Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Wer ist dieser Jesus (Teil 6)

12. November 2000

Das Zeugnis seiner Zeitgenossen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Frage, die uns seit mehreren Sonntagen bewegt, lautet: „Was dünkt euch von Christus? Wessen Sohn ist er?“ Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend für unser ganzes Leben. Entweder ist Christus ein harmloser Bußprediger, oder er ist der Herr und Gesetzgeber des Neuen Bundes. Wenn man ihn nicht als den Gesetzgeber des Neuen Bundes ansieht, dann kann man das tun, was der Deutsche Bundestag tut, nämlich die Homo-Ehe einführen. Wenn er aber der Gesetzgeber des Neuen Bundes ist, dann wehe denen, wehe denen, die sein Gesetz sehenden Auges übertreten!

Wir hatten uns zuletzt das Zeugnis des Apostels Johannes vor Augen geführt. Er berichtet an vielen Stellen seines Evangeliums, daß Jesus von sich selbst sagt, er sei vom Himmel gekommen, er sei vom Vater gesandt, um hier auf Erden das Werk der Erlösung zu bewirken. Das war sein Selbstzeugnis. Aber seine Zeitgenossen haben Glauben an ihn gefaßt. Der erste von ihnen ist Johannes der Täufer. Er sagt von Jesus: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt! Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir geht, denn er war eher als ich. Ich kannte ihn nicht, aber damit er in Israel offenbar werde, bin ich gekommen und taufe mit Wasser. Er, auf den du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft. Ich habe es gesehen und habe es bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.“ Johannes der Täufer hat begriffen, daß Jesus nicht ein bloßer Wanderprediger ist, wie es damals viele gab, sondern der einzige Sohn Gottes, der auf Erden erschienen ist.

Auch andere haben es begriffen. Nikodemus, der Ratsherr, bekennt, daß Jesus von Gott gekommen ist. Die ersten Jünger, Andreas und Philippus, erkennen in ihm den Messias und Sohn Gottes. Als er sein erstes Wunder wirkt in Kana, „da glaubten seine Jünger an ihn“ – eben an ihn als an den Sohn Gottes. Und als nach seiner Himmelsbrot-Rede eine Menge seiner Anhänger sich von ihm trennte, da fragte er die Zurückbleibenden, ob sie auch gehen wollten; doch sie antworteten: „Zu wem sollen wir gehen? Du allein hast Worte des ewigen Lebens. Wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Heilige Gottes bist.“ Der Heilige Gottes ist niemand anderes als der göttliche Messias.

Auch die Volksscharen haben eine Ahnung gewonnen, wer Jesus ist. Nach der großen Abendeinladung, bei der Brotvermehrung, da waren sie überzeugt, daß er der Prophet ist, der in die Welt kommen soll, der Prophet, der ein einzigartiger Prophet ist, nicht wie die übrigen, nicht wie Elias und Elisäus, sondern der Prophet, der alles wiederherstellt am Ende der Tage und die Herrschaft Gottes heraufführt. Der Blindgeborene hatte ebenfalls erkannt, wer Jesus ist. „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ Darauf antwortete er: „Ja, ich glaube.“ Martha, die Schwester der Lazarus, bekennt Jesus als den Messias, als den Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist. Und Thomas, überwältigt von der Gegenwart des auferstandenen Heilandes, bricht in das Wort aus: „Mein Herr und mein Gott!“

Daß Jesus dieses Anspruch erhoben hat, wird auch von seinen Gegnern bezeugt, denn sie sind ihm deswegen feindselig, weil er sich eben als den Sohn Gottes bezeichnete. Deshalb suchten die Juden noch mehr, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat nicht hielt, sondern auch Gott seinen Vater nannte und so sich Gott gleichstellte. Das also war der Angriffspunkt. An einer anderen Stelle: „Wir steinigen dich nicht wegen eines guten Werkes, sondern wegen der Gotteslästerung, weil du dich selbst zu Gott machst, da du doch ein Mensch bist.“ Und noch ein letztes Mal, nämlich in der Verhandlung vor Pilatus: „Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muß er sterben, denn er hat sich selbst zum Sohne Gottes gemacht.“

Die Worte Jesu beinhalten einen ungeheuren Anspruch. Aber um seine Worte nicht allein zu lassen, hat er sie gestützt und bestätigt durch seine Werke. Oder vielmehr – was sage ich? – der Vater im Himmel hat seine Worte bestätigt durch die Werke, die er seinem Sohn zu tun gab. Das Wunderwirken Jesu ist so eng mit seiner Person und mit seinen Worten verknüpft, daß es unmöglich ist, das eine zu leugnen und das andere zu behalten, wie es manche modernistische Theologen tun. Entweder man nimmt den ganzen Jesus an, und das ist der Wunderheiland, oder man verwirft ihn, und dann braucht man auch auf seine Worte nichts zu geben.

Johannes berichtet sieben Wunder Jesu aus der großen Fülle dessen, was Jesus getan und gewirkt hat. Er bezeugt das Wunder in Kana, die Brotvermehrung, er berichtet drei Heilungen: am königlichen Beamtensohn, an dem Kranken vom Bethesda-Teiche, am Blindgeborenen, er bezeugt den Seewandel Jesu und die Auferweckung des Lazarus. In all diesen Wundern blitzt es auf, daß Jesus der schöpferische Verwandler, Leben und Licht der Welt, der Herr der Elemente ist. Die Wunder bekräftigen seine Worte, und in den Worten erklärt er seine Wunder. Jesus wirkte die Wunder nicht, um einer augenblicklichen Not abzuhelfen; da hätte er angesichts der zahlreichen Kranken viel mehr Heilungen vornehmen müssen, sondern diese Wunder waren Zeichen, und als Zeichen mußten sie nicht fortwährend und an allen ausprobiert werden. Er wirkte auch keine Schauwunder, wie es die hellenistischen Wundertäter taten, sondern wo er keinen Glauben fand, da wirkte er keine Wunder, nicht weil seine Macht versagt hätte, sondern weil der Sinn seiner Wundermacht ins Gegenteil verkehrt worden wäre. Sie wollen den Glauben wecken, sie sollen den Menschen zum Glauben an seine Sendung führen, und wo er verstockte Herzen und einen verblendeten Geist findet, da wirkt er keine Wunder.

Das Wunder aller Wunder ist seine eigene Auferstehung. Man hat versucht – der Unglaube ist ja findig –, durch Hypothesen den Glauben der Jünger, nicht etwa die Auferstehung Jesu, den Glauben der Jünger an die Auferstehung Jesu zu erklären. So hat man die Mythenhypothese, die Visionshypothese, die Scheintodhypothese erfunden. Sie aller ergeben sich nicht aus den Texten der Evangelien, sondern erklären sich aus weltanschaulichen Vorurteilen. Weil man von vornherein überzeugt ist, daß Gott nicht auf Erden erscheinen könne, und weil man von vornherein sich sicher ist, daß es keinen von Gott Gesandten geben kann, der Wunder wirkt, deswegen leugnet man die unzweifelhaften Zeugnisse der Evangelien. Die Auferweckung Jesu wird von Paulus bezeugt, von der Apostelgeschichte und von den vier Evangelisten. Das Zeugnis des Paulus ist wahrscheinlich das älteste; es liegt vor im ersten Korintherbrief, der aus dem Jahre 57 stammt, aber es reicht weiter zurück, denn 23 Jahre vorher, im Jahre 34 etwa, hat Paulus die Lichterscheinung bei Damaskus gehabt und ist dann zu Petrus gegangen und hat von ihm die Liste der Zeugen erhalten, die Jesus nach seiner Auferstehung gesehen hatten. Wir kommen also im Zeugnis des Paulus unmittelbar in die Zeit der Urkirche zurück, und es ist deswegen gar nicht zweifelhaft, wenn in der Apostelgeschichte berichtet wird, daß schon nicht zwei Monate nach dem Tode Jesu die junge Kirche von seiner Auferstehung kündigte.

Die Auferweckung Jesu ist das Wunder aller Wunder. Die Entstehung des Glaubens an die Auferweckung Jesu wird uns von den Evangelisten berichtet. Die Jünger hatten seltsame Erfahrungen. Der Tote, den sie hatten am Kreuze hängen sehen, erschien vor ihnen, er sprach mit ihnen, er aß mit ihnen, sie berührten ihn. Die Meinung, die Apostel seien Sinnestäuschungen zum Opfer gefallen, ist unhaltbar, denn zu viele Tatsachen sprechen dagegen. Das leere Grab erweckte ihren Glauben nicht, es entmutigte sie, es ermutigte sie nicht. Sie hielten das, was die Frauen ihnen berichteten, für Geschwätz. Und selbst als sie sich selbst überzeugt hatten von dem leeren Grab, keimte der Glaube nur in einem einzigen von ihnen auf, nämlich in Johannes. Die anderen mußten erst durch die Erscheinungen Jesu zum Glauben geführt werden, und auch da zweifelten sie noch. „Einige aber zweifelten“, schreibt Markus gegen Schluß seines Evangeliums. Deswegen hat Jesus ihnen die Beweise geliefert, wie sie ein Mensch braucht, um von Tatsachen überzeugt zu werden. Ein Toter redet nicht, aber ein Auferstandener redet. Ein Toter ißt nicht, aber ein Auferstandener kann essen. Ein Toter kann berührt werden, aber er fordert nicht andere auf, ihn zu berühren. Der Unglaube kann sich selbstverständlich gegen jeden Beweis zur Wehr setzen, weil er nicht glauben will. Aber dann wird eben das Geschehnis, das Gott in Christus gewirkt hat, ihm zum Verhängnis und zum Fall. Er ist schon gerichtet, weil er nicht an den glaubt, den Gott als seinen Gesandten aufgestellt hat.

Nun, meine lieben Freunde, schildert Johannes Jesus als den, der war, der ist und der sein wird. Jesus als der, der war, das ist der präexistente Christus, also der Sohn Gottes beim himmlischen Vater. Der Christus, der ist, das ist der Heiland, mit dem Johannes gewandert ist, auf dessen Wort er gehört hat, an dessen Brust er gelegen hat im Abendmahlssaal. Aber er spricht auch von dem Jesus, der kommen wird, von dem, der da sein wird. Er hat uns nämlich ein letztes Buch hinterlassen, das Buch der Apokalypse. Das ist ein Trostbuch aus der Zeit der großen Christenverfolgung unter Kaiser Domitian. Da wurde die Kirche mit diesem wunderbaren Buche beschenkt, in dem der kommende Jesus und gezeigt wird. Johannes hat von Gott gewirkte Visionen. „Ich schaute um mich nach der Stimme, die zu mir sprach, und beim Umschauen sah ich sieben goldene Leuchter, und inmitten der Leuchter einen wie einen Menschensohn, angetan mit langem Gewande und mit goldenem Gürtel um die Brust gegürtet. Sein Haupt und seine Haare weiß wie Wolle, seine Augen wie Feuerflammen. Seine Füße glichen dem Glanzerz, das im Schmelzofen glühte, seine Stimme war wie das Rauschen gewaltiger Wasser. Sieben Sterne hielt er in der rechten Hand, aus seinem Munde fuhr ein zweischneidiges scharfes Schwert, und sein Antlitz war, wie wenn die Sonne mächtig strahlt. Das sah ich, und da stürzte ich zu Boden.“

Christus ist der Herrscher, der machtvolle Herr. Er wirkt die Geschichte, auch wenn sie selbst nichts davon weiß. Jetzt mag es scheinen, als ob Gott schwach wäre, als ob er schweigen würde, als ob er gar nicht da wäre. Aber in Wahrheit ist er der Herr der Geschichte; alle Geschöpfe sind seine Werkzeuge, alle Geschehnisse dienen seinem Willen.

Und von diesem Menschensohn bezeugt Johannes weiter, daß er das Buch, das niemand öffnen kann, öffnet. Es kam ihm nämlich ein Buch vor Augen. Dieses Buch war innen und außen beschrieben und mit siegen Siegeln versiegelt. „Ein Engel rief: Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel  zu lösen? Aber niemand, weder im Himmel noch auf der Erde noch unter der Erde, konnte das Buch öffnen. Da weinte ich sehr, daß niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hineinzusehen. Einer der Ältesten aber sprach zu mir: Weine nicht! Siehe, gesiegt hat der Löwe aus Judas Stamm, der Sproß Davids. Er kann das Buch öffnen und seine sieben Siegel lösen.“ Was heißt das, meine Freunde? Das heißt: Wir sind ohnmächtig, die Geheimnisse unseres Lebens und der Geschichte zu deuten. Wir sind unfähig, die Schicksale zu verstehen. Wir wissen nicht, wozu alles ist und worum alles ist, aber in dieser Not der Versiegeltheit kommt das Lamm, und das Lamm ist Herr über den Sinn der Geschichte. Einmal wird unser Glaube gekrönt, einmal wird unsere Hoffnung getröstet, einmal wird unsere Liebe belohnt. Das ist dann, wenn Christus das Buch, das Schicksalsbuch der Menschheit und der Welt, öffnet.

Er führt einen letzten Kampf. Mit dem Zeichen der göttlichen Majestät und Macht zieht er in den Kampf. „Auf der Wolke saß einer wie ein Menschensohn. Er trug auf seinem Haupte eine goldene Krone und in der Hand eine scharfe Sichel.“ Die Sichel ist das Werkzeug der Ernte. Der Gottessohn erntet jetzt die Welt, denn die Ernte der Welt ist reif geworden. „Und der auf der Wolke saß, legte seine Sichel an die Erde, und die Erde wurde abgeerntet.“ Einmal kommt er mit göttlicher Macht und besiegt den Satan, und Gottes Herrlichkeit strahlt leuchtend für immer empor. Johannes sieht dann Christus als himmlischen Reiter auf einem weißen Roß. „Er heißt Treu und Wahr, er richtet und reitet mit Gerechtigkeit. Seine Augen sind wie Feuerflammen, auf seinem Haupte trägt er viele Diademe. Bekleidet ist er mit einem blutbefleckten Gewande, und auf seinem Gewande steht das Wort ,Das Wort Gottes‘.“

Einmal wird die Weltgeschichte ein Ende nehmen. Das wird zu der Stunde sein, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat. Und der das Ende heraufführt, ist niemand anderer als Jesus Christus, der Sohn Gottes, unser Herr und Heiland. Noch spähen unsere Augen die grauen Horizonte ab nach dem ersten Schimmer seines Lichtes, aber er wird kommen, wie das Schicksal kommt, denn er ist das Schicksal.

Amen.

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