Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Gebote Gottes (Teil 8)

17. August 1986

Die Ehrfurcht vor dem Namen Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das 2. Gebot Gottes lautet: „Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen!“ In diesem Gebot ist nicht nur auf den aus Worten, aus Silben, aus Buchstaben bestehenden Gottesnamen Bezug genommen, sondern auf die Majestät Gottes. Unter dem Wort „Name“ müssen wir uns Gott in seiner Herrlichkeit vorstellen. Also es soll nicht nur der Name Gottes nicht verunehrt werden, sondern erst recht nicht seine Person und alles, was zu Gott gehört. Das ist der Sinn des Satzes: „Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen!“

Hier wird uns, positiv gewendet, die Ehrfurcht geboten, die Ehrfurcht vor Gottes Majestät. Ehrfurcht ist eine zusammengesetzte Haltung. Ehrfurcht ist die Verbindung von Furcht und Liebe und Hochachtung. Ehrfurcht ist eine scheue Liebe und eine liebende Scheu. In diesem Doppelcharakter entspricht die Ehrfurcht dem Wesen Gottes. Er ist gleichzeitig unendliche Majestät und unendliche Güte. Auf Gottes unendliche Majestät antwortet der Mensch mit Furcht, auf Gottes Güte antwortet der Mensch mit Liebe. Die Mischung von Liebe und Furcht, das ist Ehrfurcht.

Wenn Gott im 2. Gebote Ehrfurcht abverlangt, dann bedeutet das für uns dreierlei. Einmal, daß wir Gottes Namen mit Andacht und Rührung anrufen. Natürlich zielt die Anrufung des Namens Gottes auf seine Person, auf sein Wesen. Wir sollen Gottes Namen anrufen, weil es der mächtigste Name ist, weil in diesem Namen uns Erhörung zuteil wird. Als Petrus und Johannes in den Tempel gingen und sie dort den Lahmgeborenen an der Pforte sitzen sahen und ihn heilten, da sprachen sie den heiligen Befehl „im Namen Jesu“ aus. Der Name Jesu als des Sohnes Gottes ist der mächtigste Name auf dieser Erde. In diesem Namen werden die Krankheiten geheilt, werden aber auch die Dämonen besiegt. Wenn dieser Name ausgerufen wird, dann zittern die Dämonen, denn dann verbindet sich die Macht des Menschen mit der Macht Gottes. Der Name Jesu ist auch der Name unseres Heiles. „Es ist kein anderer Name gegeben unter dem Himmel, in dem wir selig werden können, als der Name Jesu.“

In allen Angelegenheiten des Heiles muß dieser Name ausgerufen werden, bei jeder Sakramentenspendung, bei jedem Sakramentale, immer wird der Name Jesu genannt. Der Name Jesu ist deswegen so mächtig, weil in diesem Namen gleichsam die Kraft des Heilandes konzentriert ist; und wer diesen Namen andächtig und im Heiligen Geiste nennt, der versichert sich der Kraft Jesu. „Dieser Name ist mir Wohlklang im Ohre, Honig im Munde und Wonne im Herzen,“ hat einmal der heilige Bernhard von Clairvaux geschrieben. Diesen Namen sollen wir anrufen, wenn wir ein Werk beginnen. Es soll alles, was wir tun oder reden, im Namen Jesu begonnen sein. In meiner Heimat sagt man, wenn man zu einer Arbeit geht, jedenfalls unter frommen Leuten: „Im Namen Jesu“ oder „im Namen Gottes“. Und das bedeutet, daß man alles das, was man da tun will, zur größeren Ehre Gottes, mit seiner Kraft und unter seinem Segen tun will – im Namen Jesu, im Namen Gottes.

Den Namen Jesu sollen wir aber auch anrufen in Not und Gefahr. Er ist ja ein mächtiger Name. Er ist mächtig, uns Hilfe zu bringen. Im Jahre 1278 stürmte das tschechische Heer unter König Ottokar von Böhmen mit vierfacher Übermacht gegen die Truppen der Österreicher und der Deutschen an. Die Tschechen hatten den Schlachtruf „Prag! Prag!“ Die Österreicher und die Deutschen riefen „Christus! Christus!“ Und sie haben unter Anrufung dieses Namens den herrlichen Sieg auf dem Marsfelde errungen. Und als Jahrhunderte später das türkische Heer vor Wien lag, da wurde im Jahre 1683 der große Sieg errungen mit dem Schlachtruf „Jesus und Maria!“

Der Name Jesu soll vor allem auf unseren Lippen sein in der Todesstunde. Da ist die Gefahr besonders drängend, da versuchen die Dämonen noch einmal den Menschen für sich zu gewinnen, da brauchen wir die Hilfe dieses Namens. Da müssen wir uns an Stefanus erinnern, der mit diesem Namen auf den Lippen gestorben ist: „Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Das ist also das erste, was uns im 2. Gebot auferlegt wird, den Namen Jesu mit Andacht und Rührung anzurufen.

Das zweite: Wir müssen alles, was mit Gott im Zusammenhang steht, heilige Orte, heilige Zeiten, heilige Handlungen, heilige Personen in Ehren halten. Selbstverständlich sind in erster Linie die gottgeweihten Personen in Ehren zu halten, unter ihnen wiederum die sakramental geweihten, also die Priester. Den Priestern ist Ehre und Ehrfurcht darzubringen, weil sie die Diener des höchsten Herrn sind. Als der König Alexander von Griechenland nach Jerusalem kam, da gingen ihm der Hohepriester und die Priester der Stadt entgegen. König Alexander beugte vor ihnen das Knie. Als seine Begleiter ihn fragten, weshalb er das tue, gab er zur Antwort: „Nicht ihn, den Menschen, sondern den Gott, dem er dient, habe ich geehrt.“ Und das ist auch heute noch der Grund, warum wir die Priester ehren; nicht wegen ihrer menschlichen Vorzüge und schon gar nicht wegen ihrer menschlichen Schwächen, sondern weil sie Diener des höchsten Gottes sind. Deswegen werden sie geehrt.

Der Graf Rudolf von Habsburg war einmal auf der Jagd. Da begegnete er einem Priester, der das Allerheiligste zu einem Kranken trug. Er stieg von seinem Pferde, übergab das Pferd dem Priester, und als er es ihm nach dem Versehgang zurückbringen wollte, da beließ er es ihm, weil dieses Pferd in der Hand des Priesters den Heiland getragen hatte. Wir sollen die Diener des höchsten Gottes ehren, weil wir in ihnen Gott ehren.

Ähnliches, wenn auch in abgeschwächter Weise, gilt für die heiligen Orte: Kirche, Kapelle, Altar. Wir sollen die heiligen Orte in Ehren halten, denn sie sind Zelte des Allerhöchsten, Häuser Gottes. Die katholischen Kirchen sind im wahren Sinne Häuser Gottes. In ihnen hat Gott sein Zelt aufgeschlagen, denn der Herr, der in der heiligen Messe auf den Altar herabgerufen wird, bleibt bei uns. Es kann ja immer noch einer kommen, der kommunizieren will. Es haben längst nicht alle kommuniziert. Es kann ein Kranker ihn rufen. Da muß er warten, und er wartet auch auf die Liebe, die die Seinen ihm entgegenbringen. Er wartet, daß sie zur Anbetung kommen, zur Verehrung, daß sie ihre Not vor ihm ausschütten. Deswegen bleibt er, bleibt er im Tabernakel bei uns. Dieser großen Gnade entsprechend müssen wir uns im Gotteshaus bewegen, müssen also mit Ehrfurcht im Gotteshaus uns aufhalten, müssen uns an den Herrn erinnern, der die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel, aus dem Vorhof des Tempels vermutlich, getrieben hat. Sie haben ja an sich nichts Unrechtes getan, diese Männer und Frauen. Sie haben das gekauft und verkauft, was für das Opfer notwendig war. Aber der Geschäftsbetrieb und der damit verbundene Geschäftsgeist war es offenbar, was den Herrn so in Erregung gebracht hat, daß er sie mit einem Stricke hinaustrieb und daß er die Tische umstürzte: „Ihr habt das Haus meines Vaters zu einer Räuberhöhle gemacht“ – dieses Haus, das doch ein Bethaus ist.

Und so müssen wir auch schließlich Ehrfurcht haben vor den heiligen Handlungen, vor den Gottesdiensten. Man soll auch, wenn man privat betet, allein im Kämmerlein, eine angemessene Haltung beobchten. Es ist keine Sünde, im Liegen zu beten, und es ist auch keineswegs verboten. Aber es ist besonders ehrenhaft, wenn wir beim Beten knien oder stehen. Erst recht gilt eine angemessene Haltung im Kirchenraum. In südländischen Kirchen gibt es ja manchmal gar keine Sitzbänke. Die Gläubigen stehen die ganze Zeit des Gottesdienstes oder knien. In Deutschland sind seit unvordenklichen Zeiten Sitzbänke eingerichtet, und wir dürfen sie benutzen. Es ist keine Verunehrung Gottes, wenn man sitzt, vor allem, wenn man nicht knien oder nicht stehen kann, wie es bei alten Leuten häufig der Fall ist. Aber wir sollen wenigstens bei den Gelegenheiten, wo es angemessen ist, knien oder stehen; also knien vor allem zur heiligen Wandlung und stehen vor allem zur Verkündigung des Evangeliums. Es gibt eben Haltungen, die dem religiösen Tun mehr angemessen sind als andere, und wir sollen sie nicht leichtfertig aufgeben, wie es mancherorts geschieht, mit Schneidersitz-Messen und ähnlichem Zirkus. Nein, meine lieben Freunde, domum tuam decet sanctitudo – deinem Haus, o Gott, ziemt eine ehrfürchtig heilige Haltung. Das ist also das zweite, was das 2. Gebot von uns verlangt. Wir sollen Gottes Diener, seine heiligen Orte und Gegenstände und die heiligen Handlungen hochhalten.

Und das dritte schließlich, was dieses Gebot von uns verlangt: Wir sollen Gott loben wegen seiner Herrlichkeit, vor allem, wenn er seine Macht und seine Liebe an uns geoffenbart hat. Beispiele bietet dir Heilige Schrift in Fülle. Als die drei Jünglinge im Feuerofen von den Flammen nicht verzehrt wurden, da stimmten sie den Lobgesang an, den wir Priester noch heute jede Woche einmal beten, den wunderbaren Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen. Als Tobias das Augenlicht wieder erhielt, da dankte er Gott für diese große Gunst. Als Maria mit ihrer Base Elisabeth zusammentraf, da entrang sich der Brust, dieser begnadeten Frau das wunderbare Magnificat: „Hochpreiset meine Seele den Herrn!“ Und der Priester Zacharias, der von seiner Stummheit geheilt wurde, hat uns das wunderbare Benedictus, das „Hochgepriesen sei Gott, der uns Erlösung bereitet hat“ geschenkt.

Ähnlich sollen auch wir, meine lieben Freunde, wenn wir Gottes Offenbarung, seine Macht, seine Hilfe, seine Güte erfahren haben, Gott danken. „Dank sei Gott!“ „Gott sei Dank!“ Diese Worte sollen uns aus dem Herzen kommen, nicht bloße Floskeln bleiben. Sie werden auch von Weltmenschen gebraucht, die nichts glauben. Aber nein, wir sollen aus gläubigem Herzen sagen: „Dank sei Gott!“ „Ehre sei dem Vater!“ „Gelobt sei Jesus Christus!“

Der evangelische Dichter Klopstock berichtet einmal, wie er ergriffen war, in katholischen Gegenden den wunderbaren Gruß „Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit. Amen“ zu hören. Dieser Gruß, meine lieben Freunde, ist heute fast ausgestorben. Als ich ein Knabe war, war das der selbstverständliche Gruß, mit dem wir die Sakristei betreten haben: „Gelobt sei Jesus Christus.“ Und der Priester antwortete: „In Ewigkeit. Amen.“ Und wenn man aus der Sakristei ging, so hat man wieder diesen Gruß angewendet. Heute sagen die Kinder „Guten Morgen“. Was ist das eine Verarmung, eine Aushöhlung im Heiligtum!

Wir wollen uns angewöhnen, nicht in frömmelnder Weise, aber in einer gesunden Gottesverehrung den Namen Gottes aus Dankbarkeit in den Mund zu nehmen. „Ich will den Namen des Herrn preisen. Sein Lob sei allezeit in meinem Munde!“ Amen.

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