4. Mai 2025
Die Wahrheit der Auferstehung Christi
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Frage, ob man die leibliche Auferstehung Jesu als geschichtliche Tatsache annehmen kann, taucht nicht erst nach geraumer Zeit auf, als man sie nicht mehr als sicheres Ergebnis kontrollieren konnte; sie war akut schon vom ersten Anfang an, als sich die Kunde vom leeren Grab wie ein Lauffeuer verbreitete. Bei dem Ungewöhnlichen und Ungeheuerlichen der Behauptung ist das nicht verwunderlich. Und wenn die Kirche für die Osternacht und den Ostermorgen den Bericht vom leeren Grab wählt, so nicht so sehr deshalb, weil sie darin eine indirekte monumentale Bestätigung für die Auferstehung Christi erblickt, als vielmehr darum, um in feierlicher Weise die erste Reaktion auf das Fehlen des Leichnams zu betonen, nämlich Bestürzung und Verwunderung. Gerade deshalb schildert die Heilige Schrift die Grabesszenen so ausführlich, um darzutun, dass die damaligen Auferstehungszeugen weder leichtgläubig noch hysterisch waren. Somit ist von vornherein jede Legendenbildung und jeder Betrug ausgeschlossen. Es mussten handgreifliche Erlebnisse dazukommen, dass diese Zeugen der ersten Stunde an eine leibliche Auferstehung glaubten: wirkliche Begegnungen mit dem Auferstandenen selbst. Damit kommen wir zu der entscheidenden Frage. Es gehört zum Wesen des Glaubens, dass man ihn nicht beweisen kann. In dem Augenblick, in dem man etwas beweist, hört Glaube auf und Wissen beginnt. Auch die Evangelisten wollen die Auferstehung Christi nicht beweisen, sondern bezeugen. Und sie bezeugten die Osterbotschaft erst, als sie dem Auferstandenen begegneten, als sie ihn sahen, mit ihm redeten und mit ihm aßen. Die Glaubwürdigkeit der leiblichen Auferstehung Jesu beruht nicht auf dem leeren Grab, erst recht nicht auf Einbildung oder Betrug, sondern auf dem klaren, einhelligen Zeugnis derer, die den Auferstandenen persönlich gesehen und gesprochen und mit ihm gegessen haben.
Die Jünger haben den Auferstandenen wirklich gesehen. Er zeigte sich ihnen. Der Unsichtbare wurde sinnlich wahrgenommen. Es war ein Sehen mit den Augen des Leibes. Die Personenidentität des gestorbenen und auferweckten Christus ist offensichtlich. Es handelt sich bei seinem Sichtbarwerden um ein reales, leibhaftes Sich-Sehen-Lassen des verklärten Auferstandenen. Dieses wird unterstrichen erstens durch das Sprechen des Auferstandenen. Ein Toter spricht nicht. Wer spricht, kann nicht mehr tot sein. Was der Auferstandene spricht, ist, seinem früheren Lehrstil entsprechend, knapp, machtvoll und diskret, ganz und gar von dem Ernst und der Weihe des Augenblicks getragen. In den äthiopisch und koptisch überlieferten „Gesprächen Jesu mit seinen Jüngern“ wird dem Auferstandenen eine Reihe von Sentenzen und Lehrsprüchen in den Mund gelegt, die offensichtlich der schwülstig breiten Redseligkeit des Verfassers selbst entstammen. Die Evangelien bringen nichts dergleichen. Alle, die den Auferstandenen hören, erkennen: Es ist ein und derselbe, der vor und nach der Auferstehung zu ihnen spricht. Der Auferstandene widerspricht sich nicht. Er gerät nicht in Widerspruch mit seiner vorhergegangenen Verkündigung; er setzt sie fort und vollendet sie.
Das Sichtbarwerden des Auferstandenen wird zweitens unterstrichen durch das Essen. Die Aufnahme von Nahrung ist nur einem Lebenden möglich. Der verklärte Auferstandene bittet die Apostel, ihm etwas zu essen zu geben. Da reichten sie ihm ein Stück gebratenen Fisch und eine Honigscheibe. Die Zusammenstellung „Fisch und Honig“ wirkt auffällig. Dass man zu Fisch Honig genoss, beruhte auf einer damaligen medizinischen Ansicht. Sie wurde von Galenus, dem berühmten Arzt des Altertums, vertreten. Plinius der Ältere schreibt in seiner „Naturgeschichte“: „Der Honig ist ein Heilmittel gegen die Schäden, welche aus Fischspeisen entstehen.“ Es ist bezeichnend, dass gerade Lukas, der Arzt, dieses Rezept erwähnt. Er schreibt: „Jesus nahm es und aß vor ihren Augen.“ Der Apostel Petrus ergänzt die Aussage des Lukas, indem er hinzufügt: „Wir haben nach seiner Auferstehung von den Toten mit ihm gegessen und getrunken“ (Apg 10,41). Jesus wusste, wie unglaublich den Jüngern dies alles erschien. So kam er ihnen entgegen und reichte ihnen eine Kostprobe von dem Übriggebliebenen. Sie sollten sich selbst überzeugen.
Das leibhafte Sich-Sehen-Lassen des Auferstandenen wird drittens unterstrichen durch Berührung des verklärten Leibes. Dieser lädt sie dazu eigens ein: „Betastet mich!“ Wer die Hände und Füße des verklärten Auferstandenen berühren darf, der wird gewiss, dass er lebendig vor ihnen steht. Kein anderer als der Gegeißelte und Gekreuzigte, mit den Spuren seines Leidens, aber anders geworden. Der Apostel Thomas hatte sein Gläubigwerden an die Auferstehung des Herrn davon abhängig gemacht, dass er seinen Finger in das Mal der Nägel lege und seine Hand in die Seitenwunde. Es wurde ihn dies zuteil. Er durfte den handgreiflichen Beweis der Auferstehung erfahren.
Die Evangelien sind von Augenzeugen oder Zeitgenossen des Jesusereignisses verfasst. Auch die Apostelschüler wie der Evangelist Lukas berufen sich auf die Augenzeugen des Lebens Jesu. „Schon viele haben es unternommen, eine Darstellung der Begebenheiten zu verfassen, welche in unserer Mitte zum Abschluss gekommen sind. Auch ich habe mich dazu entschlossen, nachdem ich alle Ereignisse von den Anfängen an sorgfältig nachgeforscht habe“ (Lk 1,1-3). Dazu kommt: Die Evangelien wurden nicht bloß von Zeitgenossen Jesu niedergeschrieben, sondern auch für Zeitgenossen Jesu, d.h. für Menschen, die ebenfalls zur Zeit Jesu gelebt haben und alles genau nachprüfen konnten. Gegen etwaige Legendenbildung oder Fälschung spricht auch die Tatsache, dass noch bis zum Jahre 98 zumindest ein Augen- und Ohrenzeuge der Auferstehung Christi lebte, der Apostel Johannes, der in den Jahren 96-98 sein Evangelium verfasste und ebenfalls von der Auferstehung berichtete.
Noch wichtiger als das Zeugnis der Evangelisten, also der Freunde Jesu, ist das Zeugnis eines anderen Berichterstatters, an dessen Geschichtlichkeit niemand rütteln kann: das Zeugnis des Apostels Paulus. Er war ein Feind Jesu und hieß zuvor Saulus. Es müssen schon handgreifliche Tatsachen gewesen sein, die einen solchen Mann vom Verfolger Christi zu dessen größten Apostel machten. Dieser Apostel war außerdem sehr gebildet und gelehrt. Er hatte an der Universität Jerusalem studiert. Er wusste genau, dass seine Gegner ihn über die Richtigkeit seiner Aussagen kontrollieren können. Deshalb berief er sich ausdrücklich auf „noch lebende Zeugen“, nämlich sämtliche Apostel und mehr als 500 Brüder, denen Jesus „auf einmal zugleich“ erschienen ist, ja, zuletzt sogar ihm selbst „gleichsam als einer Missgeburt“ (1 Kor 15, 3-8). Das ist das älteste literarische Zeugnis der Auferstehung Christi, niedergeschrieben im Jahre 57. Paulus legt Wert darauf, Zeugen anzuführen, die den auferstandenen Jesus gesehen, ihn gehört und mit ihm gesprochen haben. Das ist ein Zeugnis, so klar und deutlich, dass man es nicht besser verlangen kann. Lebende Zeugen sind es, die der Apostel ausruft; man hat also, wenn man ihm nicht glauben will, noch Gelegenheit, ihn zu widerlegen; aber man macht keinen derartigen Versuch. Man verbietet ihm nur das Predigen darüber. Doch er lässt nicht davon ab, immer wieder darauf hinzuweisen, dass er „nicht etwa Wahnideen nachhänge“, sondern betont die Wichtigkeit und Richtigkeit seines Auferstehungsberichtes. Er deckt mit letzter Konsequenz auf: Wäre Christus nicht auferweckt, so wäre unser Glaube keinen Schuss Pulver wert und alles wäre Lüge (1 Kor 15, 14-17). Gibt es noch eine bessere Bestätigung für die Wahrheit des Jonaswunders an Jesus?
Zum Schluss noch eine entscheidende Frage: Ist sie wirklich so wichtig? Antwort: Ja! Die Auferstehung Jesu von den Toten ist mehr als eine bloß geschichtliche Tatsache. Sie ist der eklatanteste Beweis für die Gottheit Christi. Mit der Auferweckung Jesu hat der einzige Gott das Leben und Wirken, vor allem die Verkündigung und das Selbstbewusstsein Jesu bestätigt. Ein unerhörtes Wunder hat das unerhörte Wirken des Nazareners beglaubigt. Gott selbst hat seine Unterschrift unter dieses Leben und Sterben gesetzt. Darum ist dieses Wunder wie alles übrige in der Heiligen Schrift aufgezeichnet, damit ihr, wie Johannes ausdrücklich betont (Joh 20,21), „glaubt, dass Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“. Gerade um dieses Zentraldogmas willen sind wir späterern Christen angewiesen auf die Zuverlässigkeit der „von Gott vorherbestimmten Zeugen“ (Apg 10,40).
Die Auferstehung Jesu ist die Grundlage und Voraussetzung auch unserer leiblichen Auferstehung, wie Paulus im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes betont: „Jesus ist auferstanden, darum werden auch wir auferstehen.“ Ostern ist zum Schicksalstag der Menschen geworden, ein Ereignis von kosmischer Bedeutung (Paul VI., 29. März 1964). Für uns Menschen ist die Auferweckung Christi Bürgschaft unserer eigenen Auferstehung und persönlichen Unsterblichkeit. Vom Grab Christi her hat der unzerstörbare Glaube an das ewige Leben seinen tatsächlichen Beweis gefunden. An das ewige Leben glaubten auch die Ägypter, Perser und Griechen. Neues hätte das Christentum ohne die Osterbotschaft nicht gebracht. Was das Christentum Neues brachte, war der Beweis der tatsächlichen Auferstehung von den Toten. Sie hat begonnen mit der Auferweckung des Nazareners Jesus. Sie wird sich vollenden am Jüngsten Tage.
Christus ist auferstanden; er ist wahrhaft auferstanden. Kein Einwand kann diese Botschaft unterdrücken. Sie duldet keinen Widerspruch. Die Osterbotschaft hat dem Christentum die Welt erobert. Der Osterjubel konnte nicht ertränkt werden im Blut der Martyrer, nicht erstickt werden im Gewimmel moderner Irrlehren. Gottes Verheißung bürgt dafür, dass er sich bis zum Tage der Wiederkunft Christi zum welterschütternden und gräbersprengenden Osteralleluja aller Erdenkinder steigern wird. Der Unglaube hält nur das für wirklich, was immer und jeden Tag passiert. Gott aber ist imstande, Werke zu vollbringen, die einmalig sind. Eben das ist Jesu Auferstehung. Zu der leibhaftigen Auferstehung des gekreuzigten Nazaräers gibt es in der Geschichte keine Parallele. Das Ostergeschehen ist einzigartig und einmalig. Derselbe Gott, der das Weltall aus Nichts hervorgebracht hat, hat den Tod Jesu überwunden. Wer Gott nicht zutraut, dass er das All erschaffen hat, dem ist nicht zu helfen, wenn er die Botschaft von der Auferstehung Jesu nicht annehmen will. Wären die Werke Gottes nur so groß, dass sie von der Vernunft des Menschen leicht begriffen werden könnten, so wären sie eben darum nicht wunderbar, nicht unaussprechlich zu nennen. „Wer die Majestät erforschen will, den zerdrückt ihre Herrlichkeit (Spr 25,27).
Amen.