Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Juni 2017

Der dreieinige Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Gepriesen sei die heilige Dreifaltigkeit und ungeteilte Einheit. Lasst uns ihr danken, weil sie Barmherzigkeit an uns getan hat.“ So beten wir heute am Sonntag, welcher der göttlichen Dreifaltigkeit in besonderer Weise gewidmet ist. Wir katholischen Christen bekennen den einen Gott in drei Personen. Es ist dies das Grunddogma unseres Glaubens. Überlieferung und Schrift sind eindeutig im Bekenntnis des dreieinigen Gottes. Denken Sie an die Vorgänge bei der Taufe Jesu, und denken Sie an den Taufbefehl, den ich eben im Evangelium verlesen habe. Beim Taufakt sind sie beisammen, die drei: der Täufling (Jesus), die Stimme des Vaters, der in Taubengestalt herabkommende Heilige Geist. Und beim Taufbefehl stehen sie nebeneinander, durch die wichtige Partikel „und“ verbunden, was die Gleichwesentlichkeit anzudeuten scheint. „Taufet sie im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Die Dreieinigkeit wird auch an vielen anderen Stellen der Heiligen Schrift ausgesprochen, vor allem in den trinitarischen Segensformeln. „Die Gnade des Herrn Jesus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Geistes sei mit euch allen“, schreibt Paulus nach Korinth. „Die Gnade des Herrn Jesus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ An einer anderen Stelle im 1. Brief an die Korinther schreibt Paulus: „Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerechtfertigt durch den Namen unseres Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.“ Wieder an anderer Stelle: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist. Es gibt verschiedene Dienstleistungen, aber es ist derselbe Herr. Es gibt verschiedene Wirkungen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allem wirkt.“ Besonders deutlich bezeugt die Dreieinigkeit der Apostel Johannes. Er kündigt ja den Parakleten an, den Anwalt, den Sachwalter, den Beistand, den der Vater in seinem Namen senden wird. Da sind sie beisammen: der Paraklet, der Vater und Jesus. „Darin erkennen wir“, schreibt Johannes in seinem 1. Briefe, „dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat, und wir bezeugen, dass der Vater den Sohn als Heiland in die Welt gesandt hatte“, wiederum die Dreiheit der Personen. Vater, Sohn und Geist oder Gott, der Herr und der Geist sind im Evangelium und in den apostolischen Schriften sowie im Bewusstsein der Urgemeinde eine unzerreißbare Einheit und zugleich eine deutlich gegliederte Mehrheit, sodass die Nennung eines Namens eindeutig ist und gleichzeitig die beiden anderen als Ergänzung fordert: Vater – Sohn, Geist des Vaters und des Sohnes.

Getreu dem Auftrag des Herrn predigen die Apostel und lehrt die Kirche in allen Jahrhunderten den dreipersönlichen Gott als die Grundwahrheit des Christentums. Die Martyrer bekennen diesen Glauben und besiegeln ihn mit ihrem Blute. Die Kirchenväter – an der Spitze Athanasius – verteidigen den Glauben auf das Entschiedenste gegen die mannigfachen Angriffe. Die kirchlichen Glaubensbekenntnisse fordern den Glauben an die Dreieinigkeit als Grundlage der christlichen Religion. Schon die älteste Form des apostolischen Glaubensbekenntnisses bekennt den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Und das Glaubensbekenntnis von Nicäa, das wir ja in jeder heiligen Messe beten, dieses Glaubensbekenntnis formuliert: Wir glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, und an den Heiligen Geist. Das Athanasianische Glaubensbekenntnis – das umfangreichste von allen, das wir Priester am heutigen Tage zu beten gehalten sind – dieses Athanasianische Glaubensbekenntnis formuliert die beiden entscheidenden Aussagen: Einheit der Natur, Dreiheit der Personen. „Dies ist der katholische Glaube. Wir verehren den einen Gott in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit, ohne Vermengung der Personen und ohne Trennung der Wesenheit.“ Die ausführlichste Lehrverkündigung über die Dreieinigkeit stammt – Sie werden staunen – von der 11. Synode von Toledo aus dem Jahre 675. Das war eine kleine Synode, es waren nur 19 Bischöfe anwesend. Aber sie hat ein Glaubensbekenntnis formuliert, das noch heute gültig ist und wie kein anderes die Dreieinigkeit uns nahezubringen versucht. „Wir bekennen und glauben“, heißt es in diesem Bekenntnis, „dass die heilige und unaussprechliche Dreifaltigkeit: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, der eine Gott von Natur aus ein Wesen, eine Natur, eine Herrlichkeit und eine Kraft besitzt.“ „Die Dreifaltigkeit erkennen wir in dem Unterschied der Personen. Wir bekennen wegen der Natur oder Wesenheit die Einheit. Diese drei sind eins, nämlich in der Natur, nicht in der Person.“ Durch die Auseinandersetzung mit dem Judentum, mit der Gnosis und mit hellenistischen Vorstellungen vom Göttlichen gewinnt die Lehre vom dreieinigen Gott an Tiefe und Deutlichkeit. Augustinus bildet die heute noch gültige psychologische Trinitätslehre aus. Er stellt also das innergöttliche Leben dar in der Form der Geistigkeit als Erkennen und als Lieben. Gottes Geist stellt sich in seinem gezeugten Begriff dar und liebt sich, ist aber immer nur einer und eine Substanz. Man lernt unterscheiden zwischen der immanenten und der ökonomischen Dreifaltigkeit. Die immanente Dreifaltigkeit stellt Gott so dar, wie er in sich selbst ist. Hier kommen die innergöttlichen Hervorgänge zur Sprache: die Zeugung des Sohnes und die Hauchung des Geistes. Das göttliche Wesen existiert in der Weise der Personalität. Seine Personalität verwirklicht sich als Dreipersonalität. Infolge seiner überströmenden Fülle existiert das göttliche Wesen in der Weise eines dreipersonalen Selbst. Es besitzt sich selbst in dreifach je real verschiedener Weise. Die Dreiheit ist nicht eine zufällige, eine zweitrangige, zur Einheit hinzukommende Wirklichkeit, vielmehr: Indem Gott in ewiger Unwandelbarkeit existiert, ist er zugleich dreimal je anders derselbe. Der eine, wahre und lebendige Gott existiert in unantastbarer Einheit und Dieselbigkeit (Identität). Aber er ist in dieser Einheit zugleich in dreifach verschiedener Weise derselbe. Man darf eigentlich nicht sagen: In Gott ist Vater, Sohn und Geist, sondern man muss eigentlich sagen: Gott ist Vater, Sohn und Geist, oder: Gott ist Dreieinigkeit. Die Dreiheit kommt aus der tiefsten Wurzel des Gottseins. Sie ist so notwendig, dass Gott nicht Gott wäre, wenn er nicht dreipersönlich wäre. Die Dreiheit gründet in der Vollkommenheit Gottes. Sie ist der Ausdruck der überströmenden Lebensfülle, der höchsten Lebensintensität und des größten Lebensreichtums. Der göttliche Wesensbestand ist von einer so überströmenden Erkenntnis und Liebeskraft, dass ein Ich nicht ausreicht, um sie auszudrücken, sondern dass drei Iche notwendig sind, um sie darzustellen und auszuleben. Es bedarf eines dreifachen Ich, um die Sehkraft, um die Willenskraft, um die Liebeskraft Gottes auszuschöpfen. Das ist die Lehre von der immanenten Trinität. Daneben die Lehre von der ökonomischen Trinität. Sie befasst sich mit dem sich trinitarisch offenbarenden Gott. Sie will erhellen, wie die drei göttlichen Personen sich in der Heilsveranstaltung zueinander verhalten. Sie hat also den Weg Jesu Christi, das Wirken des Heiligen Geistes, den Beginn und die Vollendung der Herrschaft Gottes zum Gegenstand. Der Vater sendet den Sohn, auf dass er uns im Heiligen Geist heimführe. So kann man kurzgesagt die ökonomische Trinität ausdrücken. Hier werden die drei göttlichen Personen nicht in ihrem ruhenden Sein beschrieben, sondern in ihrem Heilwirken geschildert. Die göttlichen Personen treten aus ihrer Unzugänglichkeit heraus, sie gehen auf uns zu und ziehen uns in ihr eigenes Leben hinein.

Ja, meine lieben Freunde, das ist das innerste Wesen des Christseins, unserer christlichen Existenz: die Teilnahme am Lebensaustausch der drei göttlichen Personen. Das ganze kirchliche Leben und Handeln vollzieht sich im Namen des dreieinigen Gottes: der Taufritus, das Kreuzzeichen, die Lobpreisung: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Geiste, die Schlussformeln der Gebete in der heiligen Messe, die Segnungen und Weihungen. Alles Beten und Opfern in der Kirche geht durch Christus im Heiligen Geist an den Vater im Himmel. Das gilt auch für das eucharistische Geschehen. Wir opfern dem Vater im Himmel seinen Sohn auf im Heiligen Geist. Wir beginnen unsere Arbeit im Namen Gottes, im Namen des dreifaltigen Gottes; einen anderen Gott gibt es nicht. Religiöse Genossenschaften und Bruderschaften stellen sich unter den Schutz des dreifaltigen Gottes. Ausgerechnet der Orden, der den meisten Kontakt mit Muslimen hatte, der Orden vom Loskauf der Gefangenen, nannte sich Trinitatisorden, Orden der Trinitarier, Orden vom dreifaltigen Gott. Der fromme Sinn unserer Vorfahren schuf Dreifaltigkeitswallfahrten, Dreifaltigkeitskirchen, Dreifaltigkeitssäulen. Wenn Sie einmal das Glück haben, in die Fränkische Schweiz zu kommen, nach Gößweinstein, da finden Sie eine herrliche von Balthasar Neumann erbaute Barockkirche, die der Dreifaltigkeit geweiht ist. Dort blüht heute noch die Wallfahrt zur heiligsten Dreifaltigkeit, in Gößweinstein. Auch andere Kirchen tragen dieses Patrozinium, bspw. die gewaltige Klosterkirche in Ottobeuren, ja, auch unsere Kirche hier, in der wir das Messopfer feiern, ist der Dreifaltigkeit geweiht. Die drei Schiffe, die man in den Kirchen angebracht hat, und die drei Apsiden sind ebenfalls Hinweise auf den dreifaltigen Gott. In manchen Orten, z. B. in Wien und in Linz, stehen Dreifaltigkeitssäulen als Dank für überstandene Not-, Kriegs- und Seuchenzeiten. Die bildliche Darstellung der Dreifaltigkeit ist an sich unmöglich, aber die christlichen Künstler haben es immer wieder versucht. Zu erwähnen ist vor allem der Gnadenstuhl. Das ist die Darstellung Gott Vaters, der auf einem Thronsessel sitzt und vor sich in seinem Schoße das Kreuz mit dem Heiland hält, und darüber schwebt der Heilige Geist; das ist der Gnadenstuhl. Eine symbolische Darstellung der Dreifaltigkeit ist das gleichseitige Dreieck. Ich finde, das ist keine schlechte Darstellung, das gleichseitige Dreieck, oft innen versehen mit dem Auge Gottes.

Der Glaube an den dreifaltigen Gott, meine lieben Freunde, ist keine Last, er ist das Glück des katholischen Christen. Wir wissen uns in diesem Glauben einig mit unseren Vorfahren seit Beginn der christlichen Bewegung. Auch im Protestantismus gibt es – Gott sei es gedankt – Gläubige, die am Glauben an den dreifaltigen Gott im Sinne der altchristlichen Bekenntnisse festhalten. Aber wohl die Mehrheit der protestantischen Theologen hat ihn aufgegeben oder deutet ihn um. Die Leugnung der Dreifaltigkeit beginnt gewöhnlich damit, dass man Christus als einen bloßen Menschen erklärt; dann bricht natürlich die wahre Dreifaltigkeit zusammen. Es ist schmerzlich und tief bedauerlich, dass Menschen, die sich des christlichen Namens rühmen, nicht einmal im Bekenntnis des grundwesentlichen Glaubens an den dreifaltigen Gott übereinstimmen. Was nützen alle anderen Harmonisierungsversuche, wenn die grundwesentliche Übereinstimmung im Glauben an Gott vermisst wird. Ein unerbittlicher Feind der Lehre vom dreifaltigen Gott ist der Islam. Er hat an die Stirnseite der Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem geschrieben: Gott hat keinen Sohn. Die Muslime unterstellen uns Christen eine Dreigötterlehre. Damit verfehlen sie unseren Glauben an den dreieinigen Gott. Die Dreigötterlehre, der Tritheismus, verdreifacht mit der Person auch die Natur in Gott. Er leugnet die Gleichwesentlichkeit und stellt die Einheit Gottes in Abrede. Die Kirche hat die Dreigötterlehre immer energisch und ohne Zögern verworfen. Die Trinitätslehre ist der Ausgangspunkt und nicht ein Hemmschuh für das Gespräch mit den nichtchristlichen Religionen. Es ist irrig und verfehlt, gegenüber den Anhängern des Islam mit dem Glauben an den dreieinigen Gott zurückzuhalten. Dieser Glaube muss vielmehr in jeder Phase der Auseinandersetzung präsent sein. Es gibt keine Verständigung über zweitrangige Dinge, die wertvoll ist, wenn es nicht eine Übereinstimmung in dem grundwesentlichen Dogma vom dreieinigen Gott gibt. In diesen Tagen, meine lieben Freunde, hat der orthodoxe Bischof von Piräus ein 27-seitiges Schreiben an den türkischen Präsidenten Erdogan gerichtet. In diesem Schreiben fordert er ihn auf, zum dreieinigen Gott überzutreten. Das ist Glaubensbekenntnis, das ist christliche Wahrheit.

Ich habe versucht, meine lieben Freunde, das Geheimnis der Dreifaltigkeit in Kürze zu erklären. Selbstverständlich muss am Ende einer Überlegung betreffend den dreieinigen Gott das Geständnis stehen, dass unser Reden ein armseliges Stammeln angesichts der Unergründlichkeit des dreieinigen Gottes ist. Wenn wir ihn Gott nennen, so ist das nur ein Wort der Hilflosigkeit, auf dass wir nicht ganz von ihm schweigen müssen. Es ist ein katholischer Glaubenssatz: Gott ist für jeden geschaffenen Geist unbegreiflich und daher auch unaussprechlich. Gottes Unbegreiflichkeit ist ein Attribut, ein Wesensmerkmal seiner Göttlichkeit. Es gehört die Unbegreiflichkeit so zu seiner Göttlichkeit, dass er aufhören würde, Gott zu sein, wenn er nicht unbegreiflich wäre. Die Offenbarung hebt das Geheimnis nicht auf, sie stellt es ans Licht. Auch die Seligen des Himmels können Gott nicht begreifen. Sie schauen ihn unmittelbar und dabei begreifen sie, dass Gott unbegreiflich sein muss. Die göttliche Dreipersonalität ist ein Geheimnis im strengen Sinne, d.h. eine verborgene Wirklichkeit, die ohne Offenbarung nicht erkannt werden kann und die auch nach der Offenbarung nicht aufhört, ein Geheimnis zu sein. Unsere Erkenntnis Gottes ist analog. Was heißt das: analog? D.h. dass diese Erkenntnis nicht in einem Erkenntnisbild Gottes selbst erfolgt, sondern durch das Erkenntnisbild eines von ihm verschiedenen, ihm aber ähnlichen Bildes, nämlich des Menschen, des menschlichen Geistes; deswegen die psychologische Trinitätslehre des Augustin. Alle unsere Begriffe und Aussagen von Gott gelten nur in einem ähnlich-unähnlichen Sinne, wobei die Unähnlichkeit größer ist als die Ähnlichkeit. Dieses Geheimnis ergründen wollen, ist Vermessenheit, daran glauben, ist Gottseligkeit, es dereinst erkennen, ist Leben, ewiges Leben.

Amen.

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