Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Schöpfung (Teil 1)

25. Juli 1999

Über Gott als den Schöpfer aller Dinge

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor einigen Wochen fragte mich ein achtjähriges Mädchen, wie es zu verstehen sei, daß Gott die Welt aus nichts erschaffen hat. Dieses Kind machte sich Gedanken über einen grundlegenden Glaubenssatz, nämlich die Erschaffung der Welt durch Gott. Tatsächlich bekennen wir im Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allherrscher, den Schöpfer Himmels und der Erde.“ Jedesmal, wenn wir das Credo beten, bekennen wir uns zu der Schöpfermacht Gottes.

Das Glaubensbekenntnis der Kirche hat seinen Grund in der Offenbarung Gottes. Der 1. Satz der Heiligen Schrift, der 1. Satz des ersten Buches der Heiligen Schrift, nämlich der Genesis, lautet: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Noch oft ist in der Heiligen Schrift des Alten Bundes die Rede von der Erschaffung der Welt durch Gott. Es wird damit ausgesagt: Die Welt ist keine selbstverständliche Gegebenheit, sie ist keine Tatsache, die sich selbst erklärt, sie ist nicht der auf anderes nicht mehr zurückführbare Schauplatz der menschlichen Geschichte, sondern die Welt verdankt ihr Dasein einem Schöpfungsakt Gottes.

Im Buche Jesus Sirach wird der Schöpfungsakt Gottes einläßlich beschrieben: „Des Herren Berge sind durch sein Wort gebildet.“ Das will besagen: Gott hat geschaffen nicht mit Anstrengung, nicht mit Mühe, sondern mit Leichtigkeit. Durch ein Wort, das heißt also mit einem Hauch seines Mundes ist die Welt geschaffen worden. „Er ist noch größer als alle seine Werke, wie können wir ihn preisen? Er ist immer noch erhabener, wer kann ihn preisen, wie er ist?“ Die Schöpfung Gottes ist ein Loblied auf den Schöpfer.

Nun hat Gott seine Schöpfertätigkeit dem Menschen nicht geoffenbart, um das Wissen des Menschen zu vermehren. Er hat vielmehr die Erschaffung der Welt geoffenbart, um den Menschen in seine Herrschaft hineinzuziehen. Wie war das damals, als das Volk aus Ägypten herausgeführt wurde mit Moses an der Spitze? Da fragten die Israeliten: „Wer ist denn dieser Gott, der so machtvoll in unser Schicksal hineingreift, der uns von den Fleischtöpfen Ägyptens wegruft in die Wüste? Wer ist dieser Gott?“ Diese Frage wurde noch verschärft durch die Tatsache, daß das Volk auf seinem Wüstenzug mehrfach von anderen Völkern besiegt wurde. Nach der damaligen Anschauung war das so zu verstehen, daß der Gott dieser Völker mächtiger war als ihr eigener Gott. Und um diesen Irrtum zu zerstören, hat Gott sich als den Schöpfer geoffenbart. Er ist nicht einer von den Göttern, welche die Heiden haben; das sind Nichtse. Er ist ein mächtiger, er ist ein allmächtiger Gott, denn er hat den Himmel und die Erde, das Meer und was darin ist, die Vögel und die Fische, die Lichter und die Finsternis – er hat alles geschaffen. Es sollte also das Vertrauen der Israeliten auf ihren Gott gefestigt werden, indem sie erfuhren: Unser Gott ist erhaben über alle Götter. Er ist der Schöpfer Himmels und der Erde, auf ihn kann man sich verlassen. Er hat den Anfang der Heilsgeschichte gesetzt, als er die Erde und den Himmel schuf. Er greift auch jetzt so machtvoll in die Geschichte ein, weil er der Schöpfer ist.

Auch im Neuen Testament wird die Lehre von Gott, dem Schöpfer, wiederholt ausgesprochen, natürlich nicht so ergiebig und umfangreich wie im Alten, denn das Neue Testament setzt ja das Alte voraus. Aber es ist auch hier immer wieder die Rede von dem Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat. Als Petrus und Johannes vom Hohen Rate entlassen wurden, da fand sich die Gemeinde zusammen zum Gebet, und sie betete: „Herr, du bist es, der den Himmel und die Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht hat.“ Daran knüpfte eben die Gemeine die Zuversicht, daß Gott auch ihr Leben und ihren Weg durch die Geschichte lenken werde. Als Paulus in Lystra war und er dort von den abergläubischen Bewohnern als ein Gott gefeiert wurde, der auf Erden erschienen sei, da sprang er mitten unter das Volk und sagte: „Ihr Leute, was tut ihr denn? Auch wir sind sterbliche Menschen wie ihr. Wir verkünden euch die Heilsbotschaft, daß ihr euch von diesen nichtigen Götzen zum lebendigen Gott bekehren sollt, der Himmel und Erde und das Meer geschaffen hat und alles, was darin ist.“ Gott, der Schöpfer, ist gewaltiger als das furchtbare Meer. Gott, der Schöpfer, ist mächtiger als die machtvolle Sonne. Der Apostel Paulus häuft die Verhältniswörter, wenn er die Schöpfertätigkeit Gottes aussagen will: „Aus ihm und durch ihn und für ihn ist alles geschaffen worden.“ Der heilige Petrus leitet aus der Schöpfertätigkeit Gottes seine Richtertätigkeit ab. Wenn Gott der Schöpfer ist, dann wird er seine Geschöpfe auch richten. „Es ist Zeit“, schreibt er in seinem ersten Briefe, „daß das Gericht bei dem Hause Gottes seinen Anfang nimmt.“ Und der Apokalyptiker Johannes sieht einen gewaltigen Engel im Dienste Gottes, einen Engel, „der im Dienste dessen steht, der den Himmel schuf und was darin ist und die Erde und was darauf ist und das Meer und was sich darin befindet.“ Die Heilige Schrift bezeugt also eindeutig und wiederholt und kraftvoll die Schöpfertätigkeit Gottes.

Die Kirche hat diese Lehre verstanden und aufgenommen, und sie hat sie gegen die Mythen und Weltentstehungslehren der Heiden machtvoll verteidigt. Die Heiden haben ja auch nachgedacht, woher die Welt kommt und wie sie entstanden ist, und sie sind zu manchen wirren Aufstellungen gekommen. Sie haben zum Beispiel erklärt: Die Welt ist entstanden aus einer Zeugung zwischen dem Wasserozean, der Salzwasser hat, und dem Ozean, der Süßwasser hat. Oder sie haben gesagt: Aus dem Wasser ist ein Ur-Ei, ein Ur-Lotos, ein Ur-Hügel entstanden. Solche Weltentstehungslehren finden sich bei fast allen Völkern; aber sie setzen etwas voraus, was der biblische Schöpfungsbericht a limine abweist. Sie setzen nämlich voraus, daß ein Urstoff vorhanden war, etwas, woraus dann alles entstanden ist. Die biblische Schöpfungslehre sagt: Der Urstoff verdankt sein Dasein Gott. Es gab nicht einen Urstoff, bevor Gott existierte, und es gibt keinen Urstoff außerhalb der Existenz Gottes, denn Gott hat nicht nur das Werk der Ausschmückung der Welt geschaffen, sondern er hat auch den Urstoff, die Urgebilde und die Entwicklungsgesetze, die in diesen Urgebilden wohnen, hervorgebracht. Er ist der Schöpfer von allem.

So entstand die Lehre von der creatio ex nihilo, Schöpfung aus dem Nichts. Diese Lehre kommt zum erstenmal vor im 2. Makkabäerbuch. Dort ermahnt die Mutter ihren jüngsten Sohn, doch tapfer zu bleiben gegen die Bedränger, die ihn vom Glauben abbringen wollen, unter Hinweis auf Gott, der alles aus nichts hervorgebracht hat. Wir dürfen uns das Nichts nicht etwa als einen Stoff vorstellen, sondern das Wort „nichts“ will besagen: Gott hat so geschaffen, daß kein außergöttliches Element vorhanden war, als er schuf. Er hat alles, was außergöttlich ist, aus freiem Willen hervorgebracht.

Es ist offenbar für den Menschen schwer zu verstehen, daß Gott aus nichts alles geschaffen hat. Wir können uns ja das Nichts nicht vorstellen. Der Philosoph Schelling schreibt einmal: „Das Nichts ist das Kreuz des Verstandes.“ Da hat er ja recht; wir können uns das Nichts nicht vorstellen. Wir können uns auch den Anfang der Zeit nicht vorstellen, weil wir eben zeitlich sind. Und so kommen die Menschen immer wieder zu irrigen Auffassungen über die Weltentstehung, obwohl es an sich möglich ist, auch mit dem Verstande zu der Erkenntnis zu kommen, welche uns die Offenbarung vermittelt. Denn was wir erleben in der Welt, das ist wandelbar, das ist zeithaft, das ist vergänglich, das besteht nicht aus sich selbst. Das hat ein Sein nur durch Teilhabe. Wenn man aber immer weiter zurückgeht bei diesem Seienden durch Teilhabe, muß man an ein Seiendes kommen, das sein Sein nicht mehr durch Teilhabe hat. Man muß an ein Seiendes kommen, das sein Sein durch sich selbst hat. Dieses Seiende, das sein Sein durch sich selbst hat, nennen wir Gott. Und er hat alles Sein geschaffen, indem er ihm Teil gab an seiner Existenz. Das sind die berühmten Gottesbeweise, wie sie uns Thomas von Aquin lichtvoll vorgeführt hat. Gottesbeweise, aber auch gleichzeitig Beweise für die Schöpfung.

Nun scheint es eine immerwährende Versuchung des Menschen zu sein, in zwei Irrtümer zu verfallen; einmal Gott und die Welt in eins zu setzen, und das nennt man Monismus oder Pantheismus, oder aber Gott und Welt so weit zu trennen, daß sie nichts miteinander zu tun haben, das nennt man Dualismus. Die Kirche hat oft in ihrer Geschichte gegen diese Verführung des Geistes Stellung nehmen müssen. Im 4., 5., 6. Jahrhundert gab es Leute, die sich Origenisten nannten. Sie beriefen sich auf den Kirchenschriftsteller Origenes und behaupteten, das Weltgeschehen sei aus sich selbst zu begreifen; es habe seine Gesetze in sich selbst. Die Schöpfung als freie Tat Gottes erschien ihnen undenkbar. Dagegen hat die Kirche auf einem Konzil im Jahre 543 erklärt: „Wer sagt, die Macht Gottes sei endlich, und er habe nur so viel geschaffen, als er konnte, der sei ausgeschlossen.“ Der Irrtum der Origenisten wurde also zurückgewiesen. In Spanien gab es eine andere Irrlehre, das sind die sogenannten Priscillianisten. Nach dieser Lehre hat der Teufel die Materie und das Böse geschaffen. Die Seelen, die von Gott stammen, sind in den Leib verbannt wegen ihrer Schuld, wegen ihrer begangenen Sünden. Dagegen hat sich die Kirche in einem Konzil in Braga (in Portugal) gewandt und hat folgende Lehrsätze aufgestellt: „Wer glaubt, der Teufel habe einige Geschöpfe in der Welt gemacht, und er bewirke aus eigener Macht Donner, Blitz, Unwetter und Dürre, der sei ausgeschlossen. Wer sagt, die Erschaffung des gesamten Fleisches sei nicht ein Werk Gottes, sondern der bösen Engel, der sei ausgeschlossen.“ Diese Irrlehre wurde im 12. Jahrhundert wieder erneuert in Südfrankreich und in Oberitalien durch die Albigenser und durch die Waldenser. Dagegen nahmen der große Papst Innozenz III. und vor allem das Konzil im Lateran vom Jahre 1215 Stellung. Dieses Konzil hat eine Lehre formuliert, die wir wörtlich wiederholen können, weil sie so lichtvoll und so zusammenfassend ist. „Daß Gott der eine Ursprung aller Dinge ist, der Schöpfer der sichtbaren und unsichtbaren, der geistigen und der körperlichen, das glauben wir fest und bekennen wir mit aufrichtigem Herzen. Er hat in seiner allmächtigen Kraft zu Anfang der Zeit in gleicher Weise beide Ordnungen der Schöpfung aus dem Nichts geschaffen, die geistige und die körperliche, die Engelwelt und die irdische Welt und dann die Menschen; denn der Teufel und die anderen bösen Geister sind von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, aber sie sind durch sich selbst schlecht geworden. Der Mensch jedoch sündigte auf Eingebung des Teufels.“ Das ist dann von weiteren Konzilien wiederholt worden, zum letztenmal auf dem Ersten Vatikanischen Konzil. Hier hat sich die Kirche gegen den Pantheismus und den Materialismus des 19. Jahrhunderts gewandt. Im 19. Jahrhundert herrschte ja unter dem Einfluß einer unvollkommenen Naturwissenschaft weithin die Meinung, alles sei nur Materie und einen Schöpfer gebe es nicht. Man müsse die Welt eben hinnehmen und dürfe nicht frage, woher sie sei. Das Kausalgesetz, so sagte man, gelte nur innerhalb der Welt, aber nicht auch für die Welt, also vor Erschaffung der Welt. Dagegen hat das Erste Vatikanische Konzil einleuchtende Glaubenssätze aufgestellt. „Wer den einen wahren Gott, den Schöpfer und Herrn der sichtbaren und unsichtbaren Dinge leugnet, der sei ausgeschlossen. Wer sich nicht schämt, zu behaupten, außer dem Stoff gebe es nichts, der sei ausgeschlossen. Wer sagt, die Substanz oder Wesenheit Gottes und aller Dinge sei ein und dieselbe, der sei ausgeschlossen. Wer nicht bekennt, daß die Welt und alle Dinge, die in ihr enthalten sind, geistige wie körperliche, nach ihrer ganzen Substanz von Gott aus dem Nichts hervorgebracht worden sind, oder wer sagt, Gott habe nicht mit freiem Willen, ohne alle Notwendigkeit geschaffen, sondern so notwendig, wie er sich selbst notwendig liebt, oder wer leugnet, die Welt sei zur Verherrlichung Gottes geschaffen, der sei ausgeschlossen.“

Wir haben also von Gott eine wunderbare Erklärung für die Welt und alles, was darin ist, empfangen. Wir brauchen nicht das Fragen aufzugeben, wenn wir die Frage stellen: Woher ist denn die Welt? Wir wissen es, Gott es uns geoffenbart. Die Welt als ein kontingentes Sein ist von dem in die Existenz gerufen worden, der nicht kontingent ist, nämlich Gott. Gott hat die Welt aus Liebe aus Nichts geschaffen. Aus Liebe! Er liebt seine Welt und seine Schöpfung. Nicht eine kalte Verursachung nur ist anzunehmen, sondern ein Liebeswille Gottes, der, um seine Vollkommenheit zu offenbaren, die Welt und alle Geschöpfe hervorgebracht hat.

Immer wieder versuchen die Menschen freilich in die alten Irrtümer zurückzufallen. Immer wieder tauchen die Lehren des Monismus auf, daß alles nur eine Wirklichkeit sei, ein Stoff, eine Art, daß man die Welt verehren müsse, weil sie göttlichen Wesens sei, oder daß man die Welt verteufeln müsse, weil sie von einem bösen Urgrund hervorgebracht sei. Dagegen bekennen wir uns zu dem Herrn, dem Allherrscher, dem Schöpfer Himmels und der Erde, der alles aus Nichts durch einen bloßen Entschluß seines Willens hervorgebracht hat. Ich sage es mit einem Worte des heiligen Augustinus: „Der Herr, unser Gott, hat, weil er allmächtig ist und durch das Wort macht, was er gemacht hat, zu allem, was er machte, nichts gehabt, woraus er es machte; und doch hat er es gemacht. Denn es ist geworden, weil er wollte. Es ist geworden, weil er sprach. Aber was geworden, kann mit dem Schöpfer nicht verglichen werden. Du suchst, was du vergleichen könntest. Anerkenne den einigen Sohn!“

Amen.

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