Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
3. Juni 2001

Die Tröstungen des Pfingsttages

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreude Versammelte!

Die christliche Religion ist eine anspruchsvolle Religion. Sie ist nicht primitiv wie der Islam oder den Menschen entgegenkommend wie das Judentum. Nein, das Christentum denkt das, was Gottes ist, nicht was der Menschen ist. Sie sucht nicht der Bequemlichkeit der Menschen zu dienen, sondern sie sucht sie zum Himmel zu führen. Dennoch wäre es verfehlt, das Christentum als eine düstere Religion zu bezeichnen. Das Christentum ist eine helle, eine leuchtende, eine strahlende Religion. In dieser Religion haben nicht nur die Gerichtsdrohungen einen Platz, sondern auch die Verheißungen und Tröstungen des Himmelreiches. Es gibt wohl keinen Tag des Jahres, der geeigneter wäre, die Verheißungen und Tröstungen des Christentums sich vor Augen zu führen, als der Pfingsttag; denn der, der uns da verheißen ist, trägt den Namen „der Tröster“. Und so wollen wir heute, am heiligen Pfingsttag, die Verheißungen und Tröstungen bedenken, die Gott uns gibt, die Verheißungen und Tröstungen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Erstens: Die Verheißungen und Tröstungen des Vaters. „Der Vater“, so erklärt der Herr in seiner Abschiedsrede, „der Vater wird euch lieben, weil ihr mich geliebt und an mich geglaubt habt, daß ich von Gott ausgegangen bin, und darum wird er euch alles geben, um was ihr in meinem Namen bitten werdet, denn er selbst wird euch lieben.“ Das ist die erste Verheißung und Tröstung: Der Vater, der himmlische Vater wird uns lieben. Wir müssen uns erinnern, daß Jesus ganz und gar aus der Liebe, die er zum Vater trug und die er vom Vater empfing, gelebt hat. Die Liebe des Vaters war eigentlich das einzige, was ihn in seinem schweren Leben gehalten hat. Und diese Liebe des Vaters verheißt er nun denen, die zu ihm gehören. „Der Vater wird euch lieben, weil ihr mich geliebt und weil ihr an mich geglaubt habt.“ Das ist also der Grund, weswegen der Vater uns liebt, weil wir Christus lieben und weil wir an ihn glauben.

Die Liebe des Vaters darf niemals aus unserer Erinnerung fallen. Auch in schweren Stunden müssen wir uns daran erinnern: Der Vater liebt uns. Die Verheißung Christi ist wahr, und sie wird auch erfüllt; deswegen wird die Liebe des Vaters niemals von uns weichen, so schwer unser Leben auch sein mag. Die Wirkung dieser Liebe wird sein: „Der Vater wird euch alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bitten werdet.“ Das ist die zweite Verheißung im Namen des Vaters und der zweite Trost im Namen des Vaters. „Der Vater wird euch alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bitten werdet.“ Es gibt Menschen, die behaupten, sie seien noch nie in ihren Gebeten erhört worden. Das ist sicher eine Täuschung. Es gibt andere, die hervorheben, daß sie immer erhört worden sind, und das ist vielleicht auch leicht übertrieben. Die Wahrheit wird in der Mitte liegen. Es gibt Gebete, die erhört werden; es gibt Gebete, die nicht erhört werden. Worin liegt der Unterschied? Die erhört werden, sind jene, welche im Namen Jesu dem Vater im Himmel vorgetragen werden. Immer wenn wir im Namen Jesu, also nicht nur in der Anrufung seines Namens, sondern in der Gesinnung seines Herzens zu Gott rufen, immer dann werden wir erhört. Er hat sich dazu verpflichtet, er kann nicht mehr zurück. Jetzt muß er erfüllen, was er verheißen hat. „Alles“ – alles! – „was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, wird er euch geben.“

Selbstverständlich haben sich die großen Theologen der zweitausendjährigen Kirchengeschichte bemüht zu ergründen, was es heißt, im Namen Jesu zu bitten. Und sie sind auf die glückliche Idee verfallen: Im Namen Jesu bittet, wer nach der Ordnung des Heiles fleht. Wer so bittet, wie es Gott in seiner Heilsordnung angeordnet hat, der wird unfehlbar erhört. Freilich ist es uns nicht immer gegeben, zu wissen, was Gott in seiner Heilsordnung angeordnet hat. Es kann Leichtes und Schönes, es kann aber auch Schweres und Schlimmes sein, was nach Gottes Willen uns zum Heile dienen soll. Deswegen kann es vorkommen, daß jemand sagt: Ich habe gefleht, und ich wurde nicht erhört. Ja, das Gebet war dann eben nicht in der Gesinnung Jesu, in der Verbindung mit Jesus, im Namen Jesu dem Vater im Himmel vorgetragen. Gott kann uns nicht geben, was uns vom Wege des Heils abführt. Gott will uns nicht geben, was uns zum Schaden gereicht. Gott mag aber auch nicht geben, wenn unsere Empfänglichkeit für die Gaben nicht vorhanden ist. Um das zu empfangen, was Gott uns geben will, braucht es eine Empfänglichkeit, eine innere Reife, und wer diese Reife nicht hat, der ist nicht imstande, die Gabe Gottes zu empfangen. Auch betet nicht im Sinne Jesu, wer meint, er müsse augenblicklich erhört werden. Wenn es möglich wäre, meine lieben Freunde, mit einem Rosenkranz eine Hypothek abzustoßen oder mit einer Wallfahrt unfehlbar eine Krankheit zu beseitigen, dann wäre die ganze Welt voll von Frömmigkeit, von falscher, von berechnender Frömmigkeit. Das darf nicht sein. Es muß im Sinne Jesu gebeten werden, d. h. im Vertrauen auf sein Wort, in der Hoffnung auf seine Macht, im Warten auf die Stunde, die er in seiner Weisheit vorherbestimmt hat. Selbst Maria mußte warten. „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Und so müssen auch wir warten, bis die Stunde unserer Erhörung gekommen ist. Das sind die Verheißungen im Namen des Vaters.

Nun die Verheißungen, zweitens, im Namen des Sohnes. „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen. Ich werde zu euch kommen, und ihr werdet mich sehen. Die Welt sieht mich nicht mehr, aber ihr werdet mich sehen, und eure Trauer wird in Freude verwandelt werden. Ihr werdet erkennen, daß ich im Vater bin und daß ihr in mir seid.“ Das erste, was er da an Verheißungen und Tröstungen ausspricht, ist die Gemeinschaft mit ihm. „Ich werde euch nicht allein lassen, euch nicht als Waisen zurücklassen. Ich werde zu euch kommen, und ihr werdet mich sehen, anders als die Welt, die sieht mich nicht mehr.“ Wie ist das gemeint: Ihr werdet mich sehen? Nun, das ist selbstverständlich nicht als ein Sehen mit den Augen des Körpers gemeint, sondern es ist ein Sehen mit den Augen der Seele zu verstehen. Das ist die Aufgeschlossenheit für Jesus. Das ist die Fähigkeit, ihn zu erkennen, wie er ist. Das ist die Begabung, in seinen Sinn, in seine Absichten sich einzuheimaten. Das ist das Sehen, von dem er spricht. Und dieses Sehen begründet eine Gemeinschaft, denn wer ihn versteht, der ist mit ihm verbunden. Wer in seine Absichten eindringt, der wird sich von ihm getragen wissen. Das ist die Gemeinschaft mit Jesus, das innere Sehen, die innere Aufgeschlossenheit, die Jesus uns verheißt. Die Welt, die unsittliche, die ungläubige Welt kann ihn nicht sehen. Sie weiß etwas vom historischen Jesus, aber sie weiß nichts vom Christus des Glaubens. Deswegen kann sie ihn nicht sehen. Sie hat nicht die innere Fähigkeit, sie hat nicht das innere Auge, um Jesus zu erkennen.

Die zweite Verheißung, die Jesus uns gibt, lautet: „Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Ja, da könnte man sagen: Er will uns den Frieden geben, er, der Friedlose, er, der keine Ruhe gefunden hat in seinem irdischen Leben? Wie will er uns den Frieden vermitteln? Was ist das für ein Friede, den er uns geben will? Wenn wir das deutsche Wort Frieden hören, dann meinen wir immer das In-Ruhe-gelassen-Werden, das In-Frieden-bleiben-Können. Aber das ist mit dem griechischen Wort nicht gemeint, das hier im Neuen Testament steht. Die eirhnh, von der hier die Rede ist, ist etwas Aktives. Es ist die Fähigkeit, Frieden zu schaffen. Diejenigen, die zu Jesus gehören, sind in der Lage, Frieden zu bringen; es sind die Friedensstifter, die in der Bergpredigt seliggepriesen werden. Es sind jene, die innerlich selbst im Frieden mit Gott sind und deswegen anderen den Frieden bringen können. Sie haben die Fähigkeit, die Menschen zu beruhigen, zu besänftigen und zum Frieden zu führen. Das ist die Verheißung, die Jesus uns gibt. Diese Menschen haben etwas Strahlendes an sich, etwas Unbesiegbares, und aus dieser Kraft, die ihnen da zuwächst, vermögen sie anderen den Frieden zu bringen.

Eine dritte Verheißung gibt der Herr: „Ihr werdet größere Werke tun als ich.“ Ja, wie ist das gemeint? Kann jemand anders als er die Welt erlösen? Das ist natürlich nicht gemeint, sondern gemeint sind äußere Werke, und diese äußeren Werke sind tatsächlich von den Aposteln und vielen anderen in ihrem Gefolge größer gewesen als die, die Jesus vollbracht hat. Er ist ja nur in Palästina umhergewandelt. Paulus ist bis an die Grenzen der Erde gekommen, nach Kleinasien, nach Griechenland, nach Rom, nach Spanien. Schon er hat größere Werke getan in der Verheißung und in der Kraft Jesu Christi.

Eine dritte Reihe von Verheißungen betrifft den Heiligen Geist. Vom Heiligen Geist sagt der Herr: „Ich werde euch den Tröster senden, den Tröstergeist vom Vater. Er wird zu euch kommen und bei euch bleiben. Er wird euch alles sagen, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe, und er wird Zeugnis von mir geben und das zukünftige erschließen.“ Das ist eine ganze Kette von Verheißungen und Tröstungen. „Der Heilige Geist wird kommen und euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Er wird Zeugnis von mir geben, und er wird euch das Zukünftige erschließen.“ Die erste Verheißung ist, daß der Heilige Geist uns alles lehren und uns an alles erinnern wird, was Christus gesagt hat. Das betrifft den Einzelnen, und es betrifft die Kirche. Wir selbst sind ja oft ratlos, was wir tun sollen. Wir wissen nicht, wie wir handeln sollen. Wir sind hin- und hergerissen zwischen widerstrebenden Überlegungen und Absichten. Da müssen wir uns an den Heiligen Geist wenden. Wir können zunächst einen Menschen fragen, einen Freund, einen Priester, einen Seelsorger, einen Beichtvater: Wie soll ich es machen? Und wenn er gesprochen hat, dann gehen wir in die Kirche, und dann knien wir am Altar nieder, und dann rufen wir zum Heiligen Geist: Jetzt, Heiliger Geist, komm! Jetzt belehre mich! Jetzt führe mich ein in die Wahrheit! Jetzt zeige mir, was ich tun soll! Und dann werden wir unfehlbar das Richtige finden. „Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“

Er wird auch die Kirche an alles erinnern, was Christus gesagt hat. In der Kirche darf nichts untergehen von dem, was Christus gelehrt hat. In der Kirche muß immer lebendig bleiben, was seine Botschaft, seine Lehre, seine Offenbarung ist. Das darf niemals untergehen, das darf man nicht auf dem Altar der Ökumene opfern, das darf man auch nicht auf dem Altar der Moderne opfern. Was Christus gesagt hat, das bleibt in Ewigkeit, und dafür wird der Heilige Geist sorgen. In Verbindung mit der Erklärung von Augsburg und dem Heiligen Jahr wurde von protestantischer Seite beanstandet, daß die Kirche noch Ablässe verkündet und verleiht. Ja, das muß sein, denn das ist genuine Verkündigung des katholischen Glaubens. Das gehört zu dem, was Jesus der Kirche gelehrt hat, und daran erinnert sie der Heilige Geist, und das darf man nicht fallen lassen.

„Er wird Zeugnis von mir geben.“ Das besagt: Der Heilige Geist wird die genuine Botschaft von Jesus dem Christus in der Kirche lebendig halten. Er wird dafür sorgen, daß man Jesus nicht verharmlost als einen charmanten Tischler. Er wird dafür sorgen, daß Jesus der Christus, der lebendige Sohn Gottes in der Kirche bekannt wird, geglaubt wird und geliebt wird. Das besagt es, wenn der Geist Zeugnis gibt. Er läßt sich nicht unterdrücken, auch wenn es noch so viele modernistische Theologen versuchen: Er läßt sich nicht unterdrücken! Denn der Geist wird dafür sorgen, daß die Wahrheit von Jesus, dem Gottessohn, dem lebendigen und wahren Gott, nicht untergeht in der Kirche.

Die dritte Verheißung lautet: „Er wird euch das Zukünftige erschließen.“ Ja, meine Christen, wenn wir in die Zukunft schauen, da sind wir oft besorgt. Was wird noch werden in unserem Vaterland, in Europa, in der Welt? Wir denken an die Klimakatastrophe, wir denken an die anwachsende Gewalttätigkeit. Wir erinnern uns, daß wir Millionen Menschen in unserem Lande haben, von denen so mancher bereit ist, als Selbstmordattentäter sich gegen ungeliebte Nachbarn zu wenden. Was wird noch werden? Da ist die Kraft des Geistes gefordert. „Er wird euch das Zukünftige erschließen.“ Er wird euch jeweils das erschließen, was notwendig ist. Er wird jeweils zu seiner Zeit sagen, was ihr braucht. Wir können nicht zu allen Zeiten alles ertragen. „Ich hätte euch noch vieles zu sagen“, sagt Jesus, „aber ihr könnt es jetzt noch nicht ertragen.“ Nicht zu jeder Zeit kann man jedes Opfer, jede Pein, jede Qual ertragen. Nicht zu jeder Zeit kann man jeden Menschen und jede Umgebung ertragen. Aber der Heilige Geist wird dafür sorgen, daß, wenn ihr gefordert seid, ihr auch fähig seid, es zu tragen. Er wird euch das Zukünftige erschließen. Ihr werdet begreifen, was notwendig ist und was kommen mußte. Ihr werdet auch die Kraft finden, das Notwendige zu tragen und zu ertragen.

Das, meine lieben Freunde, sind die Tröstungen und Verheißungen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Heute, am Festtag des Heiligen Geistes, müssen wir uns diese Tröstungen vor Augen führen, um die lichten und hellen Seiten unserer Religion überzeugend in unser Leben aufzunehmen. An diesem Tage müssen wir auch den Heiligen Geist anflehen, daß er uns die Wahrheit erschließt, daß er uns das Zukünftige eröffnet, daß er uns die Kraft gibt, zu tragen, was getragen werden muß. Und so bleibt uns nichts übrig, als an diesem Tage zu flehen, wie wir ja immer gefleht haben und nie aufhören wollen zu flehen:

„Komm, o Geist der Heiligkeit

aus des Himmels Herrlichkeit,

sende deines Lichtes Strahl!

Vater aller Armen du,

aller Herzen Licht und Ruh‘,

komm mit deiner Gaben Zahl!

Tröster in Verlassenheit,

Labsal voll der Lieblichkeit,

komm, o süßer Seelenfreund!“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt