Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. Dezember 2012

Maria im Advent

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In zwei Tagen werden wir das Geburtsfest des menschgewordenen LOGOS, des Wortes Gottes, feiern. Was diesem Ereignis vorausging, hat uns in den vergangenen Wochen beschäftigt. Es ist aufgezeichnet in den Evangelien nach Matthäus und Lukas. Im Mittelpunkt dieser Vorbereitungszeit steht eine Frau. Sie heißt „MARIA“. Neben ihr findet sich ein Mann mit Namen „Josef“. Im sechsten Monat wird der Engel Gabriel in eine Stadt Galiläas gesandt, namens Nazareth, zu einer Jungfrau mit Namen Maria. Sie war verlobt mit einem Manne namens Josef aus dem Hause Davids. Der sechste Monat, das ist die Zeit der Schwangerschaft Elisabeths. Der Täufer ist ein halbes Jahr älter als Christus. Die verwandtschaftliche Verbundenheit sollte sich bald als heilsgeschichtliche Gemeinschaft zeigen. Nazareth ist ein kleiner Ort an der Straße von Haifa nach Tiberias. Eine Quelle gibt den Menschen das benötigte Wasser. Und noch um 200 n. Chr. fanden sich dort Verwandte Jesu. In Nazareth also wohnt der Zimmermann Josef. Was bedeutet der Name „Josef“? Übersetzt besagt er: „Gott möge hinzufügen.“ Josef bedeutet: Gott möge hinzufügen. Also ihn wohlhabend und reich, gesegnet mit Kindern, vor allem mit Söhnen, machen. Er stammt aus der Familie Davids, ist also königlichen Geschlechtes, das ja weit verbreitet war. Und er war verlobt mit einer Frau namens Maria. Was bedeutet der Name "Maria"? Meine Freunde, es gibt 60 Versuche, den Namen "Maria" zu erklären, zu übersetzen. Es ist also unmöglich zu sagen, welches nun die genaue Bedeutung ist. Vieleicht am ehesten noch "die Wohlgenährte". Wir kennen weder den Geburtsort Mariens noch ihre Eltern. Er ist verborgen vor uns. Wir können unser Unwissen nicht auffüllen mit den Fantasien von unechten Evangelien. Nach dem jüdischen Eherecht war die Verlobung rechtlich eine Eheschließung. Verlobung war rechtlich eine Eheschließung. Und die Verlobte heißt deswegen auch die Ehefrau des Mannes. Sie wird, wenn der Mann stirbt, Witwe und kann von ihm durch einen Scheidebrief entlassen werden. Es musste dann nur noch die "Heimführung" erfolgen, also die Aufnahme in das Haus des Mannes. Das Zusammenkommen, wie es Matthäus nennt. Dann war die Ehe erst zur Vollziehung geeignet. Die Heimführung erfolgte gewöhnlich ein Jahr nach der rechtlichen Eheschließung, der Verlobung. Ein Jahr später!

Maria wird nun einer Engelserscheinung teilhaftig. Der gleiche Bote, der dem Vater des Täufers, dem Priester Zacharias, in dessen Tempeldienst erschien, dieser selbe Bote redet nun die heilige Jungfrau an. "Sei gegrüßt, Gnadenvolle, der Herr ist mit Dir." Sei gegrüßt, Gnadenvolle, der Herr ist mit Dir. Gnadenvolle, das besagt, dass Gottes Huld mit ihr ist, dass sie von Gott begnadet ist, hochbegnadet, mehr begnadet als andere. "Und der Herr ist mit Dir", das ist eine Zusicherung des göttlichen Schutzes und der göttlichen Führung. Das sind die entscheidenden Ausdrücke, über die die Kirche zweitausend Jahre lang nachgesonnen hat, um zu erkennen, was alles in diesen Worten verborgen ist. Die Botschaft des Engels weckt bei  Maria keine Freude. Sie ist bestürzt, sie ist verwirrt, nicht wegen der Erscheinung des Engels, sondern wegen seiner Worte. Sie versteht nicht, warum und wieso sie von Gott besonders begnadet sein soll. Der Engel gibt ihr Aufklärung. Sie ist begnadet, weil sie von Gott ausersehen ist, die Mutter des Messias zu werden. "Du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Dieser wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden." Weil Gott der Urheber dieser Empfängnis ist, wird das Heilige, das aus ihr geboren wird, Sohn Gottes genannt werden. Der Engel bietet also Maria die höchste Würde an, die sich eine jüdische Frau ausdenken konnte, Mutter des Messias zu werden. Aber das, was ihr hier verheißen wird und woran Maria nie gedacht hat, das scheint ihr gegen ihr Gewissen zu gehen, gegen ihr jungfräuliches Gewissen. Sie droht in einen schweren seelischen Konflikt zu stürzen. Sie gerät in Verwirrung. Wie soll das geschehen? Es ist für sie eine Gewissenssache, sich streng an die Sitten zu halten, die jeden Geschlechtsverkehr zwischen Verlobten, solange die Heimführung nicht erfolgt ist, als unehrbar erklärt. Ein solcher Geschlechtsverkehr, der gegen ihr Gewissen geht, kommt für sie nicht in Frage. Daher fragt sie: Wie soll das geschehen? Erst, wenn das Jahr herum ist, wonach die Heimführung erfolgt, erst danach kann sie sich zu dem bereitfinden, was der Engel ihr verheißt, was er ihr anträgt. Aber der Engel gibt ihr Auskunft, wie, auf welche Weise Gott seine Absicht an ihr trotz ihres Entschlusses, als Jungfrau unversehrt zu bleiben, verwirklichen wird. Nämlich: Gott verlangt nichts, was im Widerspruch zu ihrem Gewissen steht. Sie wird ein Kind empfangen gewiss, aber die Empfängnis dieses Kindes wird nicht durch Verkehr mit einem Manne zustande kommen, sondern durch den Heiligen Geist und die Kraft des Höchsten. Das besagt: Die schöpferische Macht Gottes wird sich auf ihr niederlassen, wird die Empfängnis Mariens bewirken. Auf diese Weise Mutter zu werden, ist unerhört und unvergleichlich. Es unterscheidet die Empfängnis Jesu durch Maria total von den Mythen der Griechen. Die Griechen haben ihre menschlichen Sehnsüchte, auch ihre menschlichen Laster, auf Götter übertragen. Und so kannten sie auch eine Theogamie, also eine Hochzeit der Götter. Die Götter halten Hochzeit. Davon kann hier überhaupt keine Rede sein. Der christliche und der jüdische Gottesbegriff sind über jede geschlechtliche Bestimmtheit völlig erhaben. Hier geht es nicht darum, nach Weise von Menschen ein Kind zur Welt zu bringen, sondern auf die Weise Gottes, also durch ein unerhörtes Wunder. Eine göttliche Tat geschieht an Maria. Von ihr hängt es jetzt ab, ob sie dem Ratschluß Gottes nachkommen wird, ob sich dieser Ratschluß an ihr erfüllen kann. Wird sie der Absicht Gottes entsprechen? Maria gibt eine Antwort der Demut und Ergebenheit. Sie ist bereit, den Willen Gottes zu erfüllen. "Ich bin eine Magd des Herrn." Eine Magd, nun, das ist eben eine Dienerin. Sie glaubt an das Wort, das der Engel ihr ausrichtet. In diesem Augenblick wird man die Empfängnis Mariens annehmen müssen. Und deswegen feiert die Kirche zurecht am 25. März, also neun Monate vor Weihnachten, das Fest der Verkündigung Mariens, also eigentlich der Empfängnis Jesu.

Als die Zeit der Heimführung gekommen ist, entdeckt Josef an ihr die Zeichen einer Schwangerschaft. Das ist ein unerwartetes Hindernis. Josef wird durch die Kunde von dem Zustand seiner Verlobten in einen schweren seelischen Konflikt gestürzt. Er kann nichts anderes annehmen als Untreue, Ehebruch. "Aber er ist gerecht", so sagt die Heilige Schrift, das heißt, er ist milde, er ist gütig. Und deswegen will er seine Verlobte nicht durch eine Anzeige beim Gericht wegen Buhlerei bloßstellen und harter Bestrafung überliefern. Er will sie möglichst unauffällig im Beisein von zwei Zeugen, wie es vorgeschrieben war, entlassen, also die Ehe zunichte machen. All das beweist, dass Maria ihm von dem Geheimnis, das in ihr geschehen ist, nichts erzählt hat. Mit guten Gründen, denn was da geschehen ist, ist etwas so Unerhörtes, dass es einer anderen Beglaubigung bedarf als des Zeugnisses eines Menschen. Ehe Josef dazu kommt, seinen Entschluß auszuführen, wird er durch die Erscheinung eines Engels aufgeklärt. Diese Mitteilung durch einen Boten Gottes hat höheres Gewicht als eine solche aus dem Munde Marias. Jetzt wird ihm autoritativ bestätigt, was in Maria vorgegangen ist. Jetzt hört er authentisch, was er von diesem Kind im Schoße Mariens zu halten hat. Und gleichzeitig wird ihm die Aufgabe zugewiesen, die jetzt auf ihn zukommt, nämlich der Schützer Mariens und der Pflegevater des Sohnes Mariens zu werden. Es bedurfte des Eingreifens Gottes, um das Geheimnis der wunderbaren Empfängnis Mariens dem Verlobten glaubhaft zu machen. Der Engel redet Josef als Sohn Davids an, also er packt ihn bei seiner davidischen Herkunft, bei seiner Abkunft aus einem Königsgeschlecht. Warum? Weil er ihm eine messianische Botschaft bringt. Weil er ihm den Messias kündet. Josef ist der Nachkomme Davids, und als solcher ist er der gesetzliche Vater Jesu und so leitet Jesus seine Abkunft von David über Josef, den gesetzlichen Vater, ab. Die Aufklärung, die Josef jetzt zuteil wird, beschränkt sich nicht auf die wunderbare Art der Empfängnis Mariens durch die schöpferische Kraft Gottes. Als dem gesetzlichen Vater des zu erwartenden Kindes wird ihm auch durch Gott der Name mitgeteilt, den er diesem Kind geben soll. Namengebung war Sache des Vaters. Was besagt der Name „Jesus“? Er bedeutet: „Jahwe ist Heil“. Jahwe ist der hebräische Name für Gott. Jahwe ist Heil. Das bedeutet Jesus. Dieser Name deutet die Sendung Jesu an. Er soll Israel erlösen. Aber nicht, wie die Juden damals meinten, von der politischen Bedrückung. Nein, er soll Israel erlösen von seinen Sünden, von einer viel tieferen Fährnis als es politische Umstände sein können. Damit wird die landläufige Messiasidee in grundlegender Weise korrigiert. Es wird dem Kind eine Aufgabe zuerkannt, die nach dem Alten Testament und nach jüdischer Anschauung nur Gott selbst leisten kann: Erlösen von den Sünden. Nach der Aufklärung durch den Engel und auf seinen Befehl hin nimmt Josef seine Verlobte zu sich, führt er sie heim, ohne allerdings die eheliche Gemeinschaft mit ihr aufzunehmen.

Wir haben uns, meine lieben Freunde, in den vorstehenden Bemerkungen vor Augen geführt, wie es zu dem Ereignis kam, dessen wir in wenigen Tagen feierlich gedenken werden. Seit der Botschaft des Engels und ihrer Annahme durch Maria ist die junge Frau aus Nazareth aus dem Christentum nicht mehr wegzudenken. Die Gottesmutter gehört zu unserer heiligen Religion ebenso wie der Gottessohn. Maria weiß, wie hoch sie damit erhoben ist. "Großes hat an mir getan der Mächtige." Sie ist eine Prophetin. Sie schaut in die Zukunft. Und deswegen kann sie sagen: "Selig werden mich preisen alle Geschlechter." Und das ist die Kunde, die die katholische Kirche seit zweitausend Jahren erfüllt, dass sie selig preist die Mutter des Erlösers. Diese Aussage "selig werden mich preisen alle Geschlechter" wäre von Lukas nicht in sein Evangelium aufgenommen worden, wenn nicht von Anfang an Maria eine verehrungswürdige Gestalt gewesen wäre. Es gibt bereits in der Urkirche eine Marienverehrung, die sich bei allen Generationen fortsetzt. Einer der frühesten christlichen Schriftsteller Ignatius von Antiochien nennt Marias Jungfrauschaft und Gebären „laut zu kündende Mysterien“, laut zu kündende Mysterien, also Geheimnisse. Es war der Kirche klar, dass hier ein unerhörter Vorgang vorgeht, ein unerhörtes Wunder: Eine Mutter, die Jungfrau bleibt. Justinus, nur wenig später, im zweiten Jahrhundert, Justinus stellt die Antithese auf: „Eva – Maria“. Eva, die Repräsentantin des Unglaubens und des Ungehorsams. Maria, die Vertreterin des Glaubens und des Gehorsams. Marias Glaube und Gehorsam brachten der Menschheit das Heil. Sie ist die zweite Eva, die Pforte des Paradieses, der Morgenstern, der Sitz der Weisheit. Sie ist auserwählt zur Mutter des Messias. Die Verheißung wird allerdings von der Erfüllung weit übertroffen, denn die Verheißung, wie sie bei den Propheten vorliegt, schildert den Messias als einen Menschen, zwar einen wunderbaren Menschen, aber als einen Menschen, als einen reinen Menschen. Was sie erfüllte, war mehr. Der angekommene Messias ist der Sohn Gottes, gleichwesentlich mit dem Vater, wie die Kirche auf dem Konzil von Nicäa festgestellt hat. Und das Konzil von Ephesus hat Maria im Jahre 431den Titel "Gottesgebärerin" gegeben und diesen Titel zum Dogma erhoben. Seitdem ist die Verehrung Mariens der Ausweis des rechten Christusglaubens. Wer die richtige Vorstellung von Maria hat, der denkt auch richtig über Christus. Die Mariendogmen sind Schutzdogmen für die Christusdogmen. Als Mutter des Erlösers ist Maria der Kirche Urbild, Fürsprecherin, Wegweiserin aller, die das Wort Gottes so wie sie hörend empfangen, erwägen und befolgen. Zu ihr nehmen wir unsere Zuflucht, gestern wie heute.

Ich möchte Ihnen zum Schluß, meine lieben Freunde, ein Gebet eines Marienverehrers vorlesen, das zu Herzen geht:

"Madonna, mir ist das Herz so schwer,

ich komme aus dem sündigen Menschenland her,

von dort, wo die Wünsche wie lodernde Flammen wehen,

von dort, wo winkende Götter auf Straßen und Plätzen stehen.

Ich möchte meine Hände falten in betender Ruh',

ich habe so tiefes Heimweh, ein wenig zu sein wie Du!

In Deinen Augen blüht Friede, der kein Verwelken kennt.

Dein Mund spricht eine Frage, die tief in der Seele brennt,

die Frage, ob mein Herz leer ist vom Irdischen,

dass Du dereinst kannst betten dann leis den heiligen Christ.

Madonna, drum muss ich auch senken den Blick vor deinem Kind,

mein Herz und Sinn und Hände noch so voll des Irdischen sind.

Nun kommen die Heiligen Tage, die haben so güldenen Schein,

und strahlen das Heimweh ins Herze, Madonna, wie Du zu sein.

Ach, nimm mit Mutterhänden des Jahres Tand und Last,

nimm meiner Seele Zweifel, des Herzens ruhlose Hast.

Küß mit barmherziger Liebe die fiebernden Augen zu,

an Deinem Herzen geht auch mein Herz still zur Ruh'.

Und wenn es still geworden, sag Mutter, ist dann Advent,

wenn im tiefsten Denken die heilige Erwartung brennt?

Wenn ich vergessen die Wege im irrenden Menschenland?

Wenn ich das dunkle Verlangen in meiner Seele verwand?

Wohl ist es schwer, ich fühl' es, bis klar das Herz erkennt,

doch wenn ich guten Willens, sag, Mutter, ist dann Advent?

Und wird es Weihnacht nun wieder für Dich und das Heilige Kind,

dann schau, o Mutter, ob Herz und Seele nicht doch ein Kripplein sind."

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt