Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Januar 2018

Lohn und Verdienst im Leben des Christen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Evangelium der heutigen heiligen Messe haben wir vom Lohn, von der Entlohnung gehört. Der Lohn und die Entlohnung spielen im täglichen Leben eine große Rolle. Beim Militär hatten wir ein Soldbuch, das Finanzamt schickt uns jedes Jahr eine Lohnsteuerkarte zu. Der Lohn hat aber auch seine Stelle in der Religion und in der Heiligen Schrift. Im Alten Testament ist der Gedanke an den irdischen Lohn, an den irdischen! Lohn das wichtigste Motiv des sittlichen Handelns. Wer dem Herrn gehorcht und seine Gebote hält, so heißt es da, der empfängt Segen. Wer dem Herrn nicht gehorcht und seine Gebote nicht hält, der empfängt Fluch. Das wird dutzende, ja hunderte Male im Alten Testament uns vorgetragen. In der Zuteilung irdischen, irdischen! Lohnes für jedes Verdienst offenbart Gott seine Gerechtigkeit und verwirklicht die in seinem Wesen gegründete sittliche Ordnung.

Im Neuen Testament ist es anders. Im Neuen Testament ist der Lohn, und zwar in seiner doppelten Gestalt als Belohnung für die Guten und als Bestrafung für die Bösen, ein wichtiges Motiv des sittlichen Handelns. Immer wieder spricht Jesus vom Lohn oder von der Vergeltung. „Die Heuchler, die Almosen geben, beten und fasten, um von den Menschen gelobt zu werden, haben ihren Lohn schon empfangen, von den Menschen.“ Sie haben also keinen göttlichen Lohn zu erwarten. Wer dagegen diese Werke im Stillen tut, dem wird sie der himmlische Vater vergelten. Die egoistische Form der Nächstenliebe, die auf Erwiderung rechnet, hat keinen Lohn von Gott zu erwarten. „Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, was für einen Lohn wollt ihr da erwarten?“ Auf die Jünger, die um des Bekenntnisses Jesu willen verfolgt werden, wartet ein großer Lohn im Himmel. „Wer einem von den Kleinen nur einen Becher frischen Wassers reicht, wird seines Lohnes nicht verlustig gehen.“ Vor allem kommt der Vergeltungsgedanke zum Ausdruck in vielen Gleichnissen Jesu. Die Gerichtsrede Jesu zeigt, dass der über das ewige Heil oder Verderben entscheidende Urteilsspruch nach den geleisteten oder unterlassenen Liebeswerken gefällt wird. Wer Hungrige gespeist, Durstige getränkt, Nackte bekleidet hat, der wird als Gesegneter des Vaters, als Erbe das himmlische Reich in Empfang nehmen. Wer aber den Menschensohn in dieser Welt verleugnet hat, der wird nach dem Gesetz der Vergeltung auch vom Menschensohn beim Gericht verleugnet werden. Wer statt reicher Freunde, die ihm wiedervergelten können, die Armen einlädt, dem wird bei der Auferstehung der Gerechten vergolten werden. Wenn der Menschensohn mit seiner Herrlichkeit wiederkommt, wird er jedem nach seinen Werken vergelten. Darum ist die irdische Lebenszeit die Zeit der Erprobung. Petrus fragte Jesus nach dem Lohn, nach der Entschädigung für die opferreiche Nachfolge der Jünger. Jesus erkennt diese Frage als berechtigt an. Er sagt: „Jeder, der Haus oder Brüder oder Schwestern, Vater oder Mutter, Weib oder Kind oder Äcker um meines Namens willen verlässt, wird hundertfältigen Lohn empfangen.“ Aber über jedes unnütze Wort, das der Mensch spricht, wird er am Gerichtstag Rechenschaft ablegen müssen. Auch alle die Worte gehören hierher, die vom Eingehen ins Gottesreich und ins ewige Leben sprechen und dieses von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig machen. Man muss die Gebote halten, um ins Leben einzugehen. Man muss darum ringen; das bloße „Herr, Herr“ sagen, nützt nichts, reicht nicht, genügt nicht. Der Weg zum Leben führt durch eine enge Pforte. Der Weg ist schmal und schwer zu finden. Um dem ewigen Verderben zu entgehen, muss man bereit sein, Auge, Hand und Fuß zu opfern. Jesus verlangt als Bedingung für das Heil eine Gerechtigkeit, welche die der Pharisäer und Schriftgelehrten übertrifft. In der Bergpredigt empfängt die Fülle der Aussagen ihren eindringlichen Ernst durch den Lohngedanken. „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht wie die Heuchler sein, die lieben es, in den Synagogen und an den Straßenecken sich aufzustellen und zu beten, damit sie den Leuten in die Augen fallen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon empfangen. Wenn du betest, gehe in deine Kammer, schließe die Tür zu und bete im Verborgenen zu deinem Vater, und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ Nur wer Jesu Worte hört und tut, gleicht einem klugen Manne, dessen Haus Bestand hat, wenn die Stürme tosen und der Regen kommt. Besonders wichtig ist die Beobachtung, dass nicht nur der Sittlichkeit, sondern auch der Frömmigkeit Lohn verheißen wird.

Der Lohngedanke im Evangelium hängt untrennbar zusammen mit dem Gottesgedanken, mit der Lehre von Gott als dem Herrn und vom Gottesreich als dem Ziel des Menschen. Die Ethik des Evangeliums kann nicht lohnfrei sein, weil sie eine Gehorsamsethik ist und nicht Verwirklichung der Idee des autonomen Menschen wie in der Stoa. Im Lohngedanken kommt die Seite des Gottesbegriffes zur Geltung, wonach Gott der Herr ist, der Gehorsam gegen die von ihm gegebene sittliche Ordnung fordert, und der strafende Richter, den man fürchten muss, weil er Leib und Seele ins Verderben der Hölle stoßen kann. Der Lohn, den Jesus gibt, ist anders, als er im Alten Testament dargestellt wird. Der Lohngedanke, die Lohnlehre Jesu unterscheidet sich wesentlich von den Vorstellungen im Alten Testament und im Judentum. Erstens: Der Lohn, von dem Jesus spricht, besteht in der Aufnahme ins Gottesreich bzw. im Ausschluss davon. Er ist also endzeitlich, eschatologisch. Jesus lehnt den Gedanken des Judentums und des Alten Testamentes ab, wonach die gerechte Vergeltung schon im Diesseits geschieht, im Glück oder im Unglück auf Erden. Nein, der Satz: „Alle Schuld rächt sich auf Erden“, ein Satz von Goethe, dieser Satz ist kein Satz des Evangeliums. Die von Jesus in Aussicht gestellte Belohnung ist die Aufnahme in die Gottesherrschaft. Sie bedeutet das Heil des Menschen, die Gemeinschaft mit Gott, ist für den Menschen die höchste Vollendung und tiefste Beseligung. Irdischer Lohn kann nur sekundär Motiv des sittlichen Handelns sein in Unterwerfung unter den Willen Gottes und in Ausrichtung auf das Reich Gottes. Das Verhältnis des Menschen zu Gott ist kein Geschäft, als ob Gott dem Menschen, der brav ist, irdische Vorteile zuwenden würde; so ist es nicht im Evangelium. Zweitens: Jesus legt den Schwerpunkt der Ethik in die Gesinnung des Menschen. Die guten Werke haben nicht einen von der Person des Menschen gewissenmaßen losgelösten Wert, der beim Gericht gewogen wird; nein, der Mensch wird nicht dadurch gut, dass er eine Fülle von Gebotserfüllungen aneinanderreiht, sondern dadurch, dass er gut ist, d.h. sich im Gehorsam beständig an den Willen Gottes bindet. Erst das gibt seinen guten Werken die sittliche Qualität. Belohnt wird der sittliche Wert des Menschen, nicht die Summe seiner einzelnen Taten. Drittens: Nach der Lehre Jesu steht der Mensch mit seinen guten Werken Gott nicht gegenüber wie ein gleichberechtigter Vertragspartner. Die zwei Gleichnisse vom Knecht und vom gleichen Lohn für ungleiche Arbeit, letzteres haben wir soeben gehört, diese beiden Gleichnisse sprechen es aus: Gott gegenüber gibt es für den Menschen keinen Rechtsanspruch. Gott als der Herr des Menschen ist auch bei seiner vergeltenden Tätigkeit frei, sonst wäre er nicht Gott. Der Mensch dagegen steht nicht mit gleicher Freiheit Gott gegenüber. Es ist nicht in seinem Belieben, für den Herrn etwas zu leisten oder nicht, er ist verpflichtet, Gott zu dienen, für ihn zu arbeiten, zu kämpfen und zu leiden. Da er Eigentum des Herrn ist, bleibt er, auch wenn er alles geleistet hat, was er hätte tun können, immer nur ein unnützer Knecht, der seine Schuldigkeit getan hat. Nun gibt Gott dem Menschen für den ihm geleisteten Gehorsam einen Lohn. Der Grund dafür liegt nicht in einem Rechtsanspruch des Menschen, sondern in Gott, dessen Wesen lautere Güte ist, d.h. der Lohn ist immer Gnadenlohn. Das Evangelium vertritt den Lohngedanken nur in der Form der Verheißung, nicht in der Form der Rechtsforderung. Gott fordert gute Werke; sie sind die Bedingung für den Eintritt ins Gottesreich, aber sie begründen keine Forderung gegenüber Gott.

Viertens: Der jüdische Begriff der Gleichwertigkeit von Leistung und Lohn ist in der Lehre Jesu aufgehoben. Der Lohn besteht in der Aufnahme ins Gottesreich. Er ragt dadurch unendlich über jede menschliche Leistung hinaus. Dazu steht nicht im Widerspruch, was das Konzil von Trient über das Verdienst gegen Luther gelehrt hat: „Verdienst ist ein sittlich gutes Werk, das vor Gott Belohnung verdient.“ Ich wiederhole noch einmal: Verdienst ist ein sittlich gutes Werk, das vor Gott Belohnung verdient. Der Gerechtfertigte hat für seine in der Gnade gewirkten Werke Lohn zu erwarten – daran ist nicht zu rütteln. Er kann sich also den Lohn tatsächlich verdienen, und zwar in dreifacher Weise: Vermehrung der Gnade, Aufnahme in den Himmel und Vermehrung der himmlischen Glorie. Das ist die Lehre des Konzils von Trient, und sie ist unumstößlich. Wenn unsere guten Werke verdienstlich sind, so kommt das daher, dass Gott angeordnet hat, wir sollen uns durch unsere guten Werke den Himmel verdienen. Aber es ist zu beachten: Die Verdienste gründen in der Kraft Gottes. Wir können nur Gutes wirken in seiner Gnade. Gott ist der Haupttätige, wir sind Mittätige. Die verdienstlichen Werke sind Gottes eigene Werke, aber er will, dass sie gleichzeitig Werke des Menschen sind, denn wir könnten uns ja auch seiner Gnade versagen. Die vom Menschen in der Gnade getanen Werke sind wirklich die Werke des Menschen, die Gott lohnt. Weil sie aber in der Kraft Gottes getan sind, krönt Gott seine eigenen Werke, wenn er die menschlichen Taten belohnt. Gott fordert gerechte Werke des Christen, er fordert sie unerbittlich und er gewährleistet mit seiner Gnade, dass sie geschehen. Aber er schließt aus, dass der Mensch Gott die Rechnung präsentiert und dann den Lohn einfordert. Der Lohn ist kein Anspruch, den der Mensch bei Gott geltend machen kann. Die guten Werke, die Verdienste sind eine Bedingung für die Aufnahme ins Gottesreich, aber sie sind nicht die Wirkursache. Die Wirkursache ist immer und nur die Gnade Gottes. Nur unerleuchtete Christusgläubige können meinen, sie vermöchten, Verdienste zu sammeln, die sie Gott vorlegen und vorrechnen dürften, um dafür etwas besseres einzutauschen, um mit ihren guten Werken gewissermaßen einen Wechsel zu erwirken, den Gott einmal einlösen muss. Der Mensch kann gegen Gott keine Forderungen erheben. Wegen der absoluten Unabhängigkeit Gottes kann seine gerechte Belohnung menschlicher Verdienste nur in seiner Selbstbindung beruhen. Man hat der katholischen Lehre die Vorwürfe gemacht der Lohnsucht, der Werkheiligkeit, der Selbstgerechtigkeit; diese Vorwürfe treffen die genuine katholische Lehre nicht. Das Ideal der Sittlichkeit ist in der katholischen Kirche die vollkommene Gottesliebe. Die Seele des äußeren Werkes ist die innere gottgefällige Gesinnung. Die Verdienstfähigkeit des Gerechten ist die Frucht des Erlösungswerkes Christi. Wir sollen das Gute tun, weil es gut ist und erstrebenswert und weil Gott es angeordnet hat, nicht, weil wir Lohn dafür erwarten.

Fünftens: Der Lohngedanke ist in der Lehre Jesu nicht das einzige und vor allen Dingen nicht das Hauptmotiv der Ethik. Dies ergibt sich schon aus dem Verhalten des Menschen zu Gott. Er als der Herr kann von ihm Gehorsam fordern, ohne dafür Lohn zu schulden. Gott will ihn trotzdem aus freier Güte dafür belohnen. Aber das Lohnmotiv bleibt dem Gehorsamsmotiv untergeordnet. Die Ethik des Evangeliums ist nicht eudämonistisch, d.h. der Mensch bejaht und tut das sittlich Gute nicht deshalb, weil dies für ihn nützlich ist, sondern weil es vom Willen Gottes gefordert ist. Wer die Forderung Gottes bloß im Hinblick auf den Lohn erfüllen würde, der würde unsittlich handeln. Dazu kommt, dass Gott nach der Lehre Jesu nicht bloß der unerbittlich Gehorsam fordernde und die Verletzung der sittlichen Ordnung strafende Herr ist, sondern auch der gütige Vater. Dadurch wird das Motiv des Gehorsams in entscheidender Weise umgestaltet. Bestimmend ist nicht mehr die Furcht vor dem Herrn, sondern die Liebe und Dankbarkeit gegenüber dem Vater im Himmel. Gottes fordernde und vergeltende Gerechtigkeit und seine über alles große Güte gehören untrennbar zusammen. Vielleicht, meine lieben Freunde, verstehen Sie das Gleichnis des heutigen Evangeliums jetzt ein wenig besser. Wir sollen für Gott arbeiten, ohne uns mit anderen zu vergleichen oder gar uns über sie zu erheben. Was wir tun, geschieht in selbstverständlichem Gehorsam gegenüber dem allgebietenden Gott. Alles Schielen auf Vergeltung soll ausgeschlossen sein. Wir wissen, dass Gott das Gute vergilt und das Böse straft. Wir erhoffen seinen Lohn, aber wir fordern ihn nicht ein. Wir tun das Gute, weil es gut ist und von Gott geboten ist. In jeder heiligen Messe, meine lieben Freunde, nach der heiligen Wandlung bitten wir ja darum, dass wir auch zu den Heiligen im Himmel aufgenommen werden, und da fallen die entscheidenden dogmatisch wichtigen Worte: Non ӕstimátor mériti, sed véniӕ largítor. Warum soll uns Gott aufnehmen? Nicht, weil er unsere guten Werke abwägt, als ob sie hinreichend wären, uns die Seligkeit des Himmels zu schaffen, nein, weil er uns seine Gnade schenkt, sein Erbarmen, seine Verzeihung. Deswegen dürfen wir hoffen, aufgenommen zu werden.

Amen.       

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