Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Januar 2021

Jahresanfang

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir beginnen heute das bürgerliche Jahr 2021. Das Jahr ist die Zeitdauer eines Umlaufs der Erde um die Sonne. Sie beträgt 365 oder 366 Tage. Der Jahresanfang fällt im gregorianischen Kalender mit dem 1. Januar zusammen. Er lag noch bis in die Neuzeit an sehr verschiedenen Daten. In England begann das Jahr bis zum Jahre 1752 am 25. März. Der Christ beginnt den Anfang eines neuen bürgerlichen Jahres mit Dank gegen Gott, der ihn diesen Zeitpunkt erleben ließ. Er schließt die Bitte zu Gott an, dass er das begonnene Jahr zu seiner Ehre, zum Wohl seiner Mitmenschen und zum Heil seiner eigenen Seele verbringen möge. Er bittet auch um Schutz und Geleit in den Fährnissen dieses Lebens. Er fleht, dass das neue Jahr ein Jahr des Heils für die Menschheit werden möge. Niemand weiß, wie das soeben begonnene Jahr verlaufen wird. Wird es wie das vergangene Jahr im Zeichen der Seuche stehen? Werden Unterricht und Bildung unserer Jugend, Arbeit und Verdienst der Erwachsenen, Unterbringung und Pflege der Kranken, Gebet und Gottesdienst der Gläubigen weiterhin gehemmt und beeinträchtigt werden? Werden die Menschen, die auf den Impfstoff vertrauen, lernen, mit den Fügungen und Führungen des lebendigen Gottes zu rechnen? Manche meinen, es könne nur besser werden. Ich teile den Optimismus nicht. Es kann auch schlimmer werden.

Von der Zeit geht der Blick des nachdenklichen Menschen in die Ewigkeit, vom Menschen zu Gott. Ewigkeit ist der Inbegriff eines stets dauernden, in sich selbst stets gleichen Seins und Lebens. Sie kommt nur einem Wesen zu; wir nennen es Gott. Gott ist von der Welt real und wesentlich verschieden und über alles, was außer ihm besteht und gedacht werden kann, unaussprechlich erhaben. Er ist das einzige aus sich seiende und notwendige Wesen. Gott hat nicht in der Zeit seinen Anfang; er allein ist ohne Ursprung, ist anfangslos. Seine Dauer ist unerschaffen. Gott hat auch kein Ende. Seine Existenz ist endlos. Er ist der ewige Gott. Da Gott das mit absoluter Notwendigkeit durch sich selbst existierende Wesen ist, kann es nie als nicht existierend gedacht werden. Die Ewigkeit ist das göttliche Sein in seiner Unbegrenztheit und Unveränderlichkeit gedacht.

Der Sohn Gottes, das Wort Gottes, der Logos teilt sein ganzes Wesen mit dem Vater. Im Prolog des Johannesevangeliums werden über den Logos folgende wesentliche Aussagen gemacht: unbegrenzte reale Präexistenz, personale Gottverbundenheit, wesenhafte Göttlichkeit (ohne Identifizierung mit Gott dem Vater). Das Sein beim Vater ist sein eigentlicher, primärer Seinszustand. Er hat mit dem Vater ein vorweltliches Sein. „Bevor Abraham wurde, bin ich“ (Joh 8,58). Er war vor aller Zeit beim Vater. Als die Fülle der Zeit gekommen war, entsandte Gott seinen Sohn, geboren aus einer Frau, gestellt unter das Gesetz, damit er die, welche unter dem Gesetz stehen, loskaufe. Der Logos nahm zu seiner ewigen Gottheit eine menschliche Natur an. Dieses Geheimnis ist der Inhalt des Weihnachtsfestes.

Gott ist anfangslos. Aber alles Außergöttliche hat einen Anfang. Am Anfang alles außergöttlichen Seins steht die Schöpfung aus dem Nichts. Gott ist der allmächtige Schöpfer, der die Welt in einem ersten Augenblick geschaffen hat. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ So lautet die erste Zeile der Heiligen Schrift des Alten Bundes. Der Anfang, von dem hier die Rede ist, besagt den Anfang der Schöpfung, nicht den Anfang Gottes; denn Gott ist von Ewigkeit, hat keinen Anfang. Mit der Tatsache der Schöpfung ist ihr zeitlicher Anfang notwendig verbunden. Eine anfanglose Schöpfung ist philosophisch unmöglich, da Quantität und Raum, Bewegung und Zeit korrelate Begriffe sind und eine wirklich unendliche Zahl undenkbar ist.

Gott ist nicht nur der Schöpfer; er ist auch der Erlöser der Menschen. Gott wirkt das Heil der Menschen. Er wirkt es in der Geschichte. Es gibt eine Heilsgeschichte. Wie alle Geschichte hat die Heilsgeschichte einen Anfang und einen Verlauf. Die Heilsgeschichte dient der Erlösung der Menschen. Erlösung (im objektiven Sinne) ist die Befreiung der Menschheit durch den Gottmenschen Jesus Christus aus dem durch die Sünde verursachten Zustand der Ungerechtigkeit und Knechtschaft unter Satan und die Wiederherstellung des Zustandes der übernatürlichen Gerechtigkeit und Freundschaft Gottes. Erlösung ist immer Fremderlösung. Niemand kann sich selbst erlösen. Die Erlösung trägt einen Namen. Es ist der Name Jesus Christus. Die Erlösung war sein Beruf. Sein Erscheinen auf dieser Erde ist ihr Anfang. Deswegen hat das Geburtsfest des Erlösers, hat Weihnachten einen so hohen Rang. Das ganze Leben Jesu mit allen einzelnen Akten stellt das Gesamtwerk der Erlösung dar; jeder einzelne Akt hätte für die adäquate Erlösung genügt. Mit Vorzug wird die Erlösung dem Kreuzestod Jesu zugeschrieben, weil er die Vollendung der Erlösung ist und das überragende Werk Christi. Er selbst bezeichnet ihn als Sühnetod.

Christus hat die Erlösung grundsätzlich für alle bereitgestellt. Sie muss aber in jedem Einzelnen begonnen werden. Die objektive Erlösung, die von Christus vollbracht wurde, muss vom einzelnen Menschen subjektiv angeeignet werden. Diesen Vorgang nennt man Rechtfertigung oder Heiligung. Die Rechtfertigung vollzieht sich durch das Sakrament der Taufe    (oder der Buße) als die werkzeugliche Ursache der Erlösungsgnade Christi. Sie ist ein Werk Gottes, eine Tat des Heiligen Geistes, die durch ein bestimmtes äußeres Zeichen gewirkt wird. Die sakramentalen Zeichen haben diese Kraft infolge der Einsetzung durch Christus. Sie sind als sinnbildliche Handlungen von ihm bestimmt worden, sein Erlösungsverdienst, die Gnade des göttlichen Lebens, den Seelen zuzuwenden. Der Empfang der Taufe, die von ihr bewirkte Gotteskindschaft ist der Anfang unseres übernatürlichen Lebens.

Im Leben eines jeden Menschen gibt es mannigfache Anfänge. Denken Sie an den Beginn der Schulzeit. Mit dem täglichen pflichtmäßigen Besuch des Schulunterrichts beginnt für den Sechsjährigen der Eintritt in den Ernst des Lebens, der Übertritt vom Spiel zur Pflicht. Wiederum ein Anfang ist die Wahl eines Berufes. Durch Überlegen und Auswählen, durch Beratenwerden und Entscheidung finden die meisten Menschen zu einem Beruf. Es besteht das innere Zugeordnetsein der Einzelperson zu konkreten Arbeitsaufgaben bzw. Berufen. Die Berufswahl sollte individuellen Neigungen folgen; denn mit der Berufsausübung wird die Selbstverwirklichung des Einzelnen angestrebt. In religiöser Hinsicht soll jeder nach seinen Fähigkeiten wirken, um Gott und dem Nächsten zu dienen. Dieses Motiv ist geeignet, den Menschen nachhaltigen Sinn ihrer Berufsarbeit zu vermitteln. Ein tiefer Einschnitt in das Leben des Einzelnen ist die Wahl des Ehestandes. Der Abschluss der Ehe steht dem Menschen frei; ihr Wesen ist der menschlichen Freiheit gänzlich entzogen. Der Eingang zum Ehestand und zur Familie ist mit dem Blute Christi gesalbt. Keiner darf mit unreinen Füßen diese Schwelle überschreiten. Im heiligen Sakrament der Ehe soll die Liebe wieder aus dem Staub erhoben und wie eine Kerze auf den Altar des Heiligtums gestellt werden. Die Rettung des Menschengeschlechtes fängt bei der Familie an, bei der Ehe, bei der Hochzeit, sagte der Gesellenvater Adolf Kolping. Ein Staat, ein Volk, das gleichgeschlechtliche Beziehungen mit dem geheiligten Namen der Ehe belegt, gräbt sich selbst das Grab. Der Wahl des Ehestandes steht gleichberechtigt gegenüber die Entscheidung für die Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit. Sie besagt lebenslänglichen Verzicht aus sittlichen Beweggründen auf jegliche geschlechtliche Betätigung. Der sittliche Bewegungsgrund „um des Himmelsreiches willen“ erhebt die geschlechtliche Enthaltsamkeit zur Tugend, also besonders das Motiv der ungeteilten Hingabe an die Gottes- und Nächstenliebe. Eine Kirche, die nicht mehr den überragenden Rang der gottgeweihten Jungfräulichkeit verkündet und nicht mehr zur Wahl der lebenslänglichen Enthaltsamkeit aufruft, übt Verrat an Lehre und Beispiel ihres Gründers.

Im Leben eines jeden Menschen gibt es mannigfache Anfänge. Alle diese Anfänge stellen hohe Herausforderungen an jeden Einzelnen dar. Die ganze Lebenszeit über sind wir aufgefordert, das Werk unserer Heiligung jeden Tag neu zu beginnen. Wenn wir am Abend unser Gewissen erforschen, werden wir zu unserem Schmerz feststellen, dass wir Fehler, Nachlässigkeiten, Versäumnisse und Sünden begangen haben. Wir verurteilen Schwäche und Bosheit, bitten Gott um Verzeihung und nehmen uns vor: Morgen will ich es besser machen. Will ich dir lauterer dienen. Jesus, gib mir deine Gnade dazu. An jedem Tag müssen wir unseren Vorsatz erneuern und uns zum Eifer anspornen, als hätten wir heute erst unsere Bekehrung begonnen. Täglich müssen wir beten: Verleihe mir deinen Beistand, o Gott, zu meinem Vorsatz und zu deinem heiligen Dienste. Lass mich heute nochmals recht anfangen; denn alles, was ich bisher tat, ist nichts. Der Apostel Paulus mahnt: Kaufet die Zeit aus, denn die Tage sind böse. Das besagt: Benutze die Zeit, um Gott zu gefallen und den Menschen zu nützen. Das beste Gebet am Anfang eines Tages ist, dass wir seine Augenblicke nicht verlieren möchten. Jetzt Gutes tun, nicht später. Heute deinen Hauptfehler ablegen, nicht morgen. Das unermüdliche Streben nach geistlichem Fortschritt und das ständige Bemühen nach Besserung ist uns auferlegt. Dazu bedarf es der täglichen Anstrengung. In dem Maße wirst du im Guten voranschreiten, als du dir selbst Gewalt antust. Um gut zu bleiben, muss man immer besser werden wollen. Täglich ergeht die Mahnung Gottes an uns: Seid heilig, wie ich, euer Gott heilig bin! Erneuert euch in eurem Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist.

Amen. 

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