Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Schmerzensmann auf den Stationen seines Lebens (Teil 2)

8. März 2020

Unser Herr an der Geißelsäule

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Sünde ist nicht das Lieblingsthema der Welt von heute. Sie proklamiert den Genuss als Sinn des Lebens: Pflücke die Rosen, ehe sie verblühen. Hemmungsloser Genuss lässt keinen Platz für die Sünde. Was wir Sünde nennen, bezeichnen viele als Selbstverständlichkeit, als Mitgehen mit der Zeit, als Lebensbejahung. Wir sind gläubige Menschen. Was der Glaube uns sagt, ist für uns maßgebend. Sünde ist das Vergehen gegen Gottes heiliges Gebot. Sünde macht schuldig. Sünde verdient Strafe. Gott hat seinen Sohn geschickt, damit er die Sünden der Menschen stellvertretend auf sich nehme und sühne. Den, der die Sünde nicht kannte, hat Gott für uns zur Sünde gemacht. Des Sohnes Strafleiden ist die Sündenpredigt des Vaters.

Pilatus steht mit Jesus auf der Treppe des Palastes; zu ihren Füßen tobt ein Vulkan. Die Glut des Hasses schlägt aus tausend Kehlen und Herzen heraus: „Kreuzige ihn! Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Pilatus bekommt es mit der Angst zu tun. Er knickt ein. Er fürchtet, dass sich hier eine Revolte zusammenbrauen könnte. Deswegen: „Ich finde keine Schuld an ihm, aber ich will ihn züchtigen.“ Was ein Richter, meine lieben Freunde, was ein Richter. Wenn er Jesus für schuldlos hält, muss er ihn freigeben. Wenn er ihn aber züchtigt, dann bekennt er ja damit, dass er schuldig sei. Welch ein Widerspruch eines römischen Richters. Pilatus versichert: „Er ist ohne Schuld, aber ich will ihn züchtigen und dann freigeben.“ Züchtigung ist die Geißelstrafe. Nach römischem Recht war die Geißelstrafe eine Begleitstrafe der Hinrichtung; die Hinzurichtenden wurden vorher gegeißelt. Aber hier ist es anders. Hier ist die Geißelstrafe eine selbständige Strafe. Pilatus lässt Jesus geißeln in der Hoffnung, die Juden würden dann von ihrer Forderung ablassen, ihn zu kreuzigen. Er will die Juden besänftigen, indem er ihnen Jesus als Gegeißelten vorstellt: „Ich will ihn geißeln lassen und dann freigeben.“ Diese wenigen Worte des Pilatus führen das Schauspiel herauf, das unsere Seele erbeben lässt. Der Reinste und Unschuldigste, der je über diese Erde ging, wird zu einer menschlichen Ruine, zum Auswurf der Menschheit geschlagen. Man versteht, dass Jesus bei der Vorherverkündigung seines Leidens immer wieder auf die Geißelung zu sprechen kam. Sie war ja so entehrend. Der Gegeißelte war für sein ganzes Leben gerichtet, gebrandmarkt, in die Verbrecherklasse eingereiht, ohne bürgerliche Ehrenrechte. Und diese Strafe war so schrecklich – schon bei den Juden, die nur neununddreißig Streiche zuließen – vierzig weniger einen. Anders bei den Römern. Die Römer vollzogen die Geißelung nicht mit Ruten wie die Juden, sondern mit einer Peitsche. Die Lederriemen dieser Peitsche waren mit Knochen, Bleikugeln oder sonstigen Metallstücken versehen. Ein Höchstmaß von Schlägen war nicht vorgesehen. Es kam nicht selten vor, dass ein Gegeißelter unter den Geißelhieben starb.

So steht der Herr jetzt inmitten seiner Henkersknechte. Sie reißen ihm die Kleider vom Leibe. Sie überschütten ihn mit rohen Witzen – wir wissen, wie solche Männer sich verhalten. Man bindet Stricke um die Hände und bindet ihn fest: die Arme, die Füße, den Körper, die Beine, sodass sich der Herr nicht bewegen kann. Die Geißeln sausen durch die Luft und klatschen auf Schulter und Rücken. Bald sind Rücken und Schulter mit Striemen, dann mit Rissen, schließlich mit Wunden übersät. Blut tropft herunter auf den Boden und zu den Henkern, als flehe es um Erbarmen. Aber sie kennen kein Erbarmen. Sie hören und sehen nicht, sie geißeln weiter. Unmessbarer Schmerz erfüllt den Herrn. Hier wird über die Sünde Gericht gehalten! Weiter wütet der Schmerz, bis der Heiland – so dürfen wir annehmen – die Besinnung verliert und ohnmächtig an der Geißelsäule niedersinkt. Jetzt legen die Henker die Geißeln weg. Sie müssen aufhören, denn sonst schlagen sie ihn tot. Stehen kann er nicht, die Schwäche ist zu groß, der Schmerz hält ihn betäubt. Regungslos – so dürfen wir annehmen – liegt er wie tot am Fuße der Säule in seinem Blut. Jetzt ist das eingetreten, was der Prophet Isaias vor Jahrhunderten vorausgesagt hat: „Wie verachtet ist er, der letzte der Menschen, ein Mann der Schmerzen. Unsere Leiden trägt er und büßt für unsere Sünden. Er ist verwundet worden um unserer Missetaten willen. Ob unserer Sünden liegt die Last auf ihm, unseres Friedens wegen erduldet er die Züchtigung.“ Das ist jetzt Wirklichkeit geworden an der Geißelsäule von Jerusalem. Wir wissen, wir Menschen sind schuld daran, auch wir durch unsere Sünden. Wir halfen mit, dass Gottes eingeborener Sohn zum Mann der Schmerzen geschlagen wurde. „Ach, Herr, was du erduldest, ist alles meine Last. Ich habe das verschuldet, was du getragen hast.“

Abscheu über die Sünde sollte uns packen. Die Sünde ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist keine Würze des Lebens, sie ist eine bodenlos gemeine Tat. Ihretwegen lässt Gott seinen geliebten Sohn zerschlagen. 1. Gebot: „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!“ So viele, die Gott vergessen. Sie stürzen sich in das irdische Leben, in seine Genüsse, Arbeit und Sorgen und achten das Leben in Gott als nichts. So viele, die behaupten, an Gott zu glauben, aber seine Gebote für ganze Gebiete des Lebens ablehnen: für das Erwerbsleben, für das Eheleben, für das politische Leben. So viele, die Gott leugnen. Sie sehen das Weltenbauwerk und leugnen den Weltenbaumeister. Sie sehen die Wunderwerke der Schöpfung. Ein Blatt am Baum, meine lieben Freunde, ist eine chemische Fabrik, und diese chemische Fabrik ruft nach einem Ingenieur, nach einem Schöpfer. Von denen, die Gott leugnen, sagt Paulus, „sie sind unentschuldbar“. So viele, die Gott hassen. Das ist das Unheimlichste: der Gotteshass. Er äußert sich heute in zunehmendem Vandalismus, also in blinder Zerstörungswut an geistlichen, an religiösen Gegenständen. In Frankreich wurden im Jahr 2019 tausendzweiundfünfzig Anschläge gegen katholische Kirchen gemeldet. Bei uns ist es nicht viel anders. In Mainz und in umliegenden Orten werden fortwährend Kreuze und Bilder zerstört: in Mombach, in Bodenheim, in Gernsheim, in Laubenheim, in Ingelheim: das Jesuskind gestohlen aus der Krippe, eingeworfene Kirchenfenster, Zerstörung von Kreuzen, Fäkalien im Weihwasser. Wie viele Sünden gegen das 3. Gebot: „Gedenke, dass du den Sabbat heiligest!“, so hieß es im Alten Bunde. An die Stelle des Sabbats ist der Sonntag getreten. Wie eifersüchtig wachte Gott im Alten Bund über die Heilighaltung seines Tages. Und wie viele Christen kümmern sich nicht um den Tag des Herrn. Millionen von Katholiken, die die heilige Messe nicht besuchen, Millionen von Katholiken, die sie aus den geringsten Gründen versäumen. Und wie verbringen sie den Tag des Herrn? Ohne Aufblick zum ewigen Gott, ohne Danksagung für seine Gaben, ohne Gebet und Einkehr. Wenn der Sonntag stirbt, meine lieben Freunde, dann stirbt auch die Religion! Das 5. Gebot: „Du sollst nicht töten!“ O, der Tod, nein, der Mord geht um in unserem Lande. Fachleute sagen, dass in jedem Jahre Hunderttausende deutsche Frauen morden und morden lassen. Sie verleugnen die Mutternatur und erschlagen kalten Herzens das Ungeborene unter dem Mutterherzen.

Ob sich das Gott alles gefallen lässt? Niemand, auch kein Bischof, niemand spricht davon, dass die Sünde den Zorn Gottes hervorruft, von dem in der Heiligen Schrift dutzendweise die Rede ist. Die Missachtung der sittlichen Ordnung, die ja in Gott ihren Urheber hat, ist ein Anschlag gegen den Gesetzgeber, gegen Gott. Und der Zorn Gottes ist die gerechte Strafe und Ahndung dieser Vergehen. Niemand täusche sich: Gott ist allmächtig im Trösten, er ist aber auch allmächtig im Züchtigen. Der Zorn Gottes hat viele Möglichkeiten, sich an den Schuldigen auszuwirken. Ihm ist jeder erreichbar und keiner entgeht ihm. Gott ist der Herr der Natur. Er kann ihr gebieten, in Ausführung seines Zornes die sündige Menschheit zu strafen. Wenn er will, steht die Natur auf gegen die Menschheit, die den Herrn der Natur verspottet: langanhaltende Trockenheit oder Dürre, Stürme und Tornados, Wasserfluten und Überschwemmungen, Aussterben der nützlichen Tiere und Zunahme der verderblichen Tiere. Die Explosion des Vulkans Krakatau in Indonesien stieß eine Materialmenge von 18 km³ aus. Die Asche fiel auf eine Fläche von 800000 km². Sie stieg in eine Höhe von 50-80 km. Sie verteilte sich über die ganze Erde und verursachte in der Atmosphäre Dämmerungserscheinungen, die noch nach drei Jahren zu spüren waren. Die Früchte des Feldes gediehen nicht wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung. Mangel an Lebensmitteln breitete sich aus, Hungersnöte suchten ganze Länder heim, Wälder starben ab, die Blätter fielen von den Bäumen. Das alles geschah im Jahre 1883. Es kann jeden Tag wiederkommen. Auf Erden gibt es Hunderte tätiger Vulkane. Gott kann auch ein Virus beauftragen, seine Strafe an einer gottvergessenen Bevölkerung zu vollziehen. Der Lauf des Virus geht rasch, er ist nicht aufzuhalten. Ganze Städte, Regionen und Länder werden von einer Epidemie heimgeholt. Aus der Epidemie wird die Pandemie, d.h. eine Krankheitswelle, die über ganze Länder und ganze Erdteile zieht. Die Krankenanstalten fassen die Kranken nicht mehr; Bekämpfungsmittel stehen nicht zur Verfügung. Der Tod hält Ernte. Das Wirtschaftsleben bricht zusammen. Im vorigen Jahre haben Wirtschaftsfachleute gesagt, in dem Jahre 2020 kommt der Crash, also der große Zusammenbruch der Wirtschaft. Hat er vielleicht schon begonnen? Die Produktion stockt, der Absatz knickt ein. In den Ländern, die auf die Touristen angewiesen sind, bricht der Besucherstrom ein. Die bislang schwerste Pandemie, die Spanische Grippe, die von 1918-1920 herrschte, erfasste in vier Wellen 500 Millionen Menschen; von ihnen starben 25-40 Millionen. Gott ist kein Hampelmann, er lässt seiner nicht spotten. „Ihr nennt mich Vater und ehrt mich nicht. Ihr nennt mich Erlöser und hört mich nicht. Ihr nennt mich Herr und fürchtet mich nicht. Dass ich euch verdamme, verdenkt mir’s nicht.“

Aus dem Dunkel taucht das kleine inhaltsschwere Wort Hölle auf. Das Wort ist heute verbannt, das will man nicht hören. Wer kann heutzutage noch von Hölle reden, so sagt man. Meine lieben Freunde, einer ist es, der von der Hölle redet: es ist unser Herr und Heiland. Dutzendmal hat er von der Hölle gesprochen. Sein Wort ist die Wahrheit. Denken Sie an das Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus. Der Prasser sitzt bei einem üppigen Mahle mit Freunden und Freundinnen, ein reicher Potz. Der Gott dieser Menschen ist der Bauch. Sie trinken den Becher der Lust bis auf den letzten Tropfen. Sie lachen über Gott und spotten über ihn. Vor der Tür des Prassers liegt der Bettler Lazarus. Er hofft auf Brosamen vom Tisch der Reichen, aber niemand gibt sie ihm. Hunger und Krankheit haben seinen Körper zermürbt; keiner hat Mitleid mit ihm. Aber dann sterben sie. Da zeigt sich der Unterschied. Beide kommen vor Gottes Gericht. Der Prasser wird in der Hölle begraben, der Lazarus im Schoße Abrahams, also in der himmlischen Herrlichkeit. An dem Gleichnis ist nichts zu rütteln und nichts zu deuten. Der Prasser kommt in die ewige Hölle, um Wasser bittend, da wird ihm die Antwort zuteil: „Zwischen uns und dir gähnt eine unüberwindbare Kluft. Beim besten Willen kann niemand von hier zu euch und von dort zu uns kommen.“ Man spottet über die Hölle. Wie sagt man? Es ist noch keiner wiedergekommen. O ja, meine lieben Freunde, das stimmt, aber es beweist nicht, dass es keine Hölle gibt, sondern dass sie ihre Bewohner für immer festhält. Andere behaupten, Christus will mit der Warnung vor der Hölle nur die Menschen schrecken, dass sie nichts Böses tun, aber noch keiner, noch keiner ist wirklich in der Hölle verdammt worden. O, meine Freunde, welch ein Unsinn, welch ein Unsinn! Wenn die Hölle nur ein Schreckbild ist, aber niemand hineinkommt, dann hat sich das Schreckbild ja in Luft aufgelöst. Wer lässt sich denn von etwas schrecken, was nicht existiert? Wie albern sind diese so genannten Exegeten, die diese Behauptung aufstellen. Ich möchte nicht schuldig werden vor Gott, indem ich von der ewigen Hölle schweige.

Der Urteilspruch des ewigen Richters lautet: „Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!“ Weichet von mir, d.h. die verdammte Seele ist ohne Gott, ohne Ziel, ohne Liebe, ewig ohne Gott, ohne Licht, ohne Trost, ewig unruhig und heimwehkrank nach dem, der sie für sich schuf. In der Hölle gibt es keine Abwechslung, keine Entspannung, keinen Urlaub, keine Hoffnung auf ein Ende der Qual. In der Hölle gibt es keinen Trost, den die Geschöpfe einander spenden könnten, denn die Verdammten wüten auch gegeneinander. „Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!“ Feuer ist ein Bild für die Qual der Verdammten. Im Feuerkerker liegen die Verdammten und müssen leiden, was sie gesündigt haben. Das Wörtlein „ewig“ macht die Hölle zur Hölle. Immer brennen, nimmer heraus, immer verflucht, niemals gesegnet. Ist das wirklich wahr? Gott hat es gesagt. Gottes Wort steht fest in alle Ewigkeit. Wir verstehen, dass der Heiland von der Raserei der Verdammten spricht, „dort wird Heulen und Zähneknirschen sein“, sagt er. Das ist der Schlusspunkt der Sünde: die Hölle. Meine lieben Freunde, lassen wir uns warnen. Noch haben wir die Wahl. Noch können wir entscheiden, entweder das Leben nach eigenem Willen: Sünden, Laster, Hölle oder ein Leben nach Gottes Willen: Opfer, Tugend Himmel. Wählen wir. Und dann handeln wir. Zerreissen wir die Fesseln der Sünde und gehen wir festen Schrittes, starken Herzens den Weg des Guten. Wählen wir. „Herr, hilf. Lass dein Blut und deine Pein an mir doch nicht verloren sein!“

Amen.  

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