Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Oktober 2019

Die Nachfolge Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als Jesus sein öffentliches Wirken begann, ging er alsbald daran, einen Kreis von Jüngern, Schülern um sich zu sammeln; aus ihnen wählte er später zwölf aus, damit sie immer bei ihm seien. Die von ihm Berufenen erblickten in seinem Ruf den Willen Gottes und vernahmen in seinem Urteil Gottes Richterspruch. Seine Autorität war für sie eine absolute, der gegenüber es keine Einwände und Fragen gab. Jesus wartete nicht, bis Jünger zu ihm kamen, er selbst war es, der sie zur Nachfolge berief. Durch die Annahme seines Rufes wurde zwischen ihnen und Jesus eine Lebensgemeinschaft begründet. Der Jünger Jesu hört niemals auf, Jünger zu sein. Es kamen auch Menschen von sich aus auf den Gedanken, sich Jesus anzuschließen. Nicht jeden hat er ohne weiteres angenommen. Denn die Nachfolge Jesu, die dauernde Lebensgemeinschaft mit Jesus hatte für den Berufenen weitreichende Folgen. Sie schloss die Aufgabe des bisherigen Berufes und die Trennung von der Familie und dem Besitz in sich. Sie forderte größte Opfer, bedeutete die Versetzung in einen neuen Beruf, der sie so vollständig beanspruchte, dass der Berufene sich daneben keiner anderen Beschäftigung mehr widmen konnte. „Sie verließen ihre Schiffe und den Vater“, so heißt es bei den berufenen Fischern.

Der Zweck der Berufung der Jünger durch Jesus war ein doppelter. Einmal sollten sie Israel, das neue Israel repräsentieren, darstellen, sichtbar machen. So wie im alten Bundesvolk zwölf Stämme waren, so waren jetzt zwölf Auserwählte, um bildhaft das neue Gottesvolk abzubilden. Sodann sollten die Jünger Anteil bekommen an Jesu eigener Sendung, also der Verkündigung des Kommens des Gottesreiches. Der Beruf der Menschenfischerei war von Anfang an das Ziel, für das Jesus sie berief.

Die Nachfolge Jesu ist Eintritt in die Lebensbedingungen Jesu, Teilhabe an seinem Schicksal und an seiner Lebensaufgabe. Daraus erklärt sich die Strenge der mit ihr verbundenen Berufungen und Forderungen. Hinter Jesus hergehen, heißt: herausgerissen werden aus der gesicherten Existenz, den bisherigen Broterwerb aufgeben, sich von den liebsten und nächststehenden Menschen losreißen und auf jede häusliche Geborgenheit verzichten. Hinter Jesus hergehen, heißt: an den Lebensbedingungen und dem Lebensschicksal Jesu teilhaben, der selbst das Leben eines besitzlosen und heimatlosen Flüchtlings führt. „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat nicht, wohin er sein Haupt legen könnte.“ Weil der Jünger nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn ist, darum muss sich der Jünger darauf gefasst machen und bereit sein, dass Hass, Schmähung und Verfolgung und selbst der Tod auf ihn warten. Die Nachfolge Jesu ist Arbeit für das Reich Gottes. Daraus ergibt sich ihre alle menschlichen Aufgaben übersteigende Wichtigkeit. Die Bindung an die Person Jesu besitzt solche überragende Bedeutung, dass durch sie alle zwischen Menschen sonst bestehenden Verbindungen zerrissen werden und hinter ihr selbst die aus der Pietät gegen die Eltern sich ergebenden Pflichten zurückstehen müssen. Einen forderte Jesus zur Nachfolge auf, der entgegnete: „Herr, gestatte, dass ich zuerst hingehe und meinen Vater begrabe.“ Jesus sprach zu ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben! Du aber komm und verkünde das Reich Gottes.“ Ein anderer sagte: „Herr, ich will dir folgen, aber gestatte, dass ich zuerst alles zu Hause ordne.“ Jesus sprach zu ihm: „Keiner, der die Hand an den Pflug legt und noch zurückschaut, ist tauglich für das Reich Gottes.“

Die bisher genannten Forderungen Jesu gelten nicht in ihrer Gesamtheit allen Anhängern Jesu. Sie geben nicht die für alle Menschen unerlässlichen Bedingungen zur Erlangung des Heils an. Sie haben vielmehr nur für eine bestimmte Gruppe von Nachfolgern Jesu verpflichtende Geltung, nämlich für die, welche er für die Menschenfischerei bestimmt und eben deshalb in seine unmittelbare Lebensgemeinschaft berufen hat. Gebote, die als Bedingung für das Eingehen in das Reich Gottes bezeichnet werden, gelten allen Menschen. Sie stellen ebenfalls keine geringen Anforderungen an die sittliche Kraft der Nachfolger, aber sie sind eben nicht gleichbedeutend mit den für die besondere Nachfolge entworfenen Forderungen Jesu. Die übrigen Anhänger Jesu müssen – um einmal ein Beispiel zu erwähnen – das Bekenntnis zu Jesus üben, was unter Umständen die Familien zerreißen kann. Sie müssen Anfeindungen, ja Verfolgung bis zum Martyrium bewältigen. Auch das harte Wort von der Kreuzesnachfolge und das Wort: „Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer es aber um meinetwillen verliert, der wird es retten“, auch diese Worte sind für alle Anhänger Jesu bestimmt.

Der Ruf zur Nachfolge Jesu setzt die leibliche Gegenwart Jesu voraus. Diese aber hat seit Ostern aufgehört; er ist in den Himmel zurückgekehrt. Die Urgemeinde fühlte sich aber immer noch von den Worten Jesu über Nachfolge und Jüngerschaft angesprochen. Doch mit dem Aufhören der irdischen, leiblichen Gegenwart war notwendig eine Umgestaltung des Sinngehalts der Nachfolge gegeben. Der Begriff des Jüngers wurde jetzt gleichbedeutend mit dem Begriff des Gläubigen. Dementsprechend änderte sich auch der Begriff der Nachfolge. Diese wird jetzt stärker als sittliche Haltung, nicht nur nach den Geboten, sondern auch nach dem Beispiel Jesu verstanden. Nachfolge Christi ist jetzt, in der Zeit nach Ostern, die gläubige Annahme und gelebte Verwirklichung des Wortes und Werkes Jesu, das in der Kirche bezeugt und vermittelt wird, also die gesamte religiös-sittliche Lebensverwirklichung aus dem persönlichen Bezug zu Jesus. Alle Christen sind zu dieser Nachfolge Christi berufen, d.h. zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe. Sie sollen seinen Spuren folgen und sich seinem Bilde gleichgestalten, dem Willen des Vaters folgsam, der Ehre Gottes und dem Dienst des Nächsten hingegeben.

Diese Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit Jesus wird begründet in der Taufe. Ein jeder Getaufte ist in die so verstandene Nachfolge Christi berufen. Das Ideal des in der Nachfolge Christi stehenden Dieners Gottes und der Kirche ist der anspruchslose und bedürfnislose Christ. Gewiss ist es ihm gestattet, die Grunderfordernisse der Existenz zu erfüllen, aber was darüber hinausgeht, sollte er meiden. Die besondere Nachfolge Christi ist heute dem geweihten Amtsträger der Kirche aufgetragen. Die Hirten der Herde Christi sind in gesteigerter Weise aufgefordert, dem Ersthirten Christus zu folgen. Sie sollen ihr Amt in wahrer Hirtenliebe ausüben, heilig und freudig, demütig und kraftvoll. Sie dürfen sich nicht fürchten, ihr Leben für ihre Schafe einzusetzen. Nicht alle verstehen diesen Anruf Christi. Der rheinische Salonkatholizismus sucht das angenehme Leben des gehobenen Bürgertums mit dem Dienst der Kirche zu vereinen. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die rastlose apostolische Tätigkeit, ist die Suche nach dem verlorenen Schaf, ist „die Drecksarbeit im Reiche Gottes“, wie Pater Leppich sagte. Von solchen gilt das Wort aus dem Buch von der „Nachfolge Christi“: „Viele folgen Jesus nach bis zum Brotbrechen beim Abendmahl, aber wenige bis zum Trinken aus dem Leidenskelche.“ Der amerikanische Weihbischof Fulton Sheen, ein begnadeter Prediger, hat das Verlangen des modernen Menschen auf die Formel gebracht: eine Religion ohne Kreuz, einen Christus ohne Kalvarienberg, einen Pfarrer, der nie von der Hölle spricht. Die Mehrheit der deutschen Bischöfe weiß nicht mehr, was die Nachfolge Christi von den Christen und namentlich von den Amtsträgern der Kirche verlangt. Sie überlegen unentwegt, wie sie die Gläubigen von allem Beschwerlichen entlasten können. Vor allem sollen die Gebote der geschlechtlichen Sittlichkeit bequemer gemacht werden. Meine Herren Bischöfe! Basteln Sie nicht herum am Gesetz des ewigen Gottes! Bekehren Sie sich zum Willen Gottes und verkünden Sie ohne wenn und aber sein Gesetz! Eine Kirche, welche die beliebige Empfängnisverhütung für zulässig erklärt, ist nicht mehr die Kirche Christi! Eine Kirche, welche gleichgeschlechtliche Betätigung für unbedenklich hält, begibt sich auf die Spuren des Herrn Luther! Ebenso wollen die Bischöfe die Amtsträger der Kirche vom Heroismus der Nachfolge Christi befreien. Sie meinen, damit den Priestermangel beheben zu können. Meine Herren Bischöfe! Als der Zölibat in fragloser Achtung stand, hatte die Kirche keinen Mangel an Priestern. Seitdem Sie daran rütteln, ist der Priesternachwuchs ausgeblieben! Es ist eine Schande und eine Unverschämtheit, den katholischen Priester von der Nachfolge Jesu in einem ehelosen und enthaltsamen Leben entlassen zu wollen. Millionen von Menschen sind freiwilllig ehelos und enthaltsam geblieben oder müssen es wegen der Umstände sein: die Geschiedenen, die Wiederverheirateten, die Witwen. Meine lieben Freunde, die Priester sollen diesen Menschen mit ihrem Beispiel vorangehen. Sie sollen ihnen zeigen, es ist möglich, lauter und rein zu bleiben, ein eheloses, ein enthaltsames Leben zu führen. Der Zölibat ist kein Gesetz, das erst die Kirche auferlegt, sondern eine Entschließung, welche die Kandidaten des Priestertums selbst fassen sollen. Nur will die Kirche keine Diener aufnehmen, die einer solchen Aufopferung nicht fähig sind. Sie will Diener haben, deren Streben ungeteilt ist. Sie will Hirten haben, die großmütig genug sind, sogar ihr Leben für ihre Schafe hinzugeben. Wie könnte sie dies von Schwachen erwarten, die nicht einmal eine Neigung überwinden können? Es war kein Freund der katholischen Kirche, von dem das Wort stammt: Im Zölibat ragt das Evangelium in die katholische Kirche hinein. O meine Freunde, hören Sie nicht auf die, welche den Ernst und die Erhabenheit der Nachfolge Christi Ihnen ausreden wollen. Hören Sie nicht auf die, welche das Christentum verbilligen wollen. Hören Sie auf die Stimme des Galiläers, der ruft: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann mein Jünger nicht sein.“

Amen.

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