Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
2. Juni 1994

Das Sakrament des Altares

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Verehrung des Allerheiligsten Altarsakramentes Versammelte!

„Gott, du hast unter dem wunderbaren Sakramente uns ein Gedächtnis deines Leidens hinterlassen. Gewähre gnädig, daß wir die Geheimnisse deines Leibes und Blutes so verehren, daß wir die Frucht deiner Erlösung immerdar in uns verspüren!“ Das ist das Tagesgebet der heutigen heiligen Messe, und dieses Gebet bleibt die ganze Zeit des Kirchenjahres über im Kult der Kirche erhalten, wenn wir das Allerheiligste dem Volke zur Anbetung darbieten und mit ihm den Segen, den eucharistischen Segen, erteilen. „Gott, du hast unter dem wunderbaren Sakramente uns ein Gedächtnis deines Leidens hinterlassen. Gewähre gnädig, daß wir die Geheimnisse deines Leibes und Blutes so verehren, daß wir die Frucht deiner Erlösung immerdar in uns verspüren!“

In diesem wunderbaren Text ist die Rede von dem Gedächtnis, von der Verehrung und von der Frucht der Erlösung. Das Gedächtnis sagt, was hier zugegen ist, die Verehrung geschieht als Aufruf, zu tun, was wir tun sollen angesichts dessen, was hier zugegen ist, und die Frucht der Erlösung ist die Verheißung, die unsere Verehrung, die rechte Verehrung, nach sich zieht. Es ist kein Zweifel, daß dieses heilige Sakrament ein Gedächtnis ist, nämlich das Gedächtnis des Leidens des Herrn. Nun kann man an ein vergangenes Ereignis in mannigfacher Weise denken. Man kann sich im Geist erinnern, man kann die Bilder hervorziehen, die damals aufgenommen wurden, als das Ereignis geschah; man kann einen Film vorführen von einem vergangenen Ereignis. Das sind alles Weisen, wie man an etwas Vergangenes denken kann, und es sind keineswegs verachtenswerte Weisen. Aber das Gedächtnis, um das es hier geht, ist darüber weit, weit erhaben. Im eucharistischen Opfersakrament wird nicht nur in einer psychologischen Weise im Geiste der Teilnehmer die Erinnerung wachgerufen an das, was Jesus, vom Ölgarten angefangen bis zum Kreuze, für uns getan hat. Nein, im eucharistischen Opfersakrament ist der Leidende gegenwärtig, ist der gegenwärtig, der gelitten hat. Das Gedächtnis des eucharistischen Opfersakramentes ist ein Tatgedächtnis. Deswegen unterscheidet es sich weit von jedem psychischen, bloß psychischen Erinnern.

Der durch das Leiden in die Verklärung eingegangene Jesus Christus wird auf unseren Altären gegenwärtig. Und dann können wir selbstverständlich an ihn denken. Aber selbst dieses Gegenwärtigsetzen ist schon in sich ein Gedenken. Es ist ein Gedenken durch die Tat. Indem wir sein Opfer erneuern und in seine Opfergesinnung eintreten, feiern wir das Gedächtnis seines Leidens.

Das Gedächtnis des Leidens aber verlangt eine entsprechende Verehrung. Es ist ja die Gegenwart seines Leibes und Blutes, und zwar entsteht diese Gegenwart kraft der Worte, die der Priester über den Gaben von Brot und Wein spricht. Die getrennten Gestalten zeigen an, daß hier ein Opfer gefeiert wird. Ein lebendiger Leib enthält Fleisch und Blut in sich. Dagegen sind bei einem entseelten Leib Fleisch und Blut getrennt. Das ist der Grund, warum im eucharistischen Opfersakrament tatsächlich ein Opfer vollzogen wird. Kraft der Worte, die der Priester spricht, erscheinen Leib und Blut getrennt. Freilich, weil das nicht mehr der entseelte Leib ist, der am Kreuze hing, sondern der Leib, der auferstanden ist, sind durch Konkomitanz, durch Begleitschaft, mit dem Leibe das Blut und mit dem Blute der Leib verbunden. Und nicht nur das: Mit dem Leib und dem Blut ist auch die Seele und mit der Seele ist auch die Gottheit gegenwärtig. Wegen dieses Inhaltes muß dem eucharistischen Opfersakrament die höchste Verehrung gewährt werden, deren der Mensch überhaupt fähig ist, nämlich der cultus latriae, der Kult, die Verehrung der Anbetung. Wir gedenken nicht nur an ein vergangenes Ereignis, sondern wir beten den gegenwärtigen, verklärten Herrn im eucharistischen Opfersakrament an.

Die Verehrung, die dem Herrn im Sakrament gezollt wird, muß eine innere und eine äußere sein. Wir verehren ihn innerlich erstens dadurch, daß wir uns reinigen von Sünden und, gereinigt von Sünden, dem eucharistischen Sakramente nahen. Soeben haben wir die Lesung des 1. Korintherbriefes gehört. Der Mensch muß sich prüfen; er muß sich prüfen, ob er fähig, ob er würdig ist, dieses Sakrament zu empfangen. Die Zurüstung in der Seele fordert also die Sündenfreiheit, jedenfalls die Freiheit von schwerer Sünde. Sie fordert zweitens auch die rechte Absicht. Man muß zur heiligen Kommunion gehen, um Christus zu ehren, um ihm die Liebe zu bezeigen, um sich mit ihm zu vereinigen, um aus seinen Wunden, aus seinen geöffneten Wunden das Heil zu schöpfen. Das ist die rechte Absicht. Nicht um gesehen zu werden, nicht um mitzumachen, nicht um nicht aufzufallen; das sind keine Motive, die hinreichen, um sich dem eucharistischen Opfersakrament zu nahen. Sündenfreiheit und rechte Absicht sind erfordert zur inneren Bereitung für den Empfang der Opferspeise.

Aber auch äußerlich muß sich die Verehrung ausdrücken. Die Kirche hat in vielen Jahrhunderten eine Fülle von Formen und Zeichen gefunden, die die erforderliche Verehrung ausdrücken. Wir bleiben nüchtern vor der heiligen Kommunion. Die Nüchternheit ist Zeichen der Erwartung. Es ist hier eine Speisung ganz anderer Art, als wir sie an unseren häuslichen Tischen vornehmen. Und für diese Speisung ziemt sich, daß der Mensch sich auch körperlich zurüstet durch Nüchternheit. Wir gehen in reinlicher Gewandung zur heiligen Kommunion. Daß wir in besonderer Weise gekleidet zu diesem Geschehen kommen, ist Zeichen der Verehrung. Es gilt dem Herrn, der im Sakrament gegenwärtig ist. Und wenn wir dann hintreten zu ihm, dann beugen wir die Knie. Kniebeugung ist immer Zeichen tiefer Ehrfurcht, ja der Anbetung. Wenn man vor einem Menschen die Knie beugt, dann ist das der stärkste Ausdruck der Verehrung, der unter Menschen möglich ist. Und nun erst recht, wenn wir das Knie beugen vor unserem Gott und Heiland. Es ist unangebracht und unangemessen, meine lieben Freunde, wenn wir dieses Zeichen der Ehrfurcht vermissen lassen. Nichts sei gegen Menschen gesagt, die nicht knien können. Ich weiß es auch, daß mit dem Alter die Fähigkeit, zu knien, abnimmt. Lassen wir die altem Menschen stehen! Aber wer es vermag, der beuge das Knie zum Zeichen der Anbetung unseres Herrn und Heilandes!

Die Kirche hat aus guten Gründen die Gläubigen gelehrt, das eucharistische Opfersakrament nicht in die Hand zu nehmen. Aus guten Gründen! Was man nämlich in die Hand nehmen kann, dessen bemächtigt man sich; es liegt darin eine geringere Ehrfurcht, als wenn man sich, ohne das eucharistische Opfersakrament in die Hand zu nehmen, nur mit geöffnetem Munde kniend zum Empfange dieses Sakramentes einfindet. Die Hand ist nicht weniger würdig als der Mund, das gewiß nicht, das ist kein Argument. Aber der Ausdruck der Ehrfurcht ist in der Mundkommunion stärker als in der Handkommunion. Das ist der entscheidende Grund, warum wir an dieser Form des Kommunionempfanges festhalten wollen. Wir wollen jenen Ausdruck der Ehrfurcht wählen, der am besten geeignet ist, den Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes auch äußerlich anzuerkennen.

Die vielen Regeln, welche die Kirche für den Umgang mit dem eucharistischen Opfersakrament gefunden hat, sind in den letzten Jahrzehnten zum Schaden von Glaube und Frömmigkeit weitgehend abgebaut worden. Die das getan haben, werden es einmal verantworten müssen. Aber wir wollen bei dem bleiben, was wir unter der Anleitung heiliger Hirten als richtig erkannt haben, und wollen es praktizieren, um durch unser Beispiel andere dazu zu führen, ebenfalls auch äußerlich dem Herrn den geschuldeten Dienst der Anbetung zu leisten. Denn diese Verehrung hat ihre Frucht. Wenn man sie richtig vornimmt, dann werden wir die Frucht der Erlösung in uns verspüren. Hier wirkt sich das allgemeine Prinzip aus: Die Sakramente wirken nach dem Maße der Disposition. Anders ausgedrückt: Wer frömmer, inniger, mit größerer Liebe und Hingabe zum Sakramentenempfang hinzutritt, der hat auch mehr Gewinn davon, dessen Frucht ist größer. Und welches ist die Frucht der Erlösung? Nun, wir empfangen unseren Herrn und Heiland Jesus Christus. Wir empfangen ihn leibhaftig, damit auch keine Täuschung möglich sei. Wenn es ein rein geistiger Empfang wäre, dann wäre immer noch eine Täuschung und eine Selbsttäuschung möglich. Aber hier, wo sich der Herr uns leibhaftig – natürlich auch personal – aber eben auch leibhaftig übergibt, da ist eine Täuschung nicht möglich. In dem Hymnus, den wir soeben in der heiligen Messe gelesen haben, heißt es: „Es kommen Böse und es kommen Gute und treten hinzu.“ Was sie empfangen, ist in jedem Falle dasselbe. Es hängt nicht vom Glauben des Empfängers ab – wie es protestantische Neuerer gelehrt haben –, was man empfängt, sondern es ist objektiv und wirklich der Leib und das Blut des Herrn, seine Seele und seine Gottheit gegenwärtig, und ein jeder empfängt das gleiche, aber nicht mit der gleichen Frucht. Denn noch einmal: Die Sakramente wirken nach dem Maße der Disposition. Je inniger, je bereiteter, je hingebungsvoller wir zu diesem Sakramente treten, um so größer ist die Frucht. Im einzelnen sind die Früchte des würdigen Empfangs des Herrenleibes:

Die heiligmachende Gnade wird in uns vermehrt. Die Freundschaft mit Gott wird verstärkt. Wir werden in einem immer tieferen Sinne Kinder und Hausgenossen Gottes. Außerdem wird in uns die Ewigkeit vorbereitet. Es werden uns gleichsam Unsterblichkeitskeime eingesetzt, die beim Tode hervorbrechen und uns das ewige Leben eröffnen werden. Denn das ist auch eine Frucht des eucharistischen Opfersakramentes, daß es ein Angeld, eine Vorbereitung und eine von Gott gewirkte Zurüstung auf das ewige Leben ist.

„Gott, du hast uns unter dem wunderbaren Sakramente ein Gedächtnis deines Leidens hinterlassen. Gib, daß wir die Geheimnisse deines Leibes und Blutes so verehren, daß wir die Frucht deiner Erlösung immerdar in uns verspüren.“ So beten wir am heutigen Tage, und so wollen wir handeln, damit sich in uns erfülle, was das Sakrament an Verheißungen in sich birgt.

„Laßt uns tief gebeugt verehren dieses heil`ge Sakrament! Dieser Bund soll ewig währen, und der alte hat ein End. Unser Glaube soll uns lehren, was das Auge nicht erkennt.“

Amen.

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