Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Wiederkunft des Herrn (Teil 2)

16. Dezember 2001

Die Herrschaft des Antichristen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Den König, der wiederkommen wird, laßt ihn uns anbeten!“ So flehen wir Priester während der Adventszeit jeden Tag in unserem Stundengebet. „Den König, der wiederkommen wird, kommt, laßt ihn uns anbeten!“ Der Tag des Herrn ist gewiß, die Stunde ist ungewiß. Aber damit die Christenheit in etwa auf das Kommen des Herrn vorbereitet ist, hat der Herr Vorzeichen verkündet, welche seiner Ankunft vorangehen. Wir hatten am vergangenen Sonntag drei dieser Vorzeichen miteinander bedacht. Das dritte war der große Abfall. Am Ende wird nicht die Christenheit die ganze Menschheit umfassen, sondern sie wird nach unserer Kenntnis zusammengeschmolzen sein. Es ist der Verführungskunst der Gegner Christi gelungen, die Christenheit zu einem kleinen Häuflein zusammenschrumpfen zu lassen. Ich habe den Eindruck, daß dieses Vorzeichen entweder schon erfüllt ist oder jedenfalls in der Erfüllung begriffen ist; denn daß der große Abfall begonnen hat, ist offensichtlich. Wenn wir in unserem Vaterland herumschauen, dann sehen wir Millionen und Abermillionen von Abgefallenen, von Zweiflern, von Unsicheren, und in den anderen Ländern ist es ähnlich. Was ist aus Frankreich geworden, der ältesten Tochter der Mutter Kirche! In Lateinamerika fahren die protestantischen Sekten eine gewaltige Ernte des Abfalls in ihre Scheuern. Der große Abfall ist entweder schon da oder jedenfalls in der Entstehung begriffen.

Den gottlos Gewordenen sendet Gott einen Führer. Nach dem Zeugnis des Apostels Paulus tritt am Ende der Tage ein Widersacher auf, der Mensch der Sünde, der Gesetzlose, der sich über alles erhebt, was Gott ist, der sich selbst in den Tempel setzt und sich für Gott ausgibt. Dieser Widersacher gewinnt eine große Anhängerschaft. Die Menschen sind berückt von ihm wegen der Entfaltung von Macht und Kultur, die er vollbringt. Sein Auftreten geschieht mit Teufelskraft unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern und mit allerlei Verführung zur Bosheit bei denen, welche verlorengehen. Es war schon im Laufe der Geschichte immer so, aber es wird sich am Ende der Tage gewaltig steigern, daß nämlich der Abfall betrieben wird durch zwei Mittel: durch Lüge und durch Gewalt, durch Täuschung und Terror. Zunächst versucht der Widersacher, die Menschen zu verführen. Er schafft den Kult nicht ab, er lenkt den Kult auf sich selbst. In teuflischer Verkehrung zieht er die Gottesverehrung, die dem wahren Gott gebührt, auf sich selbst. Und seine Verführung gelingt bei vielen, seine Machtentfaltung, seine Kulturleistung, seine Erfolge kommen dem sensationslüsternen Menschen entgegen; sie fallen ihm zu durch die Macht der Betörung. Wer aber auf diesem Wege nicht zu gewinnen ist, der wird mit Krieg überzogen, da setzt die Gewalt ein, um diejenigen, die noch Widerstand leisten, durch Macht und Terror zu überwinden und zu beugen.

Dieser Gottlose, den der Apostel Paulus schildert, ist identisch mit dem Gegenchristus, den Johannes, der Apokalyptiker, in seinen Visionen auftreten sieht. Es vollzieht sich diese Erscheinung des Antichristen, des Widerchristus, unter der Gestalt eines Tieres. Das Tier steigt aus dem Meere auf. Das Meer ist ja in der Sprache der Bibel der Abgrund des Bösen, das Meer ist der furchtbare Schlund, aus dem sich die Sünde und das Unrecht erhebt. Und so sieht Johannes aus dem Meere ein Tier aufsteigen mit zehn Hörnern und sieben Häuptern und zehn Kronen auf den Hörnern. Die zehn Hörner drücken die Kraft, die Macht, die Angriffslust des Tieres aus. Hörner stehen immer in der Heiligen Schrift für Kraft, Macht, Angriffslust. Und daß es zehn Hörner sind, zeigt, welche Macht sich in diesem Tier verkörpern muß. Gleichzeitig hat das Tier sieben Häupter, nicht ein Haupt, sondern sieben Häupter. Das Haupt ist der Sitz des Wissens. Das Tier wird also der Genialität bezichtigt. Im Tier verbirgt sich ein ungeheures Wissen, eine eine unvorstellbare Wissensmacht, eine gewaltige Wissenskraft. Und um seine Herrschaft noch zu dokumentieren, werden zehn Kronen auf den Hörnern beschrieben. Kronen sind ja immer Zeichen der Herrschaft.

Dieses Tier ist keinem Tier gleich, das wir aus der Erfahrung kennen. Es vereinigt die Merkmale mehrerer Tiere an sich, nämlich die Wildheit und Verschlagenheit des Leoparden, die schwerfällige Gefräßigkeit und die behende Tücke des Bären und die Raubgier des Löwen. Durch diese Vereinigung von Schreckensmerkmalen wird die Furchtbarkeit des Tieres dem Visionär vor Augen geführt. Dieser Herrscher der Endzeit, der unter dem Bild eines Tieres vorgestellt wird, begründet ein Weltreich. Die ganze Erde ist ihm unterworfen, und er verlangt für sich göttliche Verehrung. Die ganze Welt staunt über das Tier und betet es an und bricht in den Lobgesang aus: „Wer ist dem Tiere gleich?“ Das ist eine Nachäffung des biblischen Lobgesanges, den das Volk auf den Rettergott gesungen hat: „Wer ist Gott gleich, der uns vor unseren Feinden gerettet hat?“ Jetzt wird dieser Lobgesang in einer furchtbaren Verkehrung dem Antichristen dargebracht. „Wer ist dem Tiere gleich? Wer kann mit ihm streiten?“

Dieses Tier bricht in Lästerungen und Schmähreden auf gegen Gott und gegen alles, was zu Gott gehört. „Es tat seinen Mund auf zu Lästerungen wider Gott und lästerte seinen Namen und seine Wohnung und die Himmelsbürger.“ Diese Lästerungen und Schmähreden dienen dazu, die Menschen von Gott abtrünnig zu machen und zu dem Tier zu bekehren. Das Tier weiß, daß im Menschen das unausrottbare Bedürfnis besteht anzubeten. Er bestreitet das nicht, dieser Gegenchristus, aber er lenkt die Verehrung von Gott ab auf sich selbst. In einer teuflischen Verkehrung wird die allein Gott gebührende Anbetung auf ihn geleitet. „So werden es denn anbeten alle Weltbewohner, deren Name nicht seit Grundlegung der Welt im Lebensbuch des geschlachteten Lammes geschrieben steht.“ Die Macht und die Kraft, die Herrschaft und die Gewalt, die Verführungskunst und die Kulturleistung des Tieres veranlassen die Menschen, die Masse der Menschen, die Mehrheit der Menschen, sich dem Tiere zuzuwenden und es anzubeten, und deswegen bekommt es Macht über alle Stämme und Völker, Sprachen und Länder.

Das Tier ahmt sogar Christus nach. Es weiß darum, daß das Lamm Gottes geschlachtet ward und wieder lebendig wurde. Und so trägt es auch scheinbar eine Todeswunde an sich, aber die Todeswunde wurde geheilt. Das ist nichts anderes als der Versuch, sich als den Messias auszugeben, der geschlachtet ward und von Gott aus dem Tode errettet ward.

Das erste Tier bleibt nicht allein. Es tritt ein zweites Tier auf, das sich von der Erde erhebt. Das sieht aus wie ein Lamm, aber wenn es zu sprechen anfängt, sieht man, daß es ein Drache ist. Das heißt: Dieses zweite Tier lebt in dem Widerspruch zwischen Sein und Schein. Es gibt sich für etwas anderes aus, als es in Wahrheit ist. Es ist verwandt mit dem Vater der Lüge, mit dem Satan, und es öffnet seinen Mund zu Lügenworten. Es betätigt sich als Propagandist des Gegenchristus. Es entfaltet seine Werbetätigkeit, um die Menschen zur Anbetung des Gegenchristus zu bewegen. Es verführt die Menschen durch Blendwunder. Es läßt Feuer vom Himmel fallen. Die Menschen, die ihr Herz nicht gewappnet haben gegen die Verführung, werden dadurch veranlaßt, ihm Gefolgschaft zu leisten. Wenn sogar der Blitz, wenn sogar das himmlische Feuer ihm unterworfen ist, so werden viele meinen, dann muß Gott mit ihm sein.

Das zweite Tier, der Propagandist, läßt auch ein Kultbild aufstellen, ein Bild des ersten Tieres. Diesem Kultbild sollen die Menschen Verehrung erweisen. Das Kultbild soll sie erinnern an die Macht und an die immerwährende Gegenwart des ersten Tieres, des Herrschers der Endzeit. Und diejenigen, die sich nicht verführen lassen, werden mit Krieg überzogen. Immer dann, wenn die Lüge versagt, setzt die Gewalt ein. Sie werden bekriegt, und sie werden besiegt. Gott gestattet dem Tier, daß es die Anhänger Gottes besiegt. Dieses Kultbild empfängt Leben, so daß es redet und den Tod all derer bewirkt, die das Bild des Tieres nicht anbeten. Um auch sicher zu sein, daß keiner sich zurückzieht, daß keiner in der Masse untertaucht, daß keiner emigriert, tragen die Tieranbeter ein Zeichen am Arm oder an der Stirn, ein Zeichen, das sie als Anhänger des Tieres ausweist, und wer dieses Zeichen nicht trägt, der schließt sich aus aus der totalitären Gemeinschaft. Er wird zuerst boykottiert, d.h. ihm werden die Lebensmöglichkeiten abgeschnitten, und wenn dieses Mittel versagt, dann wird er getötet. Der Boykott bewirkt, daß niemand mehr kaufen oder verkaufen kann. Aber wenn selbst dieses Mittel nicht durchschlägt, dann greift der Widersacher zur Gewalt.

Das, meine lieben Freunde, ist das vierte Vorzeichen der Wiederkunft Christi, das Erscheinen des Gegenchristus, das Auftreten des Gesetzlosen, der mit Lüge und Gewalt die Menschen von Gott abwendig macht und sich selbst zuwendet. Diese Mächte des Bösen sind in der Kirchengeschichte immer wirksam. Aber wenn das Ende nahe ist, dann steigern sie sich zu einer besonderen Schärfe, dann formieren sich die Fronten so, daß niemand mehr außerhalb ihrer stehen kann: entweder für Christus oder gegen ihn. Es gibt keine Neutralität mehr. Niemand kann flüchten, niemand kann in der Masse untertauchen, niemand kann emigrieren. Diese furchtbare Alternative wird die meisten Menschen veranlassen, sich dem Tier und seiner Macht und seinem Glanze zuzuwenden. Nur diejenigen, denen Gott das Herz gefestigt hat und deren Sinn mit Christus verbunden ist, werden die Kraft zum Widerstand haben. Sie müssen das blutige Wegende der Geschichte gehen. Wenn die Zahl der Blutzeugen erfüllt ist, dann wird Christus kommen. Wenn es keinem mehr gestattet ist, eine Ausflucht zu machen, wenn alle sich entscheiden müssen, dann ist das Ende nahe.

Amen.

 

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