelbar eingreift, oder mittelbar, indem er sich der Zweitursachen bedient, der Naturgesetze, der menschlichen Vernunft, der menschlichen Arbeitskraft, der großen Gemeinschaften wie Kirche und Staat.

Gottes Weltplan kommt zum Ziele. Der Mensch kann ihn nicht vereiteln, und Geschehnisse dieser Erde sind nicht imstande, ihn zu durchkreuzen. Die Geschichte kommt unweigerlich zu dem Ziele, das die Vorsehung Gottes ihr gesetzt hat, allen Durchkreuzungsversuchen des Menschen zum Trotz. Auch die Natur findet ihr Ziel, allen Aufgängen und Untergängen, allen Zerstörungen und Katastrophen zum Trotz. Selbst der Teufel, den die Heilige Schrift den Herrn der Welt nennt, muß dem Weltplan Gottes dienen; wenn auch schäumend vor Wut und zornig im Herzen, muß er zum Gelingen des Weltplanes Gottes beitragen. Gottes Vorsehung kommt unweigerlich zu ihrem Ziele.

Die Heilige Schrift spricht eindeutig in dieser Hinsicht, etwa im Buche Judith: „Auch was früher geschah, hast du gewirkt, und was später sich ereignete, hattest du ausgedacht, und immer geschah, was du wolltest.“ Im Buche des Predigers heißt es: „Was geschieht, ist längst im voraus bestimmt. Was aus einem Menschen wird, das steht fest. Niemand kann den zur Rechenschaft ziehen, der mächtiger ist als er.“ Und beim Propheten Isaias wird uns versichert: „Denkt daran und seid stark, nehmet zu Herzen, ihr Abtrünnigen! Denkt an das Frühere von der Urzeit her, daß ich allein Gott bin und keiner sonst, der wahre Gott, dem nichts gleicht, der von Anfang an kundtat den Ausgang von der Vorzeit her, was noch nicht geschehen. Ich spreche, mein Ratschluß wird sich erfüllen. Alles, was mir beliebt, das führe ich aus. Wie es geredet, so lasse ich es kommen, wie es geplant, so führ‘ ich es aus.“

Die Menschen haben freilich nicht immer das Walten der Vorsehung erkannt. Der Weltplan Gottes liegt ja nicht offen zutage; er ist verhüllt durch die Zusammenbrüche und Katastrophen dieser Erde. So haben viele nicht den Vorsehungsglauben angenommen, sondern andere Erklärungen versucht. Ich nenne drei, nämlich den Zufallsglauben, den Sternenglauben und den Schicksalsglauben. An erster Stelle haben sie den Zufallsglauben entwickelt, also die Meinung, alles werde durch einen absoluten Zufall gelenkt. Absoluter Zufall ist ein Ereignis, das unvorhersehbar und unvorstellbar, völlig willkürlich und irrational geschieht. Der Zufall in diesem Sinne ist die blinde Notwendigkeit, ist eine anonyme Beliebigkeit. Sie besagt, daß alles geschieht ohne Grund und ohne Absicht. Ein solcher Zufallsglaube steht in völligem Widerspruch zum Vorsehungsglauben; denn der Vorsehungsglaube sagt uns, daß Gottes Weisheit und Gottes Allmacht über allem, was geschieht, steht. Einen relativen Zufall kann es natürlich geben, d. h. also ein Ereignis, das unerwartet ist, das uns überrascht, weil wir ja den Weltplan Gottes nicht kennen. Aber ein absoluter Zufallsglaube ist unvereinbar mit dem Vorsehungsglauben. Nicht der Zufall waltet über der Welt, sondern die treue Liebe unseres Gottes.

In alter Zeit, aber bis heute hängen manche Menschen dem Sternenglauben an. Sie sind davon überzeugt, daß die Sterne die Geschicke des Menschen lenken; und so suchen sie die Sterne zu erforschen, vor allem die Konstellation der Sterne bei der Geburt. Daraus will man die Nativität erheben. Die Sterne sollen angeblich verantwortlich sein für den Charakter und für das Schicksal des Menschen; sie seien über Krieg und Frieden, über unglückliche und glückliche Tage gesetzt. Nach dieser Meinung bestimmen die Sterne den Weltenlauf. Die jüdische und die christliche Religion haben diese Meinung immer abgewiesen. Die Sterne sind ja Geschöpfe Gottes; sie stehen nicht über dem Schöpfer, sondern sie sind ihm unterworfen. Sie künden seinen Willen, aber vermögen nichts aus eigener Kraft. Große Theologen wie Thomas von Aquin haben nicht jeden Einfluß der Sterne bestritten. Sie meinten, auf die Körperwelt könnten die Sterne einen Einfluß ausüben. Inclinant, sed non necessitant – Sie machen geneigt, aber sie zwingen nicht. In jedem Falle ist der Mensch, ist sein Wille, ist sein Verstand den Sternen nicht unterworfen.

Vor wenigen Wochen begegnete ich einer 88-jährigen Dame, die mir weismachen wollte: Wenn man unter einem bestimmten Sternbild geboren ist – und sie und ich, wir sind unter dem Sternbild der Jungfrau geboren –, dann habe man auch bestimmte Eigenschaften. Ich halte diese Meinung für irreführend. Gewiß kann in einzelnen Fällen eine Sammlung von Eigenschaften zusammenkommen, die zu jenen paßt, die den unter einem bestimmten Sternbild geborenen Menschen zugeschrieben werden, aber in anderen Fällen ist es eben wieder ganz anders geartet. Und Voraussagen, die sich an die Sterne knüpfen, können manchmal zutreffen, aber ebensogut gehen sie auseinander. Man erwähnt immer nur die Fälle, wo Voraussagen zugetroffen sind, man verschweigt die anderen, in denen sich die Voraussage als irrig erwies. Nein, nicht die Sterne stehen über dem Menschen, sondern über den Sternen leuchtet Gottes Sonne. Die Sterne sind um des Menschen willen geschaffen, nicht der Mensch um der Sterne willen. Wenn die Sterne sein Schicksal lenken würden, dann wären ja die Menschen unter die Sterne gesetzt. So kann es nicht sein. Die Astrologie, die Pseudokunst, aus der Konstellation der Sterne das Schicksal des Menschen bestimmen zu wollen, ist ein Aberglaube.

Die dritte Form, in der die Menschen sich über ihre Geschickte zu vergewissern versuchten, ist der Schicksalsglaube. Das Schicksal ist danach eine äußere, völlig irrationale, unwiderstehliche Macht. Ihr sind Götter und Menschen unterworfen. Das Schicksal – nicht Gott! – leitet nach dieser Auffassung die Welt. Der Schicksalsglaube ist also die Meinung, eine blinde Notwendigkeit würfelt über das Los des Menschen. Unwiderstehlich und völlig uneinsehbar verfügt eine Macht, eine Gewalt über Menschen und Natur. Das Schicksalsglaube hat im Judentum ein Auge bekommen, und das ist die Vorsehung. Der Schicksalsglaube hat im Christentum ein Herz bekommen, und das ist die ewige Liebe unseres Gottes. Nicht ein blindes Schicksal sitzt am Webstuhl der Zeit, sondern die treue Liebe unseres Gottes lenkt die Geschicke der Welt. Wenn es ein Schicksal gäbe, das den einen zum Guten, den anderen zum Bösen bestimmt, dann hörte jede Verantwortung auf, dann wäre der Gute nicht zu loben und der Böse nicht zu tadeln.

Der letzte Verteidiger von Rhodos gegen die Türken war der Großmeister Villiers. Villiers mußte schließlich kapitulieren vor der Übermacht der türkischen Heere. Aber auf seinem Grabstein stehen die Worte: „Hier liegt die Tapferkeit, die über das Schicksal siegte.“ Wahrhaftig, meine lieben Freunde, nicht ein blindes Schicksal regiert unser Leben, sondern es waltet über uns die allmächtige und gütige Liebe unseres Gottes; wir nennen sie die Vorsehung. Die Vorsehung macht die menschliche Aktivität nicht überflüssig, denn Gott blickt auf uns, gewiß, und er hat unseren Lebensplan bestimmt, aber er wartet, daß wir einstimmen in ihn. Es ist uns aufgegeben, mit unserer Aktivität seine Vorsehungspläne zu erfüllen. Die Vorsehung ist also kein Apparat, der mehr oder weniger gut funktioniert. Die Vorsehung ist auch keine Versicherung, so daß man keine kühnen und großen Entschlüsse mehr zu fassen brauchte, daß man keine Wagnisse mehr einzugehen hätte. Die Vorsehung ist auch kein Schlummerkissen, auf dem man sich ausruhen darf. Nein, die Vorsehung ist das Vertrauen, daß Gottes allmächtige Liebe unser Leben lenkt und daß er uns zu unserer Aktivität herausruft. Die Vorsehung gibt uns eine Aufgabe, nämlich zu erkennen, was ihr Wille ist. Sie erfordert eine Antwort von uns. Sie ruft uns zur Selbsttätigkeit auf. Gerade weil es eine Vorsehung gibt, sind wir über alle anderen Mächte aufgerufen, uns in Gottes Willen einzufügen, ein Einvernehmen mit Gott zu suchen. Jedes Ereignis, jeder Mensch, der uns begegnet, kommt von Gott her, und wir müssen fragen: Was will er von uns? Was ist meine Aufgabe angesichts dieser Lage, dieser Katastrophe, dieser Begegnung? Was will Gott von mir? Was plant seine Vorsehung?

Die Vorsehung Gottes macht auch das Bittgebet nicht überflüssig; denn in Gottes Weltplan, in Gottes Vorsehungsplan ist eben vorgesehen, daß uns Gott bestimmte Dinge nur geben will, wenn wir bitten. Wir erfüllen also nur Gottes Vorsehung, wenn wir Bittgebete an ihn richten. Das Bittgebet dient nicht dazu, Gott bekannt zu machen, daß wir etwas brauchen; das weiß er. Das Bittgebet hat auch nicht den Zweck, Gottes Pläne abzuändern, denn Gottes Pläne sind unabänderlich, sondern das Bittgebet hat den Sinn, die Oberherrlichkeit Gottes anzuerkennen. Das Bittgebet hat den Zweck, uns in Gottes Pläne einzufügen. Mit dem Bittgebet sollen wir uns im Vertrauen an den liebenden Vater im Himmel wenden. Wir sollen beten, wir sollen bitten, jawohl, um alles, um das tägliche Brot, um Gesundheit, um Freiheit von der Sünde und um Überwindung der Versuchung. Aber in all diesem ist nur zu erfüllen, was Gott von Ewigkeit her vorausgesehen hat. „Gott will geben“, sagt der heilige Augustinus, „aber er gibt nur den Bittenden, damit er nicht einem gebe, der die Gabe nicht faßt.“ Wunderbar ausgedrückt. Gott will geben, aber gibt nur den Bittenden, damit er nicht einem gebe, der die Gabe nicht faßt.

Wir wollen also, meine lieben Freunde, an diesem Sonntag unseren Glauben an die Vorsehung erneuern. Wir wollen uns überzeugen, daß Gott unseren Lebensplan zurechtgemacht hat.

„Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl.

Das macht die Seele still und friedenvoll.

Ist doch umsonst, was ich mich sorg‘ und müh‘,

daß ängstlich schlägt mein Herz, ob spät, ob früh.

Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt die Zeit.

Dein Plan liegt fertig stets und ist bereit.

Ich preise dich für deine Liebesmacht,

ich preis‘ die Gnade, die mir Heil gebracht.

Du weißt, woher der Wind so stürmisch weht,

und du begegnest ihm, kommst nie zu spät.

Drum wart‘ ich still, dein Wort ist ohne Trug:

Du weißt den Weg für mich, das ist genug!“

Amen.

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