6. April 2025
Worte der Tröstung
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Vom Heiland sind in seiner Passion auch Worte der Tröstung ausgegangen. Wir wundern uns darüber. Hat er nicht selbst der Tröstung bedurft? Warum fragen wir nicht: Wer hat ihn getröstet? Aber wir wissen schon, dass es im Psalm über ihn heißt: „Ich habe gewartet, ob einer mit mir trauere. Und es war keiner da. Einen Tröster habe ich gesucht, aber keinen gefunden.“ Ist es vielleicht immer so, dass diejenigen, die keinen Trost haben, Tröster für andere sein müssen? Von dem leidenden Herzen des Heilands ist in seiner Passion ein Strom der Tröstung ausgegangen. Betrachten wir die Worte der Tröstung, die er gesprochen hat. Er hat zwei Seelen getröstet, die keinen Trost mehr hatten. Dann hat er eine Seele getröstet, die keinen Trost mehr hoffte. Schließlich hat er viele Seelen getröstet, die keinen Trost mehr wollten.
Zwei Seelen hat er getröstet, die keinen Trost mehr hatten: seine Mutter und seinen Lieblingsjünger Johannes. Da stand seine Mutter neben dem Kreuz, an dem ihr Sohn hing in Todesqualen, hilflos. Auch sie kann ihm nicht helfen. Das ist das Ende der schönsten aller Mutterschaften, die es gab. Maria war eine Mutter, und das war ihr Sohn. Wer kann beschreiben, was er ihr gewesen ist und was sie ihm bedeutet hat. Um einen Abschiedsschmerz, um eine Trennung zu ermessen, müsste man wissen, wie nahe zwei Seelen, zwei Herzen einander gewesen sind. Die Nähe zweier Menschen misst man nicht mit Namen, sondern man misst sie an der Größe und Reinheit, an der Kraft und Güte dieser zwei Menschen. Je größer und reiner, je gütiger und vollkommener sie sind, um so näher können sie einander kommen. Um so furchtbarer ist dann auch die Trennung bei solchen Menschen, die sich so nahe waren. Was bedeutete die sichtbare Gegenwart Jesu für Maria, die Mutter? Der Engel hatte es ihr am Tag der Verkündigung gesagt: „Der Herr ist mit dir.“ Solange sie Jesus sah, haben ihre Augen, ihre Hände, ihre Gefühle ihr gesagt: Ja, wahrhaftig, der Herr ist mit mir, Gott ist bei mir. Und nun ist es zu Ende. Nun wird der Herr nicht mehr bei ihr sein. Da stand auch Johannes, der Lieblingsjünger. Auch er hat mehr verloren in dieser Stunde als alle übrigen Apostel und Jünger. Seine junge Seele hat im Heiland ihre Heimat, ihr Zuhause, ihre Geborgenheit gefunden. Und nun sollte er den Meister verlieren.
Wahrhaftig, diese beiden Seelen hatten nichts mehr, keinen Trost, wenn Jesus von ihnen ging. Er hat sie aber getröstet. Und wie? Er hat keinen Versuch gemacht, ihnen den Abschied zu ersparen. Er hat gewusst, dass jede Liebe, auch die Liebe seiner Mutter, auch die Liebe seines Herzens, immer wieder wundgerissen werden muss durch Abschiednehmen. Aber er hat sie getröstet, indem er zu ihnen sprach, zu jedem ein kleines Wörtchen. Das war schon ein Trost, dass er überhaupt sie noch anredete. Und wahrhaftig, Maria hörte noch einmal sein Wort, an sie gerichtet: „Frau“, sagte er, „siehe da deinen Sohn.“ Und dann sagte er, zu Johannes mit den Augen und dem Kopf gewendet: „Siehe dort deine Mutter.“ Was bedeuten diese Worte? Sie bedeuten zunächst nicht, dass er diesen beiden Seelen einen Ersatz für ihr bisheriges Glück geben wollte. Nein, das Glück, das sie bisher besessen haben, ist zu Ende. Dafür gibt es keinen Ersatz. Ein solcher Sohn kann nicht ersetzt werden, durch keinen Tausch. Der heilige Bernhard hat ganz recht, wenn er diese Mutter so bedauert. Er sagt: Für Jesus bekam sie Johannes, für den Herrn bekam sie den Knecht, für den Meister bekam sie den Jünger, für den Sohn Gottes bekam sie den Sohn des Zacharias, für den wahren Gott einen bloßen Menschen. Nein, das ist kein Tausch, das ist kein Ersatz. Was bedeuten also Jesu Worte? Sie bedeuten eine neue Richtung, einen neuen Anfang, einen neuen Inhalt, eine neue Aufgabe. Siehe deinen Sohn, sagt er zu seiner Mutter. Das sollte heißen: Mutter, ich weiß, was du mir gewesen bist, wie du mich gepflegt hast, wie du mich gesucht hast. Ich weiß, was du mir noch alles Liebe antun möchtest, wie du mich herabnehmen möchtest vom Kreuze, wie du meine Schmerzen besänftigen möchtest; ich weiß, wie reich deine Mutterliebe noch ist, wie unbegrenzt und unerschöpflich. Darum gebe ich dir wieder einen Sohn. Was du mir hast tun wollen, tue es ihm. Er sei dein Sohn. Auf ihn gehe der Segen deiner Mutterschaft über. Darin lag der Trost, den er ihr bieten konnte. Das ist der Trost, den er noch vielen bieten wird. Er wird ihnen sagen: Ich weiß, dass du den Meister bedienen möchtest, dass du ihm nachfolgen möchtest. Siehe da, deinen Heiland! Der Mensch, für den du da bist, der Mensch, dem du dienen sollst, der Mensch, der auf dich angewiesen ist. Siehe da, das ist dein Heiland. Und zu einer anderen wird er sagen: Ich weiß, dass du den Gekreuzigten abnehmen möchtest vom Kreuz, ich weiß, dass du ihn auf deinem Schoße bergen möchtest. Siehe da, diesen armen, diesen leidenden, diesen verlassenen Menschen, den ich zu dir schicke. Siehe da, das ist dein Gekreuzigter, den du an dein Herz nehmen sollst.
So sprach er auch zu Johannes: Siehe, deine Mutter! Ich weiß, dass du bisher bei mir eine Heimat hattest, dass du an meinem Herzen zu Hause warst. Nun aber soll ein anderer Mensch bei dir eine Heimat finden. Nun sollst du einen anderen tragen, deine Mutter sollst du tragen. Wie ein liebender Sohn seine alte Mutter trägt, so gebe ich dir meine Mutter. Und von dieser Stunde an, heißt es in seinem Evangelium, nahm Johannes, der Jünger, Maria zu sich. Für ihr ganzes Leben. Er sah in ihr das Erbe, das Vermächtnis seines Meisters. So sind diese zwei Menschen eins geworden für ihr Leben, weil Jesus sie verbunden hat.
Es wird wohl so sein, dass wir nur dann einen Menschen zu uns nehmen können, wenn Jesus, wenn Gott uns diesen Menschen gibt. Wenn wir in diesem Menschen ein heiliges Vermächtnis sehen. Wenn wir in ihm etwas Verehrungswürdiges sehen. Wenn wir zu diesem Menschen aufblicken wie Maria zu dem Sohn, den Jesus ihr gab; wenn wir zu dieser Frau aufblicken, wie Johannes zu der Mutter aufblickte, die Jesus ihm gab, so voll Ehrfurcht, Zartheit, Verehrung, Hingabe und Treue. Es ist auf die Dauer sehr schwer, ein Geschöpf zu sich zu nehmen. Aber wenn Jesus sterbend sagt: Siehe da, nimm es an dein Herz, nimm es zu dir, dann ist es möglich.
Sodann hat der Heiland eine Seele getröstet, die keinen Trost mehr hoffte. Das war der Schächer, der rechte. Wahrhaftig, er hatte nichts mehr zu hoffen. In den nächsten Stunden muss er sterben, unter großen Qualen. Nur der Tod bleibt ihm noch auf dieser Welt, und dann, in der anderen Welt, die ewige Verdammnis, wie er dachte. Und das alles mit Recht. Er sagt es selbst: Es geschieht uns recht für die Missetaten, die wir begangen haben. Er hat nichts mehr zu hoffen. Aber siehe da, nun erwacht noch einmal in ihm ein Wunsch, nicht eine Hoffnung, aber ein Wunsch. Er hat den Herrn betrachtet, der neben ihm hing am Kreuze. Und da fing sein Herz an zu schlagen, da flog seine Liebe, die sein Leben lang gebunden war, auf einmal empor und ward frei und schlug diesem Mitgekreuzigten entgegen, eine große, wundervolle Liebe. Ja, wenn er diesem Jesus früher begegnet wäre, dann wäre alles anders geworden. Aber nun hat er nichts mehr zu hoffen. Nur einen Wunsch hat er noch. „Jesus“, sagt er, „gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst.“ Ich weiß nicht, ob er diesen Wunsch für sehr groß und kühn oder für sehr klein gehalten hat. Vielleicht dachte er, das sei ein ganz kleiner und bescheidener Wunsch. Als der Prasser in der Hölle seine Augen erhob und den Lazarus sah in unendlicher Ferne, wollte er einen Tropfen Wasser haben. Das war unmöglich; denn es ist eine unübersteigbare Kluft zwischen Himmel und Hölle, und niemand kann hinüberkommen. Dieser Schächer aber wollte nichts haben, nicht einmal einen Tropfen Wasser. Nur ein Gedenken, ein ganz kleines, winziges Gedenken, einen einzigen Gedanken. Vielleicht kam ihm das nicht wichtig und groß vor. Er wird ja in wenigen Stunden in ewigem Dunkel begraben werden; in ewiger Verlassenheit, in ewiger Hoffnungslosigkeit wird er liegen. Aber ein Herz wird einmal seiner gedenken. Vielleicht erschien ihm das auch groß. Denn sein ganzes Leben lang hat niemand seiner gedacht; er war immer ein Ausgestoßener. Wer hätte je für ihn einen Gedanken gehabt? Und weil er das nie gehabt hat, darum schien es ihm jetzt so tröstend und groß, dass wenigstens eine Seele seiner gedenken sollte. Er weiß wahrhaftig nicht, wieviel er da verlangt und wünscht. Wenn Jesus einer Seele gedenkt, dann ist das eine Gnade, dann ist das schon eine Auserwählung, dann ist das eine Wärme, eine Heimat, eine offene Pforte. Das ist die Rettung vor ewigem Verlorensein, wenn Jesus in seiner Herrlichkeit einer Seele liebreich gedenkt. So etwas Großes wünscht er sich, ohne es zu wissen. Und es ward ihm auch zuteil. „Wahrlich“, sagt der Herr, „heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Mit mir, also im Paradiese. Der Sinn ist nicht: Du wirst im Paradiese auch zugleich mit mir sein. Nein, du wirst bei mir sein, und das ist das Paradies. Er wird mit dem Heiland sein, und das ist das Paradies. Der Herr wird in die Welt der Toten hinabsteigen, aber das ist Paradies. Und wenn er in die Hölle hinabstiege, wer bei ihm ist, der ist im Paradies. Ist also der Herr nicht sehr freigebig gewesen gegen diesen armen Menschen? Eigentlich nicht; denn er hat nichts anderes ihm bieten können. Dieser Schächer wollte ja nicht Gesundheit oder Leben oder herabgenommen werden vom Kreuz; er wollte nicht Beendigung seiner Schmerzen. Er wollte nur ein Gedenken, er wollte nur ein kleines, winziges Plätzchen im Herzen Jesu; einen ganz kleinen Winkel wollte er in diesem Herzen. Und was kann der Heiland geben auf solch einen rührenden, großen und kühnen Wunsch? Da kann er nichts anderes als ihm ein Plätzchen geben in seinem Herzen. Und wer da auch nur einen kleinen Winkel hat, der ist schon ganz darinnen. Du wirst bei mir sein, von heute an, denn du wirst zu mir gehören, du wirst mein Freund, du wirst mein Genosse, mein Begleiter sein. So ward dieser Schächer getröstet.
Endlich wurden Seelen getröstet, die keinen Trost wollten. Das waren die Henker und das spottende Volk, die lästernden Priester und die große Schar der Feinde. Sie wollten gar nichts vom Herrn. Im Gegenteil! Sie wollten ihn wegstoßen, wegräumen, austilgen; sie wollten ihn zu Tode hämmern mit ihrem Hammer. Als der Heiland auf dem Kreuze lag und die Henker die Nägel in seine Hände und Füße trieben, ergriff ihn ein unsagbares Entsetzen vor dem Gräuel, der da geschah. Diese Menschen, was taten sie? Sie hämmerten das Leben selbst zu Tode; das ewige Licht selbst erlöschten sie. Den einzigen vielgeliebten Sohn des ewigen Vaters verstießen sie, den Jubellaut des ewigen Vaters erstickten sie, sodass nur noch ein schwaches Wimmern hörbar war. Was ist das ein furchtbarer Gräuel! Das kam dem Heiland zum Bewusstsein. Muss da nicht alles einstürzen, Himmel und Erde; muss da nicht alles Licht erlöschen, alles Leben zu Tode gehen? Der Vater selbst wird angegriffen in seinem einzigen Sohn. Der ewige Gott wird mit Feindseligkeit bedroht. Muss da nicht Gott aufstehen und sich wehren und zu einem vernichtenden Schlag ausholen? Wenn Gott sich wehren muss, dann stürzt alles ein. So ein Entsetzen packte sein Herz. Und da wollte er dem ewigen Vater entgegenlaufen mit seinem Fürbittrufen: „Vater, Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Es ist entsetzlich, was diese Menschen tun; es ist unfassbar, es ist unsagbar, aber sie wissen es nicht. Das ist ein Wort voll von Schrecken und voll von Trost zugleich. Es ist wahr, solche Dinge geschehen auf Erden, Attentate auf Gott selbst. Die Menschen sind imstande, ihre Hände zu erheben gegen die ewige Liebe; die Menschen sind imstande, Gott zu schlagen. Solche Furchtbarkeiten sind möglich und geschehen. Manchmal überfällt es uns wie ein Grauen. Menschen, die ein bisschen tiefer horchen und ein bisschen feiner hören und ein bisschen schärfer sehen, haben zuweilen den Eindruck, dass in dieser Welt, auf dieser Erde, in unserer Mitte furchtbare Dinge sich ereignen. Die Menschen sind entsetzlichster Gräuel fähig. Aber sie wissen es nicht. Ein Schleier liegt über ihren Augen. Ahnungslos sind sie, wie Kinder, und darum muss man immer wieder Mitleid haben mit ihnen und sagen: Ewiger Gott, verzeih ihnen. Aber es bleibt immer noch genug übrig auf dieser Erde, was auch grauenhaft ist, um das die Menschen aber doch wissen; wo man nicht sagen kann, sie wissen nicht, was sie tun. Der Heiland selbst nimmt das an beim Letzten Gericht. Da wird er ihnen sagen: Ihr habt mich Hungernden nicht gespeist; ihr habt mich Dürstenden nicht getränkt; ihr habt mich Gefangenen nicht erlöst. Dann werden sie sagen: Aber das wussten wir doch gar nicht, dass du Hunger habest, dass du Durst habest, dass du nackt und gefangen seiest. Dann wird er ihnen antworten: Ja, das habt ihr nicht gewusst. Aber dass euer Bruder hungert, dass euer Bruder dürstet, dass euer Bruder gefangen ist, das habt ihr gewusst, und darum werdet ihr verdammt. Es bleibt immer noch genug übrig, was ihr doch gewusst habt. Dass unsere Sünde zu Gottes Thron hinaufsteigt und Gott selbst bedroht, das können wir nicht begreifen. Aber dass unsere Sünde die Menschen mordet, dass sie die Menschen quält, das wissen wir schon. Dass unsere Sünde die Sterne vom Himmel reißt, das können wir nicht sehen. Aber dass unsere Sünde die Blüten der Erde befleckt und bricht, das sehen wir. Es bleibt also noch genug übrig, wo man nicht sagen kann, sie wissen nicht, was sie tun. Hat denn der Herr dafür keinen Trost gehabt? Hat er nur gebetet für das, was wir nicht wissen? O dann wollen wir ihn jetzt noch anflehen: Heiland, es ist nicht genug, dass du für das betest, was wir nicht wissen. Du musst auch beten für das, was wir wissen; für die Sünden, die wir wohl kennen, für die Gräuel, die wir begreifen. Das ist immer noch schrecklich genug. Und wenn dein Mund nicht dafür betet, so soll dein Blut, dein Herz dafür beten und rufen. Und die Stimme seines Blutes, die Stimme seines Herzens ist stärker als die Stimme seines Mundes.
Aus seinem Munde sind nur drei keine Trostworte gekommen: für seine Mutter und seinen Jünger, für den Schächer, für die Henker und die Schergen, für die Priester und das Volk. Aber aus seinem Herzen ist unendlich mehr Trost gekommen. Von seinem Kreuze ist unsere Erlösung ausgegangen. Sie hat keine Grenzen. Da ist alles eingeschlossen, alle Gräuel der Erde, die wir kennen, und die wir nicht kennen, die wir begreifen, und die wir nicht begreifen. So wollen wir in dieser Stunde zu seinem erbarmungsvollen Herzen flüchten. Und wir werden bekennen: Ich weiß um meine Sünde, und meine Missetat steht mir allzeit vor Augen. Aber erbarme dich, o Herr, erbarme dich. Denn deine Barmherzigkeit ist ohne Grenzen.
Amen