Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Jesus, unser Heil (Teil 8)

28. August 2005

Christus gestern, heute und in Ewigkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben an den vergangenen Sonntagen Jesus, seine Persönlichkeit und sein Wirken vor unseren Augen vorüberziehen lassen. Wir haben ihn als den Propheten, als den Priester und als den König erkannt. Alle diese Ehrentitel, die ja eine Wirklichkeit widerspiegeln, werden zusammengefaßt in dem schönen Wort aus dem Brief an die Hebräer: „Christus gestern, Christus heute, Christus in Ewigkeit.“ Ein Kommentar zu diesem ergreifenden Wort liefert uns das Portal des Domes in Freiburg im Breisgau. Im Bogenfeld und im Bogenrahmen ist die Wahrheit ausgesprochen, die wir zusammenfassen in den Worten: „Christus gestern, Christus heute, Christus in Ewigkeit.“

Christus gestern. Im Bogenfeld des Portals am Freiburger Dom sind in den Hohlkehlen abgebildet 20 Patriarchen, 16 Propheten, 14 Könige und 12 Engel. Sie alle weisen hin auf den, der da kommen soll. Sie stehen im Advent, in der Erwartung auf den kommenden Erlöser. Die ganze Geschichte vor Christus ist ja Vorgeschichte, Vorgeschichte hin auf Christus. Die Erlösungssehnsucht der Menschen begegnet sich mit der Erlösungsverheißung Gottes. Die ganze Menschheit vor Christus hat auf ihn geharrt, hat auf ihn gewartet, hat sich nach ihm gesehnt. Er war in den Gedanken der Menschen, auch wenn sie ihn nicht kannten, und er war in den Gesichten und den Reden der Propheten, die auf den kommenden Erlöser hinwiesen. Christus gestern.

Aber damit nicht genug, denn Christus war auch in den Gedanken Gottes. Von Ewigkeit her war seine Persönlichkeit, war sein Wirken geplant in den Gedanken Gottes. Die Ewigkeitsgedanken Gottes haben Jesus, den Gottmenschen, entworfen, bevor er noch auf die Erde kam. Also nicht nur nach seiner Gottheit besitzt er die Präexistenz, d.h. die vorherige Daseinsweise, bevor er auf Erden erschien, nein, auch als Mensch war er vorentworfen in den Gedanken Gottes, barg ihn der dreifaltige Gott in seinem Plan und in seinem Willen. Er war schon damals der Mittelpunkt der Welt. Er war in dem Glauben derer, die auf ihn harrten; er war in der Hoffnung derer, die ihn suchten und ahnten, und er war im Lieben derer, die auf ihn warteten. Christus gestern.

Aber auch Christus heute. Das wunderbare Portal in Freiburg belehrt uns auch über den Christus heute, und zwar in doppelter Weise, einmal, indem wir im Bogenfeld das Leben Jesu abgebildet sehen, seine Geburt, sein Leiden, sein Sterben. Sein ganzes heilbringendes Leben ist in diesem Bogenfeld abgebildet, wie wir es betrachtet haben an den vergangenen Sonntagen. Das ist der erste Teil seines Heute, sein Kommen zu uns und sein Weilen auf dieser Erde während seiner Lebenszeit.

Aber damit nicht genug. Christus heute ist nicht nur der irdische Jesus, der in Palästina gewandelt ist, sondern Christus heute ist auch seine Gegenwart in unseren katholischen Kirchen, seine Gegenwart in den Tabernakeln der ganzen Erde. Meine lieben Freunde, wenn unsere Kirche nichts voraus hätte vor den anderen Religionen als die Gegenwart des wahren, lebendiges Gottheilands in unseren Tabernakeln, das wäre schon überschießend genug. Hier weilt er, hier harrt er, hier lässt er sich von uns begrüßen. „Wir sind gekommen, ihn anzubeten.“ Das Wort, das die Weisen aus dem Morgenlande gesprochen haben, das gilt unverändert weiter. Wir kommen, um ihn anzubeten, denn er ist wahrhaft, wirklich und wesentlich in unseren „Zelten“ – denn das heißt ja der Tabernakel – gegenwärtig. Das ewige Licht, das da brennt, zeigt seine Gegenwart an. Er, das Licht der Welt, ist bei uns geblieben. Und nicht nur mit einer passiven Gegenwart, sondern mit seinem aktiven Handeln, mit seinem Wirken. Er hat sich ein Instrument geschaffen, mit dem er gegenwärtig bleiben wollte. Wir nennen es die katholische Kirche. Die Kirche ist – mit einem schönen Wort großer Theologen – der „fortlebende Christus“. Sie ist nicht Christus in Person, aber sie ist der Leib Christi, in dem er lebt und wirkt. In ihrem Munde ist er der Lehrer, in ihrem Opfer ist er der Priester und in ihrem Regieren ist er der König. In seiner Kirche bietet er der ganzen Menschheit die Erlösung an. Wer Christus kennenlernen will, ist auf die Kirche angewiesen. Sie zeigt uns, wer er war und wer er ist. Ohne die Kirche wäre die Kunde von Jesus längst versunken, untergegangen und verstümmelt. Es gibt, meine lieben Freunde, kein legitimes außerkirchliches Christentum. Christentum ist immer kirchliches Christentum. Es gibt kein wahres Christentum ohne Kirche. Die Kirche von Christus trennen ist soviel, wie wenn man das Flussbett vom Fluß trennen würde, wenn man das Flussbett zuschütten würde, in dem die lebendigen Wasser fließen. Die Kirche ist keine trennende Mauer zwischen Christus und den einzelnen Seelen. Die Kirche ist die verbindende Brücke zwischen den Seelen und Christus. Die Wahrheit des Gottesreiches wird in der kirchlichen Verkündigung laut. Und die Gnade des Himmelreiches wird uns zuteil in den heiligen Kulthandlungen. In beiden lebt Christus fort, um als die Wahrheit und die Gnade den Gläubigen zuteil zu werden. Man kann mit Herman Schell sagen: „Die Kirche ist die Menschwerdung des Evangeliums.“

Das ist auch der Grund, meine lieben Freunde, warum wir der Kirche trauen. Wenn Menschen eine Sittenlehre erfinden würden, dann sähe sie ganz anders aus als die Sittenlehre, welche die Kirche verkündet. Die Sittenlehre, welche die Kirche verkündet, ist Gottes Wille und Gottes Wort. An ihr ist keine Änderung und keine Abschwächung möglich. Kein Papst und kein Bischof kann die Sexualmoral der Kirche ändern, denn sie stammt von Gott. Es ist deswegen ein törichtes Unterfangen, fortwährend das Unmögliche zu fordern, Gott herauszufordern, indem wir ihn zum falschen Zeugen seiner Wahrheit machen wollen. Nein, die Wahrheit der kirchlichen Sittenlehre ist die Wahrheit Gottes. Und die Sakramente der Kirche sind die sichtbare Gewähr dafür, dass Christus in seiner Kirchen gegenwärtig bleibt. Er ist und bleibt der lebendige Christus heute, der uns zur Nachfolge ruft: „Folge mir nach.“ Er ist der Christus, welcher der wahre Prophet, der wahre Priester und der wahre König ist. Entweder keinen Christus oder den apostolischen! Und dieser apostolische Christus ist der Übermann der Sünde, des Todes und der Hölle. Christus heute, lebendig und am Wirken. Sie haben schon einmal den Namen des Kaisers Julian des Abtrünnigen gehört. Er war ursprünglich Christ und ist dann abgefallen und wollte das Heidentum erneuern. Kaiser Julian machte im Jahre 363 einen Feldzug gegen die Perser. In seinem Gefolge befand sich Libanius, ein Gelehrter, der das gesamte Wissen der heidnischen Welt in sich vereinigte. Dieser gebildete Libanius traf in Antiochien einen christlichen Schulmeister. Er fragte ihn spöttisch: „Nun, was macht denn jetzt euer Zimmermannsohn?“ Der christliche Lehrer sagte ruhig und schlagfertig: „Was er macht? Er macht einen Sarg!“ Kurz darauf war Kaiser Julian tot.

Christus gestern, Christus heute, Christus auch in Ewigkeit. Und wiederum, wenn wir auf das Portal am Freiburger Dom schauen, da sehen wir, was es heißt: Christus in Ewigkeit. Denn im Bogenfeld wird dargestellt, wie die Toten aus den Gräbern kommen und sich dem Richter Christus stellen. Rechts und links sind sie geschieden in Gute und Böse, in die Böcke und in die Schafe. Oben sitzen die Apostel auf ihren Thronen, und ganz oben thront Christus, umgeben von Johannes und der Muttergottes und den Engeln – als der Weltenrichter. Und tatsächlich hebt mit diesem Tag sein Ewig an: Christus in Ewigkeit. Wir beten ja im Glaubensbekenntnis als letztes der Christusdogmen: „… von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Als der Herr des Himmels auffuhr, um sich zur Rechten des Vaters zu begeben, da haben die Engel verkündet: „Dieser Jesus wird wiederkommen.“ Ja, er wird wiederkommen mit großer Macht und Herrlichkeit. Wir, die wir durch den Glauben gerecht geworden sind, warten auf seine Wiederkunft, denn der Vater hat das ganze Gericht dem Sohn übergeben. Er hat ihm die Macht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist.

Einmal, das erste Mal, kam er im Schweigen der Nacht. Als Kind ward er geboren im Schweigen der Heiligen Nacht. Und im Schwiegen kommt er auch auf unsere Altäre. Er spricht nicht im Schweigen der heiligen Wandlung. Aber einmal wird er kommen, und dann wird er nicht mehr schweigen. Dann wird er offen hervortreten, und er, der im Leiden geschwiegen hat, wird dann, bei der Vergeltung, nicht mehr schweigen. Dann wird die ganze Menschheit vor ihm erscheinen und entgegennehmen, was sie sich verdient hat, Lohn oder Strafe. Die Gläubigen und die Ungläubigen werden sich vor seinem Thron versammeln, seine Jünger und seine Feinde aus allen Zeiten. Er aber wird sie scheiden, wie der Hirt die Herde scheidet in Böcke und Schafe. Die Menschen haben Gelegenheit gehabt, sich für ihn oder gegen ihn zu entscheiden, sein Königtum anzunehmen oder es abzulehnen. Jetzt ruft er sie vor sein Königsgericht, jetzt müssen sie Rechenschaft geben. Er wird die Wahrheit und die Gerechtigkeit zum Siege führen. Dann werden sich die Knie aller beugen, die auf der Erde und unter der Erde sind, und alle werden bekennen: Jesus Christus ist der Herr in der Herrlichkeit Gottes des Vaters.

Christus gestern, Christus heute, Christus in Ewigkeit. Dann wird er auch sich selbst als das Haupt der Menschheit dem Vater im Himmel unterwerfen, damit Gott alles in allem ist. Dann wird der neue Himmel und die neue Erde kommen, und alle werden ihm huldigen: Ehre sei dem, der auf dem Throne sitzt und dem Lamme. Das ist der ganze Christus. Christus heute und Christus in Ewigkeit. Aus ihm und durch ihn und für ihn ist alles. Ihm sei die Ehre in Ewigkeit!

Amen.

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