Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. April 2025

Das Grab ist leer, der Held erwacht

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Dies ist die größte Woche in der Geschichte der Welt seit der Schöpfung.“ Sagte der amerikanische Präsident Nixon bei der Rückkehr der ersten Astronauten vom Mond. Doch diese Worte kritisierte der amerikanische Evangelist und Nixonfreund Billy Graham. Er sagte: Diese Erklärung habe der Präsident wohl nicht recht überdacht. Der Tag der Geburt Jesu und der Tag seiner Auferstehung hätten wesentlich größere Bedeutung für die Menschheit. Ja, mit Jesus, mit seiner Menschwerdung und mit seiner Auferstehung von den Toten steht und fällt das Schicksal der Menschheit. Sind wir uns dessen bewusst?

Eine Frage: Kann man nicht schon das leere Grab als Beweis für Jesu Auferstehung anführen? Die Antwort lautet: Nein. Das leere Grab hat schon damals nicht überzeugt, weder die Frauen noch die Jünger. Es musste etwas Eklatantes dazukommen, um die Überzeugung von dem Lebendigwerden Jesu zu begründen, wirkliche Erscheinungen des aus dem Grabe Erstandenen. Doch das Auferstehungserlebnis der Jünger enthielt auf jeden Fall ein objektives, äußerlich sichtbares, anschauliches, exakt nachweisbares, kontrollierbares Element, eben die Tatsache des leeren Grabes. Ohne diese Tatsache wäre der beharrliche, lebendige Auferstehungsglaube der Apostel von ihren eigenen geistigen Voraussetzungen aus unbegreiflich. Jede Theorie, die davon absehen zu sollen glaubt, die nur von rein subjektiven Erlebnissen in Galiläa spricht, ohne zugleich das leere Grab zu nennen, verrät sich dadurch als das sterile Erzeugnis eines geschichtslosen, geschichtsfeindlichen Aufklärertums. Jesus hat das Wunder seiner Auferstehung vorausgesagt. Wegen dieser bestimmten Voraussage wurde der Leichnam Jesu bewacht. Kein Grab wurde so behütet wie das Grab Christi. Dass es dennoch am Ostermorgen leer war, ist eine Tatsache, die niemand leugnen konnte und auch niemand geleugnet hat, weder die Freunde noch die Feinde Jesu. Wäre es nicht leer gewesen, hätte man ja den Aposteln mit ihrer Auferstehungspredigt einfach den Leichnam Christi entgegengehalten. Das tat man nicht, weil man es nicht konnte, denn der Leichnam war nicht mehr da. Damit ist bereits der Versuch erledigt, die Botschaft der Apostel von der Auferstehung Christi dahin zu verstehen, dass man sagt, sie hätten sich eingebildet, den Auferstandenen zu sehen. Die Apostel (und die frommen Frauen) hätten in hochgradiger Überreizung der Nerven gemeint, Jesus zu sehen, und schon hätten sie ihn gesehen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Apostel mit ihrer angeblichen „Einbildung“ nicht allein blieben, sondern mit ihr öffentlich gegen den Hohen Rat auftraten. Welch ein gewonnenes Spiel für letzteren, wenn einer das Grab geöffnet und den Leichnam vorgezeigt hätte! Wenn aber das Grab leer war – und es war leer ‒, die „Einbildung“ der Apostel konnte es nicht entleeren! Der Leichnam Jesu ließ sich nicht herbeibringen.

Angesichts des leeren Grabes sucht der Unglaube nach einem Ausweg: Betrug! Man hat den Leichnam gestohlen. Entweder Jesu Feinde oder seine Freunde haben den Leichnam beseitigt. Dass Jesu Feinde ihn nicht entfernt haben, bedarf keiner langen Widerlegung. Sie hatten ja das größte Interesse an dessen Existenz, um so die unbequeme Predigt der Apostel zum Schweigen zu bringen. So bleiben nur die Freunde Jesu übrig. Damit kommen wir zur Diebstahlhypothese. Sie wurde gleich anfangs von den Juden aufgebracht (Mt 28,15). Es ist aber schlecht um diesen Erklärungsversuch bestellt. Denn die Soldaten, die sich selbst das schlechteste Zeugnis ausstellen, konnten geschlafen haben wie die Murmeltiere: das Wegwälzen des großen Steines musste ein Geräusch machen, dass auch ein Siebenschläfer wach werden musste. Merkwürdig ist auch, dass alle schliefen, obwohl sie als Wachposten unter Todesstrafe zum Wachen verpflichtet waren. So fügte es die göttliche Vorsehung, dass, wer der Wahrheit entfliehen will, in den Abgrund der Lächerlichkeit fällt. Schon Augustinus sagt: „Haben sie geschlafen, wie konnten sie sehen, dass Jesus gestohlen worden ist; haben sie aber nicht geschlafen, wie konnten sie den Diebstahl zulassen?“ Ganz abgesehen davon: Was hätten die Apostel mit dem gestohlenen Leichnam anfangen wollen? Mit der Leiche eines Hingerichteten kann man keinen Staat machen; damit kann man auch keine Kirche bauen. Damit die Welt betrügen? Aber wozu denn? War für sie die Verkündigung der Lehre Christi eine gewinnversprechende Sache? Wussten sie nicht, was ihnen von Seiten der Heiden sowohl als der Juden harrte? Sie haben es gewusst und auch erfahren. Die Handlungsweise der Juden beweist übrigens, dass sie selbst nicht an ihre Behauptung vom Diebstahl glaubten, da sie die Tatsache der Auferstehung verschleiern wollten, indem sie den Wachposten heimlich Geld anboten (Mt 28,11). Statt Bestrafung erhalten die Wachposten Schweigegeld! Unerklärlich wäre auch die Umwandlung der Apostel aus furchtsamen, hoffnungslos niedergebeugten Menschen zu mutigen Bekennern ihres Meisters. Durch Betrug wird man nicht mutig. Für einen Betrug lässt man sich nicht geißeln, einsperren oder hinrichten. Es ist psychologisch unmöglich, dass Betrüger derart von ihrem eigenen Betrug berauscht und fasziniert würden, dass sie die selbstgeschaffene Illusion für Wahrheit nähmen und in den Tod gingen. Betrüger, die mit dem klaren Bewusstsein betrügen, dass ihr Betrug nicht den kleinsten Gewinn, sondern nur Schmach, Armut, Not und Tod einbringen, und Betrüger, die fortan auf Grund ihres Betrugs ein Leben der Entsagung und Hingabe führen, hat die Weltgeschichte noch nicht gesehen.

Seltsames Wort! Ein Toter kann sich nicht selbst entfernen. Wiederum ein Entweder – Oder. Entweder war der Bestattete nicht tot oder er ist wieder lebendig geworden. Damit kommen wir zu einer weiteren Ausrede, zur Scheintodhypothese. Sie ist ebenso albern wie die anderen Hypothesen. Scheintod ist der Zustand tiefer Bewusstlosigkeit, in dem die Vitalfunktionen (v.a. Atmung, Herztätigkeit, Reflexe) so weit reduziert sind, dass sie ohne spezielle Hilfe nicht mehr feststellbar sind, die Minimalfunktionen aber eine gewisse Zeit die Versorgung der lebenswichtigen Organe gewährleisten, weshalb nicht alle Todeszeichen ausgeprägt sind. Das eben sei bei Jesus der Fall gewesen. Die Scheintodhypothese ist die Lieblingsauskunft derer, die das Evangelium natürlich erklären. Danach sei Jesus nicht am Kreuz gestorben; er sei nur scheintot gewesen. Der Lanzenstich habe ihm eine Erleichterung des Herzens gebracht. Die Kühle des Grabes und der Duft der Salben hätten ihn allmählich aus der Ohnmacht erweckt. Er sei im Grab wieder aufgewacht und habe das Grab verlassen. Die Soldaten seien, von Entsetzen gepackt, davongelaufen. Wir fragen: Wie sollte Jesus alles das, was ihm an Qualen zugemutet wurde, lebend überstanden haben? Die Erschütterung des Verrats, die Erregung der Gefangennahme, den zweifachen Prozess vor dem Hohen Rat, der mit dem Todesurteil abschloss, die Auslieferung an die Römer, die Überstellung an Herodes und die Verspottung bei ihm, den Prozess vor Pilatus, das Urteil, das auf Hinrichtung am Kreuz lautete, die Geißelung und Verhöhnung durch die Soldaten, das Schleppen des Kreuzesteils durch die Straßen Jerusalems, die Entblößung, die Annagelung von Händen und Füßen, die Aufrichtung des Kreuzes, den Blutverlust, die giftigen Schmähungen der Feinde. Wie sollte Jesus das alles überstanden haben, ohne dem Tod zu verfallen? Und selbst wenn entgegen aller vernünftigen Überlegung er noch lebend vom Kreuz genommen wäre: Wie sollte er aus dem Grab entkommen? Wie konnte der Todkranke den schweren Stein wegwälzen, was den Frauen unmöglich schien (Mk 16,3)? Was sollte der todkranke Jesus den Jüngern nützen? Er konnte nicht ermutigen, nicht begeistern. Wie sollten die Jünger bei solchem Anblick den Gedanken einer glorreichen Auferstehung schöpfen?

Sehen wir näher um nach den Zeugen seines Todes, um uns von ihnen seinen Totenschein ausstellen zu lassen. Ob ein Mensch gestorben ist oder nicht, ist eine geschichtliche Frage. Sie wird beantwortet durch glaubwürdige Zeugen. Haben wir glaubwürdige Zeugen, die den Tod Jesu am Kreuze erweisen? Wenn Christus nicht am Kreuz gestorben ist, wo ist er dann gestorben? Zu welcher Zeit? An welcher Art des Todes? Den Tod Christi am Kreuze bezeugen die Freunde Christi, vor allem Johannes, der selbst unter dem Kreuz stand. Sodann der heidnische Hauptmann, der von Pilatus amtlich beauftragte Totenbeschauer. Den Tod bezeugen aber auch die Feinde Jesu, vor allem die Juden. Für sie ist jetzt auf Kalvarias Höhe die Stunde, die langersehnte Stunde gekommen, um den verhassten Nazarener zu beseitigen. Sie wollten seinen Tod, und sie überzeugten sich gründlich, ob er wirklich tot war. In ihrer Botschaft an Pilatus, mit der sie diesen um eine Grabeswache angingen, sagten sie ausdrücklich: „Als dieser noch lebte.“ Also waren sie überzeugt, dass er nicht mehr am Leben war. Den wirklichen Tod Jesu bezeugen auch die Soldaten, die beauftragt waren, den drei Gekreuzigten zur Beschleunigung ihres Todes die Gebeine zu zerschlagen. Sie vollführten diesen Auftrag an den zwei anderen, an Christus aber nicht, weil sie sahen, dass er schon tot war. Dass er als erster der drei Hingerichteten starb, ist alles andere als verwunderlich. Denn er hatte viel mehr als sie gelitten und ausgestanden. Die Scheintodhypothese Jesu ist lächerlich. Um jedoch gegen jede Täuschung sicher zu sein, stieß ihm einer der Soldaten seine Lanze in die Seite, so dass aus der Wunde Blut und Wasser floss. Kein Zweifel: Blut und Wasser fließt aus dem durchstoßenen Herzen. Ein Mensch mit einem durchstoßenen Herzen ist ein im Herzen getroffener und damit dem Tod verfallener Mensch.

Wenn man behauptet, der Leichnam Jesu sei in eine Verbrechergrube geworfen und deshalb von den Jüngern nicht mehr gefunden worden, dann stellt man ohne Grund sämtliche biblische Quellen, die einstimmig das Begräbnis Jesu bezeugen, als lügenhaft hin, ohne auch nur den leisesten Beweis dafür antreten zu können. Dabei übersieht man, dass Jesus nach römischem Recht verurteilt und hingerichtet wurde. Das römische Recht kannte aber keine Verbrechergrube. Es überließ die Leiche der richterlichen Verfügung. Übrigens wäre der Leichnam Jesu auch in diesem Fall noch aufzufinden gewesen. Warum holte man ihn nicht aus der Grube heraus oder verwies wenigstens auf sie, um damit den beginnenden Osterglauben im Keime zu ersticken? Warum ließ die jüdische Obrigkeit die Osterzeugen stattdessen lieber ins Gefängnis werfen und mit Ruten geißeln?

Damit haben wir alle Möglichkeiten geprüft, die in Frage kommen, um das Leerwerden des Grabes zu erklären. Das Ergebnis unserer bisherigen Untersuchungen ist: Das Grab ist leer, aber nicht Freunde und nicht Feinde haben den Leichnam beiseitegeschafft; auch der Gedanke eines Scheintodes kommt nicht in Frage. Also bleibt nur eines: Der Tote ist wieder lebendig geworden aus göttlicher Macht. Er ist auferstanden von den Toten, wie die Apostel verkündet haben.

Die apostolischen Urzeugen und Evangelisten nehmen es ernst mit der Tatsache der Auferstehung als solcher. Sie wissen, dass ihre ganze Osterbotschaft einzig und allein auf der Gewissheit aufruht, dass Christus wahrhaft und wirklich auferstanden ist. Darin erblicken sie die eigentliche Substanz ihres Apostelamtes, Zeugen der Auferstehung zu sein. Es war ihnen wohl bewusst, dass nach dem Willen Gottes und des Herrn Jesus Christus auf der Einmaligkeit ihres Ostererlebnisses, auf der Verlässigkeit ihrer Sinne, ihres Urteils, ihres Entscheids der Glaube aller folgenden Generationen gründe, dass diese folgenden Generationen nicht selber sehen und urteilen würden, sondern ihrem Sehen und ihrem Urteilen vertrauen müssten. Gerade hierin wurzelt ihr apostolisches Hochgefühl, ihr frommer Stolz, Apostel Jesu Christi zu sein, dass gerade sie, ihr Augenblick, ihre Einmaligkeit, ihr individuelles Sehen und Urteilen nach dem Willen Christi eine übergeschichtliche, eine zeitlose Geltung haben sollte; dass sie nicht bloß zufällige, sondern authentische, von Gott berufene, von Christus auserwählte, mit Zeichen und Wundern beglaubigte Zeugen für alle kommenden Generationen seien. Die Apostel predigen von der Auferstehung Christi nicht nur, weil sie wissen, sondern weil sie müssen. „Ein Zwang“ treibt sie dazu. „Wehe“, wenn sie das Evangelium „nicht verkünden“ (1 Kor 9,16). In ihrem Osterzeugnis steckt nicht nur die Zuversicht des Augenzeugen. Es steckt darin das bedrückend erhebende Wissen um ihre Sendung, die ganze Verantwortlichkeit eines von Gott Berufene, eines Propheten, eines Bekenners und Martyrers. In der Kraft des Heiligen Geistes wurden die Jünger Zeugen des Auferstandenen „in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samaria und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 2,33). Wohl war ihre Zeugenschaft in Schmach, Entbehrung und unsägliche Not getaucht. Aber aus all dieser bitteren, harten Not drang immer wieder ergreifend und sieghaft ihr Jubelruf in die Welt: „Er ist auferstanden, des sind wir Zeugen – nicht bloß so wahr wir leben, sondern so wahr wir sterben.“

Amen.

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