Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Katholische Kirche und Protestantismus (Teil 3)

1. Mai 1994

Das falsche Verständnis der kirchlichen Ämter

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die dritte Abteilung des Buches „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“, das herausgegeben ist von den Herren Lehmann und Pannenberg, widmet sich dem Amt. Aber schon der Titel ist irreführend, denn unter „Amt“ versteht man einen dauernd bestimmten Geschäftskreis, der im Dienste anderer ausgeübt wird. Das ist aber in dieser Abteilung gar nicht gemeint, sondern es geht um die kirchliche Vollmacht, um ihre Grundlegung und um ihre Übertragung. Es geht um das, was wir in der katholischen Kirche als „Weihe“, als „Weihesakrament“ bezeichnen. Aber da der Protestantismus ein Weihesakrament nicht kennt, wie wir gleich sehen werden, entschloß man sich, vom „Amt“ zu reden. Wir wollen an fünf Stellen die kontroversen Gegenstände, die das Weihesakrament betreffen, uns vor Augen führen.

An erster Stelle muß gesagt werden, daß die Weihe in der katholischen Kirche eines der sieben Sakramente ist, ein von Christus eingesetztes heiliges Zeichen, das geistliche Wirkungen auf den Empfänger ausübt. Gegen die irrigen protestantischen Ansichten hat das Konzil von Trient ein für allemal festgelegt: „Wer sagt, es gebe kein Weihesakrament, sondern es sei das eine Erfindung von Menschen, der sei ausgeschlossen!“ Es gibt in der Kirche Christi ein äußeres und sichtbares Priestertum, es gibt eine von Gott angeordnete hierarchische Ordnung mit Über- und Unterordnung, es gibt einen Priesterstand, und dieser Priesterstand wird begründet durch den Empfang des Weihesakramentes.

Völlig verschieden davon ist die protestantische Auffassung. „Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, daß es Priester, Bischof und Papst sei, auch wenn es nicht jedem ziemt, dieses Amt auszuüben.“ So Originalton Martin Luther. Für ihn ist jeder, der getauft ist, Priester, Bischof und Papst. Deutlich ausgedrückt: Es gibt weder ein Priester-, noch ein Bischofs-, noch ein Papstamt, denn wenn jeder all das besitzt. was diese Ämter beinhalten, dann hat keiner vor dem anderen etwas voraus, ist keinem mehr Vollmacht eigen als dem anderen. Im Protestantismus gibt es nur Funktionen, die bestimmten Leuten übertragen werden. Die Funktionen sind göttlichen Rechtes, das ist auch für den Protestanten keine Frage. Das Evangelium muß verkündet werden, und die Taufe muß gespendet werden; das ist auch Gemeingut des Protestantismus. Aber die Vollmacht dazu, die ist menschlichen Rechtes. Grundsätzlich kann das jeder Getaufte tun. Es werden allein um der guten Ordnung willen Menschen ausgesondert, die man mit der Wortverkündigung und mit der Sakramentenspendung betraut. Aber dadurch treten sie nicht seinshaft aus der Reihe der anderen heraus. Die protestantische Ordination ist kein Sakrament, sondern sie ist eine rein menschliche Beauftragung mit Funktionen, die nach Gottes Willen in der Kirche ausgeübt werden müssen.

Der zweite Gegenstand ist das Bischofsamt. Gegenüber der protestantischen Leugnung des Bischofsamtes hat das Konzil von Trient erklärt: Die Bischöfe sind den Priestern – den Presbytern – überlegen; sie besitzen Weihegewalt und Hirtengewalt, die den Presbytern nicht zukommt. Das Bischofsamt ist ein Teil des Weihesakramentes. Das wissen wir zumindest seit dem II. Vatikanischen Konzil, das diese Lehre deutlich ausgesprochen hat.

Der Bischof im Protestantismus trägt nur den Namen eines Bischofs, aber er hat nicht die Sache. Er trägt den Namen, weil aus bestimmten Gründen – wir werden gleich sehen, aus welchen – der Name „Bischof“ für den Protestantismus Vorteile mit sich bringt. 400 Jahre lang hat es im deutschen Protestantismus keine Bischöfe gegeben. 400 Jahre lang wurde das, was Vorgesetzte zu tun haben, von Superintendenten erledigt. Der Landesherr, also der König oder der Herzog oder der Fürst, firmierte als Notbischof. Er hatte also Herrschaft über die Kirche, wie sie in der katholischen Kirche nur der Papst und die Bischöfe besitzen können. Erst 1933 – man achte auf das Datum – wurden überall im Protestantismus Bischöfe, besser sogenannte Bischöfe eingesetzt. Das war eine Auswirkung des nationalsozialistischen Führerprinzips. Der Nationalsozialismus hielt nichts von Parlamenten, Gremien und Synoden, und flugs hat sich der Protestantismus angepaßt und Bischöfe geschaffen. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurden sie teilweise wieder abgeschafft. So gibt es auch heute protestantische Landeskirchen, die keine Bischöfe kennen, z.B. Rheinland, Westfalen, Hessen-Nassau. An der Spitze dieser religiösen Verbände steht ein sogenannter Kirchenpräsident als Träger der höchsten Verwaltungsvollmacht.

Es gibt im Protestantismus keine Bischöfe, weil es im Protestantismus kein Weihesakrament, weil es aber in ihm auch keine apostolische Sukzession gibt. Die Vollmacht, die Bischöfe haben, kann ja nur von Christus herkommen. Christus hat Apostel ausgewählt und ihnen seine Vollmacht übertragen. Die Apostel haben sich Schüler gesucht, denen sie ihre Vollmacht weitergaben. Und diese Schüler haben wiederum ihren eigenen Schülern die Vollmacht übertragen, und so existiert eine lückenlose Kette von Petrus und Andreas und Jakobus bis zu den heutigen Bischöfen der katholischen Kirche, und dies nennt man apostolische Nachfolge, also Nachfolge, die bei den Aposteln einsetzt und durch die apostolische Sendung und die apostolische Weihe weitergegeben wird. Die apostolische Nachfolge ist im Protestantismus abgerissen. Er hat keine gültigen geweihten Bischöfe, und das gilt für alle protestantischen Länder, für Finnland, Dänemark, Schweden, Norwegen, England. Sie alle haben keine gültig geweihten Bischöfe. Auch wenn sie sich mit dem Titel Bischof schmücken und äußerlich wie Bischöfe auftreten mit Gewändern, Brustkreuz und Kette. Der protestantische Bischof ist kein Geweihter, er ist dem Sein nach nichts anderes als ein Laie.

Drittens muß von den Wirkungen des Weihesakramentes gesprochen werden. Das Weihesakrament überträgt heiligmachende Gnade, prägt dem Empfänger ein besonderes Merkmal ein und verleiht ihm bleibende, unwiderrufliche Vollmachten. Der Geweihte wird Christus verähnlicht, damit er fähig ist, Christus, den ewigen Hohenpriester, repräsentierend abzubilden. Diese Verähnlichung nennt man character indelebilis – unzerstörbares Merkmal. Wir wissen, es gilt der Grundsatz: Wer einmal Priester ist, bleibt es, dem Sein nach gesehen, immer. Er kann  sein Priestertumnicht mehr aufgeben. Er wird selbst in der Hölle als Priester kenntlich sein. Er hat dauernde Vollmachten, vor allem jene, Sünden nachzulassen und das eucharistische Opfersakrament zu vollziehen.

Die protestantische Ordination tut nichts desgleichen. Sie verleiht keine seinshafte Prägung und sondert nicht bestimmte Personen aus, die dann keine Laien mehr sind; sie überträgt keine bleibenden Vollmachten. Die sogenannten Rechte der Ordination können jederzeit entzogen werden. Die Ordination dient nur der guten Ordnung, damit nicht das Chaos in den religiösen und gottesdienstlichen Versammlungen herrscht. Und die Ordination prägt auch keinen Charakter, kein bleibendes Merkmal ein. Der protestantisch Ordinierte ist genauso ein Laie wie jeder andere. Und das haben wir ja in jüngster Zeit drastisch vor Augen geführt bekommen. Die Synode der anglikanischen Diözese Sidney in Australien hat beschlossen, daß künftig auch Laien der Eucharistiefeier vorstehen können. Das ist konsequent! Dieser Beschluß ist um der Klarheit willen zu begrüßen; denn er beseitigt endlich einmal den Nebel, als ob das Abendmahl im Protestantismus nur vom ordinierten Pfarrer gehalten werden könnte. Das Abendmahl kann jeder halten. „Alles, was aus der Taufe gekrochen ist, mag sich rühmen, daß es Priester, Bischof und Papst ist.“ Wir sehen also an diesem Beispiel von Sidney, daß es im Protestantismus kein Priestertum, kein Weihesakrament, keine dauernden Vollmachten und keine Verähnlichung mit Christus gibt.

Viertens: Der Spender des Weihesakramentes ist der geweihte Bischof, und niemand sonst. Nur wer selbst die Vollmacht besitzt, Weihen zu spenden, kann sie anderen weitergeben. Diese Vollmacht besitzt nur jener, der von einem anderen Bischof geweiht worden ist, und dieser Bischof muß wiederum seine Weihe nachweisen, bis man zu einem Bischof, wo man sagen muß: Er hat die Weihe von Petrus, Jakobus, Johannes, Andreas oder irgendeinem der Apostel empfangen. Für die Fähigkeit, im Weihesakrament Geistträger zu zeugen, ist die apostolische Sukzession unerläßlich. Und eben diese fehlt im Protestantismus. Wenn ein Superintendent oder meinetwegen auch ein protestantischer Bischof einem Mann oder einer Frau, im Protestantismus ist das ohne weiteres möglich, wie wir gleich sehen werden, die Hände auflegt, dann geschieht, vom göttlichen Recht her gesehen, nichts. Hier wird keine Weihe gespendet, hier erfolgt keine Aussonderung zu heiligem Dienst, hier werden keine bleibenden Vollmachten übertragen, hier wird kein Charakter eingeprägt, sondern hier wird um der Ordnung in der Gemeinde willen eine Bestellung zum Dienst vorgenommen, wie sie meinetwegen der Beamte erfährt, wenn er eine Urkunde ausgehändigt bekommt, wonach er berechtigt ist, bestimmte Funktionen als Eisenbahninspektor oder Postbeamter oder Lehrer auszuführen. Damit wird ja der Betreffende nicht in seinem seelischen Sein verändert, sondern es werden ihm eben Funktionen übertragen. Ähnlich ist es auch mit der sogenannten Ordination im Protestantismus.

Und das muß dann fünftens auch noch gesagt werden vom Empfänger der Weihe. Christus hat als seine Apostel nur Männer ausgewählt. Und die Apostel haben nur Männer beauftragt, die Sendung weiterzuführen. Die Kirche war immer und seit 2000 Jahren überzeugt, daß nur Männern gültig das Weihesakrament gespendet werden kann. Das hat einen tiefen Grund. Der ewige Hohepriester, Jesus Christus, der Logos, ist als Mann erschienen. Und diejenigen, die an seiner Wirksamkeit und an seiner Vollmacht Anteil erhalten sollen, müssen ihm, den sie repräsentieren sollen, so weit wie möglich angenähert sein. Die fundamentale Annäherung ist darin gelegen, daß sie dem männlichen Geschlechte angehören. Deswegen ist es undenkbar, daß die katholische Kirche jemals dazu kommen könnte, von diesem Grundsatz abzugehen. Er besitzt die Gewißheit eines Dogmas. Wenn er noch nicht durch feierlichen Lehrspruch dogmatisiert ist, dann deswegen, weil die Kirche es nicht für notwendig gehalten hat, zu einer Definition zu schreiten. Aber das ordentliche allgemeine Lehramt hat durch 2000 Jahre immer gelehrt: Der Empfänger der Weihe ist gültigerweise nur der Mann.

Im Protestantismus werden nur Funktionen übertragen. Diese können auch Frauen ausüben. Warum nicht? Man ist in dieser Hinsicht ganz unbesorgt und kann eigentlich nur zustimmen, wenn der Protestantismus auch Frauen für seine Dienste einsetzt. Denn wenn nicht der Anspruch erhoben wird, den die katholische Weihe erhebt, nämlich Christus als den Hohenpriester abzubilden, dann ist nicht einzusehen, warum nicht auch Frauen das Wort ausrichten und die Sakramente spenden sollen.

Aber aus diesen Ausführungen ersehen Sie, meine lieben Freunde, daß die Kluft zwischen katholischer Weihe und protestantischer Ordination, zwischen katholischer Vollmacht und protestantischer Beauftragung unüberbrückbar ist. Über diese Gegensätze führt tatsächlich kein Weg. Und es ist unbegreiflich, wie das Buch „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ zu der Meinung kommen kann, diese Gegensätze seien nicht mehr kirchentrennend. Sie sind so kirchentrennend wie eh und je, ja sie sind verschärft worden, denn Luther selbst hat niemals daran gedacht, Frauen zu ordinieren. Die Gegensätze sind also vertieft worden. Sie sind heute von ganz anderer Gewalt, als sie im 16. Jahrhundert waren.

Es kann also niemals geschehen, meine lieben Freunde, daß das katholische Amt und das protestantische Amt (in der Sprechweise dieser Studie) gleichgestellt werden. Es gibt keine „Anerkennung der Ämter“, solange die katholische Kirche die (einzige) Stiftung Christi bleiben will. Das katholische Amt ist der Anerkennung nicht bedürftig, und das protestantische Amt ist der Anerkennung nicht fähig!

Amen.

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