Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Dezember 2009

Johannes – Freude aus der erfüllten Pflicht

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In die Adventszeit gehört die Gestalt Johannes des Täufers. Wir hören seine Bußpredigt: „Bekehret euch, bringt würdige Früchte der Buße!“ Und auch seine Drohungen: „Ein jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“ Es besteht kein Zweifel: Die Predigt des Johannes war klar, hart und scharf. Von ihm gehen Anklagen und Vorwürfe aus. Er bezeichnet seine Zeitgenossen als „Natterngezücht“. Er vergleicht sie also mit den gefährlichen Schlangen. Am Fest des heiligen Johannes, am 24. Juni, klingt ein ganz anderer Ton auf, nämlich da betet die Kirche in der Oration um die „Gnade geistlicher Freuden“. Ausgerechnet am Feste des heiligen Johannes betet sie um die Gnade geistlicher Freuden. Wie kommt die Freudenbitte hier herein? Ist Johannes nicht eine düstere Asketengestalt, hager, ernst, abgezehrt? In rauhem Bußgewand steht er vor uns. Hat man jemals in seiner Gegenwart lachen können? Gewiß, seine Lebensweise war streng, seine Rede war hart. Er brannte vor Eifer, um seine Aufgabe zu erfüllen. Und doch war Johannes ein Freudenspender, eine geliebte und umschwärmte Persönlichkeit, von dem eine friedvolle Heiterkeit ausging.

Woher kam die Freude im Leben des heiligen Johannes? Das Leben des heiligen Johannes war deswegen voll Freude, weil so viel Ernst darin war. Weil Johannes seine Aufgabe ernst genommen hat, deswegen konnte er Freude erleben. Das ist ein Gesetz im menschlichen Leben: Erfüllte Pflicht ist eine Freudenquelle. Die Pflicht des Johannes war, das Volk zur Umkehr zu rufen, es für den Messias zu bereiten. Der Ruf zur Buße ist immer eine harte Pflicht, denn die Menschen wollen nicht zur Buße, sondern zum Genuß gerufen werden. Johannes sprach zu seinem Landesherrn das Wort: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben.“ Das bezahlte er mit dem Kerker. Er warnte und mahnte: „Die Axt ist an die Wurzel des Baumes gelegt. Ein jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“ Das war der Auftrag des Johannes. Er hat ihn angenommen und erfüllt. Und diesem Auftrag ist er zum Opfer gefallen.

Johannes war ganz der Pflicht hingegeben, und wie er es gehalten hat, haben es alle Asketen der Kirchengeschichte getan, ob Franz von Assisi oder Ignatius von Loyola. Sie waren alle Brunnen der Freude, weil sie strenge Pflichterfüllung in ihrem Leben bewiesen. Die strenge Pflichterfüllung trägt ihren Lohn in sich selbst. Treue zu Gott, Treue zu den Geboten schenkt einen tiefen Frieden und ein stilles Glück. Man ist nie glücklicher, als wenn man eine Zeit treu erfüllter Pflicht hinter sich gebracht hat. Die Pflicht ist kein Freudenkiller, die Pflicht ist eine Freudenquelle. Nicht die Minderung der Pflicht bringt Freude, sondern die Erfüllung.

Die Welt ist heute so voll Verwirrung, voll Trauer, voll Durcheinander, weil sie so wenig ernst ist. Die Welt ist so traurig, weil sie das Leben als ein Spiel begreifen möchte. Das Leben ist aber kein Spiel, sondern ein Ernst. Es ist einmalig und unwiederholbar. Die Menschheit ist keine Spaßgesellschaft, sondern sie ist das pilgernde Gottesvolk. Das Christentum ist eine ernste Angelegenheit. Hier geht es um Gut und Böse, um Gott und Satan, um Himmel und Hölle, um Heil und Unheil. Der Ernst des Christentums ist die Folge seiner Erhabenheit und seiner Unentbehrlichkeit.

Sie alle wissen, dass der Ernst des Christentums in der nachkonziliaren Kirche weitgehend ausgetrieben worden ist. So ist es nicht zu verwundern, dass es wenig Freude an der Religion, am Gottesdienst, an der heiligen Beicht gibt, dass man die Freude in Geselligkeit und in buntem Schmaus sucht. „Umtrunk“ und „Imbiß“, das sind die Worte, die Sie in Budenheim so oft hören können, Umtrunk und Imbiß, aber nicht heilige Beicht und Anbetung des Allerheiligsten. Im Buch von der Nachfolge Christi steht der bedenkenswerte Satz: „Du kannst nun einmal nicht doppelte Freude haben, dich auf dieser Erde ergötzen und drüben dich mit Christus freuen.“ Und vom heiligen Petrus Chrysologus, den wir ja am 4. Dezember gefeiert haben, stammt das Wort: „Wer Spaß haben will mit dem Teufel, kann nicht Freude haben mit Christus.“

Der Ernst des Christentums ist weitgehend verschwunden; die ernsten Wahrheiten werden unterschlagen. So auch die Unterscheidungslehren zwischen den christlichen Konfessionen. In der Gottesdienstordnung dieser Gemeinde, die ich hier vor mir habe, steht der Satz: „Alle Punkte, die zur Kirchenspaltung in der Reformation führten, sind heute aufgearbeitet und nicht mehr kirchentrennend.“ Ich wiederhole noch einmal diesen Satz: „Alle Punkte, die zur Kirchenspaltung in der Reformation führten, sind heute aufgearbeitet und nicht mehr kirchentrennend.“ Ja, meine lieben Freunde, haben die Protestanten den Heiligen Vater als Oberhaupt der Kirche anerkannt? Gibt es nicht immer noch die Schrift von Martin Luther: „Das Papsttum in Rom, vom Teufel gestiftet“? Haben die Protestanten statt zwei Sakramenten jetzt plötzlich sieben wie die katholische Kirche? Haben sie die Ehescheidung aufgegeben? Wie kann man einen solchen Satz schreiben: „Alle Punkte, die zur Kirchenspaltung in der Reformation führten, sind heute aufgearbeitet und nicht mehr kirchentrennend“? Das ist eine Spielerei und verletzt den Ernst, den wir der Wahrheit schulden.

Das Leben des heiligen Johannes war so voll Freude, weil er so ernst war. Eine weitere Freudenquelle war, dass er so viel verlassen hatte. Er war ein Asket. Er lebte in der Wüste, er hatte kein behagliches Heim, er hatte kein warmes Lager, er ernährte sich kümmerlich von Heuschrecken und wildem Honig. Er trug keine Maßanzug, sondern ein Kleid aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel. In seinem Leben fehlte jede Behaglichkeit, jede Bequemlichkeit, jede Wohligkeit. Und dennoch war er voller Freude. Denn die Freude stellt sich dort ein, wo der Mensch sich unabhängig macht von Bedürfnissen. Nicht der ist voll Freude, der alles besitzt, sondern jener, der nichts verlangt. Die Freude kommt nicht vom Genießen, sondern vom Überwinden. Wer auf Genießen aus ist, findet keine Ruhe. Warum nicht? Weil der Genußtrieb immer noch mehr und anderen Genuß verlangt. Auch vom Genußtrieb gilt das Wort des heiligen Hieronymus: „Numquam satiatur – usu crescit“ – Er wird niemals satt, er wächst, indem man ihm nachgibt. Usu crescit – numquam satiatur. Die Freude wird geradezu ausgetrieben durch den Genuß. Von dem Genießer Goethe stammt das schöne Wort: „Genießen macht gemein.“

Die laute Lust ist oft nur durch eine dünne Wand von der stummen Verzweiflung geschieden. Alle Lebemänner der Geschichte und der Literatur sind Zeugen dafür, dass der Satz wahr ist: „Wer der Lust, wer dem Vergnügen nachjagt, dem entflieht die Freude.“ Man müßte annehmen, dass die meisten Selbstmordkandidaten unter den Ausgestoßenen, unter den Verlassenen, unter den Elenden dieser Erde zu finden sind. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die meisten Selbstmorde begehen Lebemänner und Lebefrauen, die von Begierde zu Genuß ziehen und, wie es im Faust heißt, „im Genuß verschmachten nach Begierde“. Sie kennen alle, zuletzt aus dem eben aufgeführten Film, die Schauspielerin Romy Schneider. Sie hatte zahlreiche Filmrollen gespielt, in ihnen geglänzt, Anerkennung gefunden, in Paris ein mondänes Leben geführt. Ein Journalist schrieb von ihr: „Sie wechselt ihre Liebhaber wie ihre Höschen.“ Und sie endete mit 43 Jahren durch eine Überdosis Tabletten. Viele Menschen sind auf der Jagd nach der Freude. Sie haben geradezu Angst, dass sie eine Freude versäumen könnten. Und deswegen wird Mißtrauen gegen die Kirche und gegen die „Pfaffen“ gesät. Die sind es angeblich, die den Menschen die Freude nicht gönnen. Der Schauspieler Till Schweiger, ein Unzüchtiger, dieser Schauspieler Till Schweiger hat vor wenigen Tagen gesagt: „Die Treue hat sich die Kirche ausgedacht.“ Meine lieben Freunde, die Treue hat sich Gott ausgedacht, und die Kirche verkündet sie auf Anruf, auch wenn sie noch so sehr geschmäht wird. Dauernd gesuchte Freude und unerlaubt gesuchte Freude wird langweilig, so langweilig, dass sich ein reicher junger Engländer in der Schweiz eine Felswand hinabstürzte. Auf einem zurückgelassenen Zettel fand man die Worte: „Mir war es zu langweilig.“

Und dann die Marter des bösen Gewissens. Da sagt man mir: Der moderne Mensch hat kein böses Gewissen, wenn er das tut, was die Christen Sünde nennen. Ich glaube das nicht. Mag sein, dass der Rausch eine Zeitlang vorhält, dass die große Masse derer, die ebenfalls auf diesem verderblichen Wege gehen, ihn einigermaßen zu beruhigen vermag. Es mag sein, dass die Flucht vor dem Alleinsein die Stimme des besseren Ich überschreit. Aber eben diese Flucht ist ein Zeugnis für die Existenz des Gewissens. In dem Versuch, das Gewissen zu ersticken, sehe ich seinen rächenden Arm. Das Gewissen scheint zu schlafen, aber eines Tages wird es aufwachen. Früher oder später werden es streitende und anklagende Gedanken sein, die aus dem Gewissen hervorgehen, und sie werden beim Gericht ein furchtbarer Zeuge sein. Ich glaube nicht, dass der moderne Mensch kein Gewissen hat. Ich glaube nur, dass er versucht, es zu ersticken. So absurd es klingt: Beherrschung, Beschränkung, Bescheidung, Enthaltsamkeit bringen Freude, die Freude eines ruhigen, eines sicheren Gewissens.

Von den ersten Jüngern des heiligen Franz von Assisi, die eins ehr frohes Leben führten, heißt es in einer Biografie: „Sie konnten sich so sehr freuen, weil sie so viel verlassen hatten.“ Ein scheinbar absurder Satz, in Wirklichkeit eine ganz tiefe Weisheit: Sie konnten sich so sehr freuen, weil sie so viel verlassen hatten.

Die letzte, dritte Freudenquelle des heiligen Johannes war der Messias. Ihn hatte er anzukündigen, für ihn hatte er Bereitungsarbeit zu leisten. „Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seine Pfade. Alles, was krumm ist, soll ebener Weg werden.“ Das war seine Lebensaufgabe: der Dienst für den, der größer war als er selbst. Und das ist immer so: Aus dem willigen Dienen erwächst Freude. Wer sich einer großen Idee, einer großen Persönlichkeit dienend unterordnet, der wird froh in seinem Dienst; denn er hat den Inhalt seines Lebens gefunden. Wir Christen wissen, welches der Inhalt unseres Lebens ist: „Ich bin auf Erden, um Gott zu lieben, Gott zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen.“ Der Dienst Gottes ist unsere Auszeichnung, unsere Würde, unser Glück. Im Buch von der Nachfolge Christi steht zu lesen: „Ist es etwas Großes, dass ich dir diene? Das darf mir nicht groß dünken, dass ich dir diene, sondern es scheint mir vielmehr groß und staunenswert, dass du dich würdigst – dass du dich würdigst! – einen Armen und Unwürdigen zu deinem Dienst anzunehmen.“

Der Dienst Gottes muss selbstlos sein. Wer Gott dient, darf nicht seine Befriedigung oder seinen Vorteil suchen, sondern allein das Wohlgefallen Gottes. Johannes hat selbstlos gedient. „Er muss wachsen, ich muss abnehmen.“ Das ist der Grundsatz des heiligen Johannes gewesen. Und das mahnt uns: Mache aus der Religion kein Geschäft! Betrachte den allherrscherlichen Gott nicht als Versicherung für Gesundheit, Besitz und Leben! Wage nicht zu denken, du könntest Gott verpflichten oder gar zwingen! Religion st keine Magie. Gottes Barmherzigkeit ist keine kindische Ohnmacht, seine Erhörungswilligkeit ist keine Abhängigkeit vom Menschen. Johannes mahnt uns: „Sei lauter in deinem Dienst, du hochmütiger Staub!“

Liebe verträgt keine Selbstsucht. Je mehr die Liebe wächst, um so selbstloser muss der Mensch werden. Und wer in der Liebe seine Befriedigung sucht, dem entflieht die Freude. Gewiß, keine selbstlose Tat bleibt ohne Lohn, aber diesen Lohn darf man nicht suchen. Es ist durchaus möglich, dass die größere Nähe bei Gott mit dem Verlust von Gnadentröstungen bezahlt werden muss. Wer war näher bei Gott als die heilige Theresia von Avila? Und wer hat jahrelang weniger Gnadentröstungen empfangen als sie, diese große spanische Heilige? Aber freilich, das Glück hat ihr nicht gefehlt, denn sie war glücklich, weil ihr Gott gewährte, mehr lieben zu dürfen. Im Himmel werden wir unendlich lieben und deswegen auch unendlich glücklich sein.

Aus Demut und Gehorsam wächst die Freude. Wer sich willig den Fügungen und Führungen Gottes anvertraut, in den ziehen Freude und Gelassenheit ein. Er weiß sich geborgen in der Hand Gottes. Wie sagt doch so schön das Buch von der Nachfolge Christi: „Was du mit mir tust, das kann nicht anders als gut sein.“

Johannes ist Lehrer zu wahrer Freude. Er ist es, weil er so ernst war in seinem Leben, weil er so vielem entsagt hatte und weil er den Messias als den Inhalt seines Lebens ansah. Je mehr wir uns, meine lieben Freunde, an Gott verschenken, um so mehr wächst die Freude in unserem Herzen.

Amen.

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