Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. Januar 1995

Die Erhabenheit und gottgewollte Ordnung der Ehe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn der Priester zu Beginn der heiligen Messe zum Altar hinaufsteigt, betet er still ein Gebet, das lautet: „Herr, nimm von uns alle Sünden, damit wir mit reinem Herzen in dein Heiligtum eintreten!“ Wenn wir heute von einem anderen Heiligtum sprechen, dem Heiligtum der Ehe, dann müssen wir dieselbe Bitte an Gott richten: „Reinige meine Gedanken, reinige meine Lippen, reinige unsere Herzen, damit wir mit reinem Herzen, mit lauterem Sinne von dem Heiligtum sprechen, das wir die eheliche Gemeinschaft nennen!“

Was man heute allerorten von der Ehe sieht und hört, das ist alles andere als heilig und erhaben. Aber wir wollen uns von der allgemeinen Verführung und Herabziehung dieses Heiligtums nicht anstecken lassen, sondern mit reinem Herzen und mit heiligem Sinn den Schöpfungsgedanken Gottes über der Ehe nachspüren. Denn Gottes Allmacht hat die Ehe geschaffen, seine Weisheit hat sie geordnet und seine Güte hat sie gesegnet.

Die erste Wahrheit lautet: Gottes Allmacht hat die eheliche Gemeinschaft geschaffen. Und da beginnt schon der Einwand, und da beginnt schon die Schwierigkeit, meine lieben Freunde, denn wer nicht mehr an die Schöpfung Gottes, auch an die Erschaffung der Ehe, glaubt, wie soll der zu der Überzeugung geführt werden, daß Gottes Wille über der Ehe steht, daß die Ehe nicht zur Disposition des Menschen steht, sondern daß sie seiner Verfügung entrückt ist, weil Gott schon über die Ehe verfügt hat? Gottes Allmacht hat die Ehe geschaffen. In der Ehe verbinden sich zwei Menschenwesen, die die Menschennatur in völlig gleicher Weise besitzen und doch auf verschiedenartige Wesen aufgeteilt. Das beginnt mit dem körperlichen Leben. Mann und Frau sind ohne jeden Zweifel in bezug auf den Körper volle und ganze Menschen, mit keiner Minderung und mit keiner Ausschließung. Aber ihr körperliches Befinden, ihre körperliche Beschaffenheit ist verschieden. Und diese Verschiedenheit setzt sich fort in der Seele. Die Frau besitzt eine genauso unsterbliche Seele wie der Mann, aber ihre seelische Artung ist verschieden von der des Mannes. Das kann man schon erleben, wenn man im beruflichen Bereich mit Frauen zusammenarbeitet. Frauen sind stärker auf das Persönliche, Männer mehr auf das Sachliche ausgerichtet, das ist ein ganz tiefer Wesensunterschied zwischen der Psyche der Frau und der des Mannes.

Um nun diese beiden Wesen, die nach Gottes Willen verschieden sind und einander zur Ergänzung dienen sollen, zusammenzufügen und zusammenzuhalten, hat Gott die stärkste Macht aufgeboten, die es auf Erden gibt, die Macht der Liebe. Ach, Liebe, meine lieben Freunde, das am meisten geschändete Wort in allen Sprachen! Liebe ist hier im vollen Sinne gemeint mit allen ihren Stufen als begehrende, als schenkende und als dienende Liebe. Keine darf fehlen, jede muß durch die andere erhoben und geadelt sein. Die eheliche Liebe soll nach Gottes Plan fruchtbar sein. Um dem Menschengeschlecht Bestand zu sichern, hat Gott den Menschen an der Erhaltung und Fortpflanzung beteiligt. Anders als bei den Engeln; als er die Engel schuf, sprach er: „Werde!“, und sie standen da. Der Mensch soll nach Gottes Willen an der Schöpfung neuer Wesen beteiligt werden. Das ist sein allmächtiger Gedanke über der Ehe, daß der Mensch Mithelfer an dem Werk der Fortpflanzung sein soll.

Die Gedanken des Schöpfers über der Ehe sind erhaben. Sie bedürfen aber des Schutzes, der Sicherung, und deswegen hat Gott in seiner Weisheit die Ehe geordnet. Das erste Ordnungsprinzip, das über der Ehe steht, lautet: Liebe. Ich sage aber noch einmal, es ist eine Liebe, die von dem, was heute unter diesem Begriff geht, total verschieden ist. Es ist eine Liebe, die sich in mehreren Stufen aufbaut und wo jede niedere Stufe überformt sein muß von der höheren. Um Mißverständnisse zu vermeiden, spräche man vielleicht besser von Wohlwollen, Hingabe und Selbstlosigkeit. Es ist eine Liebe, die unteilbar und unwiderruflich ist. Die eheliche Liebe gebührt nur den Gatten, und sie gebührt ihnen für immer. Es ist das Normale, daß diese Liebe Menschen zusammenführt. Es muß nicht so sein. Man kann sich auch heiraten aus Vernunftüberlegungen, und das sind nicht die schlechtesten Ehen. Aber wenn man sich verheiratet hat, dann muß man lieben, denn die Ehe gebietet die Liebe. Es ist nicht notwendig, aus Liebe zu heiraten, aber es ist notwendig, als Verheirateter sich zu lieben. Das ist Gottes erster Ordnungsgedanke über der Ehe. Innerhalb der Ehe haben Mann und Frau die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten. Der Apostel Paulus hebt diese Gleichberechtigung hervor im Hinblick auf die eheliche Einung: „Der Frau leiste der Mann die eheliche Pflicht, ebenso die Frau ihrem Mann. Die Frau hat keine Gewalt über ihren Leib, sondern der Mann; ebenso hat auch der Mann kein Recht über seinen Leib, sondern die Frau.“ Das ist aber nur ein Auszug aus der allgemeinen, grundsätzlichen Gleichheit von Rechten und Pflichten zwischen Mann und Frau in der Ehe als dem zweiten Ordnungsgedanken Gottes. Dem steht nicht entgegen, daß der Apostel an einer anderen Stelle von einer Über- und Unterordnung spricht, etwa im 1. Korintherbrief: „Ihr müßt wissen, daß das Haupt eines jeden Mannes Christus ist, das Haupt der Frau aber ist der Mann.“ Oder im Epheserbrief: „Ordnet euch einander unter in der Ehrfurcht vor Christus! Die Frauen sollen ihren Männern untertänig sein wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist, er, der Erlöser seines Leibes.“ Das sind Sätze, meine lieben Freunde, die heute in der Kirche weitgehend unterschlagen werden, die von manchen als peinlich empfunden werden, die man übergeht und ausklammert. Aber sie sind Bestandteil der Heiligen Schrift. Ich bin außerstande, diesem Trend zu folgen, sondern sehe mich unter dem ehernen Gesetz, das zu verkünden, was in der Offenbarung enthalten ist.

Freilich, wenn man diese Worte von der Über- und Unterordnung richtig versteht, dann verlieren sie allen Schrecken. Es steht nichts entgegen, daß ein Mann seiner Frau, überzeugt von deren Argumenten, sich unterordnet. Die Überordnung ist eine Möglichkeit und ein Recht, aber auf die Nutzung eines Rechtes kann man verzichten, von einem Recht muß man nicht Gebrauch machen. Außerdem ist dieses Recht der Überordnung des Mannes durch die Liebe geprägt; denn wenn jemand seine Frau so liebt, wie der Herr es von ihm verlangt, dann tut die Überordnung des Mannes der Frau überhaupt nicht weh. Und wie soll denn der Mann seine Frau lieben? „Liebet eure Frauen so, wie Christus die Kirche geliebt hat!“ Ja, wie hat er denn die Kirche geliebt? Mit einer Liebe bis zum Tode, durch die Aufopferung seiner selbst, durch die Hingabe seines Lebens. Wenn ein Mann solche Liebe hat, wie soll denn da die Überordnung irgendeine Beschwernis für die Frau bedeuten? Es steht auch nichts entgegen, daß man die Überordnung als Möglichkeit des Stichentscheides erklärt. Was ist ein Stichentscheid? Ein Stichentscheid ist eine Lösung in Fällen, wo Ansicht gegen Ansicht steht; um überhaupt zu einer Entscheidung zu kommen, soll jemand dann den Ausschlag geben, und das könnte, auf die Beziehung zwischen Mann und Frau angewendet, der Mann sein. Der Stichentscheid. In der deutschen bürgerlichen Gesetzgebung hatte früher die biblische Verkündigung sich niedergeschlagen. Das ist inzwischen beseitigt. Was geschieht heute, wenn sich Mann und Frau nicht einigen können und vor Gericht ziehen? Es gibt keinen Stichentscheid inner halb der Ehe mehr, sondern es entscheidet eine fremde Instanz, nämlich der Familienrichter. Der greift in die Ehe ein, und der führt den Willen des einen Gatten zum Ziel. Das ist viel schlimmer als ein Stichentscheid des Mannes.

Lassen wir uns also nicht, meine lieben Freunde, durch falsche Reden von der Gleichberechtigung irreführen! Wer das biblische Zeugnis ernstnimmt und richtig versteht, hat gar keinen Anlaß, zu sagen, das sei zeitbedingt. Nach meiner Überzeugung ist es immer gültig und deswegen auch von uns zu verkünden.

Ein weiterer Ordnungsgedanke Gottes über der Ehe ist das Verbot jeder Eigenmächtigkeit in bezug auf die Weitergabe des Lebens. Wir werden über diesen Punkt noch zu sprechen haben. Aber eines ist sicher, daß im Ordnungswillen Gottes der heilige Ehezweck der Fortpflanzung die erste Stelle einnimmt. Der letzte Ordnungsgedanke Gottes über der Ehe ist die Unverbrüchlichkeit der Treue. Das Gebot vom Sinai lautet: „Du sollst nicht ehebrechen!“ Und dieses Gebot ist immer gültig und von Gott als Krönung seines Schöpfungswerkes gegeben. Wenn sich die Menschen nur an den Ordnungsgedanken Gottes ausrichten würden! Kommt denn, meine Freunde, die Ehekrise unserer heutigen Zeit daher, daß die Menschen sich an Gottes Gesetz gehalten haben, oder kommt sie daher, daß sie es übertreten haben? Die Antwort auf diese Frage kann nur lauten: Die Ehekrise der Gegenwart kommt von der Mißachtung, von der ständigen, millionenfachen Mißachtung des Willens Gottes über der Ehe. Die Menschen glauben es sich leichter und angenehmer machen zu können, wenn sie Gottes Ordnungsgedanken über der Ehe mißachten. Das Gegenteil ist eingetreten; sie haben es sich schwerer gemacht, sie haben es sich vor allen Dingen verscherzt, daß ihre Ehen von Gottes Ordnungsgedanken getragen und geheilt werden.

Gottes Allmacht hat die Ehe geschaffen, Gottes Weisheit hat sie geordnet, und Gottes Güte hat sie gesegnet. Wenn Christen eine Ehe schließen, sind es ja nicht mehr bloß zwei Menschen, die sich zusammenfinden. Es sind zwei Gotteskinder. Es sind Wesen, die durch die Gnade und Wahrheit Gottes ergriffen sind, die die Erkenntnis des Rechten haben und die Kraft zu seiner Vollbringung zu empfangen geneigt sind. Und diese Kraft wendet ihnen Gott zu, indem er die Ehe zu einem Sakrament erhoben hat. Die Ehe soll etwas so Heiliges sein wie das Priestertum; sie soll etwas so Heiliges sein wie die Taufe oder wie die Buße. Die Ehe soll das heilige Zeichen einer heiligen Sache sein, denn das ist ein Sakrament: ein heiliges Zeichen einer heiligen Sache. Sie weist nämlich hin auf den Bund zwischen Christus und der Kirche, und sie ist ein Sinnbild des Bundes zwischen Christus und der Kirche. Und sie vermittelt deswegen Gnaden, heiligmachende Gnade und aktuelle Gnaden, darunter auch Gnaden der Heilung. Ich habe mich immer gegen die Reden von unheilbar zerrütteten Ehen gesträubt. Nach meiner Überzeugung gibt es keine unheilbar zerrütteten Ehen; es gibt nur Ehen, wo sich die Menschen nicht bekehren wollen. Die gibt es allerdings. Es gibt auch keine gescheiterten Ehen, sondern es gibt nur Ehen, wo sich einer oder beide nicht bekehren wollen. Wenn sie sich an die Gnaden des Sakramentes erinnern, dann ist ein Neubeginn möglich, eine Generalbeicht, eine Osterkommunion wie damals auf dem roten Kissen vor dem Altar. Das ist Neubeginn, das ist Neugeburt einer Ehe.

Gottes Güte hat auch die Frucht der Ehe gesegnet. Wir wissen, wie hoch Gott das Kind erhoben hat. Jedes Kind ist ein Brüderchen oder ein Schwesterchen des Krippenkindes. Jedes Kind ist geweiht und geheiligt, ein Geschenk Gottes von unendlichem Wert. Schließlich – und da ist der heutige Sonntag ja eine Erinnerung – hat Christus seine öffentliche Tätigkeit begonnen bei einer Hochzeit. Er hat, als er an der Hochzeit von Kana teilnahm, die frohen und lichten Stunden der Ehe gesegnet. Er hat aber auch am Kreuze auf Golgota die dunklen und schweren Stunden der Ehe gesegnet. An uns, an Euch, meine lieben Freunde, ist es, die Schöpfungs-, Weisheits- und Gütegedanken Gottes über der Ehe aufzunehmen, die Ehe zu gestalten zu einem Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche, ein Werk daraus zu machen, das vor Gott Bestand hat und das uns den Weg in den Himmel bahnt. 

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt