Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Juni 2006

Die Pflicht der Sonntagsheiligung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Gebet ist das Atmen der Seele. Eine Seele, die nicht mehr betet, kommt außer Atem, ja sie erstickt in gewisser Hinsicht. Aber mit dem Gebete allein ist es nicht getan. Das tägliche Gottesgedenken im Gebet genügt nicht. Das Leben muss religiös durchdrungen sein. Deswegen gibt es einen ganzen Tag in der Woche, den wir Gott weihen, einen Gottestag, einen frohen Tag der Kinder Gottes. Wir nennen ihn den Sonntag. Lateinisch heißt er Herrentag – dies dominica, und das ist eine bessere Bezeichnung, Herrentag, weil er nämlich dem Herrn, unserem Heiland, geweiht ist. Schon ab Vorabend läuten vielerorts die Glocken den Sonntag ein, wollen die Menschen aufmerksam machen und Feiertagsstimmung verbreiten. Die Menschen sollen die Arbeit ruhen lassen und Sonntagskleider anziehen. Wir Menschen, nicht Gott, wir Menschen brauchen diesen Festtag. Der Mensch verkommt, wenn er keine Feierkleider mehr anzieht.

Der Herrentag, der Sonntag, ist schon in der Natur angelegt. Es gibt kluge Anthropologen, die sagen, der Rhythmus: 6 Tage arbeiten und am 7. Tage ruhen, ist schon in der menschlichen Natur, also in seinem Geist und in seinem Körper, angelegt, und man verletzt nicht ungestraft die Natur. Im Jahre 1793 besetzten die revolutionären Franzosen Mainz. Was brachten sie unter anderem mit? Sie brachten den Dekadentag mit, das heißt nur an jedem zehnten Tage sollten die Menschen feiern und ruhen. Da wurden bürgerliche Zeremonien vorgenommen, z.B. in der heutigen Peterskirche, und die Menschen sollten sich der Freude überlassen. Aber es hat nicht lange gedauert, dann hat sich die Natur durchgesetzt, und der Dekadentag wurde wieder abgeschafft. Man kehrte zur Wocheneinteilung zurück. Sie ist ja auch niedergelegt im Alten Testamente: „Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebenten Tage aber sollst du ruhen“, so heißt es. Am siebenten Tage soll die Weihe an den Herrn vorgenommen werden. „Du und dein Knecht und dein Vieh, alle sollen ruhen am siebenten Tage.“

Nun feiern wir ja nicht mehr den Sabbat. Eine Schulkollegin von mir, die zu den Adventisten gehört, hat mir einmal Vorwürfe gemacht, dass wir Christen den Sonntag feiern und nicht den Sabbat. Das stehe doch im Alten Testament. Jawohl, da steht es drin, aber das Alte Testament ist überholt durch das Neue Testament. Der Alte Bund ist dem Neuen Bund gewichen, und am Sonntag sind die Heilsereignisse des Neuen Bundes geschehen, die Auferstehung des Herrn und die Ausgießung des Geistes. Das ist der Grund, weswegen wir den Sonntag, den Herrentag, feiern, weil an einem Sonntag der Herr auferstanden ist und an einem Sonntag er uns den Heiligen Geist gesandt hat. Die Kirche hat also völlig recht, wenn sie an die Stelle des Sabbats den Sonntag gesetzt hat.

Damit nicht genug. Sie hat auch Feiertage in den Jahreslauf eingebaut. Die wesentlichen Ereignisse des Herrn, also die Geburt des Herrn zu Weihnachten, seine Beschneidung und seine Erscheinung, seine Himmelfahrt, das sind Fest des Herrn, die im Laufe des Jahres gefeiert werden und mit Recht gefeiert werden. Dazu kommen Feste der Muttergottes wie die Himmelfahrt Mariens und ihre Unbefleckte Empfängnis. Dazu kommen auch Feste der Heiligen wie Stephanus am 26. Dezember, das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus am 29. Juni und das Fest Allerheiligen am 1. November. Im Mittelalter, im katholischen Mittelalter, waren durch die Sonntage und die Feiertage so viele Tage von Arbeit frei, dass man damals von einer Fünftagewoche sprechen konnte. Aber diese vielen Feiertage hatten auch ihren Nachteil. Als Luther kam und die meisten Feiertage abschaffte, da nahmen die protestantischen Gebiete einen erheblichen materiellen Aufschwung und ließen die katholischen Gebiete wegen der vielen Feiertage zurück. Und so haben dann, ganz zu Recht, die Bischöfe – auch von Mainz – im 18. Jahrhundert eine ganze Menge von Feiertagen abgeschafft; die Katholiken gerieten zu sehr in den Rückstand. Immerhin haben wir auch heute noch eine Reihe von Feiertagen bewahrt, und der Staat schützt die meisten unserer Feiertage durch Arbeitsruhe, wofür wir dankbar sein müssen.

Die Feiertage werden begangen durch öffentlichen Gottesdienst, durch die Feier des heiligen Opfers. Alle Gläubigen vom vollendeten 7. Lebensjahr sind verpflichtet, den Sonntag und die Feiertage zu heiligen durch Teilnahme an der heiligen Messe, und zwar an der ganzen heiligen Messe. Wir haben als Kinder mit Recht gelernt, dass man wenigstens bei Opferung, Wandlung und Kommunion an der heiligen Messe teilnehmen muss, und das ist nicht falsch. Es gibt ja berufsmäßige Zuspätkommer, und denen sei dies ins Gedächtnis gerufen. Wir müssen also an der heiligen Messe teilnehmen, und nur schwerwiegende Gründe – schwerwiegende Gründe! – können uns davon entschuldigen. Was sind schwerwiegende Gründe? Nun, etwa eine ernste Krankheit, die Pflege kranker Angehöriger, die unabweisliche Tätigkeit im Haus und im Stall. Die Tiere müssen auch am Sonntag gefüttert werden. Auch Arbeiten, die zum allgemeinen Wohl dienen wie etwa bei der Post oder bei der Bahn oder in den Gaststätten, das alles sind anerkannte Gründe, um von der Sonntagsmesse, wenn es nicht möglich ist, sie zu besuchen, abzusehen. Aber, meine lieben Freunde, wer sich leichthin von der Sonntagsmesse entschuldigt hält, der ist in Gefahr, dass die Entschuldigungsgründe immer schwächer werden. Wo der Meßbesuch aufgegeben wird, schwindet der Glaube dahin. Ich habe immer mit Schmerzen erlebt, wie, wenn Jugendliche anfingen, lau zu werden im Besuch der Sonntagsmesse, es allmählich zum ganzen Abfall kam. Und umgekehrt: Wer die Sonntagsmesse regelmäßig besucht, der geht auch dann nicht verloren, wenn er zeitweise in schwerer Sünde lebt; auch diese Erfahrung habe ich gemacht. Deswegen Treue zur Sonntagsmesse. Kein Sonntag ohne Messe, das sollte unser Grundsatz sein.

In der Verfolgung des Kaisers Diokletian wurden in Karthago 49 Christen vor Gericht geschleppt, und der Prokonsul fragte den Priester Saturninus, wie er dazu komme, des Kaisers Gebot zu übertreten und die Christen zum Gottesdienst zu versammeln. Da gab Saturninus die Antwort: „Ja, wir haben unseren Gottesdienst gehalten.“ „Warum?“ fragte der Prokonsul. „Weil der Gottesdienst nicht unterbleiben darf. Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz müssen wir handeln.“ Und so sind diese Martyrer für ihre Treue zum Sonntagsgottesdienst in den Tod gegangen.

Den Sonntagsgottesdienst muss man durch körperliche Teilnahme mitfeiern. Es genügt sicht, am Radio oder am Fernsehen den Gottesdienst zu begleiten; man muss körperlich anwesend sein. Das ist eine ganz entscheidende Wirklichkeit im Leben eines Katholiken. Des Katholiken Kennzeichen muss sein, dass er den Sonntag mit Meßfeier begeht. Das Primäre ist, dass der Katholik seiner Sonntagspflicht genügt und diese Stunde dem Transzendenten, dem Ewigen, dem Göttlichen gibt. Das Primäre ist, dass er nicht dem Staub der Woche erliegt, dass die Seele am siebenten Tage wenigstens einmal ihr Gefieder schüttelt und den Blick nach den Wolken schickt, dass wenigstens einmal der blaue Himmel das Gewölk der Woche zerreißt. Der blaue Himmel aber steht über jedem Tabernakel.

Zur Meßfeier gehört auch die Predigt. Mir sagte einmal eine gute Frau aus dem Sudentenland: „Für mich ist die Predigt so wie der Belag auf dem Brote.“ Ein ganz schönes Bild, nicht wahr? Also zur Meßfeier gehört auch die Predigt, denn der Glaube kommt vom Hören und das Hören von der Predigt des Wortes Christi. Es ist ein Zeichen des nahen Todes, wenn ein Mensch keine Speise mehr zu sich nehmen kann oder wenn er die aufgenommene Speise nicht mehr behalten kann. Und das ist auch ein fast hoffnungsloser Seelenzustand, wenn einer die Predigt flieht. Ich habe es in den Jahren, in denen ich in Bayern gelebt habe, erfahren, dass es tatsächlich in manchen Pfarreien Männer gab, die bei der Predigt herausgingen aus der Kirche und sich vor der Kirche aufhielten oder erst nach der Predigt hereinkamen. Das habe ich erlebt. Das ist natürlich ein arger Missbrauch und eine Verhöhnung der Sonntagspflicht. Wir sollen also den Sonntag heiligen durch Meßbesuch, durch Anhörung der Predigt, womöglich auch durch weitere Gebete, die wir anfügen, durch geistliche Lesung, durch Besuch eines Nachmittagsgottesdienstes. So wird der Sonntag wirklich zum Herrentag. Die private Frömmigkeit ist keineswegs unwichtig. Wir sollen nicht nur in der Kirche beten, sondern auch zu Hause, auf dem Wege, bei der Arbeit oder vor und nach der Arbeit, und der Sonntag stößt uns die Tore zum Transzendenten auf.

In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts lebte der Arbeiterdichter Philipp Lersch. Viélleicht kennen ihn die Älteren von Ihnen noch. Ich habe ihn jedenfalls gelesen. Dieser Philipp Lersch war ein gläubiger katholischer Christ. In einem seiner Gedichte heißt es: „Wie hätten wir dieses Leben ertragen, wenn nicht der Sonntag die Türen weit aufgeschlagen? An der Kommunionbank, da waren wir alle gleich.“ So hat dieser fromme Arbeiterdichter im vorigen Jahrhundert geschrieben.

Der Sonntag ist also ein Gottestag. Er ist aber auch zweitens ein Ruhetag für den Menschen. Die Sonntagsfeier wird ja erst ermöglicht, wenn die Arbeit unterbrochen wird. Deswegen hat auch die staatliche Gesetzgebung den Sonntag als arbeitsfrei erklärt. „Am siebenten Tage sollst du ruhen von deiner Arbeit, du und dein Knecht und deine Magd und dein Vieh.“ So heißt es im Buche Exodus. Was ist denn nun am Sonntag verboten? Verboten ist jede Arbeit, die die Einkehr zu Gott und die Erholung des Menschen in schwerwiegender Weise hindert. Ich wiederhole noch einmal: Verboten ist jede Arbeit, die die Einkehr zu Gott und die Erhebung (der Seele also) und die Erholung des Leibes in schwerwiegender Weise verhindert. Denn die schwere körperliche Arbeit, vor allem die langandauernde schwere körperliche Arbeit nimmt eben den Menschen so in Anspruch, dass die Erhebung des Geistes kaum möglich ist.

Gewissenhafte Gläubige sind hier manchmal sehr ängstlich. Es gibt viele Arbeiten, die am Sonntag erlaubt sind. Ich sagte schon: Was in Haus und Stall getan werden muss, das darf man tun. Und auch die vielen Betriebe, die notwendig sind, um den Menschen auch am Sonntag Leben und Erholung zu ermöglichen, wie zum Beispiel die Verkehrsunternehmen, müssen am Sonntag ihren Dienst verrichten. Man sagt mir, dass auch in der Industrie manche Betriebe ihre Arbeit nicht unterbrechen dürfen, z.B. das Glaswerk in Mombach. Die Öfen müssen ständig auf einer bestimmten hohen Temperatur gehalten werden, die man nicht zurückfahren kann. Alles zugegeben, alles toleriert. Dringende Erntearbeiten können auch von der Sonntagsruhe befreien, aber nur dringende Arbeiten. Im Jahre 1945 war ich als Soldat bei einem Bauern in Thüringen einquartiert. Dieser Bauer sagte mir: „Wir arbeiten immer am Sonntagvormittag.“ Das ist nicht erlaubt; das ist Missbrauch. „Wir arbeiten immer am Sonntagvormittag.“ Nein. „Ich kenne zwei gute Mittel, um an den Bettelstab zu kommen“, sagt der heilige Pfarrer von Ars, „nämlich Sonntagsarbeit und Diebstahl.“ Und der Volksmund hat diesen Zusammenhang längst erkannt: „Was der Sonntag erwirbt, schon der Montag verdirbt.“ „Sonntagsgewinn ist bald dahin.“ Aber noch einmal: Wir brauchen bei unseren täglichen Verrichtungen nicht ängstlich zu sein. Unsere Pflänzchen in unseren Gärten dürfen nicht dürsten, wir müssen sie bewässern.

Nicht nur die Arbeit kann gegen den Sinn des Sonntagsgebotes sein, auch Lärm und Ausgelassenheit. Übermäßiger Sport ist mit Sonntagsheiligung nicht zu vereinbaren. Gewiß, Ausgleichssport, in mäßigem Maße betrieben, ist ohne weiteres zulässig, aber wenn die Seele durch übermäßigen Sport keine Ruhe findet und der Körper übermüdet wird, dann ist das mit dem Sonntagsgebot nicht zu vereinbaren. Ebenso laute, ausgelassene Feiern, wie wir sie aus den Diskotheken kennen. Unternehmungen, die sogar sündhaft sind, müssen von jedem Sonntag ferngehalten werden. Das ist dann kein Tag des Herrn, das ist ein Tag des Teufels. Nein, meine lieben Freunde, es darf nicht das Sprichwort wahr werden: „Des Herrgotts Sonntag ist des Teufels bester Werktag.“ Das trifft leider Gottes in nicht wenigen Fällen zu. Auch die nächtlichen Vergnügungen am Samstagabend sind der Sonntagsruhe abträglich. Wir haben manchmal als Seelsorger ein ungutes Gefühl gehabt bei Hochzeiten, die am Samstag stattfanden, denn häufig waren sie eben nicht bei Sonnenuntergang beendet, sondern wurden weitergeführt bis in den Sonntag hinein. Wie werden solche Leute vielleicht ihren ersten Sonntag im Ehestand begehen? Also diese Samstagheiraten sind nicht ohne Gefahr.

Der Sonntag soll vorbereitet werden, er soll ein Tag der Erholung und der Freude sein. Dass Gott uns einen Sonntag schenkt, das ist wahrhaftig eine große Wohltat. Die Männer von uns, die in russischer Gefangenschaft waren, haben dort die traurige Erfahrung gemacht, dass in vielen Gefangenenlagern kein Unterschied gemacht wurde zwischen den Werktagen und den Sonntagen. Sie mussten am Sonntag genauso antreten wie an Werktagen. Sonntage sollen der Erhebung des Geistes und der Erholung des Körpers dienen. Es gibt auch ein schönes Sprichwort, das sagt: „Wie dein Sonntag, so dein Sterbetag.“ Wir können also in gewisser Hinsicht unser Sterben auch durch die Sonntagsheiligung vorbereiten. „Der Sonntag ist der Tag des Herrn. Am Sonntag ruh’ und bete gern!“

Amen.

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