15. Juni 2025
Der Heilige Geist in der Stunde der Gefahr
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der Heilige Geist ist eine göttliche Person. Er ist auch eine lebendige Kraft. Er macht sich bemerkbar im täglichen Leben der Geistträger, immer vorausgesetzt, dass sie sein Wirken nicht hindern. Eine besonders gefährliche Situation für die Christen tritt ein, wenn sie wegen ihres Glaubens vor Gericht gestellt und angeklagt werden. Da müssen sie für ihre Hoffnung Rechenschaft legen. Werden sie in dieser Lage der Angst und der Gefahr die rechten Worte finden, um sich zu verteidigen? Der Herr hat den Christen, die in solche Fährlichkeiten kommen, Hilfe zugesagt. Er hat ihnen die Verheißung des Beistands des Hl. Geistes gegeben. „Wenn sie euch vor Gewalten und Mächte schleppen, dann seid nicht besorgt, wie oder was ihr zu eurer Verteidigung sagen oder was ihr reden sollt. Der Heilige Geist wird euch in jener Stunde lehren, was gesagt werden muss“ (Lk 12). Es lässt sich zeigen, dass diese Verheißung in Erfüllung gegangen ist. Hier haben wir Gelegenheit, aus der Erfahrung, aus der Geschichte zu ersehen, dass es einen Hl. Geist gibt. Ich möchte Ihnen einige Beispiele seines Beistands vorführen.
Der gelehrte Philosoph Justin stammte von heidnischen Eltern. Nach vergeblichem Suchen der Wahrheit bei den Philosophen fand er im Christentum die Philosophie, die ihn überzeugte. Er kam nach Rom, wo sich ihm Schüler anschlossen. Aufgrund der Anzeige des kynischen Philosophen Creszenz wurde er verhaftet und dem (römischen) Stadtpräfekten Rusticus im Jahre 166 zur Verurteilung vorgeführt. Zu Beginn des Verhörs erhielt er Gelegenheit zu kurzer Erläuterung seines christlichen Glaubensbekenntnisses. Mit unverhohlener Neugier wandte sich der Präfekt an Justin: „Höre, du sogenannter Mann des Wortes, der du glaubst, die wahre Weisheit zu besitzen. Wenn du jetzt ausgepeitscht und hingerichtet wirst, glaubst du dann in den Himmel aufzusteigen?“ Justin antwortete: „Ich vertraue fest darauf, dass ich dort wohnen werde, wenn ich dies alles erdulde.“ Und nochmals drang der Präfekt in ihn: „Du meinst also wirklich, du würdest in den Himmel auffahren, um dort irgendwelchen zuverlässigen Lohn in Empfang zu nehmen?“ Justin antworte: „Das meine ich nicht nur, sondern das weiß ich ganz genau, ich bin ganz erfüllt von dieser Gewissheit.“ Auf die Drohung des Präfekten, dass er mit der Bestrafung nicht zögern werde, wenn Justin und seine Gefährten nicht alsbald den Göttern das schuldige Opfer darbrächten, erklärte Justin: „Unser sehnsüchtiges Verlangen geht dahin, für unseren Herrn Jesus Christus zu leiden, um so gerettet zu werden.“
Perpetua und Felicitas waren zwei jugendliche Martyrinnen. Sie legten im Jahre 202 das Zeugnis für Christus ab. Perpetua war eine jungverheiratete Patrizierin aus der Umgebung Karthagos, Felicitas war ihre ebenfalls jungverheiratete Sklavin. Beide waren Taufbewerber. Die Taufe wurde ihnen im Kerker gespendet. Die gebildete Perpetua hat über die Zeit im Gefängnis tagebuchartige Notizen hinterlassen. Beide wurden zum Verhör auf dem Forum der Stadt Karthago gebracht. Der Vater Perpetuas kam mit ihrem Kind und versuchte, sie vom Podium herabzuzerren mit den Worten: „Hab’ doch Mitleid mit deinem Jungen!“ Auch der Statthalter Hilarius, der das Verhör durchführte, sagte: „Nimm doch Rücksicht auf die grauen Haare deines Vaters. Schone dein kleines Kind. Bring das Opfer dar für das Heil des Kaisers!“ Perpetua antwortete kurz und knapp: „Nein.“ Der Statthalter richtete angesichts der brüsken Weigerung Perpetuas noch die übliche Frage an sie: „Bist du Christin?“ „Ja“, erwiderte sie, „ich bin Christin.“ Alsbald verkündete er das Urteil: Er verurteilte die Glaubenszeugen „zu den Bestien“, den wilden Tieren. „Da stiegen wir fröhlich wieder in den Kerker hinab“, schrieb Perpetua. Felicitas wurde zeitgleich von den Wehen ergriffen. Sie quälte sich bei der Niederkunft (im 8. Monat) sehr ab und litt große Schmerzen. Da sagte ein Gefängniswärter zu ihr: „Wenn du jetzt schon so schreist, was willst du dann tun, wenn du den wilden Tieren vorgeworfen wirst?“ Felicitas antwortete: „Was ich jetzt leide, das leide ich. Dort aber wird ein anderer in mir sein, der für mich leiden wird; denn ich werde ja auch für ihn leiden.“
Thomas More war eine Zeitlang Lordkanzler des Königs Heinrich VIII. von England. Als dieser sich zum Haupt der Kirche von England erklärte und von seinen Untertanen einen Eid auf diese Anmaßung forderte, trat er von seinem Amt zurück und lehnte die Eidesleistung ab. Er wurde verhaftet, vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Thomas, als hervorragender Jurist, wies Punkt um Punkt der Anklageschrift zurück. „Kein Gesetz der Welt – und auch dieses nicht – kann einen Menschen deswegen bestrafen, weil er schweigt. Man kann nur Worte oder Handlungen bestrafen. Gott allein ist Richter über unsere inneren Gedanken.“ Der Ankläger beeilte sich zu sagen, dass jeder loyale Untertan gehalten sei, zu antworten. More: „Jeder loyale Untertan hat mehr Pflichten gegen sein Gewissen als gegen den Rest dieser niederen Welt, vorausgesetzt dass sein Gewissen – wie meines – nicht Ärgernis oder Aufruhr verursacht; und ich bescheinige Ihnen, dass ich niemals einem lebenden Wesen das geoffenbart habe, was in meinen Gewissen ist.“ Man hielt ihm vor, er habe die gegen Luther gerichtete Schrift des Königs Heinrich VIII. „Behauptung der sieben Sakramente“ zusammengestellt, die nun eine Waffe in der Hand des Papstes gegen den König sei. More antwortete: Seine Beteiligung an der Schrift sei lediglich oberflächlich gewesen. Er habe im Gegenteil den König davon abhalten wollen, die Autorität des Papstes zu übertreiben, was der König aber nicht annahm. Einer der Richter verwies More darauf, er wolle klüger sein als die (englischen) Bischöfe, die Universitäten und die aufgeklärtesten Geister, welche das Gesetz, wonach der König das Oberhaupt der Kirche ist, gebilligt haben. More entgegnete: Er habe diese Frage sieben Jahre lang untersucht und niemals gelesen, dass ein weltlicher Fürst das Recht habe, Haupt der Kirche zu sein. Er schloss: „Für einen Bischof, der Eurer Meinung ist, habe ich 100; für ein Parlament habe ich die Konzilien, die seit 1000 Jahren abgehalten wurden; und für ein Königreich habe ich die gesamte Christenheit.“ Gegenüber Thomas Cromwell, der rechten Hand des Königs Heinrich VIII., der den Prozess gegen More vorantrieb, äußerte er: „Ich bin ein treuer Untertan Seiner Majestät und sein Diener zu jeder Stunde des Tages. Ich spreche nichts Böses, ich denke nichts Böses, ich wünsche allen Gutes. Wenn dies nicht ausreicht, einen Menschen am Leben zu halten, dann bestehe ich nicht darauf zu leben.“ Der Herzog von Norfolk, der es gut meinte mit More, sprach warnend zu ihm: „Die Ungnade des Königs bedeutet Tod.“ More entgegnete: „Ist das alles, mein Lord? Wahrhaftig, ist zwischen Ihnen und mir ein Unterschied, wenn ich heute sterbe und Sie morgen?“ Nachdem der Kanzler das Todesurteil verlesen hatte, sprach More sein letztes Wort: „Wir lesen in der Apostelgeschichte, dass der selige Apostel Paulus beim Tod des hl. Stephanus anwesend war und die Kleider derer bewachte, die ihn steinigten. Und doch sind sie alle beide Heilige im Himmel und Freunde auf ewig. Ebenso, obwohl Sie, meine Herren, auf Erden Richter über mich gewesen sind und Sie mich verurteilt haben, vertraue ich darauf und bitte Gott von ganzem Herzen, dass wir uns glücklich im Himmel wiederfinden mögen für unser ewiges Heil. Ich wünsche, dass der allmächtige Gott seine Majestät den König beschütze und ihm weise Ratgeber sende.“
Unter der Herrschaft Hitlers wurden viele gläubige Christen, nicht selten aus nichtigen Gründen, festgenommen und in Strafprozessen verurteilt, häufig zu der Todesstrafe. Bernhard Lichtenberg, der Dompfarrer von Berlin, wurde verhaftet und vor Gericht gestellt, weil er in seinem Gotteshaus öffentliche Gebete für alle bedrängten Menschen verrichtet hatte. Deswegen zur Rede gestellt. Bernhard Lichtenberg entgegnete in aller Ruhe: „Ich bete jeden Abend mit meiner Gemeinde u.a. für die schwerbedrängten nichtarischen Christen, für die Juden, für die Gefangenen in den KZ, für die zum Unglauben, zur Verzweiflung und zum Selbstmord versuchten Menschen, für die Millionen Flüchtlinge, für die Soldaten hüben und drüben, für die bombardierten Städte in Freundes- und Feindesland, für das Vaterland und die Führer des Volkes.“ Er erhielt eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren mit der Aussicht der Einweisung ins KZ. Das Protokoll des Verhörs vom 25.10.1941 vor der Gestapo Berlin ist uns erhalten. Lichtenberg erklärte seine eindeutige Haltung: „Ich lehne die Evakuierung der Juden (mit all ihren Begleiterscheinungen) innerlich ab, weil sie gegen das Hauptgebot des Christentums gerichtet ist ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘. Ich erkenne auch im Juden meinen Nächsten, der eine unsterbliche, nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Seele besitzt. Ich bitte um die Erlaubnis, deportierte Juden und Judenchristen in die Verbannung zu begleiten, um ihnen dort als Seelsorger zu dienen.“ Er ergänzte seine Erklärung: „Ich bekämpfe falsche Grundsätze wie absichtliche Tötung angeblich lebensunwerten Lebens, Judenverfolgung usw.“ Der Richter fragte: „Vertreten Sie diesen Standpunkt auch von der Kanzel herab?“ Lichtenberg antwortete: „Ja.“ „Danach geben Sie zu, dass Sie staatliche Maßnahmen nicht billigen?“ „Die aus den eben genannten Grundsätzen fließenden Maßnahmen billige ich nicht.“ „Es dürfte Ihnen klar sein, dass durch die soeben geschilderten Ansichten, die von Ihnen auch öffentlich vertreten werden, eine Beunruhigung der Volksgemeinschaft eintreten kann?“ „Diese Beunruhigung kann nur verhindert werden, indem man falsche Maßnahmen unterlässt.“ Bei dem Verhör am 27. Oktober 1941 wurde Lichtenberg gefragt: „Wollen Sie Ihre Stellungnahme zu den Predigten des Bischofs von Münster geben?“ Antwort: „Ich bin innerlich froh und erleichtert, dass dieser mutige Bischof so apostolisch gepredigt hat, und bejahe alles, was er in den Predigten sagte.“
Der Offizier Ewald von Kleist wurde am 3.2.1945 vor Gericht gestellt. Er erklärte offen, er habe immer und mit allen Mitteln gegen Hitler und den NS gekämpft und halte diesen Kampf für ein von Gott verordnetes Gebot. Nur Gott werde sein Richter sein. Kleist wurde zum Tode verurteilt. Er nahm das Urteil mit Ruhe und Gelassenheit entgegen. In seinem Schlusswort sprach er die Richter so an: „Die Hinnahme des Todesurteils wird mir leichter fallen, als es Ihnen fallen wird, das Todesurteil zu verhängen.“ Der Feldmarschall von Witzleben, der ebenfalls zum Tod durch den Strang verurteilt wurde, rief dem vorsitzenden Richter zu: „Beeilen Sie sich mit dem Hängen, sonst hängen Sie eher als wir.“ Diese Männer, ausnahmslos gläubige Christen, hatten das Fürchten verlernt. Der katholische Rechtsanwalt Joseph Wirmer rief Freisler zu: „Wenn ich hänge, habe nicht ich die Angst, sondern Sie.“ Als dieser ihn unterbrach: „Bald werden Sie in der Hölle sein“, erwiderte er, der wusste, dass Freisler weder an den Himmel noch an die Hölle glaubte: „Es wird mir ein Vergnügen sein, wenn Sie bald nachkommen, Herr Präsident.“
Ich habe Ihnen einige Beispiele dafür vorgelegt, dass Christus seine Verheißung, er werde den um seines Namens willen Verfolgten eingeben, was sie reden sollen, erfüllt. Die erwähnten Personen waren ausnahmslos bekennende Christen. Sie glaubten an den dreifaltigen Gott, sohin auch an den Hl. Geist, den Herrn und Lebensspender. In ihnen erwies er sich in der gefahrvollsten Stunde ihres Lebens als der mächtige Beistand. Ihr Verhalten angesichts der Todesdrohung lässt sich nicht natürlich erklären. Was so große Dinge hervorbringt, kann nicht die Natur, es muss die Gnade sein. Es ist der Geist der Gnade, der in den Gläubigen gewirkt hat.
Noch ist es in unserem Land nicht so weit, dass überzeugte katholischen Christen wegen ihres Glaubens verfolgt, verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Aber die Zeichen stehen auf Sturm. Der aggressive Hass gegen die katholische Kirche und ihre Glieder wuchert von Tag zu Tag. Keine Macht dieser Erde schützt uns. Was den Zeugen vergangener Zeiten und anderer Länder geschehen ist und heute geschieht, dass kann morgen oder übermorgen uns widerfahren. Wenn wir verhaftet und vor Gericht gestellt werden, wenn man von uns die Absage an Christus und die Kirche fordert, wie werden wir uns verhalten?
1. Wir werden beten, zu Gott flehen, ihn bitten, dass der bittere Kelch des Leidens an uns vorübergehe. Diese Bitte dürfen wir wagen, weil unser Herr sie uns gelehrt hat. 2. Wir werden überlegen, wie wir uns verteidigen können. Unser Glaube ist ein vernünftiger Glaube. Er gibt uns die Wahrheit und ihr Verständnis. Es mangelt uns nicht an Argumenten. 3. Wir werden vertrauen. Vertrauen auf den, der verheißen hat: „Wenn sie euch vor Gewalten und Mächte schleppen, dann seid nicht besorgt, wie oder was ihr zu eurer Verteidigung sagen oder was ihr reden sollt. Der Heilige Geist wird euch in jener Stunde lehren, was gesagt werden muss.“
Amen.