Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. Mai 2007

Die Liebesmacht des göttlichen Trösters

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreude  Versammelte !

Die Erlösung ist vollzogen, als der Herr aus dem Grabe entstieg. Ostern ist der Vollzug der Erlösung. Aber Pfingsten ist die Mitteilung ihres Verdienstes an die Menschen, an die ganze Kirche und an jeden Einzelnen. Drei erhabene Wahrheiten offenbart uns das heilige Pfingstfest, erstens, wie Gott den Christen auszeichnet, zweitens, wie er alle guten Kräfte in ihm weckt, und drittens, wie er ihn mit seiner gewaltigen Liebe wirksam tröstet und erhebt.

Dazu ward dem Menschen die Seele gegeben worden, dass er sich geheimnisvoll mit Gott vereinigen konnte. Das ist tatsächlich der Sinn, warum Gott eine Seele geschaffen hat, eine unsterbliche Seele in jedem Menschen. Mit Körpern kann sich nämlich der ewige Gott nicht vereinigen, aber mit einer Seele kann er eine Vereinigung vollziehen. So hat Gott den Menschengeist mit seinen Grundkräften der Erkenntnis und der Selbstbestimmung nach seinem Bild und Gleichnis ins Dasein gerufen. Nun konnte er den Menschen über sich erheben und zum Mitleben seines eigenen, göttlichen Lebens befördern. Das Menschenwesen kann seinen Ursprung nicht vergessen. Deshalb ist das Herz des Menschen nur mit dem Besitz Gottes voll und ganz zufrieden. Es ist eine tiefe Wahrheit, wenn Theresia von Avila sagt: „Solo dios basta“ – Gott allein genügt. Das besagt nämlich: Nichts außer Gott genügt. Selbstverständlich vermag sich der Mensch eine Zeitlang oder vielleicht auch das ganze irdische Leben mit weltlichen Genüssen und Freuden über seine Leere hinwegzutrösten. Aber die Sehnsucht im Herzen kann er nicht auslöschen; die Sehnsucht wird stets wirksam bleiben, wenn Gott sie nicht erfüllt. Wenn er sich nicht in Huld zum Menschen herabsenkt in der Gnade, dann ist der Mensch arm; nur dann strömt göttliches Leben in die Seele ein, übernatürliches Leben unserer Seele.

„Mein Christ, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir. Was suchst du ihn denn erst bei einer anderen Tür?“ hat in ergreifender Weise unser schlesischer Dichter Angelus Silesius gedichtet. Mein Christ, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir. Was suchst du ihn denn erst bei einer anderen Tür? Und diese Wirklichkeit, die der Mensch in sich trägt, wird im Evangelium der heutigen heiligen Messe ausgesagt. Gott kommt tatsächlich in die Seele des begnadeten Menschen. Er nimmt in einer unaussprechlichen Weise Wohnung im Menschen. „Wir werden Wohnung bei ihm nehmen“, so sagt der Herr, und es ist kein Zweifel an seinen Worten möglich. Der Mensch trägt tatsächlich die ganze, unteilbare Dreifaltigkeit in seiner Seele, wenn er die heiligmachende Gnade besitzt.

Jetzt ist die Seele ganz heil und gesund, ganz licht und voller Kraft, nicht mehr dem ewigen Tode verfallen, wie seit der Schuld Adams. Der Heilige Geist lebt und wirkt in ihr und mit ihr zusammen. Schöner als jeder Tempel, schöner als jede Kapelle ist eine Seele, in der der Heilige Geist wohnt. Vater, Sohn und Heiliger Geist halten in jeder ihr aufgeschlossenen, zur Gottesliebe bereiten Seele nicht nur Einkehr für einen Augenblick. Nein, sie errichten in der Seele ihre Wohnstätte für Zeit und Ewigkeit, ein heiliges Gezelt.

Erkenne, Christ, deine Würde! Welche Auszeichnung ist es, dass Gott sich dir naht, zu dir kommt, in dir seine Wohnung aufschlägt und in dir bleiben will – welche Verantwortung, meine Christen! „Gottes Sache ist es, die Gnade zu verleihen, unsere Sache ist es, sie willig aufzunehmen und zu bewahren.“ Welche Verantwortung! „Betrübet nicht den Heiligen Geist“, mahnt der Apostel Paulus, „betrübet nicht Gottes Heiligen Geist, mit dem ihr besiegelt seid für den Tag der Erlösung!“

Leben heißt nichts anderes als Tätigsein. Wo Gott ist, da ist er tätig. Wo der Heilige Geist ist, da schafft er Gutes. Es kann überhaupt nichts Gutes entstehen in einem Menschen ohne den Heiligen Geist. Wo immer in einem Menschen Gutes aufsteht, ist der Heilige Geist am Werke. Wenn wir uns besinnen, wie der Heilige Geist zum ersten Mal in sichtbarer Weise erschien, dann schauen wir auf die Pfingstgemeinde der Apostel. Mit einem Schlage machte sie der Heilige Geist aus halbblinden zu offen sehenden, aus kaum ahnenden zu verstehenden Jüngern, aus Schülern zu Meistern, aus Anfängern zu Fertigen, aus Schwächlingen zu Helden. Wie drängt es sie nun, den Geist, den sie empfangen haben, anderen mitzuteilen durch die Predigt und durch die Taufe! Wie freuen sie sich über die dreitausend Neubekehrten am Pfingsttage! Wie wenig ficht es sie an, dass die Mächtigen des Volkes mürrisch und gehässig beiseite stehen, finstere Pläne schmieden, um sie zu verfolgen, so wie sie den Meister verfolgt haben. O die Kurzsichtigen, sie haben nichts aus der Erfahrung gelernt! Sie vermochten den Messias nicht im Grabe festzuhalten, sie konnten sein mächtiges Wort nicht fesseln. Da siehst du Petrus, wie er die erste christliche Predigt hält, der erste Papst hält seine erste Predigt vor dem Volke. Ist das derselbe Apostel, der vor wenigen Tagen noch sagte: „Ich kenne ihn nicht“? Jetzt kennt er ihn und bekennt sich zu ihm und fordert alle Welt auf, mit ihm Jesus zu bekennen. Nun fühlt er sich durch keine Gewalt der Erde mehr bedroht, jetzt droht er selber, nämlich er droht mit dem ewigen Untergang und mit dem Letzten Gericht. Diese Wendung, diese Wandlung hat die Erlebnisgeneration erschüttert und bewegt. Sie fragten, sie staunten und wunderten sich und sagten zueinander: Was soll denn das sein? Es war unerhört, was sie erlebt hatten.

Nicht mehr in so spektakulärer Weise wie beim ersten Pfingstfest erleben wir, meine lieben Freunde, unser Pfingsten. Aber es gibt doch auch, wenn wir aufgeschlossen sind, religiöse Erlebnisse: eine würdige Beicht, eine wahre Bekehrung, eine ergreifende heilige Kommunion. Alle Tugend, alle Heiligkeit, die vielleicht in unserem Leben ist, kommt vom Heiligen Geiste, ist vom Heiligen Geist befeuert. Die Lehre der Kirche wird durch ihn lauter bewahrt, von jedem Irrtum frei. Ja, meine lieben Freunde, es mag noch so viele irrlehrende Theologen geben, es mag noch so viele schlappe Bischöfe geben, der Heilige Geist wird immer dafür sorgen, dass die Wahrheit in unserer Kirche gefunden werden kann. Auch das Leben der Kirche wird durch den Heiligen Geist getragen. Es kann auf die Dauer nicht geschädigt werden, es wird nach allem Dunkel wieder Licht werden. Weil der lebendigmachende Geist in der Kirche ist, hat die Kirche alle Stürme der Zeit überstanden, alle Staaten überlebt, alle Feinde überwunden. Die Ritter des Heiligen Geistes sind wie ein großes Heer, das immer von neuem seine Reihen füllt, und wir sollen aufrecht und mutig in diesem Heere stehen.

Vielleicht fragt der eine oder andere: Ja, wo ist denn der Geist in mir? Wo spüre ich denn seine Gegenwart, seine Macht, seine Kraft? Zunächst einmal: Die Wirkungen des Heiligen Geistes sind proportional der Disposition und Empfangsbereitschaft unseres Herzens. Die Wirkungen des Heiligen Geistes sind proportional der Disposition und Empfangsbereitschaft unseres Herzens. Je mehr wir offen sind, um so stärker die Wirkung. Je mehr wir bereit sind, um so größer seine Macht. Wir haben es in der Hand, wie und wie stark der Heilige Geist in uns wirkt. Und, meine lieben Freunde, wenn wir uns prüfen, wenn wir unser Leben anschauen, haben wir dann nicht zwar den Heiligen Geist, aber seine Wirkungen in uns verspürt? Dass wir ein Kreuz tragen konnten, wo wir manchmal gesagt haben: Ich kann es nicht mehr, ich schaffe es nicht mehr, es ist mir zuviel. Dass wir uns aus Sünde und Laster erhoben haben. Ich erinnere mich, in meiner Jugend an einen Mann, der ein Trinker war. Er war ein stadtbekanntes Original. Die Jungen liefen hinter ihm her und verspotteten ihn. Und siehe da, eines Tages habe ich denselben Mann gesehen in unserer Kirche. In einem feinen schwarzen Anzug, die Hände gefaltet, ging er zur heiligen Kommunion. Er hatte sich bekehrt und bleibend bekehrt. Das habe ich erlebt. Es gibt Wirkungen des Heiligen Geistes in unserem Leben, wenn wir nur bereit sind, ihn wirken zu lassen.

Die Pfingstbotschaft ist auch eine Botschaft der Freude und des Trostes. Wir bekennen den Heiligen Geist als den consolator optimus, als den besten Tröster. Auch Menschen können trösten, und Menschen sollen trösten, und wir wollen uns gegenseitig trösten und aufrichten, meine lieben Freunde. Aber niemand kann so trösten wie der Heilige Geist. Nur leichtsinnige Menschen können in einem fort lachen und scherzen, und selbst ihnen vergeht das Lustigsein, wenn ein großes Leid sie befällt und jeden Trost aus dem Gemüte treibt. Es gibt Lebenslagen und Schicksalsschläge, da kann kein Mensch helfen. Nur der göttliche Tröster, der die Märtyrer noch in der Todesstunde fröhlich sein ließ, vermag den Tiefgebeugten wieder aufzurichten, dass er über die Ängste Herr wird, dass er sich fasst und verharrt im Willen des himmlischen Vaters. Wiederum gibt uns die Apostelgeschichte ein ergreifendes Beispiel solchen Trostes. Der Hohe Rat in Jerusalem ließ die Apostel festnehmen. Er beschimpfte sie, er verspottete sie, er ließ sie verdreschen, geißeln. Und was haben die Apostel darauf geantwortet? Die Apostel gingen voll Freude – voll Freude! – vom Hohen Rat, weil sie gewürdigt waren, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. Ja, wenn das nicht die Wirkung des Heiligen Geistes ist, dann weiß ich nicht, wo sie überhaupt sein soll.

Feuer kam vom Himmel. Oft lesen wir in der Heiligen Schrift, dass Feuer sich vom Himmel herabgelassen hat, aber fast immer war es ein Zeichen des göttlichen Zornes, göttlicher Strafgerichte. Das Pfingstfeuer jedoch ist reines Licht und reines Glück. Darum ist die Kirche ein helles, freundliches Haus, eine wahre Heimstätte des Friedens und der Zuversicht. Die geistige Freudigkeit ist das sicherste Merkmal der in uns wohnenden Gnade Gottes. Wenn man sich über alle Niedergeschlagenheit, über alle Betroffenheit, über alle Verzweiflung erheben kann, dann ist das die Wirkung des Heiligen Geistes. Denn normalerweise müssten wir die Flinte ins Korn werfen, müssten wir sagen: Es hat keinen Zweck, ich mache Schluß. Nein, meine lieben Freunde, die geistige Freudigkeit ist das sicherste Merkmal der in uns wohnenden Gnade Gottes. Und man muss es wieder umgekehrt sagen: Das fröhliche Herz ist mehr geeignet, die Gnade aufzunehmen, als das traurige. Denn der Heilige Geist ist eben die Freude des Vaters, und Gleichartiges hat Freude am Gleichartigen. Die Freude des Heiligen Geistes ist uns immer wieder geschenkt worden in unerwarteten Lösungen von Knoten, in der Aufrichtung, die uns zuteil wurde, nachdem wir tief gesunken waren, in den Lichtern, die Gott immer wieder für uns ausgestellt hat, in einem Gottesdienst, der uns ergriffen hat, in einer guten heiligen Beicht, in einer beseligenden heiligen Kommunion. Je mehr wir die Freuden im Inneren des Herzens suchen, desto mehr halten wir uns an Gott. Alte Leute, die auf Erden nichts mehr freuen kann, finden ihr Glück häufig im Gebet. Ja, ihr erstes wahres Glück finden sie manchmal erst im Gebet. Nicht bis ins Alter warten, um das Glück in der Frömmigkeit zu finden, nein, wir verlieren nichts vom wahrhaft Schönen, wenn wir in der Freude des Heiligen Geistes die Schätze dieser Erde gebrauchen und, soweit es uns gestattet ist, genießen. Mit reinem Gewissen und mit Dank gegen den Geber aller guten Gaben, den Geber auch der höchsten Gabe, des Heiligen Geistes, des Tröstergeistes.

Jeder Mensch lobt den, der geistreich ist, und jeder lacht über den, der geistlos ist. Wer tiefen Glauben hat, für den bedeutet der höchste Geistesreichtum der Reichtum am Heiligen Geist, und die ärgste Geistlosigkeit die Trennung vom Heiligen Geist. Von Stephanus, dem ersten Martyrer, wird gesagt, dass er voll des Heiligen Geistes war. Höheres kann man von keinem Menschen sagen.

Meine lieben Freunde, wen Gott reich gemacht hat mit seinem Geiste, den kann kein Mensch mehr arm machen.

Amen.

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