Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Mai 2001

Die Verähnlichung mit Christus

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Sakramente sind wirklichkeitserfüllte Zeichen der Gnade. Sie bezeichnen etwas, aber sie bewirken das, was sie bezeichnen. Die Sakramente versinnbilden Christus und sein Heilswerk, vor allem seinen Tod und seine Auferstehung. Wer nun Sakramente empfängt, der nimmt teil am Tod und an der Auferstehung Christi; er nimmt teil an Christus und seinem Heilswerk. Die Sakramente wirken ein Doppeltes: die Begegnung mit Christus und die Gleichförmigkeit mit Christus. Sie schaffen die Gemeinschaft mit Christus, und sie begründen die Ähnlichkeit mit Christus. Wahrhaftig, so ist es. Wer Sakramente empfängt, wird Christus gleichförmig, wird Christus ähnlich.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger sagt die Heilige Schrift. Paulus schreibt im Brief an die Römer: „Die er vorher erkannte, hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden“ – dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden –, „damit er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei.“ Oder an einer anderen Stelle, nämlich im Brief an die Galater, schreibt Paulus: „Ihr alle seid Kinder Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen.“ Die Getauften haben gleichsam ein neues Gewand bekommen – wir sprechen in Bildern –, und dieses neue Gewand ist niemand anderes als Christus Jesus, unser Herr. Die Sakramente wirken, was sie versinnbilden, sie schaffen, was sie anzeigen. Sie sind Ursachen, Wirkursachen für das, was sie hervorbringen. Und sie sind Urbilder für das, was sie schaffen, nämlich für die Nachbilder, die wir durch die Sakramente werden.

Jedes Sakrament schafft eine andere Ähnlichkeit mit Christus. Sieben Sakramente gibt es, aber jedes Sakrament prägt andere Züge Christi im Empfänger aus. Wir werden in allen Sakramenten Christus verähnlicht, aber wir werden in jedem Sakrament ihm in verschiedener Weise verähnlicht. Wir wollen jetzt einmal die sieben Sakramente durchgehen und fragen: Welche Ähnlichkeit mit Christus empfange ich, wenn ich eines und das andere der sieben Sakramente empfange? Die Taufe verähnlicht mit Christus, insofern er aus dieser vergänglichen Existenzweise herausgeschritten ist in die unvergängliche Existenzweise. Das Übergießen mit Wasser oder das Untertauchen in Wasser versinnbildet eben den Tod des alten und die Geburt des neuen Menschen. Noch einmal: Die Taufe macht uns Christus ähnlich, insofern er aus der vergänglichen Existenzweise in das Herrlichkeitsleben hineingeschritten ist. Auch die Firmung verähnlicht mit Chrtistus. Die Ähnlichkeit, welche die Firmung begründet, besteht darin, daß wir Christus ähnlich werden, insofern er in der Öffentlichkeit der Welt den Kampf gegen den Satan geführt und über ihn triumphiert hat. Erst recht verähnlicht die Priesterweihe mit Christus. Die Priesterweihe verähnlicht insofern mit Christus, als er im Kreuzestode sein Lebensopfer dargebracht hat und damit in das Allerheiligste des Himmels eingegangen ist. Jeder Priester ist Opferpriester, und deswegen wird er dem Opferpriester Christus verähnlicht. Die heilige Eucharistie verähnlicht mit Christus, insofern er am Kreuze sich selbst geopfert hat und dadurch den Eingang in die Herrlichkeit des Vaters verdient hat. Das Bußsakrament verähnlicht ebenfalls mit Christus, und zwar werden wir Christus insofern ähnlich, als er am Kreuze das Strafgericht Gottes über sich hat ergehen lassen und dadurch die himmlische Herrlichkeit erlangt hat. Die heilige Ölung verähnlicht mit Christus, insofern er am Kreuze sein Lebensopfer vollendet hat – „Es ist vollbracht!“ – und dadurch die Weihe für den Eingang in die himmlische Herrlichkeit empfangen hat. Auch die Ehe verähnlicht mit Christus. Das Ehesakrament verähnlicht mit Christus, und zwar werden die Eheleute insofern Christus verähnlicht, als Christus sich am Kreuze die Kirche als seine Braut erkauft hat und für das Herrlichkeitsleben bestimmt hat. Das sind wunderbare Wirklichkeiten, die sich hier auftun, meine lieben Freunde. Das ist die Herrlichkeit der Sakramente, das ist das wunderbare Leben, das Christus in den Sakramenten uns vermittelt. Wir werden Christus ähnlich, gleichförmig.

Es gibt drei Sakramente, die eine Ähnlichkeit mit Christus von besonderer Mächtigkeit und Beständigkeit hervorbringen, das ist Taufe, Firmung und Priesterweihe. Diese drei Sakramente verähnlichen gleichsam nicht nur für den Augenblick, sie verähnlichen für immer. Sie machen uns Christus so dauerhaft ähnlich, wie ein Kind immer seinen Eltern ähnlich bleibt. Diese Ähnlichkeit ist unzerstörbar, sie haftet selbst den Verdammten in der Hölle an. Die drei genannten Sakramente Taufe, Firmung, Weihe prägen, wie die Kirche sagt, ein unauslöschliches Merkmal ein. Das Fachwort für dieses Merkmal ist Charakter. Das ist natürlich nicht der Charakter als die Summe der Eigenschaften und der Fähigkeiten eines Menschen im sittlichen Bereich, sondern Charakter bedeutet eben Merkmal, unauslöschliches Zeichen. Und dieses Merkmal hat das Konzil von Trient gegen die Glaubensleugner des 16. Jahrhunderts deutlich hervorgehoben. Das Konzil sagt nämlich: „Wer sagt, durch drei Sakramente, nämlich Taufe, Firmung und Weihe, werde der Seele nicht ein Merkmal eingeprägt, d. h. ein geistiges und unauslöschliches Zeichen, weshalb sie nicht wiederholt werden können, der sei ausgeschlossen.“ Hier hat das Konzil die Folge des unauslöschlichen Zeichens beschrieben. Denn wenn das Zeichen unauslöschlich ist, dann braucht man es nicht zu wiederholen, ja dann kann man es nicht wiederholen, weil es immer bleibt.

An einer anderen Stelle sagt das Konzil: „Da im Sakrament der Weihe wie in der Taufe und Firmung ein Merkmal eingeprägt wird, das nicht zerstört und nicht weggenommen werden kann, so verurteilt die heilige Kirchenversammlung mit Recht die Auffassung derer, die behaupten, die Priester des Neuen Bundes hätten nur eine zeitweise Vollmacht, und auch wer richtig geweiht sei, könne wieder Laie werden, wenn er den Dienst des Gotteswortes nicht versehe.“ Und schließlich, um über jeden Zweifel erhaben dieses unauslöschliche Merkmal zu verteidigen, hat das Konzil noch einmal festgestellt: „Wer sagt, durch die heilige Weihehandlung werde nicht der Heilige Geist mitgeteilt, und es sei daher sinnlos, wenn der Bischof sagt: Empfange den Heiligen Geist, oder es werde durch sie nicht ein Merkmal eingeprägt, oder wer einmal Priester war, könne wieder Laie werden, der sei ausgeschlossen.“ Das ist die Lehre vom „character indelebilis“, die Lehre vom unauslöschlichen Merkmal, vom heiligen, geistlichen Zeichen, mit dem der Getaufte, der Gefirmte und der Geweihte bezeichnet werden.

Die gläubige Theologie hat dann im Laufe der Jahrhunderte darüber nachgedacht, wie dieses Zeichen näher zu deuten ist. Im Mittelalter haben die großen Theologen, Albert der Große, Bonaventura, Alexander von Hales, gesagt: Das unauslöschliche Merkmal beinhaltet folgendes: Es bezeichnet die Gnade, und es macht den Empfänger für die Gnade empfänglich. Es verähnlicht mit Gott und unterscheidet den Empfänger von dem nicht mit dem sakramentalen Zeichen Bezeichneten. Der heilige Thomas von Aquin hat wiederum diese Lehre aufgenommen und vertieft, indem er sagt: Das Merkmal ist eine Potenz – also eine Art Kraftquelle, eine Potenz. Das sakramentale Zeichen befähigt, berechtigt und verpflichtet zur Teilnahme am christlichen Gottesdienst. Es gibt die Befähigung, die Berechtigung und die Verpflichtung zur Teilnahme am christlichen Gottesdienst. Andere können daran nicht teilnehmen, sondern nur diejenigen, welche diese Formung, dieses Zeichen empfangen haben. Es verbindet mit Christus und der Kirche und befähigt, berechtigt und verpflichtet so zur Teilnahme am christlichen Gottesdienst. Das ist unsere Würde, das ist unsere Auszeichnung, die wir anderen voraus haben. Jawohl, wir dürfen auf das stolz sein, was Gott in uns gewirkt hat.

Im weiteren Verlauf der Theologiegeschichte sind immer neue oder immer tiefere Eindrücke von dem unauslöschlichen Merkmal gewonnen worden. Der große Theologe Matthias Josef Scheeben, der im vorigen Jahrhundert in Köln lehrte, hat das unauslöschliche Zeichen als ein Christusmerkmal, als ein Christusprägemal bezeichnet. Durch das unauslöschliche Merkmal werden wir Christus verähnlicht, insofern er durch Tod und Auferstehung hindurchgegangen ist, und wir werden selbstverständlich auch auf ihn verpflichtet. Wir werden auf ihn verpflichtet, weil wir ihm jetzt zugehören. Die Heilige Schrift nennt diese Zugehörigkeit gern „besiegelt werden“. Das Siegel ist ja ein Zeichen für den, der es aufdrückt, und damit gibt er sein Einverständnis, ja er prägt mit dem Siegel sein Besitzrecht auf den Betreffenden ein. So ähnlich ist es auch mit den Siegeln, welche die Sakramente uns einprägen. Paulus spricht im 2. Korintherbrief von diesem Siegel, wenn er schreibt: „Durch ihn seid ihr zur Ehre Gottes in Christus befestigt worden, der uns gesalbt hat, der uns auch das Siegel aufgeprägt hat und den Geist als Angeld in unsere Herzen gegeben hat.“ Er hat uns das Siegel aufgeprägt. Man muß wissen, daß damals die Tiere, auch die Menschen ein Zeichen ihres Herrn an sich trugen. Die Sklaven mußten ein Zeichen tragen, damit man sie wiedererkannte, wenn sie etwa entlaufen wären. Und ähnlich-unähnlich spricht hier Paulus von dem Siegel, das dem Empfänger der Sakramente, vor allen Dingen der Taufe, aufgeprägt wird. Im Epheserbrief schreibt er ähnlich: „Betrübet nicht den Heiligen Geist, in dem ihr besiegelt seid für den Tag der Erlösung!“ Wir sind durch den Geist besiegelt, d. h. in Besitz genommen für den Tag der Erlösung.

Und ähnliches gilt auch für die heilige Weihe. Da schreibt Paulus im 2. Brief an Timotheus: „Ich ermahne dich, die Gnade Gottes wiederzuerwecken, welche in dir ist durch die Auflegung meiner Hände.“ Sehen Sie, diese Stelle ist deswegen so wichtig, weil sie die katholische Lehre von der Weihe als in der Schrift begründet bezeugt. Die Protestanten machen ja auch eine Art Ordination, aber das ist ein rein menschlicher Vorgang. Wer ordiniert ist, kann auch die Ordination wieder abgeben oder aufgeben. Das ist ganz anders als in der katholischen Kirche. Hier gilt das Wort: „Erwecke die Gnade wieder, welche in dir ist durch die Auflegung meiner Hände!“ Sie ist in dem geweihten, und sie bleibt in dem Geweihten. Er ist geprägt, er ist versiegelt, und wer geprägt und versiegelt ist, der kann nie mehr in den Stand des Nichtgeprägten und des Nichtversiegelten zurückkehren.

Wenn das so ist, meine lieben Freunde, wenn Taufe, Firmung, Weihe ein unauslöschliches Merkmal in die Seele prägen, dann vermögen wir zu ermessen, was es bedeutet, wenn ein Mensch, ein Getaufter, ein Gefirmter, ein Geweihter dieses Siegel abwerfen möchte – gelingen kann es ihm nicht –, aber wenn er es abwerfen möchte, wenn er so tut, als ob er dieses Siegel niemals empfangen hätte. Welch eine Verkehrung, wenn ein Getaufter sein Taufgelöbnis bricht! Welch eine Verkehrung, wenn er wie Augstein, der Spiegel-Herausgeber, oder Grass, der Schriftsteller, seine christliche Herkunft verleugnet! Welch eine Verkehrung! Welcher Abfall aber auch, wenn ein Gefirmter seinen Glauben verbirgt, wenn er ihn versteckt, wenn er ihn nicht bekennt vor den Menschen draußen, wozu er doch gefirmt worden ist! Welcher Abfall von seiner hohen Würde als ein mit dem Geist Besiegelter! Und was soll ich sagen, wenn ein Priester seine hohe Würde abschütteln will, wenn er sich laisieren läßt oder ohne Laisierung wie ein Laie zu leben anfängt, freilich nicht wie ein gläubiger Laie meistens, sondern wie ein ungläubiger? Welcher Abfall, welche Verkehrung, welcher Absturz eines solchen Priesters! Selbst in der Hölle wird ein Getaufter als solcher, ein Gefirmter als solcher, ein Geweihter als solcher erkennbar bleiben. Das Siegel bleibt, aber es glänzt nicht mehr. Das Siegel wird nicht ausgelöscht, aber es hat keine Farbe mehr. Auch in der Hölle werden die Verdammten ihre Siegel an sich tragen, und sie werden durch diese Erinnerung an das, was sie empfangen haben, nur noch größere Pein empfangen. Von welcher Höhe, so werden sie sagen, so werden sie klagen, von welcher Höhe sind wir herabgefallen! Was haben wir getan, daß wir die Besiegelung durch den Heiligen Geist in Taufe, Firmung und Weihe vergessen haben und abzuwerfen uns bemüht haben! Welcher Abfall!

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt