1. Januar 2024
Neujahr 2024
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Heute beginnt das neue bürgerliche Jahr 2024. Das bürgerliche Jahr ist der Zeitabschnitt, der in ganzen Tagen etwa dem Umlauf der Erde um die Sonne entspricht, 365 oder 366 Tage. Der Jahresanfang fällt im gregorianischen Kalender mit dem 1. Januar zusammen. Es war nicht immer so. Noch bis in die Neuzeit lag der Jahresanfang an sehr verschiedenen Daten. Im Mittelalter wurde der Beginn des Jahres auch auf den 25. März, im Byzantinischen Reich auf den 1. September gelegt. Die christliche Liturgie feierte den Neujahrstag zunächst nicht. Seit dem 6. Jahrhundert sah sie ihn wegen der Ausgelassenheit der weltlichen Neujahrsfeier als Bußtag. Seit dem 13./14. Jahrhundert beging sie ihn als Fest der Beschneidung Christi. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils hat an seine Stelle das „Hochfest der hl. Gottesmutter Maria“ als Oktavtag von Weihnachten gesetzt.
Der Beginn eines neuen Jahres wird herkömmlich benutzt, um zu feiern und Glückwünsche auszutauschen. Die Menschen übermitteln sich Neujahrswünsche für Gesundheit, Glück und Segen. Das neue Jahr birgt Gewissheiten und Ungewissheiten.
Gewiss ist, dass uns alle das neue Jahr dem Tode näherbringt. Seit der Geburt wird unsere Entfernung vom Sterben immer kleiner. Diese unleugbare Tatsache ruft uns zum Nachdenken. Die Vergänglichkeit des Menschen und das Näherrücken des persönlichen Gerichts fordern zum Ernst des Lebens und zum rechten Gebrauch der Zeit auf. Die äußeren Verhältnisse in Deutschland sind im Allgemeinen erträglich bis befriedigend. Ein weites soziales Netz schützt die Bevölkerung vor äußerster Not. Noch braucht niemand in unserem Land zu hungern oder zu darben, obwohl viele Bürger den Respekt vor den Gottesgaben der Erde und der Nutztiere verloren haben. Noch finden die meisten Menschen, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind, Beschäftigung. Die Arbeitslosigkeit hält sich in Grenzen. Noch hat die Mehrzahl der Menschen ihr Auskommen, teilweise einen bescheidenen Wohlstand. Die meisten Bundesbürger können sich einen Urlaub, nicht wenige sogar zwei Urlaube im Jahr leisten. Noch scheinen Leben, Freiheit und Sicherheit des normalen Einwohners in unserem Land geschützt zu sein, obwohl viele Bürger und vornehmlich Frauen über Unsicherheit und nächtliche Gefahren klagen. Die Gewalttätigkeiten in der Öffentlichkeit nehmen zu. Lehrer und Polizeibeamten sind in steigendem Maße Gegenstand von Aggressionen. Die Polizei spricht von „Verrohung der Gesellschaft“. Vandalismus ist nicht selten. Noch ist die ärztliche und medizinische Versorgung Kranker und Verletzter gesichert, wenn auch mit manchen Einschränkungen. Die Krankenhäuser und Rehabilitationszentren in unserem Land sind mehrheitlich aufnahmefähig. Wir dürfen hoffen, dass es so bleibt. Doch die seelische, vor allem die moralische Befindlichkeit der Mehrzahl der Bevölkerung macht besorgt. Allzu viele Menschen in unserem Land lassen die Einstellungen, Haltungen und Tugenden vermissen, die für ein gedeihliches Sozialleben und ein friedliches Miteinander unentbehrlich sind. Die Anspruchshaltung, die verantwortungslose Spaßmentalität, der skrupellose Utilitarismus und der bindungslose Individualismus, kurz die Staatsideologie des Linksliberalismus sind weit verbreitet.
Die Lage unserer Familien ist beklemmend. Unser Land beherbergt ein Heer von Geschiedenen und Patchworkfamilien. Die Kinderarmut der deutschen Bevölkerung ist besorgniserregend und wird sich im neuen Jahr fortsetzen. Kinderreiche Familien sind selten. Eine Wende ist nicht in Sicht. Dem Mangel an menschlichen Arbeitskräften wird durch die Einladung und die Aufnahme von Personen vor allem aus afrikanischen Ländern abzuhelfen versucht. Die Überfremdung Deutschlands durch die geförderte und die geduldete illegale Migration ist bedrückend; sie wird fortschreiten. Die Verhältnisse in zahllosen Schulklassen sind der Bildung und Erziehung unserer Kinder nicht günstig. Es gibt Schulen, in denen der Migrationshintergrund der Schüler 80 Prozent beträgt. Der jüngst veröffentlichte Pisabericht zeigt, wie ungünstig es um die Bildung unserer Kinder steht. Die Sorge um die kommende Generation ist berechtigt. Empfängnisverhütung und Tötung des keimenden Lebens sind alltäglich geworden in unserem Lande. Der einsame Kampf der Kirche gegen die Abtreibung der Leibesfrucht war bisher vergeblich. Die Praxis der Tötung Ungeborener wird weitergehen und möglicherweise noch ausgeweitet werden mit dem „Recht auf Abtreibung“, das von einflussreichen Gruppen und Personen gefordert wird.
Die blühende deutsche Wirtschaft war bisher die Basis des Wohlstands der Gesellschaft. Dieses breite mittelständische Fundament zählt zu ihren Stärken. Seine Schwächung durch Bürokratie und Besteuerung gibt Anlass zu Besorgnis. Mittelständler werden in die Existenznot gezwungen. Der Bauernstand wird vernachlässigt. Die Wirtschaftsfachleute sagen voraus, dass die Insolvenzen, also die Firmenpleiten, sowie die Verlegung deutscher Unternehmen in das Ausland im Jahre 2024 zunehmen werden.
Der Wissenschaftsstandort Deutschland gibt zu Besorgnis Anlass. Die Anzahl der Studierenden ist zu groß. Ein Viertel bricht das Studium vor Vollendung ab. Nicht wenige Studierende sind studierunfähig oder -unwillig. Dagegen fehlt der Nachwuchs in den meisten Sparten des Handwerks. Allzu viele junge Leute wollen sich die Hände nicht mehr schmutzig machen. Gewiss ist, dass die Wissenschaftsfreiheit in unserem Land bedroht ist. Einflussreiche Kreise aus dem linken Spektrum kontrollieren und zensieren Forschende, wenn sie es wagen, wissenschaftliche Ansichten und Ergebnisse öffentlich zu machen, die nicht in ihre Ideologie passen. Die Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht musste sich vor Gericht gegen die Humboldt-Universität in Berlin erstreiten, dass sie die biologische Tatsache der Zweigeschlechtlichkeit öffentlich vertreten dürfe. Es kommt zu Störungen der Lehrveranstaltungen, zu Diffamierungen akademischer Lehrer und zur versuchten Verdrängung aus dem Lehrkörper der Universität. An den Universitäten breitet sich ein Klima der Angst aus.
Die Kirche, ihre Organisation, ihr Personal, ihre geistliche Aktivität liegen darnieder. Nie war ihr Ansehen und ihr Einfluss so gering wie heute. Die Masse der Bevölkerung ist religiös gleichgültig und sittlich ausgelaugt. Besserung ist nicht in Sicht. Der religiöse und sittliche Niedergang unseres Volkes wird sich fortsetzen. Die große Mehrzahl der katholisch Getauften hat den Glauben verloren. Die Seelsorge liegt darnieder. Intensive seelsorgliche Betreuung ist zur Seltenheit geworden. Katholisches Milieu, das für die Erhaltung des Glaubens und der Treue zur Kirche unentbehrlich ist, existiert höchstens noch in einzelnen Inseln. Um die (noch) gläubigen katholischen Christen wird es immer einsamer. Die Auszehrung der Kirche wird anhalten. Noch besteht für die meisten katholischen Christen die Möglichkeit, jeden Sonntag eine heilige Messe besuchen zu können, allerdings in steigender räumlicher Entfernung von dem Ort der Messfeier. Der Besuch des Sonntagsgottesdienstes ist auf eine winzige Zahl abgesunken; man spricht von vier Prozent, die ihn noch regelmäßig wahrnehmen. Der Katholik, der die Sonntagsmesse unterlässt, ist in aller Regel für Kirche und Glauben verloren. Das Bußsakrament ist zum verlorenen Sakrament geworden, das Bußsakrament, dessen Empfang zu seinem Teil den katholischen Christen geschaffen hat. Die Kirche schrumpft von Jahr zu Jahr. Die Zahl der Todesfälle übersteigt bei weitem jene der Geburten. Die katholische Kirche in Deutschland ist eine sterbende Kirche. Viele geborene Kinder bleiben ungetauft. Die Flucht aus der Kirche nimmt astronomische Höhen an. Die Kirchenaustritte gehen in die Millionen. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Die Priester sterben aus. Der Bischof Overbeck von Essen erklärte am 21. Oktober 2023, er habe in 14 Jahren als Diözesanbischof 300 Priester beerdigt und 15 geweiht. In seinem Priesterseminar befinde sich kein einziger Priesterkandidat. Die Lage ist fast überall in Deutschland so. Der Priestermangel nimmt katastrophale Ausmaße an. Die Priesterseminare sind leer oder von Kandidaten in einstelliger Höhe besucht. Die Kirche ist ausgezehrt von Priestern. Die Zahl der priesterlosen Gemeinden nimmt immer mehr zu. Die Lage im Ordensleben ist nicht besser. Orden sterben aus, die Missionsfelder der Kirche verwaisen, der soziale Dienst in Krankenhäusern und Erziehungsheimen wird immer mehr eingeschränkt oder aufgegeben. Die gesamte Landschaft der Orden geht schleichend zugrunde.
Den genannten Gewissheiten stehen die Ungewissheiten des neuen Jahres gegenüber. Das Klima ist eine globale Sorge. Die Menschen sind beunruhigt. Sie fragen angstvoll: Wie wird das Wetter werden? Wird die globale Erwärmung voranschreiten? Werden sich lange Trockenperioden und zerstörerische Starkregen weiterhin abwechseln? Wird das Steigen des Meeresspiegels allmählich existenzbedrohend für viele Länder werden? Ungewiss ist die Entwicklung, welche die Bundesrepublik Deutschland im neuen Jahr nehmen wird. Wird die Ernährung der Bevölkerung gesichert sein? Immer mehr Bauern geben die Feldbewirtschaftung auf. Immer mehr Ackerflächen werden mit Asphalt und Beton versiegelt. Wird die Energieversorgung in unserem Lande gesichert sein? Die Wirtschaft benötigt riesige Mengen an Energie. Können sie aufgebracht werden auch ohne russisches Gas und ohne Atomkraftwerke? Wird es Stromabschaltungen, Black-Outs, Totalausfälle der Stromversorgung geben? Wirtschaftsfachleute sagen uns: Der Industriestandort Deutschland ist in Gefahr.
Auch jeder von uns sieht besorgt in die Zukunft. Werden wir gesund bleiben oder wieder gesund werden? Werden uns Epidemien oder Unfälle heimsuchen? Werden wir uns noch selbst vorstehen können oder müssen wir uns um fremde Betreuung umsehen? Immer mehr Menschen drängt es in Heime oder Betreutes Wohnen. Werden die zur Verfügung stehenden Plätze ausreichen und werden sich ausreichend Pflegekräfte finden? Wird der Aufenthalt bezahlbar sein?
Wie wird es mit dem Geld weitergehen? Wird die bisherige noch relativ große monetäre Stabilität erhalten bleiben? Oder wird die Inflation zunehmen? Die Angst vor der Geldentwertung ist weit verbreitet. Die katastrophale Inflation nach dem Ersten Weltkrieg ist in Deutschland unvergessen. Es ist lange her, seit der Arbeitsminister Norbert Blüm verkündete: Die Rente ist sicher. Gilt das heute noch? Werden die Leistungen für die Millionen Rentner und Pensionäre erhalten bleiben oder werden sie gekürzt werden? Die Finanzminister stöhnen jetzt schon über die Last der Versorgungsbezüge. Wird die gegenwärtige oder eine folgende Regierung imstande sein, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ohne die künftige Generation mit abenteuerlichen Schulden zu belasten? Vom Geld und vom Geldwert hängt vieles ab. Versorgungsengpässe und steigende Preise können Unternehmen und politische Systeme hinwegfegen.
Werden der Friede und die Ordnung in unserem Land erhalten bleiben? Wird der Staat in der Lage sein, Ruhe und Sicherheit zu gewährleisten? Man sagt, dass es in manchen Großstädten Viertel gibt, in die sich die Polizei nicht hineintraut. Wird uns in Mitteleuropa der Frieden erhalten bleiben? Welche Bedeutung hat die Stationierung deutscher Truppen in den baltischen Staaten? Kann das Engagement Deutschlands im Ukrainekrieg an Umfang und Intensität zunehmen? Und wozu wird das führen? Die „Neue Zürcher Zeitung“ sagt der Ukraine für 2024 ein „Höllenjahr“ voraus. Der Nachschub bröckelt, die Moral wankt, die westlichen Bündnispartner werden immer zurückhaltender. Fragen über Fragen. Die Ungewissheiten sind zahlreich und nehmen immer mehr zu.
Was können oder müssen wir gläubigen Christen um unseres Heiles willen tun oder unterlassen? Welche Vorsätze müssen wir fassen? Wir sollten anfangen, Christen zu sein. Wir alle brauchen Selbsterziehung. Wir sind noch lange nicht fertig. Wenn wir ehrlich sind, erkennen wir unser Ungenügen auf so manchem Gebiet. Wir sollen uns vornehmen, moralische Qualitäten zu erwerben, Menschen zu werden, die mit ihren Tugenden die Kirche zieren und dem Volke nützen. Tugenden sind Lebenshaltungen, die das sittlich Gute erstreben und die der Mensch in Freiheit durch permanente Übung erwirbt. Welche Tugenden sind besonders dringlich? 1. Bescheidenheit. Wir sollen bescheiden leben. Bescheiden ist, wer sich mit wenigem begnügt. Wer aus sich nichts macht, nicht hervortreten will. Der Bescheidene senkt seine Ansprüche an das Leben und an die Menschen auf ein für alle Beteiligten tragbares Niveau. 2. Zufriedenheit. Wir sollten zufriedene Menschen werden. Die meisten Leute machen sich durch übertriebene Forderungen an ihr Geschick unzufrieden. Bei den Klagen, dass sie etwas aufgeben müssen, was sie früher genossen haben, vergessen sie, innerlich dafür dankbar zu sein, dass sie es bis dahin ungestört besessen haben. 3. Selbstlosigkeit. Wir sollten selbstlose Menschen werden. Selbstlosigkeit ist gekennzeichnet durch die Absichtslosigkeit, mit der ein Mensch das Gute tut. Selbstlos ist, wer bei seinem Tun und Lassen von sich selbst absieht; wer nichts für sich will. Der Selbstlose ist frei von jeder Form der Ichverhaftung. Der Selbstlose arbeitet, kämpft und leidet nur für Gott und um Gottes Willen. 4. Vertrauen. Der Christ ist ein Mensch des Vertrauens. Er baut auf die Allmacht, Güte und Treue Gottes. Im Wirbel und in der Verwirrung der Menschen ist Gottes Unveränderlichkeit ein unverrückbarer Trost. „Ein schwaches Menschenkind bin ich, aber es lebt mein Vater in der Ewigkeit, und der weiß mich sicher zu schützen“, betete der heilige Augustinus. „Gottes Hilfe wird uns in dem Maße verliehen, wie wir sie erhoffen“, sagte die heilige Katharina von Siena. Und der Apostel Paulus schreibt: „Das aber sage ich, meine Brüder: Die Zeit ist kurz. Die welche Frauen haben, sollen sein, als hätten sie sie nicht; die weinen, als weinten sie nicht; die sich freuen, als freuten sie sich nicht; die kaufen, als behielten sie es nicht; die von der Welt Gebrauch machen, als täten sie es nicht. Denn die Gestalt dieser Welt ist am Vergehen.“
Amen.