Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Sakramente der Kirche (Teil 25)

12. August 2001

Der Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag sprachen wir über das äußere Zeichen des eucharistischen Opfersakramentes. Das äußere Zeichen des eucharistischen Opfersakramentes sind Brot und Wein und die darüber gesprochenen Worte. Nun ist aber ein anerkannter Grundsatz aller Sakramente, daß die Sakramente das bewirken, was sie versinnbilden. Also müssen wir heute fragen: Welches ist denn der Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes? Die Antwort lautet: Der Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes ist die Gegenwart von Leib und Blut Christi. Mit einem lateinischen Ausdruck wird diese Gegenwart als „Realpräsenz“ bezeichnet: Real – wirklich, Präsenz – Gegenwart; wirkliche Gegenwart, Realpräsenz. Aber wie sich noch zeigen wird, verstehen nicht alle christlichen Bekenntnisse das Wort Realpräsenz im selben Sinne. Deswegen ist es notwendig, den katholischen, den von Christus gewollten, den im Neuen Testament niedergelegten Sinn der Realpräsenz sich zu verdeutlichen.

Die Lehre der Kirche ist eindeutig: Christus ist im eucharistischen Opfersakrament gegenwärtig mit Menschheit und Gottheit,  mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, in Wirklichkeit und im Wesen. Das Konzil von Trient hat die Wahrheit in den Satz gefaßt: „Wer leugnet, daß im Sakrament der heiligsten Eucharistie wahrhaft, wirklich und wesentlich der Leib und das Blut zugleich mit der Seele und mit der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und folglich der ganze Christus enthalten ist, und behauptet, er sei in ihm nur wie im Zeichen, im Bild oder in der Wirksamkeit, der sei ausgeschlossen.“ Das Konzil von Trient hat die wirkliche Gegenwart Jesu Christi ausgesprochen, und zwar eine doppelte Gegenwart, eine Gegenwart im Sein und eine Gegenwart im Akt. Wir müssen bei der Gegenwart Christi im eucharistischen Opfersakrament die ontologische, also die Seinsgegenwart, und die Akt-, also die tätige Gegenwart, unterscheiden. Die Seinsgegenwart ist die Gegenwart der Substanz, die Aktgegenwart ist die Gegenwart des Akzidens. Die Substanzgegenwart prägt die Aktgegenwart. Nur weil Jesus wirklich und wahrhaft gegenwärtig ist, können wir den Opfertod Christi in der heiligen Messe wirksam und nicht bloß in einem Bild begehen.

Das Neue Testament steht auf der Seite der Lehre der Kirche. Wir werden uns am heutigen Sonntag die Verheißung des eucharistischen Opfersakramentes durch Jesus, wie sie im Johannesevangelium niedergelegt ist, vor Augen führen und am kommenden Sonntag die Lehre, wie sie die drei anderen Evangelisten und der heilige Paulus vorgetragen haben. Die Verheißung des eucharistischen Opfersakramentes ist im 6. Kapitel des Johannesevangeliums niedergelegt. Dieses wichtige Kapitel des Johannesevangeliums zerfällt in vier Teile. Im ersten Teil ist von zwei Wundern Jesu die Rede, im zweiten Teil spricht Jesus über sich selbst als das Himmelsbrot, im dritten Teil kommt er ausdrücklich auf sein Fleisch und Blut zu sprechen und im vierten Teil wird die Wirkung dieser Rede gezeigt, die zur Entscheidung zwingt.

Im ersten Teil werden zwei Wunder Jesu berichtet, nämlich das Wunder der Brotvermehrung und das Wunder des Seewandels. Wir wissen, daß Jesus damals in der Wüste für Tausende von Leuten aus wenigen vorhandenen Broten viele geschaffen hat, und die Menschen sind durch seine Speisung satt geworden. Danach sind die Jünger über das Galiläische Meer, also den See Genesareth gefahren. Er ist ihnen nachgegangen, und zwar wandelnd über das Wasser. Warum stehen diese beiden Wunder in der Verheißungsrede der Eucharistie? Die Antwort ist einfach: Das Wunder der Brotvermehrung zeigt, daß Christus der Herr der Natur ist. Er vermag aus wenigen Broten viele zu schaffen. Der Wandel über den See zeigt, daß er erhaben ist über die materiellen Elemente. Das Wasser, das einen anderen Menschen nicht trägt, vermag ihn zu tragen. Er wollte durch diese Wunder in den Menschen den Glauben wecken. Er wollte, daß sie begriffen, daß derjenige, der viele Brote aus wenigen schaffen kann und der über das Wasser schreiten kann, ohne zu versinken, daß der auch fähig ist, ihnen das Himmelsbrot zu geben.

Freilich, zunächst spricht der Herr von sich selbst als dem Himmelsbrot. Er weiß, daß die Massen durch die Brotvermehrung ihn zum König machen wollten als Brotkönig. Einer, der das kann, der muß unser Herr sein! Er hat aber eine ganz andere Botschaft als die Vermittlung irdischen Brotes den Menschen zu gewähren. Er will sie zur Bekehrung rufen, zur Änderung des Lebens, zur Umkehr. Und so versucht er ihnen klar zu machen, daß sie sich nicht um das vergängliche Brot bemühen sollen, sondern um jenes Brot, welches bleibt zum ewigen Leben, das Brot, das der Menschensohn ihnen zu geben vermag.

Welches ist nun dieses Himmelsbrot, das Jesus gibt? Zunächst ist er es selbst. Er selbst als Person, aber natürlich auch mit seiner Lehre und mit seinen Taten, ist das Himmelsbrot. „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt der Herr. „Wer zu mir kommt, der wird nicht mehr hungern, und wer an mich glaubt, den wird nicht mehr dürsten.“ Also er selbst ist das Brot des Lebens, insofern man zu ihm kommen muß, und dieses Kommen vollzieht sich durch den Glauben. Wer glaubt, kommt zu Jesus. Wer glaubt, nimmt das Himmelsbrot, das Jesus ist, in sich auf und hat damit das ewige Leben. Das war für die jüdischen Zuhörer unbegreiflich. Er bezeichnet sich als das Himmelsbrot, und sie wußten ganz genau, wer er ist. „Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen?“ Jesus versuchte sie zum Verständnis seines Wesens zu bekehren. „Murret nicht untereinander!“ Aber er weiß auch, daß der Glaube an ihn ein Geschenk Gottes ist. „Niemand kann zu mir kommen, wenn ihn der Vater, der mich gesandt hat, nicht zieht.“ Sie sollen glauben, und sie müssen glauben, aber sie können nicht glauben, wenn der Vater ihnen nicht den Glauben schenkt. Der Vater freilich ist bereit, sie zum Glauben zu führen, aber sie müssen dafür aufgeschlossen sein, dann werden sie den Glauben finden. „Ich bin das Brot des Lebens.“ Und er vergleicht sich mit dem Brote, das die Juden in der Wüste gegessen haben. Das war das Manna. Das war auch ein Himmelsbrot, aber ein Himmelsbrot ganz anderer Art, nämlich zur Befriedigung der irdischen Bedürfnisse. Das Himmelsbrot, das er ist, ist anderer Art. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot ißt, wird er ewig leben.“ Das Manna diente nur dazu, das vergängliche Leben zu nähren. Danach bekamen die Israeliten wieder Hunger. Er ist das lebendige Brot, das ewiges Leben in sich trägt und diejenigen, die ihn im Glauben aufnehmen, zum Himmel führt. Das war also die erste Belehrung, die Jesus ihnen zuteil werden ließ: Er selbst als Heilsbringer ist das Himmelsbrot. Dieses Himmelsbrot wird genossen durch den Glauben, und wer im Glauben zu Jesus kommt, gewinnt damit das ewige Leben.

Aber das war alles nur Vorbereitung, Vorbereitung auf das, was er ihnen jetzt zu sagen hat, nämlich: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ Das war für die Juden noch unerhörter als das, was Jesus bisher gesagt hatte. „Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben?“ Jesus nimmt seine Worte nicht zurück, sondern verstärkt sie: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken, denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“ Also jetzt spricht er nicht mehr bloß vom Glauben an ihn, durch den man sich ja auch Christus in einer gewissen Hinsicht zueignet. Jetzt spricht er davon, daß er sein Fleisch und sein Blut ihnen zur Speise und zum Trank geben will. „Mein Fleisch ist wahrhaft – das ist die Betonung – ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“ Diese Rede kann nicht bildlich verstanden werden. Denn wenn sie bildlich gemeint gewesen wäre, dann hätten die Juden kein Ärgernis daran genommen. Die bildliche Redeweise leuchtet jedem ein, aber die wirkliche Redeweise, wie sie Jesus tatsächlich meint, ist es, an der die Juden Anstoß nehmen.

Um auch jeden Zweifel auszuschalten, daß es sich um ein wirkliches Essen und Trinken handelt, gebraucht der Herr das Wort „kauen“. Kauen kann man nicht bildlich verstehen; kauen ist nur wörtlich zu verstehen. Das ist das griechische Wort „trogein“. Der Herr will jeden Zweifel ausschließen, daß es sich tatsächlich um eine Speisung, um eine Tränkung handelt. Sie müssen das Fleisch und das Blut des Menschensohnes zu sich nehmen, dann werden sie auch durch ihn leben. „Jeder, der mich ißt, wird um meinetwillen leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, nicht wie das Manna, das eure Väter gegessen haben und gestorben sind. Wer dieses Brot ißt, wird ewig leben.“

Das, was jetzt folgt, nennt man das kapharnaitische Mißverständnis. Die Juden meinten, sie müßten Jesus so, wie er vor ihnen steht, in seiner natürlichen Gestalt aufnehmen. Das war natürlich unmöglich, war auch gar nicht von Jesus gemeint. Und daß es nicht so gemeint ist, das sucht er seinen Jüngern zu erklären – auf zweifache Weise. Viele von seinen Jüngern, die dies hörten, sprachen: „Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ Als Jesus das bemerkte, daß seine Jünger murrten, da sagte er zu ihnen: „Ärgert euch dieses?“ Und er gibt ihnen zwei Erklärungen. Erstens: „Wenn ihr nun den Menschensohn dorthin auffahren sehet, wo er zuvor war...?“. Er verweist also auf die Zukunft. Er verweist darauf, daß er in die himmlische Herrlichkeit eingehen wird, aus der er zur Erde niedergestiegen ist. Der Sinn ist: Wer das kann, nämlich in verwandelter Gestalt in den Himmel auffahren, der ist auch fähig, sein Fleisch und sein Blut zur Nahrung und zum Tranke zu geben. Die zweite Erklärung besteht darin: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützet nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben.“ Nicht das natürliche Fleisch, nicht das natürliche Blut, das in dem lebendigen Jesus lebt, wird ihnen zur Speise und zum Trank gegeben, sondern das verwandelte Fleisch und das verwandelte Blut, nämlich die verklärte Persönlichkeit Christi, die verherrlichte Wirklichkeit Christi, so wie sie aus der Auferstehung hervorging, das ist es, was er ihnen gibt. Und das kapharnaitische Mißverständnis besteht darin – und es dauert ja bis heute an –, daß Menschen meinen, sie müßten Christus essen, so wie er auf Erden gewandelt ist. Nein, das eucharistische Essen ist ein Essen Christi in einer anderen, in einer veränderten, in einer durchgeistigten Existenzweise. Deswegen kann man nicht, wie Adolf Hitler meinte, behaupten, die Christen würden ihren Gott in dem Abendmahl „auffressen“. Das ist das kapharnaitische Mißverständnis. Nein, sie nehmen Jesus auf in einer Weise, die auf Erden nicht mehr vorkommt, in einer unbeschreiblichen, in einer letztlich nicht aussagbaren Weise. Und wer an Jesus glaubt, wer seine Wirklichkeit ernstnimmt, der wird an seinen Worten nicht zweifeln. Die Entscheidung, meine lieben Freunde, über die Eucharistie fällt in der Christologie. Wer glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, der vom Himmel herabgestiegen ist, dem fällt es nicht schwer, zu glauben, daß er denen, die an ihn glauben, sein Fleisch und sein Blut zur Speise und zum Trank zu geben vermag. Das Wunder, daß ein Gott vom Himmel herabsteigt und sich für unsere Sünden kreuzigen läßt, das Wunder ist viel größer, als was in der eucharistischen Wandlung geschieht.

Freilich war diese Rede Jesu Anlaß, daß einige nicht mehr an ihn glaubten. Jesus wußte von Anfang an, welche nicht an ihn glaubten und wer ihn verraten würde. „Von da an zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm.“ Von da an zogen sich viele seiner Jünger, also nicht von den ungläubigen Juden, zurück und gingen nicht mehr mit ihm. Diese Rede über die Eucharistie bringt die Entscheidung für oder wider Jesus, für die Wirklichkeit des eucharistischen Opfersakramentes oder dagegen. „Dann sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt auch ihr gehen?  Da antwortete Simon Petrus: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Heilige Gottes bist.“ Die Zwölf sind treugeblieben, auch wenn einer unter ihnen war, der ihn verraten wollte. Sie haben das eucharistische Geheimnis angenommen, und sie haben es uns weitergegeben.

Wenn Sie einmal, meine lieben Freunde, in die seligen Gefilde Bayerns kommen, dann empfehle ich ihnen, gehen Sie in das große Kloster Ottobeuren. Da hängt in einem Seitengang ein Bild. Auf diesem Bild ist zu sehen Jesus, wie er mit den Glaubensneuerern zu Tische sitzt. Jeder der Glaubensneuerer hat ein Spruchband, auf dem sein Eucharistieglaube, sein falscher Eucharistieglaube niedergelegt ist. Da steht Zwingli, und auf dessen Schriftband steht: „Das bedeutet meinen Leib.“ Da ist Calvin, und auf seinem Spruchband ist zu lesen: „Das ist Kraft von meinem Leibe.“ Und da ist auch Luther, und bei ihm steht geschrieben: „Das enthält meinen Leib.“ Bei Jesus aber, auf dem Spruchband, das Jesus hält, da finden sich die Worte: „Das ist mein Leib.“

Amen.

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