Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Dezember 2022

Freuet euch

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der dritte Sonntag im Advent steht im Zeichen einer verhaltenen Freude. Aus dem Gefängnis in Rom schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi: „Freuet euch allezeit im Herrn. Noch einmal sage ich: Freuet euch!“ Dass die Christen sich im Herrn freuen sollen, besagt, dass er Grund und Inhalt der Freude ist. Der Herr ist nahe. Welches sind im Einzelnen die Tatsachen, deretwegen wir uns freuen dürfen?

Freude hat, wer an seine Berufung zum Christentum, zur Erlösung, zur Bruderschaft mit Christus denkt. Es ist ein unbeschreibliches Glück, zu den Auserwählten Christi zu gehören. Für die Menschen vor Christus und ohne Christus gilt das Wort: „Einst wart ihr Finsternis, jetzt seid ihr Licht im Herrn“ (Eph 5,8). Der Wandel ist so enorm, dass man ihn nur mit dem Begriff Schöpfung ausdrücken kann. „Lebt einer in Christus, so ist er ein neues Geschöpf. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17). Es ist ein ebenso großes Glück, im Gnadenstand, im Heiligen Geiste zu leben. Gottes Geist wohnt in uns. Wir sind wirklich und wahrhaftig ein Tempel des Heiligen Geistes. Paulus sagt es uns: „Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, seid gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes“ (1 Kor 6,11). Nicht genug damit. Es ist ein unaussprechliches Glück, den in Mund und Herz aufnehmen zu dürfen, der unser Gott und alles ist. Durch den Genuss des Leibes Christi werden wir teilhaftig der göttlichen Natur, werden wir himmlische Menschen. „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Gedächtnis seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnaden erfüllt und uns ein Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit gegeben wird!“

Es ist ein unermessliches Glück, Heimat gefunden zu haben in der katholischen Kirche. Wir sind Glieder des mystischen Leibes Christi, durch die Taufe, durch den Heiligen Geist mit ihm verbunden. „Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad’ in seine Kirch’ berufen hat.“ Eine unserer Gottesdienstteilnehmerinnen sagte mir vor kurzem: „Ich bin so glücklich, dass ich zum katholischen Glauben gefunden habe.“ Wahrhaftig: Katholisch sein heißt glücklich sein. Welches Glück ist es, dass wir (noch?) Gotteshäuser haben, dass wir Priester finden, die das Bußsakrament spenden, die heilige Messe feiern, das Wort Gottes lehren, die heilige Kommunion austeilen, uns in der Sterbestunde in die andere Welt geleiten! Sachsen ist seit dem großen Abfall im 16. Jahrhundert ein protestantisches Land. Nur wenige katholische Christen und nur ganz seltene katholische Gemeinden leben in der Zerstreuung. Ich kam 1945 nach Sachsen und suchte nach einer katholischen Kirche und einem katholischen Priester. Wie glücklich war ich, als ich am Eingangstor einer evangelischen Kirche einen Zettel fand: Am Sonntag um 18 Uhr heilige Messe.

Freude hat, wer Gottes Willen kennt, wer seine Gebote gelernt hat. Die Israeliten jubelten, dass sie Gottes Gesetze und Rechte kannten: „So hat er keinem anderen Volk getan“ (Ps 147). Wir Gläubigen sind in der glücklichen Lage zu wissen, was Gott von uns erwartet. Wir laufen nicht in die Irre. Der Gehorsam gegen die Sittenordnung Gottes lässt unser Leben gelingen. Das ewige Gesetz ist der weise Wille Gottes, der befiehlt, die Ordnung der Schöpfung einzuhalten, und verbietet, diese Ordnung zu verletzen. Gott befiehlt nichts, was ihm Nutzen brächte, sondern jenem, dem er es befiehlt.

Freude hat, wer die Natur, die Gott geschaffen hat, mit offenen Augen ansieht. Die Gräser und die Blumen, die Sträucher und die Bäume rufen unsere Bewunderung hervor. Wie schön ist ein Weizenfeld, das sich im Winde wiegt! Wie herrlich ist ein Apfelbaum, der mit Früchten behangen ist! Und die Tiere! Wie wunderbar sind sie ausgestattet! Die Kühe auf der Weide, die Pferde in der Rennbahn, die Rehe im Walde, die Vögel in der Luft. „Herr, wie herrlich ist auf der weiten Erde dein Name! Seh’ ich den Himmel, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du aufgestellt!“

Freude hat, wer die Errungenschaften von Kultur und Zivilisation, von Wissenschaft und Technik dankbar anerkennt und würdigt. Gott hat dem Menschen, und nur ihm unter allen Geschöpfen der Erde, den Geist gegeben, damit er durch ihn die Erde entwickle und voranbringe. Wir dürfen uns freuen über die Entdeckungen und Erfindungen des menschlichen Geistes. Sie haben ungezählten Menschen das Leben erleichtert, gesichert, verschönt. Das Denken und Grübeln des Menschen haben sie geschaffen. Die Ernährung von Milliarden Menschen wäre unmöglich, wenn es keinen künstlichen Dünger gäbe. Der Begründer der modernen Düngelehre ist der geniale Chemiker Justus von Liebig (1803-1873). Geniale Forscher haben zahlreiche Krankheiten besiegt. Jahrtausende lang haben Seuchen Millionen von Menschen dahingerafft, ganze Landstriche ausgelöscht. Im Oströmischen Reich erlag die Hälfte der Bewohner der Pest zur Zeit des Kaisers Justinian. Unzählige Menschen litten und starben an der Tuberkulose. Man wurde ihrer nicht Herr. Aber am 24. März 1882 hielt der Arzt Robert Koch in Berlin einen aufsehenerregenden Vortrag. Er bewies, dass Tuberkulosebazillen die Ursache der Tuberkulose sind. Damit war die Grundlage für ihre erfolgreiche Bekämpfung gelegt.

Freuen dürfen wir, dass Gott in unserer Seele einen geheimen Wächter eingesenkt hat. Gott hat uns das Gewissen geschenkt. Einen treueren Berater haben wir nicht. Wie ein Abglanz der Heiligkeit Gottes leuchtet in der Menschenseele das Gewissen. Das Gewissen ist heilige Majestät. Wehe dem, der dieses geheimnisvolle Wesen verletzt. Die Rachegeister wird er nicht mehr los. Freude hat, wer sich ein gutes Gewissen bewahrt. Ein gutes Gewissen hat, wem das Gewissen sein Rechttun bezeugt. Die „Nachfolge Christi“ erklärt: „Habe ein gutes Gewissen, und du wirst immer Freude haben. Ein gutes Gewissen kann sehr viel ertragen und ist mitten unter Widerwärtigkeiten froh. Ein böses Gewissen ist immer furchtsam und unruhig. Sanft wirst du ruhen, wenn dein Herz dir keinen Vorwurf macht.“

Freude hat, wer mit wenigem zufrieden ist. Anspruchslose Menschen sind in gewisser Hinsicht unangreifbar. Man kann ihnen nicht viel nehmen, weil sie wenig haben wollen. Wer es lernt, sich zu bescheiden, wer seine Wünsche zur Ruhe bringt, wer nicht ausschaut nach Unerreichbarem, der lebt in Zufriedenheit und Freude. Paulus schreibt seinem Schüler Timotheus: „Haben wir Nahrung und Kleidung, so lasst uns damit zufrieden sein. Die reich werden wollen, fallen in Versuchung und viele schädliche Begierden, welche die Menschen in Untergang und Verderben stürzen“ (1 Tim 6,8).

Freude hat, wer im Frieden lebt. Grundlegend ist der Friede mit Gott. Er kommt zu uns durch den Anschluss an Christus. „Da wir durch den Glauben gerechtfertigt sind, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm 5,1f.). „Seid einig und friedfertig, dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (2 Kor 13,11). Der Friede mit den Menschen hängt weitgehend von der eigenen Friedfertigkeit und Friedensliebe ab. Friedfertig ist, wer sich selbst besiegt hat.

Freude hat, wer anderen Gutes tut; wer mit erfinderischer Liebe ihre Bedürfnisse sieht und ihre Nöte erspürt und ihnen zu Hilfe kommt. Wer andere froh macht, wird selber fröhlich. Die Zuwendung zum Nebenmenschen besitzt heilende Kraft für die eigene Seele. „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück. Freude, die wir anderen geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“ Wo man Liebe aussät, wächst Freude empor. Seine Freude in der Freude des anderen finden können, das ist das Geheimnis des Glücks (Georges Bernanos). Anderen Menschen Freude machen hilft über das eigene Leid hinauszuwachsen. Fühl’ anderer Leid, so wird dein Leid sich mindern.

Freude hat, wer in der Not auf Gott vertraut. Der Prophet Isaias verkündet: „Vergisst wohl ein Weib ihres Kindleins? Erbarmt sie sich nicht der Frucht ihres Leibes? Und könnte sie es auch vergessen, ich vergesse deiner nicht.“ Der Apostel Paulus stimmt ihm zu. „Gott ist treu. Er wird euch nicht über eure Kräfte versuchen lassen, sondern mit der Versuchung auch den guten Ausgang schaffen, dass ihr sie bestehen könnt“ (1 Kor 10,13). Haben nicht viele von uns, vielleicht alle, Situationen erlebt, wo wir sagten: Es geht nicht weiter, Ich kann es nicht aushalten, Es gibt keinen Ausweg. Und dann ist es doch weitergegangen. Dann habe ich es doch ausgehalten. Dann gab es doch einen Ausweg. Wir Christen singen nicht umsonst: „In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!“ Immer wieder erlebten wir freudige Überraschungen, spürten wir Gottes allmächtige Hand, erfuhren wir unerwartet Hilfe.

Freude hat, wer an die Verheißungen Christi glaubt. Sie gelten für die Zeit und für die Ewigkeit. „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken“ (Mt 11,28). „Wer an mich glaubt, wird leben“ (Joh 11,25). „Ich gehe, euch eine Wohnung zu bereiten“ (Joh 14,2). „Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet, in meinem Namen, wird er es euch geben“ (Joh 16,23).

Freuet euch! Noch einmal sage ich: Freuet euch. Möchte doch an diesem dritten Sonntag im Advent Gottes Freude in Ihre Herzen kommen, meine lieben Freunde. Freude weckte Jesu Geburt, Freude brandete auf nach seiner Auferstehung, Freude erfloss aus seiner Himmelfahrt, der Erdkreis jubelte über die Ausgießung des Heiligen Geistes. Rauhe Pfade ist der Herr gewandelt, aber Großes hat er in Aussicht gestellt. Mehr ist, was er getan hat, als was er verheißen hat. Was hat er getan? Er ist gestorben für dich. Was hat er verheißen? Dass du lebst mit ihm. Unglaublicher ist, dass der Ewige stirbt, als dass der Sterbliche ewig lebt. Wir glauben dieses Unglaubliche. Wenn Gott des Menschen wegen gestorben ist, warum soll der Mensch nicht mit Gott leben können? Warum soll der Sterbliche nicht ewig leben, für den der ewige lebendige Gott gestorben ist? Wahrhaftig, es wird sich erfüllen, was Ida Gräfin Hahn-Hahn gesungen: „Über den Sternen, da wird es einst tagen, da wird dein Hoffen und Sehnen gestillt; was du gelitten, was du getragen, einst ein allmächtiger Vater vergilt.“

Amen.

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