Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. März 1995

Über Verfehlungen gegen die eheliche Treue

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es ist heute üblich, Worte, Reden und Unterredungen auf Tonband aufzunehmen, damit man bei passender Gelegenheit das Tonband wieder abspielen kann und sich daran erinnert, was damals gesagt oder geredet wurde. Wenn man auch jenen Vorgang auf Tonband aufgenommen hätte, den wir die kirchliche Eheschließung nennen, dann würden wir ein geeignetes Mittel in der Hand haben, das sich die Eheleute im Laufe ihrer Ehe immer wieder einmal vorspielen könnten, um auf das zu lauschen, was damals vor sich gegangen ist. Da sind die Gebete und Segnungen des Priesters, da ist aber auch die Frage zu hören, die der Priester an den Bräutigam richtet: „Bist du gewillt, deiner zukünftigen Gattin die Treue zu halten, bis der Tod euch scheidet?“ Und ebenso die andere Frage an die Braut gerichtet: „Bist du gewillt, deinem zukünftigen Gatten die Treue zu halten, bis der Tod euch scheidet?“ Er hat damals mit einem männlich klaren Ja geantwortet, und sie hat ebenso ein bräutlich festes Ja gesagt.

Im Laufe des Ehelebens aber hat häufig eine andere Entwicklung eingesetzt, eine Entwicklung, die es geraten erscheinen läßt, auf dieses Tonband zurückzugreifen und die Frage nach der Treue im Herzen wiederaufleben zu lassen. Denn allzu häufig ist jener Vorgang, den wir den Ehebruch nennen, der Bruch der ehelichen Treue. Wir wollen drei Fragen stellen und beantworten, nämlich

1. Wie kommt es dazu?

2. Was ist der Ehebruch?

3. Welches sind seine Folgen?

Die erste Frage lautet: Wie kommt es zum Ehebruch? Die hohe Stimmung des Hochzeitstages hält nicht immer an. Sie kann wohl auch nicht immer anhalten. Es kommt der Alltag, und mit dem Alltag kommen Mißverständnisse, Enttäuschungen, Zerwürfnisse. Es kann geschehen, daß die Gatten sich auseinanderleben, daß sie sich gleichgültig werden. Und wenn der Verräter aus der eigenen Brust und die Gelegenheit von außen zusammentreffen, dann kommt es zum Ehebruch. Der Verräter in der eigenen Brust! Es sind so manche Anlagen im Menschen, die ihn zum Ehebruch geneigt machen. Die Heilige Schrift drückt es mit dem klassischen Satz aus: „Wir neigen zum Verbotenen.“ Das Verbotene übt auf den Menschen eine merkwürdige Anziehungskraft aus. Die fremde Frau, der fremde Mann, das ist das Verbotene, ziehen die Menschen leicht an. Leichtsinn, Flatterhaftigkeit, der Drang nach Abwechslung können für den Ehebruch entscheidend werden.

Manche versuchen auch ihre Anziehungskraft zu testen, wie man das heute nennt. Aus Eitelkeit empfinden sie es als schön, wenn sie begehrt werden von einem fremden Manne oder von einer fremden Frau. Triebhaftigkeit, Sinnlichkeit spielen selbstverständlich auch eine große Rolle. Die Verräter an der ehelichen Treue kommen aus der eigenen Brust. Sie haben es freilich leicht, weil sich die Gelegenheit so vielfältig bietet, um diesen verräterischen Stimmen nachzugeben. Am häufigsten ist der Ehebruch zwischen Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen. Da ist man beisammen und sucht sich, anders als zu Hause, von der besten Seite zu geben. Da ist man chic gekleidet; da versucht man den anderen zu gewinnen, auf ihn einen guten Eindruck zu machen. Und so ist die Gelegenheit leicht vorhanden. Auch Vorgesetzte sind nicht ganz selten geneigt, sich an Untergebene heranzumachen, um sie zu diesem schrecklichen Geschehen, das wir Ehebruch nennen, zu bewegen.

Ich habe einmal erlebt, wie eine Frau, eine verheiratete Frau, nach vielen Jahren ihren Jugendfreund wiederfand, der ebenfalls verheiratet war. Sie schrieb ihm in einem Brief: „Ich bin sofort bereit, meinen Mann zu verlassen und zu Dir zu kommen.“ Hier war die Gelegenheit das Wiederauftauchen des Jugendfreundes. Die Gelegenheit ist deswegen so gefährlich, weil die Hemmungen gegen den Ehebruch heute viel geringer sind als vor fünfzig oder sechzig Jahren. Erst im Jahre 1969 ist die Strafbarkeit des Ehebruchs gefallen. In der damaligen Großen Koalition saß ein bekannter Ehebrecher. Er hieß Willy Brandt.

In alter Zeit war der Ehebruch mit strengen Strafen bedroht. Im germanischen Recht durfte der Mann seine ungetreue Frau töten oder schimpflich aus dem Hause jagen. Auch das römische Recht sah Vermögens- und Leibesstrafen vor für Ehebrecher, seit dem 3. Jahrhundert sogar die Todesstrafe. Diese Strafen sind entfallen, und damit ist selbstverständlich die Gelegenheit in ihrem Verführungswert erheblich angewachsen.

Die zweite Frage lautet: Was ist der Ehebruch? Ich muß zunächst sagen, was er nicht ist. Das deutsche Wort Ehebruch ist mißverständlich. Der Ehebruch ist nicht eine Zerstörung der Ehe, wie das Wort nahelegen könnte. Der Ehebruch ist nicht eine Auflösung des Ehebandes. Die Ehe steht gar nicht in der Verfügung des Menschen, und das Eheband ist seiner Verfügungsgewalt entzogen worden. Das deutsche Wort Ehebruch ist mißverständlich. Was wir mit Ehebruch bezeichnen, ist ein Bruch der ehelichen Treue. Es ist ein Bruch der Treue, die am Traualtar geschworen wurde. Die anderen Sprachen haben nicht dieses miverständliche Wort. Das griechische Wort heißt moicheia, und mit moicheia gibt man wieder die Unzucht von Verheirateten oder mit Verheirateten. Das ist richtig. Und die romanischen Sprachen haben das Wort adulterium, das besagt ebenfalls Buhlschaft, also Ausbrechen aus der Ehe oder Einbrechen in die Ehe. Der Ehebruch ist ein Verrat an der ehelichen Treue. Die Treue aber ist das Mark der Liebe. Was die Liebe so ergreifend, was sie so beständig und was sie so erhaben macht, das ist die Treue. Am Traualtar haben sich die Gatten Liebe versprochen und mit der Liebe die Treue. Wer jetzt Ehebruch betreibt, der verrät die Liebe, die im anderen vielleicht noch groß und heilig lebendig ist, die es in jedem Falle nicht verdient, so behandelt zu werden. Er verrät die Treue, die er geschworen hat, und die den Kern der Liebe ausmacht. Er verrät das Ehesakrament, das Christus zu einem Nachbild seiner Verbindung mit der Kirche gemacht hat, der er in Treue, in ewiger Treue, anhängt. Am Traualtar haben die Gatten sich gegenseitig überantwortet, hat der eine sich dem anderen übergeben, hat er sich ihm geschenkt – auch seinen Leib und nicht zuletzt seinen Leib. Jetzt verrät er diese Übergabe des Leibes und seiner ganzen Person in der Treulosigkeit des Ehebruchs.

Es ist in unseren Landen üblich, beim Tode eines Gliedes der Gemeinde die Totenglocke zu läuten. Wenn man die Glocken läuten würde bei jeder verratenen ehelichen Treue, es wäre des Klagens und Wimmerns von den Kirchtürmen kein Ende mehr, so häufig ist die Treulosigkeit in der Ehe.

Und sie hat schlimme Folgen, wie wir jetzt in der dritten Frage: „Was sind die Folgen?“ uns vor Augen führen wollen. An erster Stelle bringt der Ehebruch Tränen, Leid und Schmerz über den verratenen Gatten. Wie viele Tränen sind schon wegen Ehebruchs geweint worden! Wie viele Tränen am Tage und in schlaflosen Nächten! Wieviel Herzeleid, wieviel Schmerz in den verratenen Gatten ist durch solche Taten, durch solche Untaten, erzeugt worden! Wieviel Unrecht über die Familie ist durch den Ehebruch hervorgebracht worden! Die Frau und die Kinder haben ein Recht auf die Treue des Gatten und Vaters, und der Mann und die Kinder haben ein Recht auf die Treue der Gattin und Mutter. Und wenn jetzt ein Ehebruch geschieht, dann wird in den Frieden der Familie eingebrochen, dann geschieht dem Gatten und den Kindern bitteres Unrecht. Was müssen Kinder von einem Vater, was müssen sie von einer Mutter denken, von denen sie wissen, daß sie Ehebrecher sind?

Ehebrüche haben häufig Gewalt- und Bluttaten zur Folge. In der Erbitterung über das Geschehene, im Zorn, in der Wut lassen sich viele Menschen hinreißen zu Gewalttaten, ja zu Bluttaten gegen den ehebrecherischen Gatten. Die Polizeiberichte und die Gerichtsberichte wissen von zahllosen Gewalt- und Bluttaten, die an Ehebrechern verübt worden sind.

Der Ehebruch führt aber häufig auch zum Haß gegen Kirche und Priester. Die Herodes- und die Herodiasseelen ertragen es nicht, daß da eine Institution ist und daß da ein Beauftragter ist, die ihnen sagen: Du darfst nicht in die Ehe eines anderen einbrechen! Du darfst nicht deine eigene Ehe durch Treulosigkeit gefährden! Sie ertragen es nicht, und so fliehen sie vor der Institution, die diese heilige Lehre verkündet; so meiden sie die Sakramente, meiden den Beichtstuhl. Vorher hat der Satan geflüstert: Wie schön ist das, wie prickelnd, wie berauschend, wenn du diese Frau gewinnen kannst, wenn du diesen Mann haben kannst! Wenn aber die Tat geschehen ist, dann sagt er: Das kannst du niemandem sagen; das wirst du doch nicht dem Beichtvater sagen! So täuscht er die Menschen und entfremdet sie von Gott, Religion und Kirche.

Die Folgen des Ehebruches sind aber nicht auf Erden abgegolten. Es gibt eine Folge, die sich erst im Jenseits zeigen wird. Im Briefe an die Hebräer steht der Satz: „Die Unzüchtigen und Ehebrecher wird Gott richten.“ Gott ist kein Papiertiger; Gott ist kein Hampelmann, sondern Gott ist der Herr, der hinter seinen Geboten, vor allem hinter den Geboten vom Sinai, steht, und der sie eines Tages rächen wird, der ihre Übertretung eines Tages ahnden wird. „Die Unzüchtigen und Ehebrecher wird Gott richten.“ Der Ehebruch ist eben kein harmloser Seitensprung, er ist nicht eine verzeihliche Schwäche. Der Ehebruch ist ein furchtbares Verbrechen am Menschen und an Gott.

Wie wird Gott die Ehebrecher richten? Der heilige Paulus zählt den Ehebruch zu den Sünden, die vom Reiche Gottes ausschließen. Das heißt, auf der Sünde des Ehebruches, auf der unbereuten Sünde des Ehebruches, steht die Strafe der Hölle. Das ist die Wahrheit des Evangeliums, und daran kann keine Abschleifung der Wahrheit durch unerleuchtete Theologen und verräterische Prediger etwas ändern. Der Herr hat auf den Ernst dieses Gebotes hingewiesen, wenn er an der Stelle, wo er über die begehrlichen, ehebrecherischen Blicke handelt, sagt: „Es ist dir besser, du gehst einäugig in das Reich Gottes, als daß du mit zwei Augen in die Hölle geworfen wirst.“ Er sagt, man muß das Liebste aufgeben und sich vom Liebsten trennen, was auf Erden sein mag, wie es das Auge ist, wenn es darum geht, nicht die Seligkeit zu verpassen.

Gewiß, der reuige Sünder empfängt Verzeihung. Wir haben die ergreifende Begebenheit, wie eine Ehebrecherin, vermutlich noch ein junges Wesen, vor den Heiland geführt wurde, und er an sie die Mahnung mit einem durchdringenden Blick richtete: „Gehe hin und sündige nicht mehr!“ Wer sich bekehrt, wer sich von seiner Untat löst, wer sich in Reue zu Gott erhebt, dem vergibt Gott selbst dieses große Unrecht des Ehebruchs.

Wir sollten, meine lieben Freunde, wachsam sein! In uns allen sind Kräfte, die nach unten ziehen. Mir sagte einmal, als ich noch im Theologiestudium war, ein Priester: „Man ist zu allem fähig!“ Wahrhaftig, so ist es. Man ist zu allem fähig. Und weil man zu allem fähig ist und weil man schwach ist, deswegen muß man mit seiner Schwachheit rechnen, muß die Gelegenheit zum Bösen meiden, muß die Mittel anwenden, um dem Bösen widerstehen zu können. Man darf nicht leichtsinnig sein, man darf sich nicht in die Gefahr begeben, in der man so leicht umkommt. Man darf sich keine unerlaubten, gefährlichen Freiheiten gestatten. Man muß vor allen Dingen das Innere rein bewahren und nicht Ausschau halten nach der fremden Frau oder nach dem fremden Manne. Jede Sünde bereitet sich im Inneren vor. Festungen fallen nicht auf einmal, sondern werden durch wiederholte Angriffe zur Übergabe gezwungen. Und so muß man auf die feinen Risse im eigenen Herzen achten, diese Haarrisse, die die Treue bedrohen können und, wenn die Gelegenheit sich bietet, zum Fall führen.

In der Apokalypse steht die ernste Mahnung: „Ich habe gegen dich, daß du deine erste Liebe aufgegeben hast. Bekehre dich, damit ich nicht komme und deinen Leuchter von seiner Stelle rücke. Denn dann wird ewige Nacht sein.“

Amen.

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