Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Leben in christlicher Gemeinschaft (Teil 7)

26. November 2006

Glück und Segen der menschlichen Arbeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die längste Zeit unseres Lebens füllt die Arbeit aus. An jedem Morgen steht sie vor uns und drängt uns, wartet auf uns, und wir alle wissen, die Arbeit ist eine harte Bürde. Es ist eine Last, arbeiten zu müssen; daran führt kein Weg vorbei. Denn im 1. Buch der Heiligen Schrift heißt es: „Verflucht sei die Erde um deinetwillen. Mit Mühsal sollst du dich nähren alle Tage deines Lebens. Im Schweiße deines Angesichtes wirst du dein Brot verzehren.“ Diese Wahrheit bleibt immer gültig. Und nicht nur unsere Arbeit ist gefährdet und ist schwer und lastenreich, auch die Umwelt bedroht uns. Wir sehen, wie Hagel und Stürme unsere Umwelt heimsuchen, die Früchte von den Bäumen reißen, die Saat vernichten, Mißgeschick die Früchte unserer Arbeit zerstört. Wahrhaftig, die körperliche Arbeit – und die geistige Arbeit! – ist mühsam und schwer. Wer es anders sagt, der kennt sie nicht. Und doch gilt: Die Arbeit ist erstens eine Quelle des Glücks; sie ist zweitens eine Quelle des Segens.

Die Arbeit ist erstens eine Quelle des Glücks. Warum? Weil sie eine heilige Pflicht ist. Die Arbeit ist uns von Gott kraft unserer Natur auferlegt. Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen. Er hat seine körperlichen und geistigen Kräfte bekommen, damit er mit ihnen schaffe und wirke. Unsere Natur verlangt die Arbeit. Wenn die Muskeln nicht gebraucht werden, dann verkümmern sie. Wenn der Geist nicht geübt wird, dann wird er leer und schal. Und wenn der Wille nicht angestrengt wird, dann bleibt er kraftlos und schwach. Das ganze Menschenleben ruft nach Arbeit und Tätigkeit. Es gibt ein schönes Sprichwort: „Gott hat den Brunnen geschaffen, aber nicht den Eimer, und Gott hilft dem Schiffer, aber er muss rudern.“

Zu der aus der menschlichen Natur sich ergebenden Pflicht zur Arbeit kommt Gottes Gebot. Die Arbeit gehört so sehr zum Menschen, dass Gott schon im Paradiese ein Gebot gab. „Gott setzte den Menschen in den Garten Eden, auf dass er ihn bebaue und pflege.“ Der erste Mensch hat nicht in einem Schlaraffenland gelebt, wo ihm die gebratenen Tauben in den Mund flogen. Er musste arbeiten, und er musste den Garten pflegen und bewachen. Die Arbeit ist also eine Pflicht, die Gott uns auferlegt hat. Unser Heiland selber hat jahrzehntelang körperliche, schwere körperliche Arbeit verrichtet und dann eine Zeit lang die Geistesarbeit der Verkündigung und der Heilung. Was er so durch sein Beispiel bekräftigt hat, das hat er in den Gleichnissen bestätigt. Denken wir an das Gleichnis vom faulen Knecht, der das Pfand, das Gott ihm gegeben hatte, vergrub. Oder denken wir an den verfluchten Feigenbaum, der keine Früchte trug. Der Apostel Paulus fasst dieses Gebot ganz kurz in den Satz: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Natürlich heißt das: Wer nicht arbeiten will. Wer nicht arbeiten kann, das ist eine andere Frage. Aber wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Für uns ist also die Arbeit eine heilige Pflicht.

Aber auch eine heilige Freude. In der Arbeit dürfen wir schöpferisch tätig sein, ähnlich wie Gott tätig ist. Was ist es für eine Freude, im Garten zu schaffen, dem Boden den Samen anzuvertrauen, ein Bäumchen zu pflanzen und die übrigen vielen schönen Arbeiten zu verrichten, die nun einmal notwendig sind, damit die Erde ihre Frucht gebe! Schöpferisch ist der Gärtner, schöpferisch ist der Landmann, schöpferisch ist auch der Handwerker, der schöne Dinge hervorbringt. Auf einmal steht an einer öden Stelle ein Haus. Eben wachsen in Mombach wieder Häuser aus dem Boden, und es ist eine Freude, anzusehen, wie sie emporstreben. Schöpferisch ist auch der Arbeiter, der mit seiner Hände Arbeit die Erde gestaltet, sie zu Werkzeugen und Gebrauchsgegenständen macht. Schöpferisch ist die Hausfrau, die das Haus in Ordnung hält, die für Nahrung und Speise und Trank sorgt. Schöpferisch ist auch der geistige Arbeiter, der Gelehrte, der Künstler, der Wissenschaftler, der Erfinder. Welche Freude ist es, schöpferisch tätig zu sein! Welche Freude ist es, das Werk seiner Hände oder die Frucht des Geistes zu schaffen! Das Haus, das man gebaut hat, das Feld, das man angelegt hat, das Buch, das man geschrieben hat, das Festmahl, das man angerichtet hat, das Kunstwerk, das man geschaffen hat, das ist der Stolz des Menschen, und ein berechtigter Stolz. Die Arbeit ist eine reiche Quelle des Glückes, und jeder Beruf hat seine eigene Arbeitsfreude.

Die Arbeit ist aber auch als verschenkende Tätigkeit Gott ähnlich. So wie Gott uns beschenkt mit seinem Regen und mit seiner Sonne, so wie er alles wachsen und gedeihen lässt, so dürfen auch wir in der Arbeit verschenkend tätig sein, indem wir Menschen an den Früchten unserer körperlichen oder geistigen Arbeit teilnehmen lassen. Die Verkäuferin, die die Waren an die Menschen absetzt, das Dienstmädchen, das das Haus in Ordnung hält, sie alle teilen den Segen Gottes weiter aus. Es ist eine Freude, Werkzeug des schaffenden und schenkenden Gottes zu sein. Wahrhaftig, die Arbeit ist eine Quelle des Glückes. Manche verstehen erst dann sie zu schätzen, wenn sie nicht mehr arbeiten dürfen, weil sie krank sind, weil sie behindert sind. Dann sehen sie erst, welches Glück ihnen entgangen ist, welches Glück ihnen geraubt wurde, als sie die Arbeit lassen mussten. Ich sage immer: Ich will den Berg der Arbeit gar nicht übersehen, wenn ich nur arbeiten darf und wenn ich nur arbeiten kann.

Die Arbeit ist aber auch zweitens eine Quelle des Segens. Wir wissen alle, dass durch die Arbeit – und nur durch die Arbeit – irdische Güter hervorgebracht werden und dafür ein Lohn erwartet werden kann. Mit der Arbeit verdienen wir unseren Lebensunterhalt für den Einzelnen und für die Familie. Durch die Arbeit entsteht Wohlstand und Zufriedenheit im Volke. Die Sozialethik hat sich große Mühe gegeben, zu bestimmen, welches der gerechte Lohn ist. In den Jahren und Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Kirche immer wieder darauf gedrungen, es möge doch ein Familienlohn gezahlt werden, also ein Lohn, den der Vater heimträgt und mit dem er seine Familie erhalten kann. Es sollte nicht notwendig sein, dass die Frau auch noch auf die Arbeit geht. Sie sollte sich der Pflege des Haushalts und der Erziehung der Kinder widmen. Hier hat sich ein erschreckender Mentalitätswandel vollzogen. Von Kindern ist in den meisten Familien keine Rede mehr; wenn ja, dann 1 Kind. Und viele Frauen meinen, sie könnten sich verwirklichen – verwirklichen! –, wenn sie im Büro sitzen und an der Schreibmaschine oder am Computer arbeiten. O meine Freunde, die Kirche hatte vollkommen recht, aber sie ist von den Fakten überholt worden, ich gebe es zu. Sie ist von den Tatsachen überrollt worden. Aber auch heute noch muss ein gerechter Lohn gezahlt werden. Dem Arbeiter den Lohn vorenthalten, den er verdient hat, ist eine himmelschreiende Sünde.

Die Arbeit dient aber auch der persönlichen Vollkommenheit. Wir alle wissen, wie viele Kräfte wir einsetzen müssen, um etwas Ordentliches zustande zu bringen, körperliche Kräfte, geistige Kräfte. Durch die Arbeit wird unser Charakter entwickelt. Wir lernen, genau, gewissenhaft und sauber zu schaffen. Die Arbeit ist eine Quelle persönlicher Vollkommenheit. Sie adelt uns, denn sie kostet Selbstüberwindung und Opfer. Unsere Persönlichkeit reift durch die Arbeit. Ich pflege immer zu sagen: Die Arbeit besitzt therapeutischen Wert. Sie bewahrt uns vor vielen Gefahren, und sie bildet unsere Persönlichkeit. Hier wächst der ganze Mensch. Mir sagte einmal ein Handwerker: „Wir machen jede Arbeit so, als ob sie für uns selbst wäre.“ Ein schöneres Zeugnis kann man eigentlich nicht aussprechen. Wir machen jede Arbeit so, als ob sie für uns selbst wäre. Durch die vernünftig betriebene Arbeit erhält man auch die Gesundheit und sorgt für erquickenden Schlaf. Die körperliche und sittliche Kraft bleibt einem erhalten. Der Müßiggang entnervt, und das Laster der Trägheit schafft in uns Krankheit und Lauheit. „Kraft, die nicht schafft, erschlafft“, sagt ein Sprichwort. Kraft, die nicht schafft, erschlafft.

Die Arbeit ist auch eine Quelle der Sühne. Durch die Arbeit machen wir gut, was wir verfehlt haben. Durch die Mühsal der Arbeit, durch die Erfolglosigkeit der Arbeit, durch das Misslingen der Arbeit büßen wir ab, was wir durch unsere Sünden an Schaden angerichtet haben. Die Schwere der Arbeit ist eine Sühne für unsere Sünden. Die Mühsal der Arbeit ist Sündentilgung. Es ist die Arbeit ein Mittel zur Sühne und zur Buße.

Sie ist aber auch ein Mittel zur Gnade und zum Verdienst, dann nämlich, wenn wir mit Gott und für Gott arbeiten. Wir müssen uns an eine Wahrheit erinnern, die bei den meisten Menschen ganz in den Hintergrund gedrungen ist, nämlich an die Wahrheit vom sogenannten „concursus generalis“. Was ist das, ein „concursus generalis“? Mit diesem Begriff wird ausgesagt, dass Gott alles, was überhaupt lebt, wirkt. Alles, was auf Erden oder im Himmel oder wo immer es sich befindet, Existenz besitzt, wird von Gott gewirkt. Gott wirkt mit jeder Handlung der Geschöpfe mit. Deswegen allgemeine Mitwirkung – concursus generalis. Gott treibt alles, was sich bewegt und was etwas wirkt, durch eine innere Kraft zu Bewegung und Tätigkeit an. Ja, aber wie stimmt denn das damit überein, daß wir uns selber rühren? Beides gilt: Gott schafft alles, und wir schaffen alles, aber wir in untergeordneter Weise und in der Kraft Gottes. Das ist kein Widerspruch, sondern das ist die Auflösung des Rätsels, wie der Mensch schaffen kann. Wegen der gänzlichen Abhängigkeit des Geschöpfes von Gott kommt die ganze Wirkung der göttlichen Ursache zu. Und weil wir selber aufgerufen sind zur Arbeit, kommt auch in untergeordneter Weise die ganze Wirkung dem Menschen zu. Die Kausalität des Menschen wird durch die göttliche Kausalität nicht aufgehoben. Wir sind also Mitarbeiter Gottes.

Und wir sollten uns daran erinnern, wenn wir arbeiten, dass Gott mit uns wirkt, dass Gott bei uns ist und dass er durch uns wirkt und dass wir – das ist das zweite nämlich – nicht nur mit Gott arbeiten sollen, sondern dass wir auch für Gott arbeiten sollen. Wir sollen uns bei der Arbeit immer wieder die gute Meinung erwecken, d.h. wir sollen im Herzen und manchmal auch mit dem Munde sprechen: Gott, laß mich zu deiner Ehre arbeiten, zu deiner Verherrlichung, zu deinem Lobe. Laß mich diesen Tag bei dir verbringen, für dich und deine größere Herrlichkeit, für das Heil meiner Seele und zum Segen für meine Mitmenschen. „Alles, was ihr tut in Wort oder Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus und danket durch ihn Gott dem Vater!“ So mahnt der Apostel Paulus im Kolosserbrief. Alles (!) was ihr tut in Wort oder Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus. Wir verherrlichen also Gott durch unsere Arbeit. Wir bieten ihm unsere Arbeit als unsere Geschenke an und arbeiten für das Heil der Seele und für die Heiligung der Welt.

Ein Priester kam einmal zu einem Bekannten ins Arbeitszimmer, und da sah er auf dem Schreibtisch das Bild einer jungen Frau. Der Mann sagte zu ihm: „Sehen Sie, jetzt weiß ich, für wen ich arbeite. Das ist meine Braut. Jetzt weiß ich, für wen ich arbeite.“ Der Priester lächelte und wies auf das Kreuz und sagte: „Auch ich weiß, für wen ich arbeite.“ Auf solcher Arbeit, die vor Gott und mit Gott und für Gott getan wird, auf solcher Arbeit ruht ein Segen. Und so sollten wir auch immer mit einem Gebet in die Arbeit gehen, sollten das Kreuzzeichen machen, wenn wir die Arbeit beginnen, sollten das Weihwasser nehmen, sollten sagen: In Gottes Namen will ich diesen Tag vollbringen. Denn das ist das Wichtigste bei der Arbeit, der Segen Gottes. In meiner Heimat in Schlesien knieten die Bergleute, wenn sie in das Kohlebergwerk einfuhren, zuerst am Anna-Altar nieder und beteten für ihre schwere und gefährliche Arbeit um den Schutz der heiligen Mutter Anna. Auch wir sollen für unsere Arbeit den Schutz Gottes und seiner Heiligen erflehen. Wir wollen mit Gott arbeiten und für Gott arbeiten. Vor einigen Jahrzehnten lernte ich einmal eine Generaloberin der Mallersdorfer Schwestern in Bayern kennen. Als sie zum Sterben kam, sagte diese gütige Frau: „Ich fürchte mich nicht vor dem Sterben. Ich habe immer für den lieben Gott gearbeitet.“

Amen.

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