Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Vom Wesen der Engel (Teil 1)

3. Oktober 1993

Die heiligen Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der gläubige Christ betet dreimal am Tage den Engel des Herrn. Der „Engel des Herrn“ ist jenes Gebet, das uns an die Menschwerdung unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus erinnert. Das Gebet heißt deswegen „Der Engel des Herrn“, weil es mit diesen Worten beginnt. „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft.“ Wenn wir also dreimal am Tage uns der Menschwerdung unseres Herrn erinnern, dann taucht gleichzeitig in unserem Geiste das Gedächtnis an den Engel auf, den Engel Gabriel, der Maria die Botschaft brachte.

Die Erinnerung an die Engel wird aber auch bei anderer Gelegenheit in uns wach. Schon im Eingang der heiligen Messe, beim Stufengebet, da wo der Priester und das Volk die Sünden bekennen, wird unter den Adressaten dieses Bekenntnisses auch der Engel Michael genannt. Die Engel sind in der heiligen Messe mehrfach erwähnt, etwa, wenn wir im Sanktus die Engelscharen preisen, die Engelscharen anrufen und mit ihnen beten. Und wenn dann das Opfer auf dem Altare liegt, nach der Wandlung, da bitten wir darum, daß der Engel dieses Opfer auf den himmlischen Altar emportrage. Es ist deswegen angebracht, sich der Engel zu erinnern und drei Fragen zu stellen, nämlich

1. Was sind die Engel?

2. Was wirken die Engel?

3. Was schulden wir den Engeln?

Die erste Frage lautet: Was sind die Engel? Die Engel sind reine Geister. Sie sind also körperlos. Aber weil sie körperlos sind, sind sie nicht ein Nichts. Auch die Geister sind Wirklichkeiten. Es gibt eben sichtbare und unsichtbare Wesen, wie wir im Glaubensbekenntnis immer aussagen, und Gott ist der Schöpfer von beiden Wirklichkeiten. Er hat die sichtbare Welt geschaffen, er hat aber auch die unsichtbare Welt der Geister geschaffen.

Die Engel sind reine Geister. Sie verfügen über einen hervorragend ausgebildeten Verstand und einen starken Willen. Sie besitzen Kraft und Macht. Ihnen ist Schönheit und Schnelligkeit eigen. Gott hat sie mit einem Stück seiner Herrlichkeit ausgestattet.

Wenn wir uns die Engel vorstellen wollen und wenn wir sie gar abbilden wollen, dann können wir sie selbstverständlich nur mit irdischen Wirklichkeiten wiederzugeben versuchen, wie wir ja auch Gott Vater mit irdischen Wirklichkeiten zu bezeichnen versuchen. So werden die Engel dargestellt als Jünglinge. Warum denn als Jünglinge? Nun ja, weil eben die Jugend Schönheit und Kraft in sich birgt – normalerweise. Deswegen werden die Engel als Jünglinge dargestellt; manchmal auch als Mädchen. Die Engel haben ja kein Geschlecht. Geschlecht haben nur körperliche Wesen; die Engel haben kein Geschlecht. Deswegen ist es nicht falsch, sie als Mädchen darzustellen. Es soll eben damit ausgesagt werden, daß ihnen Frische und Anmut zu eigen ist.

Den Engeln werden Flügel zugeschrieben. Damit ist nicht eine Konkurrenz zu Flugzeugen oder Luftschiffen gemeint, sondern die Schnelligkeit, die Geschwindigkeit, die Raschheit, mit der sie sich bewegen. Sie sind ja nicht an Raum und Zeit gebunden wie die körperlichen Wesen, sondern können in einem Nu sich bewegen. Deswegen werden ihnen Flügel zugeschrieben.

Der Erzengel Michael wird mit einer Lanze abgebildet; nicht als ob er in einen irdischen Krieg zöge, nein, aber weil er von solcher Kraft ist, daß er die abgefallenen, die abtrünnigen Engel besiegt hat. Und so wird ihm ein Zeichen der Kraft und des Kampfes und des Sieges beigegeben.

Häufig werden Engel mit einer Tunika, also mit einem klerikalen Gewande angetan, abgebildet, mit Rauchfaß, mit Leuchtern. Diese Insignien wollen aussagen, daß die Engel ihren Hauptdienst in der Anbetung Gottes verrichten. Das ist ihre Hauptaufgabe. Das ist der Inhalt ihres Lebens, daß sie Gott anbeten und ihn verherrlichen. Und besondere Gewänder, Rauchfaß, Weihrauch, Leuchter sind eben Zeichen dieser Anbetung. Wir brauchen uns also nicht zu schämen, wenn wir in Kirchen Engelabbildungen finden. Sie sagen etwas Richtiges aus. Wir dürfen nur nicht meinen, daß die Vorstellungen, die wir uns davon machen, so, wie sie unseren Augen auffallen, in Wirklichkeit vorhanden wären, sondern es sind Hinweise auf Wirklichkeiten, die in den Engeln tatsächlich vorfindlich sind. Es gibt Engel – und wer diese Wahrheit leugnet, fällt aus dem Glauben der katholischen Kirche heraus. Und solche, die da herausfallen, gibt es in großer Zahl! Sie sagen, die Engel seien Personifikationen von Attributen Gottes, d.h. man habe Eigenschaften Gottes verpersönlicht. Aber das ist eine Irrlehre. Das ist ein Versuch, die Engellehre in einen Aberglauben zu verkehren. Die Engel sind wirkliche, von Gott verschiedene, geschaffene Wesen  und nicht Personifikationen, also von Menschen vorgenommene Verpersönlichungen göttlicher Eigenschaften.

Zweitens: Was wirken die Engel? Nun, schon bei der Beschreibung ihres Wesens ist klar geworden, daß der Dienst Gottes ihre Aufgabe ist. Sie dienen Gott. Und als reine Geister ist es ihre Aufgabe, Gott zu verherrlichen, Gott zu preisen, ihm den Lobgesang darzubringen, in den wir im Sanktus der heiligen Messe einstimmen. Sie verherrlichen Gott durch ihr Dasein, durch ihr Tun, ja durch ihr ganzes Wesen, durch ihre wunderbare Schönheit, Kraft, Schnelligkeit, Geschwindigkeit.

Gott benutzt aber die Engel auch zu Diensten an seiner Schöpfung. Er macht nicht alles selbst. Gott ist ein Gott der Zweitursachen, er bedient sich der Armen Seelen, der Muttergottes, der Menschen, aber auch der Engel, um zu seinen Zielen zu gelangen. Und so sendet er die Engel zu den Menschen, den Erzengel Gabriel zur Muttergottes, den Erzengel Raphael zu dem Tobias, und wir wissen aus der heiligen Schrift, daß Engel oft Aufträge Gottes erhalten und erfüllen. Im Traum wurde Josef, der Bräutigam Mariens, von einem Engel belehrt, was er tun soll. Das sind keine Phantasien, das sind keine erfundenen Erzählungen, das ist kein Ausdruck für psychologische Gegebenheiten, sondern das sind Wirklichkeiten. Die Engel wirken auf die Menschen ein im Auftrage Gottes.

Vor allem hat Gott jedem Menschen einen Schutzengel gegeben. Es ist Überzeugung der Kirche, daß nicht nur jeder Getaufte, sondern jeder Mensch einen Schutzengel besitzt, der die Aufgabe hat, den Menschen zum Heile zu führen. Ich sage noch einmal: Er hat die Aufgabe, den Menschen zum Heile zu führen. Wir dürfen uns vom Schutzengel kein falsches Bild machen. Er tut alles, was unserem Heile dient, was uns also zum Himmel führt. Er gibt uns gute Gedanken ein, er stärkt unseren schwachen Willen, er betet für uns, er trägt unsere Gebete zu Gott, er bewahrt uns vor seelischen und körperlichen Gefahren, wenn das unserem Heile nützlich ist.

Es ist aber nicht so, meine lieben Freunde, daß der Schutzengel eine Garantie ist vor der Versuchung und vor Schmerzen und Leiden. Wenn diese Versuchungen, Schmerzen und Leiden nach Gottes Willen notwendig sind zu unserem Heile, dann fällt ihm der Engel nicht in den Arm. Es darf also unser Engelglaube nicht erschüttert werden, wenn wir Versuchungen erleiden, wenn Schmerzen und Bitterkeiten über uns kommen.

In diesen Tagen erhielt ich einen Brief einer Ordensschwester aus Bayern, die ich schon viele Jahrzehnte kenne. Ich möchte Ihnen diesen Brief teilweise vorlesen. Da schreibt sie: „Nach einer Woche kam ich für vier Wochen nach Gauting in die Lungenfachklinik. Dort habe ich viel mitgemacht. Ein Stück der Lunge wurde entfernt. Ich habe eine schlimme Erkrankung, die nicht geheilt werden kann. Die Lungenbläschen verschwinden mehr und mehr, und die Lungenhaut wird immer dicker. Ich bekomme nur noch 40 % Sauerstoff und 1 Liter Luft in die Lunge, habe oft rechte Atemnot und brauche ein Sauerstoffgerät. In dieser Fachklinik in Gauting,“ so schreibt sie, „habe ich es erlebt, wie notwendig die Menschen uns doch brauchen. Die Patienten gingen auf mich zu. Die stärksten Männer weinten und suchten Trost und Zuspruch. Wie dankbar waren sie für mein Gebet und ganz einfach mein Da-Sein. Ärzte, Schwestern und Patienten nannten mich den Engel unserer Station. Ich sage das nicht meinetwegen. Ich habe nur gespürt, wie unser Zeugnis doch noch gebraucht wird. Dieses Erleben gab mir viel Trost und Freude. Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft. Mein Leben ist in Gottes Hand. Er läßt mich nicht fallen, und es geht ja zum ewigen Leben in seiner Herrlichkeit.“

Aus dem Schreiben dieser Ordensschwester sehen Sie, daß der Engelglaube nicht zusammenzubrechen braucht, wenn einem ein furchtbares Schicksal, nämlich der langsame, qualvolle Tod bevorsteht. Der Engel ist in Gottes Pläne insofern eingeweiht, daß er sie teilt und daß er mit ihnen mitwirkt. Auch in dieser Krankheit wird der Engel diese – nach meiner Meinung – heiligmäßige Schwester nicht verlassen. Er wird sie führen, denn das ist auch seine Aufgabe, er wird sie führen zum Tor des Todes und durch das Tor des Todes; denn die Engel sind unsere Geleiter an den Thron Gottes, vor seinen Richterstuhl. Sie sind bestellt, damit sie die absterbenden Menschen heimgeleiten zu Gott. Sie kommen ihnen sogar im Fegefeuer zu Hilfe, indem sie ihnen Gebete zuwenden, und ihren letzten Dienst leisten sie, wenn die durch Leiden geläuterten Seelen endlich, von ihnen geführt, die Anschauung Gottes genießen sollen. Dann erst ist ihr Dienst erfüllt.

Das also, meine lieben Freunde, ist das Wirken der Engel. Sie führen uns zum Heil, sie geleiten uns zu Gott, sie gewähren ihren Schutz, wo immer das nach Gottes Willen erforderlich und notwendig ist.

Und schließlich die letzte Frage: Was schulden wir den Engeln? Wir schulden ihnen Verehrung, Fürbitte und Freundschaft. Wir sollen sie verehren – und sie sind ja verehrungswürdig! Sie sind wunderbare, erhabene Geschöpfe Gottes! Wir schulden ihnen Verehrung auch wegen ihrer Wohltaten, wegen der zahllosen Wohltaten, die wir ihnen zu verdanken haben. Wer einigermaßen religiös wach ist, wer Menschen und Situationen, Kräfte und Mächte abzuschätzen weiß, der wird davon überzeugt sein, daß er in seinem Leben die Macht und die Hilfe der Engel schon verspürt hat. Es gibt so viele, für den gläubigen Menschen überzeugende Beweise für das Eingreifen der Engel in unser Leben. Und deswegen schulden wir ihnen dankbare Verehrung. Dankbarkeit müssen wir ihnen erweisen für das, was sie für uns getan haben und immer noch tun.

Wir schulden ihnen Fürbitte. Wir dürfen und müssen sie anrufen, ja sie wünschen, daß wir sie anrufen. Es ist ihr heißer Wunsch, uns zu helfen, aber gleichzeitig auch, nach Gottes Anordnung, so gefügt, daß ihre Fürbitte bei Gott erhört wird. Wir sollen also oft zu den Engeln beten, vor allem den Engel des Herrn beten. Wir sollen am Morgen und am Abend zu unserem Schutzengel beten, in besonderen Gefahren, bei Krankheiten, bei wichtigen Entscheidungen den Engel anrufen. Und Sie werden einmal spüren, meine lieben Freunde, wie diese Anrufungen von Gott erhört werden!

Wir schulden den Engeln Freundschaft, das heißt, wir müssen mit ihnen umgehen, wir müssen sie fragen, wie wir unser Leben gestalten sollen, welche Pläne wir fassen, welche Programme wir entwerfen sollen, wie wir uns an Wegkreuzungen unseres Lebens verhalten sollen. Der Engel spricht zu uns. Man muß nur auf ihn hören! Wenn man rein und selbstlos den Engel um seine Eingebungen bittet, wird er sie uns nicht versagen. Wir sollen also mit ihm verkehren, wie mit einem Freunde, der nicht enttäuscht. Menschliche Freunde enttäuschen oft, aber die himmlischen Freunde enttäuschen nie! Deswegen auch die Engel der Menschen anrufen, die uns lieb sind, die Engel unserer Angehörigen; die Engel derer anrufen, die uns feindlich gesinnt sind, die Engel unserer Feinde, daß sie ihre Wut mildern, besänftigen, daß sie ihnen gute Gedanken, Gedanken des Friedens eingeben. Wenn Sie das tun, meine lieben Freunde, Sie werden es spüren, wie mächtig die Engel sind und wie bereit, uns zu helfen! Kein Tag soll vergehen, ohne daß wir zu den Engeln beten. Der Dienstag ist der Engeltag. Ein besonderer Tag der Woche ist den Engeln geweiht. Deswegen feiere ich oft hier in der Kapelle am Dienstag die Messe von den heiligen Engeln.

„Die Engel halten ihre Stellungen noch immer. Dreh' einen Stein um, wag' den Flügelschlag! Das bist nur du, der Augen abgewandter Schimmer, der ihren Vielglanz nicht zu schau'n vermag.“ So hat ein englischer Dichter gedichtet. Wahrhaftig: „Die Engel halten ihre Stellungen noch immer. Dreh' einen Stein um, wag' den Flügelschlag! Das bist nur du, der Augen abgewandter Schimmer, der ihren Vielglanz nicht zu schau'n vermag.“

Amen.

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