Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 2018

Geboren aus Maria der Jungfrau

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Inhalt der Weihnacht ist die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Der Sohn Gottes konnte auf mannigfache Weise mit einer menschlichen Natur sich verbinden. Er tat es, indem er als Glied in der Kette der menschlichen Geschlechter in die menschliche Geschichte eintrat. Er nahm die menschliche Natur aus einer irdischen Frau an. Maria ist im wahren und eigentlichen Sinne Christi Mutter. Sie ist im wahren und eigentlichen Sinne Mutter Gottes. Maria ist die Mutter des Herrn der Menschen. Es war allen Zeitgenossen bekannt, dass Maria die Mutter Christi war. So lag es im ewigen Plan Gottes. Sein Sohn sollte in der Fülle der Zeit von einer irdischen Frau geboren werden. Es wäre keine Beeinträchtigung der Würde Jesu gewesen, wenn der LOGOS einen irdischen Vater hätte. Aber tatsächlich hat Gott diesen Weg für die Menschwerdung nicht gewählt. Es ist ein Irrtum, ein schwerwiegender Irrtum, Josef den biologischen Vater Jesu zu nennen. Der Evangelist Lukas schreibt korrekt: „Jesus war, als er aufzutreten begann, etwa dreißig Jahre alt und wurde für den Sohn Josefs gehalten.“ Von Jesus selbst wird nirgends berichtet, dass er Maria den Namen Mutter gab. Als sie ihn bei der Hochzeit zu Kana auf die Verlegenheit der Hochzeitsgäste aufmerksam machte, denen der Wein ausgegangen war, sagte er zu ihr die herben Worte: „Frau, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Der Ausdruck „Frau“ trägt zwar nichts Verächtliches an sich, aber es ist durch keine Deutung darüber hinwegzukommen, dass Christus den naheliegenden Namen Mutter nicht gebraucht und dass seine Antwort eine entschiedene Ablehnung ist. Jesus wollte sagen, dass für seine messianische Wirksamkeit nicht der Wille der Mutter, sondern allein der Wille des himmlischen Vaters bestimmend ist. Wann nun seine Stunde kommt, kann seine Mutter nicht bestimmen und auch nicht beeinflussen; sie ist von Ewigkeit her vom Vater im Himmel vorherbestimmt. Die Bitte der Mutter kann sie nicht beschleunigen. Wenn Christus das Wunder doch wirkte, dann tat er es im Gehorsam nicht gegen die menschliche Bitte, sondern im Gehorsam gegen die Verfügung des himmlischen Vaters. Noch eine weitere Begegnung Christi mit seiner Mutter wird erzählt. Jesus befand sich in einem Hause mit einem Hofe. Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben draußen stehen. Eine Menge Menschen saß um ihn herum. Da meldete man ihm: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir.“ Er erwiderte ihnen: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ Dann blickte er auf jene, die im Kreis um ihn herum saßen: „Seht da, meine Mutter und meine Brüder! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter.“ Auch hier hören wir in Jesu Worten gegenüber seiner Mutter einen befremdlichen Klang. Wie kann er fragen, wer seine Mutter und seine Brüder sind? Das kann er nur, wenn die Bindungen, in denen er steht, von den Bindungen, in die man naturhaft hineingeboren ist, sich wesentlich unterscheiden. Mutter heißt ihm nicht die, die ihn gebar, Brüder nicht die Kinder gleicher Eltern, sondern die um ihn sitzen, die durch andere Bande als die des Blutes mit ihm verbunden sind, die mit ihm geeint sind in der Erfüllung des Willen Gottes; das sind seine wahren Verwandten. Es wächst eine neue Gemeinschaft, eine Gemeinschaft, die sich um seine Person bildet. Sie ist durch die um ihn Sitzenden vorgebildet. Wer zu ihr gehört, der ist ihm Mutter, Bruder und Schwester. In der Todesstunde vertraute Jesus seine Mutter dem Lieblingsjünger Johannes an. Als er Maria ansprach, vermied er wieder das vertraute Wort Mutter. Er gebrauchte das herbe Wort: „Frau, sieh da, dein Sohn!“ Das geschah noch einmal, um zu bekunden, dass der, der hier stirbt, der Menschensohn ist, der vom Vater in diese Stunde der Qual und des Todes gesandte Welterlöser.

Bei diesen Worten ist es jedes Mal, als täte sich eine Kluft zwischen Jesus und seiner Mutter auf. Trotz solcher Worte war er eng mit ihr verbunden und verweilte in ihrer mütterlichen Nähe. Einmal stand Christus unter der Menge, da rief plötzlich eine Frau aus der Menge: „Selig der Leib, der dich getragen, und die Brust, die dich genährt hat.“ Da bestätigte er diesen Preis auf seine Mutter und gab zugleich den tiefsten Grund dafür an: „Ja, selig jene, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Maria ist eine von ihnen. „Siehe, ich bin eine Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort.“ In der Heiligen Schrift wird nirgends der Ausdruck „Muttergottes“ gebraucht. Doch der damit gemeinte Inhalt ist bezeugt. Das Ich jener menschlichen Natur, welche von Maria als ihrem mütterlichen Grunde stammt, ist der göttliche LOGOS, der Sohn Gottes. Das Konzil von Ephesus hat deswegen, vom Heiligen Geist geleitet, im Jahre 431 als ein Dogma festgestellt: Maria ist die Gottesgebärerin. Sie ist die Gottesmutter.

Durch seine Abstammung von einer irdischen Mutter steht Christus in der Kette der menschlichen Geschlechterfolge. Er ist jedoch nicht völlig in sie hineingespannt, sondern ist zugleich über sie erhaben, da er keinen irdischen Vater hat. Die Empfängnis und Geburt Christi war jungfräulich. Maria blieb vor und in der Geburt Jungfrau. Sie blieb es auch nach der Geburt. Bei dem Werden der menschlichen Natur Christi war kein männliches Tun beteiligt. Was sonst durch dieses geleistet wird, wirkte die schöpferische Allmacht Gottes. In der Kraft des Heiligen Geistes trug Maria das zum Werden des Kindes bei, was jede Mutter zum Werden eines Kindes beiträgt. Der Heilige Geist, von dem die Schrift beim Bericht von der Jungfrauengeburt spricht, ist als Kraft Gottes, als Kraft des Allerhöchsten zu verstehen. Die Jungfräulichkeit Mariens umfasst die Unversehrtheit des Leibes, die Freiheit von Sünden gegen die Keuschheit und die Unberührtheit von Regungen der ungeordneten Begierlichkeit. „Ganz schön bist du, Maria.“ Maria hat ohne männliches Prinzip durch die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, ohne Verletzung der leiblichen Unversehrtheit geboren. Sie blieb auch nach der Geburt jeder geschlechtlichen Verbindung mit einem Manne fern; sie hat keine weiteren Kinder gehabt.

Die Jungfräulichkeit Mariens ist eine Tatsache der Geschichte und ein Glaubenssatz der christlichen Lehre. Er ist verankert in den Urkunden unseres Glaubens, in den Evangelien. Die beiden Evangelien nach Matthäus und Lukas bieten eine Vorgeschichte. In ihr gilt Jesus als der Sohn der Jungfrau Maria; Josef hat sich dem Wunder Gottes gebeugt. Er hat Maria weder angezeigt noch verlassen, sie vielmehr als rechtmäßige Ehefrau in sein Haus aufgenommen und den Sohn Marias durch die persönliche Namengebung legitimiert. Durch diesen Legimitationsakt ist Jesus zugleich in aller Rechtsform in das Haus Davids aufgenommen worden. Durch Josef ist Jesus Davidide. Matthäus und Lukas bezeugen: Juristisch ist Jesus der Sohn Josefs, nicht aber biologisch. Biologisch ist Jesus der Sohn Mariens, nicht Josefs. Das weiß und bezeugt auch das älteste Evangelium, das wir besitzen, das Markusevangelium. Ja, wo denn? Man hat es zu wenig gründlich gelesen. Es wird diese Bezeugung unauffällig vorgenommen, sodass man sie bisher kaum bemerkt hat. Im Markusevangelium wird nämlich Josef überhaupt nicht erwähnt. Diese Nichterwähnung spricht deutlich; so gleichgültig ist diesem Evangelium der Ehemann der Maria. Zur Erklärung der irdischen Existenz Jesu wird er nicht benötigt. Der vierte Evangelist Johannes spricht an keiner Stelle vom Geheimnis der Jungfrauengeburt. Aber es scheint eine Andeutung auch in diesem Evangelium zu geben. Die Mutter weiß etwas von dem geheimnisvollen Ursprung ihres Sohnes. Sie ahnt etwas von seiner Wundermacht. Deswegen kann sie ihm in Kana sagen: „Sie haben keinen Wein mehr.“ „Alles, was er euch sagt, das tut.“ So konnte Maria nur sprechen, weil sie um das Geheimnis ihres Sohnes wusste. Die jungfräuliche Geburt wird mittelbar, mittelbar! auch von seinen Zeitgenossen und Landsleuten ausgesagt. Worin? Nun, die Zeitgenossen und die Landsleute Jesu in Nazareth sagten über Jesus: „Ist das nicht der Sohn der Maria?“ Ein Jude heißt nach seinem Vater, auch dann noch, wenn der Vater verstorben ist. Nach seiner Mutter wird er nur dann benannt, wenn der Vater unbekannt ist. Also wollen die Leute sagen: Jesus ist der Sohn Marias und nur der Sohn Marias, und nicht Josefs. Das ist hier diffamierend gemeint. Die Leute von Nazareth haben bisher geschwiegen, um Jesus zu schonen. Als er aber seine Tätigkeit als Prediger und Wunderheiler aufgenommen hatte, als er unerhörte Worte gesprochen und machtvolle Taten verrichtet hatte, als die Jerusalemer Zensurbehörde sich einmischte und feststellte: Jawohl, die Wunder stimmen, aber sie stammen vom Teufel, da haben die Landsleute Jesu in Nazareth sich gegen Jesus gestellt und den verfemten Apostaten zu diffamieren versucht. Wodurch? Der Mann hat keinen Vater. Er ist ein illegitimes Kind. Ein hämischer und vernichtender Angriff, eine systematische Hetzkampagne ist in Gang gesetzt worden, Rufmord an Maria, Rufmord an Jesus. Die Bewohner von Nazareth glauben selbstverständlich nicht an die jungfräuliche Empfängnis Jesu, von der sie auch nicht wissen, aber unbewusst und ungewollt bekennen sie mit ihrer Hetze die Vaterlosigkeit Jesu. Das genaue Gegenteil findet sich im Islam. Im Koran, dem Buch des Islams, wird Jesus mehrfach erwähnt, und zwar mit seiner Mutter. Und der Islam hält eisern daran fest: Maria ist die jungfräuliche Mutter Jesu. Durch ein Wunder Gottes ist sie jungfräulich zur Mutter geworden – das müssen wir uns vom Islam sagen lassen. Jesus selbst sagt nie ein Wort über das Geheimnis seiner Geburt. Aber er spricht zu seinen Zeitgenossen: „Selig die Augen, die sehen, was ihr seht, und die Ohren, die hören, was ihr hört.“ Das heißt doch wohl: Das Weihnachtsmysterium als solches bleibt euch unzugänglich, aber seine geschichtliche Entfaltung vollzieht sich vor euren Augen. Wer sehen und hören kann, der sieht und hört die Erfüllung dessen, was vor Hunderten von Jahren der Prophet Isaias herausgerufen hatte: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären. Sein Name wird sein: Emmanuel.“

Warum, meine lieben Freunde, warum wollte Gott, dass sein Sohn von einer jungfräulichen Mutter empfangen und geboren wurde? Es sind vier Gründe, die sich dafür anführen lassen. Erstens: Die jungfräuliche Empfängnis war ein Hinweis auf die ausschließliche Gnadenhaftigkeit der Erlösung. Der Mensch kann hier nicht die Initiative ergreifen, er kann nur warten auf Gottes Huld und Erbarmen. Die Erlösung ist nicht männlichem Unternehmungsgeist und Tatenwillen zu verdanken. Was sich vom Menschen her Gott entgegenstreckt, ist ein bereites Herz, sind geöffnete Hände. Zweitens: Die jungfräuliche Empfängnis war Zeichen der Einzigartigkeit des so Empfangenen und Geborenen. Er geht nicht auf in der menschlichen Geschichte. In ihm sind übergeschichtliche Kräfte, die nicht aus dem Strom der Geschlechter emporsteigen, die nicht von der Erde kommen, sondern vom Himmel, von der Gott vorbehaltenen, dem Menschen unzugänglichen Welt. Drittens: In der Jungfräulichkeit der Gottesmutter wird der Endzustand vorweggenommen, dem jeder Mensch entgegensteht. Er wird vom Herrn verdeutlicht mit den Worten: „ Da wird nicht mehr geheiratet, und da heiraten sie nicht mehr.“ Der Endzustand ist von diesen menschlichen Formen, von diesen irdischen Formen frei. Sie sind dann wie die Engel des Himmels. Dieser Endzustand wird eintreten, wenn die Ordnung der Pilgerschaft zu Ende ist. Mahnmale an diese zukünftige Seinsweise sind die jungfräulich lebenden Menschen. Mit Christus ist der Keim dieser neuen Daseinsform in die Welt eingesät worden. Deswegen war es sinngemäß, dass seine Mutter diese zukünftige Lebensform abbildete. Viertens: In dem jungfräulichen Lebens Marias versinnbildet sich die ungeteilte Hingabe des Menschen an Gott. Der jungfräuliche Mensch macht sich Sorgen nur um Gott und sein Königtum. Und es ist eine deutlich sichtbare Mahnung zur vollen Hingabe an Gott. Er ist durch sein Dasein ein Aufruf zu ihr und erinnert die menschliche Vergesslichkeit und Schwachheit an ihre ewige Verantwortung. Es scheint passend zu sein, dass Maria als solches Erinnerungszeichen am Anfang der mit Christus eröffneten neuen Weltzeit steht. Sollte, meine lieben Freunde, sollte was unsere Bischöfe zu planen scheinen, sollte es passieren, dass der Zölibat, die Jungfräulichkeit des katholischen Priesters fällt, dann fällt damit mehr als ein Gesetz, dann fällt eine Lebensform, die den Endzustand anzeigt und für den Endzustand vorbereitet! Maria ist auch nach der Geburt jungfräulich geblieben. Dies wird angedeutet durch die Tatsache, dass Christus am Kreuze seine Mutter dem Lieblingsjünger Johannes anvertraute. Hätte Jesus Brüder gehabt, wäre Maria bei ihnen selbstverständlich aufgehoben gewesen. In der Schrift ist wiederholt von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede. Dieses Wort ist im weiteren Sinne zu verstehen, es sind nahe Verwandte. Der weitere Gebrauch des Wortes Bruder wird durch das Alte Testament und durch den hellenistischen Sprachgebrauch bezeugt. Er wird vollends durch die Tatsache verständlich, dass das Hebräische und Aramäische kein eigenes Wort für Vetter haben. Sie müssen Vetter als Brüder bezeichnen. So kann die Art der Verwandtschaft nicht aus dem Worte selbst, sondern nur aus den näheren Umständen heraus erkannt werden. Diese aber verlangen in unserem Zusammenhang die Bedeutung Vetter. Außerdem werden die so genannten Herrenbrüder Jakobus und Josef an anderer Stelle des Evangeliums als die Söhne einer anderen, von der Mutter Jesu verschiedenen Maria genannt; sie war die Frau des Kleophas. Jesus wird der erstgeborene Sohn Mariens genannt. Damit wird nicht auf einen zweiten oder dritten Sohn verwiesen, es soll nur gesagt werden, dass auf Christus die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Erstgeborenen zutreffen. Diese Bestimmungen galten auch dann, wenn der Erstgeborene der Einzige blieb. So kann kein Einwand gegen die immerwährende Jungfräulichkeit aus diesem Wort Erstgeborener abgeleitet werden. Diese Stellen sagen nur, was bis zur Geburt Jesu geschah, nicht, was nachher geschah.

Meine lieben Freunde, wir manipulieren nicht die Schrift, wir nehmen sie ernst. Wenn wir Maria als die jungfräuliche Mutter des Heilandes bekennen, glauben wir nichts Absurdes oder Märchenhaftes. Wir geben Gott und seiner Macht die Ehre. Mögen Unglaube und Irrglaube gegen den Ehrenvorrang Mariens anrennen, wir bekennen ihre einzigartige Würde. Als Jungfrau hat sie empfangen, als Jungfrau hat sie geboren, als Jungfrau hat sie den Sohn im Schoße getragen; Maria ist Jungfrau geblieben für alle Zeit. „O selige Jungfrau und Mutter Maria, blicke mit Milde auf uns, die wir dich so bekennen, wie dich Gott gewollt hat.“

Amen.

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