Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Sakramente der Kirche (Teil 38)

2. Dezember 2001

Die Notwendigkeit des Kommunionempfangs

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Einige Jahre nach Beendigung des Krieges kam ein Priesterkandidat aus russischer Gefangenschaft heim. Als er dem Spiritual des Priesterseminars erzählte, daß er jahrelang keine Gelegenheit hatte, die heilige Kommunion zu empfangen, da brach es entsetzt aus dem Spiritual heraus: „Und da leben Sie noch?“

Das Lebensbrot der heiligen Kommunion ist eine Speise. Es ist eine Speise für unser Leben, allerdings weniger für das natürliche als für das übernatürliche Leben. Es ist eine Speise, die das göttliche Leben in uns nährt und uns zur Vereinigung mit Gott im Himmel führen soll. Nahrung nimmt man so oft zu sich, wie man ihrer bedarf, und wir bedürfen dieser Nahrung. Der heilige Franz von Sales hat einmal gesagt: „Es sind zwei Gruppen, die die Kommunion brauchen, die Vollkommenen, damit sie in der Vollkommenheit verbleiben, die Unvollkommenen, damit sie die Vollkommenheit erlangen; die Starken, damit sie stark bleiben, die Schwachen, damit sie stark werden.“ Ich meine, besser kann man nicht ausdrücken, wie notwendig es ist, die heilige Kommunion zu empfangen. Sie ist die vollendete Teilnahme am Opfer der heiligen Messe; sie ist unsere tägliche Nahrung; sie ist die Himmelsspeise, die uns zur Ewigkeit führen soll. Im Laufe der zweitausendjährigen Kirchengeschichte hat es immer wieder unterschiedliche Weisen gegeben, wie die heilige Kommunion empfangen wurde, wie häufig sie empfangen wurde, welche Bedingungen man für ihren Empfang aufgestellt hat. Eines aber ist sicher: Zwei Voraussetzungen hat man immer gefordert, nämlich den Gnadenstand, also die Freiheit von schwerer Sünde, und die rechte Absicht, also das Verlangen, sich mit Christus zu vereinigen, um auf diese Weise gegen die Anfechtungen des Bösen gewappnet zu sein. Innerhalb dieses Rahmens aber hat es unterschiedliche Verhaltensweisen und auch unterschiedliche Ratschläge gegeben, wie oft man die Kommunion empfangen soll. Am Anfang des Christentums haben die Christen in jeder heiligen Messe kommuniziert. Sie konnten es sich gar nicht anders vorstellen, als daß man, wenn man am Opfer teilnimmt, auch die Opferfrucht genießt. Aber schon im 4. Jahrhundert hören wir, daß der Kommunionempfang seltener wird. Es mag das verschiedene Ursachen gehabt haben, einmal die Lauheit. Als die Massen in die Kirche strömten, waren eben auch viele dabei, die nicht aus reinsten Antrieben zum Glauben kamen und infolgedessen auch nicht mit großer Sehnsucht sich nach dem Opfermahle sehnten. Ein anderer Grund mag sein, daß durch die Betonung der Gottheit Christi im Kampfe gegen den Arianismus die heilige Sehnsucht nach dem Mahle der Vereinigung mit Christus überdeckt wurde durch die Scheu, den großen, gewaltigen Gott in sich aufzunehmen. Wir wissen, daß z.B. der heilige Beda im 8. Jahrhundert erklärte, daß viele Menschen nur einmal im Jahr die heilige Kommunion empfangen, und sogar aus dem 5. Jahrhundert gibt es schon die Klage des heiligen Johannes Chrysostomus: „Umsonst stehen wir am Altare, umsonst bringen wir das Opfer dar, niemand kommuniziert.“

Die großen Theologen des Mittelalters waren unterschiedlicher Meinung über die Häufigkeit des Kommunionempfanges. Der heilige Thomas hat nie geschwankt in der Lehre, die Kommunion solle möglichst täglich empfangen werden. Er fordert auf, sich in einem solchen Zustand der Seele zu verhalten, daß man täglich den heiligen Leib des Herrn empfangen kann. Aber sein Zeitgenosse, der heilige Bonaventura, ist anderer Meinung. Er rät nur denen zur häufigen Kommunion, die in der vollkommenen Gottesliebe stehen, und er ließ nur ungern die Laienbrüder in dem Franziskanerorden zur wöchentlichen Kommunion zu. Die frommen Frauen in den Orden haben die Kommunion gewöhnlich fünf- oder sechsmal im Jahre empfangen. Die Klarissen sechsmal, die Brigittinnen fünfmal. Das Konzil von Trient hat die Gläubigen eingeladen, in jeder heiligen Messe zu kommunizieren, sofern sie in der seelischen Verfassung dazu sind. Um aber wenigstens ein Minimum des Kommunionempfanges zu sichern, hat das IV. Laterankonzil vom Jahre 1215 verordnet: Jeder Christ, der zu den Jahren der Unterscheidung gekommen ist, muß wenigstens einmal im Jahre die heilige Kommunion empfangen. Wenn er das nicht tut, verdient er nicht mehr den Namen eines Christen.

Die Kommunionhäufigkeit wurde vor allem durch falsche Ansichten über die Vorbereitung gedrosselt. Im 17. Jahrhundert gab es in Frankreich einen Theologen namens Arnauld; er ist einer der Jansenisten. Dieser Arnauld hat ein Buch geschrieben „Sur la fraquenté communion“ – „Über die häufige Kommunion“. In diesem Buche vertritt er die These, daß, wer kommunizieren will, zwei Voraussetzungen erfüllen müsse. Erstens, er muß für jede schwere Sünde lange und andauernde Buße getan haben. Zweitens, er muß die vollkommene Gottesliebe besitzen und von jedem Schatten eines Fehlers frei sein. Diese beiden Voraussetzungen wurden von keinem Geringeren als Papst Alexander VIII. verurteilt. Er sagt, diese Voraussetzungen sind übertrieben; sie sind geeignet, die Gläubigen von der Kommunion fernzuhalten, und deswegen müssen sie verworfen werden.

In den kommenden Jahrhunderten hat die Kommunionhäufigkeit geschwankt. Diejenigen, die unter dem Einfluß der Jansenisten standen – die Jansenisten waren eine einflußreiche Gruppe in der Kirche –, haben die Kommunion sehr, sehr selten empfangen, andere, die sich davon frei machten, haben sie häufiger genossen. Der Durchbruch wurde erzielt durch Papst Pius X., den heiligen. Er hat im Anfang des 20. Jahrhunderts die häufige, die tägliche Kommunion empfohlen und gesagt, daß dazu nichts anderes erforderlich ist als der Gnadenstand und die rechte Absicht. Wer immer in dieser Weise zum Tisch des Herrn schreitet, der ist zuzulassen. Vor allem hat er die Kommunion für die Kinder empfohlen; man soll mit der Kommunion der Kinder nicht so lange warten. Im 1. Jahrtausend hat man ja den Kindern, sogar den Säuglingen die Kommunion unter der Gestalt des Weines gereicht. Aber das hörte dann auf, als die Kommunion unter beiden Gestalten abgeschafft wurde, und man hat das Kommunionalter der Kinder hinaufgesetzt. Das IV. Laterankonzil sagt, daß man die Kommunion empfangen muß, wenigstens einmal im Jahre, wenn die Jahre der Unterscheidung eingetreten sind. Welches sind die Jahre der Unterscheidung? Man nimmt an, daß sie etwa um das 7. Lebensjahr einsetzen. Jahre der Unterscheidung sind jene Jahre, wo man den Leib des Herrn von anderer Speise unterscheiden kann. Wir haben also die Vollmacht, Kindern etwa ab sieben Jahren die Kommunion zu spenden. Wenn es sich um Kinder handelt, die früher diese Fähigkeit besitzen, kann man sie auch früher spenden. Ich habe gelegentlich Kindern im 5., 6. Lebensjahr die Frühkommunion spenden dürfen, weil sie eben schon durch ihre Eltern vorbereitet waren, zum Tisch des Herrn zu gehen. Sie haben übrigens auch in diesem Alter schon eine kleine Beicht abgelegt.

Heute wird die Kommunion etwa im 2. oder im 3. Schuljahr gespendet, und das ist der richtige Zeitpunkt. Die Kinder sollen das Brot der Engel dann empfangen, wenn sie zu den Jahren der Unterscheidung gelangt sind, damit sie, wenn die Kämpfe des Lebens beginnen, gestärkt sind durch diese Speise. Denn die Kommunion ist Speise und Arznei, Nahrung zur Kräftigung des seelischen Lebens, zum Wachstum in der Gnade, und Arznei, d.h. Heilmittel gegen die Anfechtungen, gegen die Versuchungen des Satans. Das kirchliche Gesetzbuch schreibt heute vor, wie es das Konzil vom Lateran getan hat, daß wenigstens einmal im Jahre jeder Christ die heilige Kommunion empfangen muß.

Der häufige Kommunionempfang ist dringend anzuraten für alle, welche im Gnadenstande sind und genügend vorbereitet sind. Wer aus Scheu, aus heiliger Scheu der Kommunion fernbleibt, hat die Möglichkeit, die geistige Kommunion zu empfangen, d.h. in sich das Verlangen und die Sehnsucht nach der Vereinigung mit dem Herrn zu erwecken. Wer im Gnadenstande ist und die geistige Kommunion empfängt, der hat dieselben Wirkungen zu gewärtigen wie derjenige, der sakramental kommuniziert.

Die heilige Kommunion soll uns begleiten während dieser Pilgerzeit. Wir sind ja unterwegs zum Ziel des Himmels der Freude. In dieser Zeit sollen wir uns nähren und kräftigen durch die Speise der Engel. Die heilige Kommunion ist in dieser Zeit eine Erinnerung und ein Vorentwurf der Zukunft. Sie erinnert uns an das Leiden des Herrn, denn die Kommunion wird als Opferspeise aus dem Opfer des Herrn hervorgebracht, und das Opfer des Herrn ist die Vergegenwärtigung seines Kreuzestodes. Deswegen beten wir auch bei der heiligen Kommunion immer, daß sie ein Gedächtnis des Leidens, ein Gedächtnis des Sterbens unseres Heilandes ist. Sie ist aber gleichzeitig auch ein Vorentwurf der Zukunft. Sie erinnert uns an die Wiederkunft. Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Korinther: „Sooft ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt.“ Die Kommunion ist also für die Zwischenzeit eingesetzt zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft des Herrn. In dieser Zeit nährt sie unser Leben, kräftigt uns gegen Versuchungen, verbindet uns mit Christus und stärkt uns in der Tugend.

Aber einmal wird die Kommunion aufhören. Einmal wird die Kommunion aufhören, wie die Kirche aufhört. Das ist dann, wenn der Herr wiederkommt. Wir wissen nicht, wann das sein wird. Das wissen nicht einmal die Engel des Himmels, aber wir wissen, daß es geschehen wird. Jede Eucharistiefeier und jede Kommunion erinnert uns an die Wiederkunft des Herrn. Was jederzeit eintreten kann, ist immer nahe, und es ist gar keine Frage, daß die Wiederkunft mit jedem Tag, der vergeht, näherkommt. Die Kommunion will uns rüsten für diesen Tag, daß der Herr uns, wenn er kommt, wachend findet, daß wir vorbereitet sind und eingehen können mit ihm in die Freude des Himmels.

Im letzten Buch der Heiligen Schrift, in der Apokalypse des Apostels Johannes, ist diese Wirklichkeit ausgesprochen. „Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme, und wer will, empfange lebendiges Wasser umsonst. Wer hiervon Zeugnis gibt, spricht: Ja, ich komme bald. Amen. Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen Heiligen.“

Amen.

 

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