Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Vom Wesen der Engel (Teil 2)

17. Oktober 1993

Die Personalität der Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Unter den vielen Wahrheiten unseres Glaubens, die heute von ungläubigen Theologen in Zweifel gezogen werden, ist auch die Wahrheit von der Existenz der Engel. Sie behaupten, die Engel als personale Geistwesen existierten nicht. Schon Papst Pius XII. hat im Jahre 1950 in seiner Enzyklika „Humani generis“ auf „einige“ hingewiesen, welche bezweifeln, daß die Engel personale Geistwesen seien. Die Leugnung der Engel hat eine alte Geschichte. Im Judentum zur Zeit Jesu gab es mehrere Parteien, und eine dieser Parteien waren die Sadduzäer. Von diesen Sadduzäern berichtet die Heilige Schrift, daß sie weder an die Auferstehung noch an das Dasein von Engeln glaubten.

Die Kirche hat unerschütterlich und ohne Unterbrechung immer an der Existenz von Engeln festgehalten. Auf dem IV. Laterankonzil im Jahre 1215 hat sie feierlich als Dogma des Glaubens definiert: „Gott hat in seiner allmächtigen Kraft zu Anfang der Zeit in gleicher Weise beide Ordnungen der Schöpfung aus dem Nichts geschaffen, die geistige und die körperliche, das heißt, die Engelwelt und die irdische Welt, und dann die Menschenwelt, die gewissermaßen beide umfaßt, da sie aus Geist und Körper besteht.“

Dieser Glaubenssatz ist vom I. Vatikanischen Konzil im Jahre 1870 wörtlich wiederholt worden, und dieses Konzil hat noch hinzugefügt: „Wer sich nicht schämt, zu behaupten, es gäbe nur Körperliches, der sei ausgeschlossen.“

Leider, muß man sagen, hat das II. Vatikanische Konzil das Wort „Engel“ nicht verwendet. Aber immerhin ist in der Konstitution über die Kirche im 53. Kapitel die Rede  von den himmlischen und irdischen Wesen. Die himmlischen Wesen können natürlich keine anderen sein als die Engel. So dürfen wir also trauen, daß die Kirche unerschütterlich und unverändert am Dasein der Engel festhält. Sie steht dabei auf dem Boden der Heiligen Schrift. In der Heiligen Schrift werden die Engel als Geister, Boten, Gesandte, himmlische Heerscharen, als Söhne Gottes und als Wächter bezeichnet. Im Alten Testament ist oft und immer wieder von den Engeln und ihrem Eingreifen in die menschliche Geschichte die Rede. Als Gott die ersten Menschen aus dem Garten Eden vertrieb, da stellte er die Cherube auf, die den Eingang zum Paradiese bewachen sollten, damit der Mensch nicht wieder hineinginge und zum Baum des Lebens gelangte. Abraham machte die Erfahrung von Engeln, als die Städte Sodoma und Gomorrha verwüstet werden sollten. Engel führten Lot hinweg aus den dem Untergang geweihten Städten und wehrten Männern, die mit ihm Böses treiben wollten, den Eingang in sein Haus. Moses hatte Erscheinungen von Engeln. Der Engel des Herrn sprach im brennenden Dornbusch zu ihm. Engel zogen vor dem Volke her, als es aus Ägypten ins gelobte Land marschierte. Josue wurde von einem Engel aufgefordert, die Stadt Jericho einzunehmen. Engel spielen immer wieder in der Geschichte der Propheten eine Rolle. Als Elias in Angst auf der Flucht vor der Königin Jezabel in der Wüste unter einem Ginsterstrauch einschlief, da stieß ihn ein Engel in die Seite und gab ihm zu essen und zu trinken, damit er in der Kraft dieser Speise zu dem gottgesetzten Ziele finden könne. Isaias, der König unter den Propheten, der Evangelist unter den Propheten, sah die Engel, wie sie Gott priesen und sangen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen!“ Und von der Gewalt dieser Stimme bebten die Schwellen des Saales. Ezechiel, der Prophet des Exils, sah die Cheruben in einer leuchtenden Wolke. Daniel, ebenfalls ein Prophet des Exils, hatte Engelserfahrungen und Engelserscheinungen. Zacharias, wiederum ein Prophet, sah Engel, die ihm das Schicksal des Volkes vorausverkündigten.Engel, wo wir also hinschauen im Alten Testament.

Aber jetzt kommen zwei Einwände. Zwei Einwände, meine lieben Christen, die ich Ihnen auseinandersetzen muß, weil sie Ihnen von halbgebildeten Theologen vorgetragen werden, um den Engelglauben zu erschüttern. Es ist nämlich erstens eine Tatsache, daß in den biblischen Büchern, die nach der Verbannung des israelitischen Volkes nach Babylon geschrieben sind, die Engel häufiger vorkommen als in den vorexilischen Büchern. Also was vor 500 geschrieben ist, hat weniger Stellen von den Engeln, als was nach 500 geschrieben ist. Wie ist das zu erklären? Da sagen die Feinde der Engellehre: Ja, die Engellehre ist aus Persien und Babylonien in das Alte Testament eingedrungen. Was ist darauf zu antworten? Es ist zunächst einmal erfreulich, daß auch die Perser und Babylonier an die Engel glaubten. Woher kommen sie zu dem Glauben? Sie kommen zu diesem Glauben aus einer Uroffenbarung. Es hat sich eben in ihnen etwas erhalten von dem, was Gott am Anfang der Menschengeschichte den Menschen geoffenbart hat, nämlich daß es Geistwesen gibt, die unter seinem Befehl stehen und die seine Weisungen ausführen. Ein Stück dieser Uroffenbarung hat sich bei Babyloniern und Persern erhalten. Und es ist durchaus denkbar, daß dadurch der biblische Engelglaube einen neuen Auftrieb bekommen hat. Er ist nicht dadurch erzeugt worden, aber er ist dadurch gefördert worden. Und die Offenbarungsgläubigen konnten eben aus dem Wust von abstrusen und phantastischen Vorstellungen, den sie bei den umgebenden Völkern fanden, den wahren Engelglauben herauslösen.

Zwischen dem biblischen Engelglauben und dem persischen und babylonischen bestehen auch zwei große Unterschiede, nämlich: Der biblische Engelglaube ist frei von dem Wirrsal des Aberglaubens, und im biblischen Engelglauben sind die Engel Geschöpfe, nicht wie im babylonischen und persischen Gott gleich oder Gott ähnlich. Also es ist nichts damit, den biblischen Engelglauben aus den Vorstellungen der Babylonier und Perser ableiten zu wollen.

Der zweite Einwand geht darauf hin, daß der Engel des Herrn im Alten Testament an mehreren Stellen niemand anderer ist als Gott selbst. In verschiedenen Texten des Alten Testamentes wird der Engel des Herrn mit Gott gleichgesetzt. Man muß also annehmen, daß mit dem Engel des Herrn an diesen Stellen die Erscheinung Gottes, wie er in die Geschichte der Menschen eingreift, gemeint ist. Ich will Ihnen zwei Beispiele dafür geben: Als Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte, da fiel ihm der Engel des Herrn in den Arm: „Abraham, Abraham, lege nicht Hand an den Knaben und tue ihm nichts zuleide!“ Aber dann fährt dieser sogenannte Engel des Herrn fort: „Denn jetzt weiß ich, daß du gottesfürchtig bist und mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten hast.“ Mir! Das geht auf Gott. Der Engel des Herrn wird also an dieser Stelle mit Gott gleichgesetzt, und so müssen wir annehmen, daß es sich hier nicht um einen geschöpflichen, von Gott ausgesandten Boten handelt, sondern daß Gott hier selbst schöpferisch in die Geschichte des Menschen eingreift. Dasselbe ist anzunehmen bei der Erscheinung des Moses, der ja einen brennenden Dornbusch sah, der brannte, aber nicht verbrannte. Da erschien ihm der Engel des Herrn inmitten einer Feuerflamme, die aus einem Dornbusch herausschlug. Moses wollte hingehen. Als Gott, der Herr, sah, daß er herankam, um nachzuschauen, rief ihm Gott aus dem Dornbusch heraus: „Tritt nicht näher heran! Ziehe deine Schuhe von den Füßen!“ Also hier wird wiederum der Engel des Herrn wenige Zeilen später mit Gott gleichgesetzt, d.h. in diesem Falle ist genauso wie im ersten der Engel des Herrn nichts anderes als eine Erscheinung Gottes in der menschlichen Geschichte. Aber das ist nur an einigen wenigen Stellen der Fall. Auch im Alten Testament ist an vielen Stellen zu erkennen, daß die Engel Geschöpfe sind, weil sie nämlich von Gott unterschieden werden. Immer, wenn Boten von Gott „gesandt“ werden, dann können sie nicht mit Gott identisch sein, Gott kann sich ja nicht selber senden, nicht wahr? Wo also Gesandte Gottes auftreten, sind es echte Engel, Geschöpfe, Geistwesen, die die Befehle Gottes in der Geschichte der Menschen ausführen.

Zum Beispiel hat ein Engel des Herrn den David bestraft, weil er hochmütig war, als er eine Volkszählung veranstaltete. Er hat viele aus dem Volke niedergestreckt, und es ist gar keine Frage, daß dieser Engel ein Geschöpf Gottes ist, denn es wird ja hier in der Heiligen Schrift gesagt: „Da gereute den Herrn das Unheil und er befahl dem Engel, der das Verderben im Volke angerichtet hatte: 'Es ist genug. Ziehe deine Hand zurück!'„ Wo also der Engel von Gott unterschieden wird, da handelt es sich um ein eigenes, personales Geschöpf, das im Dienste Gottes steht. Und auch immer dann, wenn von vielen Engeln die Rede ist, handelt es sich um Geschöpfe und nicht um Erscheinungen Gottes, denn Gott ist einer. Ja, er ist einer, er kann sich nicht vervielfältigen. Vielfältig sind nur die Geschöpfe.

Das Gesagte ist also wichtig, meine lieben Freunde, um den Einwänden zu begegnen, die ja heute in der Luft liegen, die Ihre Kinder in der Schule von halbgläubigen Religionslehrern vorgetragen bekommen. Und Sie müssen wissen, daß diese Einwände widerlegbar sind, daß sie nicht durchschlagen.

Im Neuen Testament vollends ist überhaupt kein Zweifel, daß die Engel immer personale Wesen sind, und wir wissen ja, daß das Neue Testament voll ist von den Zeugnissen für die Engel. In der Geschichte Johannes' des Täufers und des Jesusknaben treten immer wieder Engel auf. Sie verkündigen die Geburt des Johannes des Täufers voraus und die Geburt Jesu. Der Engel Gabriel bringt  Maria die Botschaft, daß sie Mutter werden soll, und ein Engel weist den Josef darauf hin, daß das, was in Maria geschehen ist, vom Heiligen Geiste stammt. Engel künden den Hirten auf den Fluren von Bethlehem die Geburt des Messias. Engel jauchzen  über diese Geburt, die das Heil bringt. Engel warnen den Josef vor Herodes und führen ihn nach Ägypten und von Ägypten wieder zurück. Aber nicht nur in der Kindheitsgeschichte Jesu treten die Engel auf, sondern auch in seinem öffentlichen Leben. Er war ja in der Wüste, und da wurde er vom Teufel versucht. Aber dann, als er den Versucher abgewehrt hatte,  kamen Engel herzu und dienten ihm. Engel haben sich also nach dieser bestandenen Versuchung seiner angenommen. Und als er im Ölgarten vor seiner Gefangennahme steht, da sagt er zu den Jüngern: „Meint ihr nicht, daß mein Vater mir zwölf Legionen Engel schicken könnte?“ Die Legion zählt 6.000 Mann. Das sind also 72.000 Engel, immerhin, nicht wahr? Also der Herr ist sich gewiß, daß die Engelscharen ohne Zahl über alles groß sind. Aber wenn die Engel aufträten und seine Feinde in die Flucht schlügen, dann würde ja nicht erfüllt werden, was Gottes Plan ist, nämlich daß er durch Leiden die Menschheit erlösen soll. Aber es kam tatsächlich ein Engel zu ihm und tröstete ihn. Wiederum treten Engel auf bei der Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn. Engel weisen die Frauen auf das hin, was hier geschehen ist: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden!“ Und Engel erklären den Jüngern bei der Himmelfahrt, daß dieser Jesus, der jetzt aufgefahren ist, wiederkehren wird. Engel führen die junge Kirche in die Welt ein. Sie befreien einmal die Apostel und ein andermal den Petrus aus dem Gefängnis. Als Paulus durch einen Nordoststurm vor Kreta in Seenot gerät, da sagt ihm ein Engel: „Sei ohne Furcht, du mußt vor den Kaiser treten!“

Das Neue Testament bezeugt auch die unermeßlichen Engelscharen im Himmel, vor allen Dingen in der Apokalypse des Johannes. Da werden die Engel als gewaltige Wesen geschildert, die die Natur in ihren Händen tragen nach Gottes Willen. Einer schleudert ein Weihrauchfaß auf die Erde, ein anderer hält die vier Winde fest. Engel werden am Ende der Zeit ausziehen und die Gerechten von allen vier Winden zusammenführen und sie zum Weltgericht versammeln.

Das also, meine lieben Freunde, ist die Wahrheit von den Engeln, wie sie Gott uns geoffenbart hat. Die Engel sind personale Wesen, sie sind erhaben über alle menschliche Kraft und Weisheit. Das sind keine mythologischen Züge, sondern das ist der Ausdruck ihrer übermenschlichen Größe, die sie Gott, dem Schöpfer, verdanken. In den Dichtungen mancher Schriftsteller kommen Engel vor. Aber sie haben mit den biblischen Engeln nichts zu tun. Bei Hölderlin treten Engel auf, das sind die göttlichen Herren der heimatlichen Geschichte. Bei Rilke treten Engel auf, aber diese Engel sind nur die Garanten und Zeugen dafür, daß das Geistige dem Körperlichen überlegen ist. Mit den biblischen Engeln haben diese Vorstellungen nichts gemein.

Wir dürfen uns also freuen darüber, daß Gott die Engel geschaffen hat. Wir dürfen dankbar sein, daß Gott die Engel uns zur Seite gestellt hat, und wir wollen nicht versäumen, diesen gewaltigen Geistern unsere Ehrerbietung und unsere Dankbarkeit zu bezeugen, indem wir sie verehren und anrufen.  Amen.

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